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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/199

Kün­di­gung bei leich­ter Pflicht­ver­let­zung mit dem Ri­si­ko ei­nes ho­hen Scha­dens

Falsch ge­bucht: Kei­ne Kün­di­gung we­gen Flüch­tig­keits­feh­ler: Ar­beits­ge­richt Duis­burg, Ur­teil vom 02.07.2009, 1 Ca 731/09
Rechte Hand mit roter Karte Mit ei­nem ge­wis­sen Feh­ler­ri­si­ko müs­sen Ar­beit­ge­ber le­ben

29.10.2009. Feh­ler macht je­der, pas­sie­ren die­se je­doch am Ar­beits­platz, kann dies oft ei­nen mehr oder we­ni­ger gro­ßen Scha­den beim Ar­beit­ge­ber ver­ur­sa­chen.

In ei­nem sol­chen Fall kann dem Ar­beit­neh­mer, trotz lang­jäh­ri­ger Be­triebs­zu­ge­hö­rig­keit ei­ne or­dent­li­che oder au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung dro­hen.

Das Ar­beits­ge­richt (ArbG) Duis­burg hat­te kürz­lich über die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Kün­di­gung zu ent­schei­den. Ein lang­jäh­rig be­schäf­tig­ter Ar­beit­neh­mer war auf­grund ei­nes ein­ma­li­gen, leicht fahr­läs­si­gen Feh­lers ge­kün­digt wor­den, da die­ser "Flüch­tig­keits­feh­ler" ei­nen sehr gro­ßen Scha­den an­rich­ten konn­te, ArbG Duis­burg, Ur­teil vom 02.07.2009, 1 Ca 731/09.

Ge­rin­ge Pflicht­ver­let­zung ho­hes Scha­dens­ri­si­ko

Ver­letzt der Ar­beit­neh­mer Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis, muss er mit ei­ner Kündi­gung rech­nen. In Be­tracht kom­men dann ei­ne or­dent­li­che oder außer­or­dent­li­che Kündi­gung.

Für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung nach § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) be­darf es ei­nes be­son­de­ren wich­ti­gen Grun­des. Ein wich­ti­ger Grund ist ein ganz be­son­ders schwer­wie­gen­der Um­stand für ei­ne Kündi­gung, der dem Kündi­gen­den das Ab­war­ten der re­gulären Kündi­gungs­fris­ten un­zu­mut­bar macht. Da­bei müssen das Ge­wicht und die Fol­gen der Ver­trags­ver­let­zung da­ge­gen ab­ge­wo­gen wer­den, in wel­chem Maße dem Ar­beit­neh­mer ein Vor­wurf für den ver­ur­sach­ten Feh­ler zu ma­chen ist (In­ter­es­sen­abwägung).

Auch die or­dent­li­che ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung setzt ei­ne Ver­trags­ver­let­zung als Kündi­gungs­grund und ei­ne In­ter­es­sen­abwägung zu Las­ten des Ar­beit­neh­mers vor­aus. Vor ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung muss der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer grundsätz­lich zu­vor ab­mah­nen. Die Ab­mah­nung soll deut­lich ma­chen, dass ei­ne Pflicht­ver­let­zung in Zu­kunft nicht mehr hin­ge­nom­men wird.

Frag­lich ist, wie es sich aus­wirkt, wenn ei­ne ge­rin­ge, nur leicht fahrlässi­ge Pflicht­ver­let­zung zu ei­nem ho­hem Scha­dens­ri­si­ko führt. In die­sem Fall muss ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­abwägung statt­fin­den, in die al­le Fak­to­ren des Ein­zel­falls mit­ein­be­zo­gen wer­den. Da­bei spielt nicht nur die Höhe des mögli­chen Scha­dens, son­dern auch die Vor­ge­schich­te ei­ne Rol­le.

Mit die­sen Fra­gen hat­te sich das Ar­beits­ge­richt (ArbG) Duis­burg in sei­ner Ent­schei­dung zu be­fas­sen (Ur­teil vom 02.07.2009, 1 Ca 731/09).

