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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/109

Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung will In­sol­venz­schutz von Ar­beits­zeit­gut­ha­ben ver­bes­sern.

Ar­beit­neh­mer, So­zi­al­ver­si­che­rung und der Fis­kus sol­len ef­fek­ti­ver vor in­sol­venz­be­ding­ten Aus­fäl­len ge­schützt wer­den: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen für die Ab­si­che­rung fle­xi­bler Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen, Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vom 22.09.2008
Ausgestülpte leere Hosentasche mit Hand Ar­beits­zeit­kon­ten sind für Ar­beit­neh­mer ris­kant, weil der Ar­beit­ge­ber in­sol­vent wer­den kann

24.10.2008. Im Jah­re 1998 schuf der Ge­setz­ge­ber mit dem Ge­setz zur so­zi­al­recht­li­chen Ab­si­che­rung fle­xi­bler Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen, dem sog. Fle­xi­ge­setz, erst­mals die Mög­lich­keit, be­reits ge­leis­te­te Ar­beit nicht so­fort aus­zu­zah­len und die auf den Lohn ent­fal­len­den So­zi­al­ab­ga­ben und Steu­ern ab­zu­füh­ren, son­dern die er­brach­te Ar­beit in ei­nem be­son­de­ren Wert­gut­ha­ben an­zu­sam­meln und zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt zu ver­gü­ten, und zwar im Rah­men von Frei­stel­lun­gen des Ar­beit­neh­mers von der Ar­beit.

Da­mit ver­bun­den ist die zeit­li­che Ver­la­ge­rung der Pflicht zur Ab­füh­rung von So­zi­al­ab­ga­ben und Steu­ern vom Zeit­punkt der Ar­beits­leis­tung auf den spä­te­ren Zeit­punkt der be­zahl­ten Frei­stel­lung.

Pro­ble­ma­tisch ist nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge vor al­lem der Fall, dass der Ar­beit­ge­ber vor der Rea­li­sie­rung des Wert­gut­ha­bens, d.h. vor der be­zahl­ten Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers in­sol­vent wird. Zwar ent­hält auch die bis­he­ri­ge, in § 7b Vier­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB IV) ent­hal­te­ne Re­ge­lung die Pflicht der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en, für das Wert­gut­ha­ben ei­ne In­sol­venz­si­che­rung zu schaf­fen.

Die­se Pflicht wird aber oft nicht oder nur un­zu­rei­chend er­füllt. Wird der Ar­beit­ge­ber in­sol­vent und be­steht ei­ne sol­che Ab­si­che­rung (wie oft­mals) nicht, kann der Ar­beit­neh­mer sei­nen An­spruch auf Aus­zah­lung sei­nes Wert­gut­ha­bens nur zur In­sol­venz­ta­bel­le an­mel­den. In der Re­gel führt das zu ei­nem (an­nä­hern­den) To­tal­aus­fall. Und nicht nur der Ar­beit­neh­mer, son­dern auch der Staat ist der Dum­me, da es dann we­der zu ei­ner Ab­füh­rung von SV-Bei­trä­gen ge­schwei­ge denn zur Ver­steue­rung des Wert­gut­ha­bens kommt.

Au­ßer­dem hat der Ar­beit­neh­mer bis­lang kei­ne Mög­lich­keit, sein Wert­gut­ha­ben bei ei­nem Ar­beits­platz­wech­sel zum neu­en Ar­beit­ge­ber mit­zu­neh­men. Ein sol­cher Fall gilt bis­lang als „Stör­fall“, in dem die ei­gent­lich ge­plan­te Rea­li­sie­rung des Wert­gut­ha­bens durch be­zahl­te Frei­stel­lung von der Ar­beit un­mög­lich ge­wor­den ist, so dass nur die so­for­ti­ge Aus­zah­lung und Bei­trags­ab­füh­rung mög­lich ist. Da­durch kön­nen die ei­gent­lich an­ge­streb­ten ar­beits­zeit­tech­ni­schen und sons­ti­gen, die So­zi­al­bei­trä­ge und Steu­ern be­tref­fen­den Vor­tei­le nicht mehr er­reicht wer­den.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat die Bun­des­re­gie­rung am 22.09.2008 den Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen für die Ab­si­che­rung fle­xi­bler Al­ters­teil­zeit­re­ge­lun­gen vor­ge­legt (BT-Drs. 16/10289), mit dem sie vor al­lem fol­gen­de Zie­le ver­folgt:

  • Ver­ein­ba­run­gen über die Wert­gut­ha­ben sol­len für den Ar­beit­neh­mer trans­pa­ren­ter aus­ge­stal­tet sein.
  • Ar­beit­neh­mer, So­zi­al­ver­si­che­rung und der Fis­kus sol­len ef­fek­ti­ver vor in­sol­venz­be­ding­ten Aus­fäl­len ge­schützt wer­den.
  • Auch ge­ring­fü­gig Be­schäf­tig­te sol­len un­ter die In­sol­venz­schutz­re­ge­lun­gen fal­len.
  • Schließ­lich sol­len die Wert­gut­ha­ben künf­tig auf ein neu­es Ar­beits­ver­hält­nis über­trag­bar sein (Por­ta­bi­li­tät).

Da­ge­gen soll auch künf­tig nicht in die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung von ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen über Ar­beits­zeit­gut­ha­ben ein­ge­grif­fen wer­den. Die­se Ver­ein­ba­run­gen sol­len wei­ter­hin den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en über­las­sen blei­ben. Auf Ver­trä­ge über ei­ne Al­ters­teil­zeit sol­len die ge­plan­ten ge­setz­li­chen Än­de­run­gen al­ler­dings kei­ne Aus­wir­kun­gen ha­ben.

Im Ein­zel­nen ist fol­gen­des ge­plant:

Schaf­fung von mehr Trans­pa­renz: Der Ge­setz­ent­wurf ver­pflich­tet den Ar­beit­ge­ber da­zu, den Ar­beit­neh­mer über den Be­stand des Wert­gut­ha­bens und die Schaf­fung ei­ner In­sol­venz­ab­si­che­rung zu in­for­mie­ren. Kommt der Ar­beit­ge­ber sei­ner Pflicht zur Be­si­che­rung und zur In­for­ma­ti­on hier­über nicht nach, kann der Ar­beit­neh­mer die Ar­beits­zeit­ver­ein­ba­rung kün­di­gen.

Ver­bes­ser­ter In­sol­venz­schutz: Die wich­tigs­te Än­de­rung im Hin­blick auf ei­nen bes­se­ren Schutz vor In­sol­venz­aus­fäl­len be­steht in ei­nem Scha­dens­er­satz­an­spruch des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Ar­beit­ge­ber, der sich, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne Ge­sell­schaft ist, auch ge­gen de­ren Or­ga­ne bzw. die recht­lich für die Ge­sell­schaft ver­ant­wort­li­chen Per­so­nen rich­ten kann. Nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge kann der Ar­beit­neh­mer in In­sol­venz­fäl­len kei­nen Scha­dens­er­satz gel­tend ma­chen.

Die Ab­füh­rung von So­zi­al­bei­trä­gen soll durch fol­gen­de Re­ge­lung bes­ser ab­ge­si­chert wer­den: Ist ei­ne Ar­beits­zeit­kon­ten­re­ge­lung nicht wie vor­ge­schrie­ben mit ei­ner wert­hal­ti­gen In­sol­venz­si­che­rung ab­ge­si­chert wor­den, ist die ge­sam­te Re­ge­lung über das Wert­gut­ha­ben bzw. das Ar­beits­zeit­kon­to un­wirk­sam. Und soll­te die­ser Man­gel bei ei­ner Be­triebs­prü­fung auf­ge­deckt wer­den, so kann die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund vom Ar­beit­ge­ber die Aus­zah­lung des „rück­stän­di­gen“ Lohns und die Bei­trags­ab­füh­rung ver­lan­gen, falls die­ser nicht recht­zei­tig nach­bes­sert. Da­durch wird die Ver­let­zung der Pflicht zur Be­si­che­rung des Wert­gut­ha­bens zum ers­ten Ma­le sank­tio­niert.

