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Keine Diskriminierung wegen der Weltanschauung
04.12.2009. In dem vorliegenden Fall lehnte der Arbeitgeber eine Bewerberin ab, die bei der Stasi gewesen war, weil deshalb eine Störung des Betriebsfriedens zu erwarten war.
Interessant an der Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin ist dabei vor allem, wie allgemein im Lichte der Antidiskriminierungs-Gesetzgebung zu verfahren ist, wenn Kollegen mit einem Mitarbeiter partout nicht zusammenarbeiten wollen, ArbG Berlin, Urteil vom 30.07.2009, 33 Ca 5772/09.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Diskriminierung wegen der Weltanschauung
- Der Fall des Arbeitsgerichts Berlin: Wegen Konflikt mit Kollegen wird ehemalige Stasi-Mitarbeiterin nicht übernommen
- Arbeitsgericht Berlin: Keine Diskriminierung der Bewerberin. Erhaltung des Betriebsfriedens rechtfertigt Ablehnung
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Diskriminierung wegen der Weltanschauung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Arbeitnehmer unter anderem vor Diskriminierungen aufgrund der Weltanschauung (§ 1 AGG). Bei diskriminierenden Einstellungsentscheidungen hat der nicht berücksichtigte Bewerber gemäß § 15 Abs.2 AGG einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von bis zu drei Bruttomonatsgehältern.
Eine Diskriminierung liegt gemäß § 3 AGG entweder dann vor, wenn der Arbeitnehmer direkt wegen seiner Weltanschauung benachteiligt wird (unmittelbare Diskriminierung), oder wenn er wegen eines dem Anschein nach neutralen Umstandes benachteiligt wird, der gerade besonders häufig bei Personen der entsprechenden Weltanschauung vorkommt (mittelbare Diskriminierung). Es wird also in diesem Fall eine Statistik aufgestellt, inwieweit Personen in einer vergleichbaren Situation ohne die entsprechende Weltanschauung weniger häufig Nachteile erfahren.
Wird ein Arbeitnehmer mittelbar benachteiligt, kann sich der Arbeitgeber damit rechtfertigen, dass sachliche Gründe für die Benachteiligung vorlagen. Bei Diskriminierungen aufgrund der Weltanschauung wird häufig der Erhalt des Betriebsfriedens als Rechtfertigung angegeben. Denn Umstände, die auf bestimmten sich womöglich diametral entgegenstehenden Überzeugungen der Beschäftigten beruhen, bergen ein erhebliches Konfliktpotential.
In diesen Fällen ist es konkret schwer zu beurteilen, ob die Benachteiligung des Arbeitnehmers in Wirklichkeit wegen seiner Weltanschauung erfolgt, oder ob nicht tatsächlich der „neutrale“ Umstand alleiniger Grund für die Benachteiligung ist.
Problematisch ist auch, wann der Betriebsfrieden eine Benachteiligung eines Arbeitnehmers aufgrund seiner Weltanschauung rechtfertigen kann. Denn sowohl das Recht der übrigen Beschäftigten, nicht jeden Ausdruck einer bestimmten Überzeugung hinnehmen zu müssen als auch das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, einen ständigen Konflikt im Betrieb vermeiden zu wollen, kollidiert mit dem Recht des benachteiligten Arbeitnehmers, seine Grundüberzeugung auch nach außen zu vertreten.
Um diese Fragen geht es in der vorliegenden Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin (Urteil vom 30.07.2009, 33 Ca 5772/09).
Der Fall des Arbeitsgerichts Berlin: Wegen Konflikt mit Kollegen wird ehemalige Stasi-Mitarbeiterin nicht übernommen
Die Klägerin war in der DDR von 1974 bis 1990 als Sekretärin und in der technischen Abteilung der Sportvereinigung in Berlin bei der Stasi gewesen.
Vom Juli 2008 bis Ende Januar 2009 wurde sie als Leiharbeitnehmerin als Sekretärin beim Vorstand der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung eingesetzt.
Die Kassenärztliche Vereinigung wusste von der Stasi-Tätigkeit der Sekretärin, wollte sie jedoch dennoch als feste Mitarbeiterin übernehmen. Das Leiharbeitsunternehmen erklärte sich damit einverstanden unter der Bedingung, dass die Sekretär noch bis Ende Januar als Leiharbeitnehmerin eingesetzt würde. In der Zwischenzeit reichte die Sekretärin ihre Bewerbungsunterlagen bei der Kassenärztlichen Vereinigung ein.
Im November 2008 kam es zu einem Eklat mit der Kollegin der Sekretärin. Diese erfuhr von der Stasi-Tätigkeit der Leiharbeitnehmerin und äußerte ihr gegenüber unter anderem: „Sie sind für mich der Abschaum der Gesellschaft“. Die Sekretärin erstattete daraufhin Strafanzeige.