Der Fall: 3,2 Mil­lio­nen EUR Scha­den durch Be­die­nungs­feh­ler

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer ar­bei­te­te seit fast 40 Jah­ren ta­del­los bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber. Er be­ar­bei­te­te Fälle mit zah­lungs­unfähi­gen Kun­den. Die­se Vorgänge mel­de­te er dann dem In­sol­venz­ver­wal­ter und den Ver­si­che­run­gen. Aus­ge­fal­le­ne For­de­run­gen soll­ten vom Kläger im Com­pu­ter­sys­tem ge­son­dert ge­kenn­zeich­net wer­den. Die­se For­de­run­gen wur­den dann an ei­ne Ge­sell­schaft ver­kauft. Das Kenn­zeich­nungs­sys­tem wur­de 2008 geändert. Dies wur­de dem Kläger in ei­ner ein­fa­chen E-Mail mit­ge­teilt. In der Fol­ge un­ter­lie­fen ihm meh­re­re Feh­ler. Er ver­gaß in ei­ni­gen Fällen die kor­rek­te Kenn­zeich­nung. Ei­ne nach­fol­gen­de Kon­trol­le fand nicht statt. For­de­rungs­ausfälle in Höhe von 3,2 Mil­lio­nen blie­ben so über ein Jahr lang un­ent­deckt. Dies hätte zu ei­nem großen Scha­den führen können, da der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet war, mögli­che For­de­rungs­ausfälle um­ge­hend der Ge­sell­schaft zu mel­den, der er die For­de­run­gen ver­kauf­te.

Der Ar­beit­ge­ber kündig­te nun außer­or­dent­lich, hilfs­wei­se or­dent­lich oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung. Der Ar­beit­ge­ber be­gründe­te sei­ne Kla­ge mit der Möglich­keit ei­nes ho­hen Scha­den­s­ein­tritts. Da­ne­ben ha­be der Kläger das be­son­de­re Ver­trau­en, dass ihm als Mit­ar­bei­ter der Scha­dens­fall­ab­wick­lung ent­ge­gen­ge­bracht wur­de, enttäuscht. Ein Mit­ver­schul­den sei­ner­seits lie­ge nicht vor. Nach­fol­gen­de Kon­trol­len wa­ren in der Ver­gan­gen­heit nicht nötig, da der Kläger stets feh­ler­frei ge­ar­bei­tet ha­be.

Der Kläger leg­te dar­auf­hin Kündi­gungs­schutz­kla­ge ein.

ArbG Duis­burg: Ar­beit­ge­ber ist dafür ver­ant­wort­lich, dass klei­ne Feh­ler nicht zu großen Schäden führen

Das ArbG Duis­burg ent­schied zu Guns­ten des Klägers und erklärte die strei­ti­ge Kündi­gung für un­wirk­sam.

Das ArbG Duis­burg tut sich be­reits schwer da­mit, in der Pflicht­ver­let­zung des Klägers ei­nen Kündi­gungs­grund zu se­hen. Es ent­schied, dass hier ein ty­pi­scher men­sch­li­cher Flüch­tig­keits­feh­ler vor­liegt, mit dem je­der Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­verhält­nis rech­nen muss. Auch wenn der Ar­beit­neh­mer mit ho­hen Ri­si­ken ar­bei­tet, ändert das an die­ser Sicht­wei­se nichts. Sol­che Feh­ler un­ter­lau­fen je­dem. Im Er­geb­nis sieht das ArbG Düssel­dorf in dem Feh­ler des Klägers noch ei­ne Pflicht­ver­let­zung, die los­gelöst vom Ein­zel­fall ei­ne Kündi­gung un­ter Umständen recht­fer­ti­gen könn­te.

Die In­ter­es­sen­abwägung geht dann aber ein­deu­tig zu Guns­ten des Klägers aus. Er hat über 30 Jah­re lang ein­wand­freie Ar­beit ge­leis­tet. Dies hat der Ar­beit­ge­ber aus­drück­lich bestätigt. Ei­ne so­for­ti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ist bei ei­nem ein­ma­li­gen Feh­ler nicht oh­ne wei­te­res möglich. Auch die Ge­fahr ei­nes Scha­den­s­ein­tritts in beträcht­li­cher Höhe ändert dar­an nichts. An­ge­mes­sen wäre hier ein­zig ei­ne Ab­mah­nung ge­we­sen.

Außer­dem muss sich der Ar­beit­ge­ber die man­geln­de Kon­trol­le der Mel­dung aus­ge­fal­le­ner For­de­run­gen ent­ge­gen­hal­ten las­sen. Er ist nämlich sel­ber dafür ver­ant­wort­lich, durch ge­eig­ne­te Kon­trol­len zu gewähr­leis­ten, dass klei­ne Feh­ler nicht zu großen Schäden führen.

Die Ent­schei­dung ist sach­ge­recht. Je länger der Ar­beit­neh­mer feh­ler­frei im Be­trieb ge­ar­bei­tet hat, des­to schwie­ri­ger wird ei­ne Kündi­gung. Ins­be­son­de­re bei ein­fa­chen Flüch­tig­keits­feh­lern oh­ne Vor­satz oder gro­be Un­acht­sam­keit muss der Ar­beit­neh­mer ei­ne Kündi­gung nicht hin­neh­men. Hat ein Ar­beit­neh­mer jah­re­lang feh­ler­frei ge­ar­bei­tet, muss ei­ner Kündi­gung zu­min­dest ei­ne Ab­mah­nung vor­aus­ge­hen.

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Letzte Überarbeitung: 24. August 2016

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