HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/221

Kün­di­gung bei Un­fall wäh­rend der Ar­beit

Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­neint Ver­stoß ge­gen Treu und Glau­ben: Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 27.05.2009, 3 Sa 74/09
Verkehrsunfall mit verletzter Frau und Sanitätern im Vordergrund Bei Ar­beits­un­fall Kün­di­gung?

30.11.2009. Wie schwer es für Ar­beit­neh­mer ist, sich ge­gen ei­ne Kün­di­gung zu weh­ren, die nicht dem Kün­di­gungs­schutz un­ter­liegt, zeigt ei­ne Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Schles­wig-Hol­stein, LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 27.05.2009, 3 Sa 74/09.

Kündi­gung oh­ne Kündi­gungs­schutz

Kündi­gungs­schutz nach den Vor­schrif­ten des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG) ge­nießt erst, wer mehr als sechs Mo­na­te im Be­trieb beschäftigt ist (§ 1 Abs. 1 KschG). Da­nach ist ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber zwar ge­ne­rell unmöglich, doch kann der Ar­beit­neh­mer die Kündi­gung im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren ge­richt­lich über­prüfen las­sen.

Vor Ab­lauf von sechs Mo­na­ten ist ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung da­ge­gen im All­ge­mei­nen oh­ne be­son­de­ren Grund möglich. Aus­nah­mes­wei­se kann ei­ne War­te­zeitkündi­gung aber trotz­dem un­wirk­sam sein, z.B. wenn sie "treu­wid­rig" im Sin­ne von § 242 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) ist. Durch die­se Vor­schrift wer­den Ar­beit­neh­mer aber letzt­lich nur vor willkürli­chen Kündi­gun­gen geschützt. Gibt es ei­nen ir­gend­wie ein­leuch­ten­den Grund für die Kündi­gung, ist sie in al­ler Re­gel nicht treu­wid­rig.

Aus Ar­beit­neh­mer­sicht be­son­ders "un­ge­recht" ist ei­ne War­te­zeitkündi­gung, die im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ar­beits­un­fall aus­ge­spro­chen wird: Wer sich während der Ar­beit ver­letzt und krank ge­schrie­ben wird, kann doch dafür nicht mit ei­ner Kündi­gung be­straft wer­den - würde man den­ken. Recht­lich ge­se­hen gibt es aber kein Ver­bot, ei­ne Er­kran­kung und/oder ei­nen Ar­beits­un­fall während der War­te­zeit zum An­lass für ei­ne Kündi­gung zu neh­men. Das hat das LAG Schles­wig-Hol­stein in bestätigt: LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 27.05.2009, 3 Sa 74/09.

Der Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein: Gerüstbau­hel­fer erhält nach an­geb­li­chem Ar­beits­un­fall die Kündi­gung

Der Kläger war als Gerüstbau­hel­fer bei der Be­klag­ten beschäftigt. Be­reits ei­nen Mo­nat nach Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses, al­so lan­ge vor An­wend­bar­keit des KSchG, stieß er mit dem Knie ge­gen ei­nen Ei­sen­rie­gel und wur­de für zunächst zwei Wo­chen ar­beits­unfähig krank ge­schrie­ben. Ob der Ar­beits­un­fall un­ver­schul­det war oder ob der Ar­beit­neh­mer die Ver­let­zung fahrlässig her­bei­geführt hat­te, ließ sich nicht klären. Der Ar­beit­ge­ber überg­ab dar­auf­hin ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung, ge­gen die der Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hob.

Da­mit hat­te er vor dem Ar­beits­ge­richt nur in dem Punkt Er­folg, dass die außer­or­dent­li­che Kündi­gung für un­wirk­sam erklärt wur­de. Die or­dent­li­che Kündi­gung blieb da­ge­gen ste­hen. In der Be­ru­fung vor dem LAG ar­gu­men­tier­te der Ar­beit­neh­mer, auch die or­dent­li­che Kündi­gung sei un­wirk­sam, weil sie ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toße. Letzt­lich ha­be der Ar­beit­ge­ber nur Ent­gelt­fort­zah­lungs­kos­ten spa­ren wol­len, und über­haupt sei ei­ne Kündi­gung als Re­ak­ti­on auf ei­nen Ar­beits­un­fall nicht rech­tens.

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein: Kündi­gung ist trotz Ar­beits­un­fall nicht treu­wid­rig

Das LAG bestätig­te die Wirk­sam­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung. Der Ar­beits­aus­fall in­fol­ge der Ver­let­zung reich­te als Sach­grund für die Kündi­gung aus. Dass die Kündi­gung im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ar­beits­un­fall erklärt wur­de, macht sie we­der willkürlich noch treu­wid­rig, so das LAG.

Der Vor­wurf, der Ar­beit­ge­ber ha­be mit der Kündi­gung Lohn­fort­zah­lungs­kos­ten spa­ren wol­len, ließ sich nicht auf­recht er­hal­ten, denn der Ar­beit­ge­ber hat­te über die Be­en­di­gung hin­aus gemäß § 8 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz (EFZG) Lohn­fort­zah­lung ge­leis­tet. Hier hat­te er al­so durch die (or­dent­li­che) Kündi­gung nichts ge­spart.

Fa­zit: Das Ur­teil geht in Ord­nung. Ar­beit­ge­ber brau­chen vor Ab­lauf von sechs Mo­na­ten kei­nen Grund für ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung. Dem­ent­spre­chend können sie frei bzw. "aus dem Bauch her­aus" ent­schei­den, ob sie kündi­gen wol­len oder nicht. Un­ter sol­chen Umständen kann man kei­ne all­ge­mei­nen Kündi­gungs­ver­bo­te auf­stel­len und z.B. be­haup­ten, ei­ne Kündi­gung als Re­ak­ti­on auf ei­ne Er­kran­kung und/oder ei­nen Ar­beits­un­fall sei im All­ge­mei­nen treu­wid­rig.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Letzte Überarbeitung: 24. August 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (2 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de