Die Kassenärztliche Vereinigung entschied sich aufgrund dieses Konflikts, die Sekretärin nicht zu übernehmen und beendete ihre Tätigkeit zum 31. Januar 2009.
Die Sekretärin ist der Ansicht, dass die Nichteinstellung eine Diskriminierung aufgrund einer Weltanschauung darstellt. Denn alle Stasi-Mitarbeiter mussten überzeugte Marxisten-Leninisten sein, so die Klägerin, so dass ihre Benachteiligung wegen ihrer Stasi-Tätigkeit letztendlich auf ihrer Weltanschauung beruht. Sie verlangt deshalb als Entschädigung insgesamt 8.100 EUR, nach ihrer Schätzung die Summe dreier Bruttomonatsgehälter.
Die Kassenärztliche Vereinigung sieht schon keine (mittelbare oder unmittelbare) Diskriminierung in der Entscheidung, die Sekretärin nicht zu übernehmen. Die Atmosphäre im Sekretariat war zudem spätestens nach der Strafanzeige irreparabel zerstört, meint der Arbeitgeber, so dass er, wenn er den Betriebsfrieden nicht gefährden wollte, die Sekretärin nicht übernehmen konnte.
Arbeitsgericht Berlin: Keine Diskriminierung der Bewerberin. Erhaltung des Betriebsfriedens rechtfertigt Ablehnung
Das Arbeitsgericht folgte der Auffassung der Sekretärin nicht und wies die Klage ab.
Zwar ist Marxismus-Leninismus eine Weltanschauung, so das Gericht, die Sekretärin wurde aber nicht deshalb benachteiligt. Eine unmittelbare Diskriminierung lehnt das Gericht schon deshalb ab, weil die Sekretärin eine entsprechende Anschauung nie geäußert hatte. In der Benachteiligung wegen der Stasi-Tätigkeit liegt keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Weltanschauung meint das Gericht, weil es schon bezweifelt, dass Stasi-Mitarbeiter tatsächlich alle Marxisten-Leninisten waren.
Auch eine mittelbare Diskriminierung der Sekretärin dadurch, dass sie als ehemalige Stasi-Mitarbeiterin benachteiligt wurde, kann das Gericht nicht erkennen. Denn auch wenn Stasi-Mitarbeiter in der Mehrzahl Marxisten-Leninisten waren, auf ihrem Arbeitsplatz eher in Konflikte geraten und dadurch Nachteile er-leiden als andere Personen, reicht dies nicht aus. Eine mittelbare Diskriminierung würde nach Auffassung des Gerichts nämlich nur dann vorliegen, wenn die Situation der Sekretärin zudem vergleichbar wäre mit der Situation eines Marxisten-Leninisten, der nicht bei der Stasi war. Diese Vergleichbarkeit verneint das Gericht wegen der Rolle der Stasi „als Instrument der politischen Kontrolle und Unterdrückung der gesamten Bevölkerung“ in der DDR.
Jedenfalls ist die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung, die Sekretärin nicht zu übernehmen, durch das Ziel, den Betriebsfrieden nicht zu gefährden, gerechtfertigt.
Das Gericht teilt die Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung, dass die Situation derart eskaliert war, dass auf andere Weise der Betriebsfrieden nicht mehr hergestellt werden konnte. Es hält es zudem für berechtigt, dass die Kassenärztliche Vereinigung sich gerade gegen die Sekretärin und nicht gegen deren Kollegin entschied. Für das Gericht ist hierbei entscheidend, dass die ablehnende Haltung der Kollegin gegenüber der Sekretärin nicht auf einer „mit dem Ziel des AGG nicht zu vereinbarenden Einstellung“ beruhte, was die Kassenärztliche Vereinigung nicht hätte hinnehmen dürfen, so das Gericht, sondern ausschließlich darauf, dass die Sekretärin für eine die Menschen- und Freiheitsrechte missachtende Unrechtsorganisation tätig war.
Das Gericht verhindert so, dass ein Arbeitgeber die Benachteiligung eines Beschäftigten mit der Vermeidung eines Konfliktes rechtfertigt, der durch diskriminierendes Verhalten von Kollegen des betroffenen Arbeitnehmers ausgelöst wurde. Auf der anderen Seite gibt es dem Arbeitgeber aber eine Handhabe, sich in einem Konflikt zuungunsten eines benachteiligten Beschäftigten zu positionieren, wenn das Verhalten des Beschäftigten selbst mit den Zielen des AGG nicht vereinbar ist, wenn er sich etwa selber diskriminierend verhält.
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Letzte Überarbeitung: 8. Februar 2015
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