Soll­te der Ge­setz­ent­wurf wie vor­ge­se­hen ver­ab­schie­det wer­den, ha­ben Ar­beit­ge­ber al­len Grund, die bis­lang be­ste­hen­den oder auch nicht be­ste­hen­den Vor­keh­run­gen zur In­sol­venz­si­che­rung von Ar­beits­zeit­gut­ha­ben selbst­kri­tisch zu über­prü­fen, um plötz­lich und in ggf. er­heb­li­cher Hö­he auf sie zu­kom­men­den Na­ch­en­trich­tungs­pflich­ten vor­zu­beu­gen.

Sog. „Por­ta­bi­li­tät“ der Wert­gut­ha­ben: Nach dem Ge­setz­ent­wurf soll für den Ar­beit­neh­mer, der zu ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber wech­selt, die Mög­lich­keit be­ste­hen, sein Ar­beits­zeit­kon­to mit­zu­neh­men.

Dies al­ler­dings nur, wenn der neue Ar­beit­ge­ber zu­stimmt, wo­zu er nor­ma­ler­wei­se kei­nen An­lass hat - und auch künf­tig nicht ha­ben wird, da der Ge­setz­ent­wurf in­so­weit kei­ne wei­ter­ge­hen­den Re­ge­lun­gen, et­wa ei­ne Über­nah­me­pflicht des neu­en Ar­beit­ge­bers, vor­sieht.

Da den Ar­beit­ge­ber auf­grund von Ver­ein­ba­run­gen über Ar­beits­zeit­kon­ten ei­ne Fül­le von Pflich­ten tref­fen, die im Ex­trem­fall so­gar zur Straf­bar­keit we­gen Ver­un­treu­ung von Ar­beits­lohn oder we­gen Vor­ent­hal­tung von Ar­beit­neh­mer­so­zi­al­bei­trä­gen füh­ren kön­nen, dürf­te ei­ne sol­che Über­nah­me prak­tisch nur im Rah­men ei­ner kon­zern­recht­li­chen Ver­bun­den­heit von Un­ter­neh­men in Be­tracht kom­men.

Ab­zu­war­ten bleibt, ob die im Ent­wurf vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit des Ar­beit­neh­mers, sein Wert­gut­ha­ben auf die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund zu über­tra­gen, Ge­setz wird oder nicht, da mit ei­ner sol­chen Mög­lich­keit die Ge­fahr des Miss­brauchs ver­bun­den ist.

Ge­ring­fü­gig Be­schäf­tig­te: Schließ­lich soll der An­wen­dungs­be­reich der ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen über die Ab­si­che­rung von Ar­beits­zeit­kon­ten auf ge­ring­fü­gig Be­schäf­tig­te aus­ge­dehnt wer­den. Mi­ni­job­ber sind bis­lang aus­ge­nom­men, da sie ur­sprüng­lich nicht der So­zi­al­ver­si­che­rungs­pflicht un­ter­la­gen. Durch die Ein­füh­rung des vom Ar­beit­ge­ber zu ent­rich­ten­den Pau­schalbei­trags für ge­ring­fü­gi­ge Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se ist der Grund für die Aus­spa­rung die­ser Ar­beits­ver­hält­nis­se ent­fal­len.

Ins­ge­samt lässt sich fest­stel­len, dass der Ge­setz­ent­wurf vor al­lem und zu­recht auf die Be­sei­ti­gung be­ste­hen­der Män­gel der In­sol­venz­si­che­rung zielt. Al­ler­dings dürf­te der Staat da­bei wie­der ein­mal in ers­ter Li­nie an sich selbst den­ken, d.h. die er­heb­li­chen Aus­fäl­le bei So­zi­al­ab­ga­ben und Lohn­steu­ern min­dern wol­len.

Die ge­plan­ten Ver­bes­se­run­gen beim In­sol­venz­schutz wer­den sich aber si­cher auch po­si­tiv auf die Ar­beit­neh­mer aus­wir­ken. Die aus dem po­li­ti­schen Ar­beit­ge­ber­la­ger ge­äu­ßer­te Kri­tik an neu­en bü­ro­kra­ti­schen Zu­mu­tun­gen ist an­ge­sichts der de fac­to kaum be­ste­hen­den In­sol­venz­si­che­rung von Ar­beits­zeit­gut­ha­ben nicht wirk­lich über­zeu­gend - es sein denn, sie die­se Kri­tik wä­re mit po­si­ti­ven Al­ter­na­tiv­vor­schlä­gen ver­bun­den.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 3. Januar 2014

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