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Fristlose Kündigung wegen Entwendung von Brotaufstrich („Hirtenfladenbelag“)?
10.06.2009. Diebstähle zulasten des Arbeitgebers, eines seiner Kunden oder zulasten eines Arbeitskollegen können eine verhaltensbedingte Kündigung nach sich ziehen, die je nach Lage des Falles auch als fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann.
Das kann dem Arbeitnehmer im Prinzip auch blühen, wenn er eine geringwertige Sache gestohlen hat, allerdings kann die Kündigung dann bei langer Dauer des Arbeitsverhältnisses unverhältnismäßig und daher unwirksam sein.
Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht Dortmund entschieden, dass die Kündigung eines lange beschäftigten Arbeitnehmers, der für seinen Arbeitgeber hergestellten Brotaufstrich im Wert von unter 10 Cent entwendet und gegessen hatte, unwirksam ist. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht durch eine Interessenabwägung: Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 10.03.2009, 7 Ca 4977/08.
- Kann ein Arbeitnehmer gekündigt werden, wenn er eine geringwertige Sache zum sofortigen Verzehr entwendet?
- Der Streitfall: 24 Jahre beschäftigter Bäcker bestreicht sein Pausenbrötchen mit einem der Bäckerei gehörenden Streichbelag
- Arbeitsgericht Dortmund: Keine Kündigung eines Arbeitnehmers, der seinem Arbeitgeber Brotaufstrich im Wert von eniger als 10 Cent entwendet und gegessen hat
Kann ein Arbeitnehmer gekündigt werden, wenn er eine geringwertige Sache zum sofortigen Verzehr entwendet?
10.03.2009. Ein vom Arbeitnehmer zu Lasten seines Arbeitgebers begangener Diebstahl kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im allgemeinen eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde gemäß § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigen. Dies gilt im Prinzip auch bei geringwertigen Sachen. Ob ein Diebstahl oder sonstiges, zulasten des Arbeitgebers verübtes Vermögensdelikt eine außerordentliche Kündigung im Einzelfall trägt oder nicht, ist durch eine zweistufige Prüfung zu ermitteln.
Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der dem Arbeitnehmer gemachte Vorwurf grundsätzlich geeignet ist, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommen die Arbeitsgerichte bei Vermögensdelikten praktisch immer zu dem Ergebnis, dass auch ein sehr geringer, durch das Delikt verursachter Schaden ausreicht, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Diese Rechtsprechung orientiert sich an einigen „berühmten“ Entscheidungen des BAG, in denen das oberste Arbeitsgericht immer wieder klargestellt hat, dass es von einer allgemein geltenden „Geringfügigkeitsgrenze“ nichts wissen will.
Auf einer zweiten Stufe der rechtlichen Prüfung sind die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen, d.h. es geht um die Angemessenheit der Kündigung im konkreten Fall und damit um die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Hier kann die Geringwertigkeit der entwendeten Sache zugunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.
Fraglich ist aber, unter welchem Aspekt: Kann man sagen, dass dem Arbeitgeber bei einem Diebstahl geringwertiger Sachen die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers eher zuzumuten ist (insbesondere, wenn er schon lange beschäftigt ist) - oder ist die Geringwertigkeit je nach Lage des Einzelfalls eher ein Indiz dafür, dass die „böse Absicht“ eines Diebstahls gar nicht vorhanden war, d.h. spricht die Geringwertigkeit für die Annahme eines vom Arbeitnehmer vermuteten Einverständnisses des Arbeitgebers und damit gegen einen Diebstahlsvorsatz des Arbeitnehmers? Diskutiert wird derzeit auch eine Abkehr von der BAG-Rechtsprechung, d.h. die Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze.
Mit diesen Fragen befasst sich eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Dortmund (Urteil vom 10.03.2009, 7 Ca 4977/08).
Der Streitfall: 24 Jahre beschäftigter Bäcker bestreicht sein Pausenbrötchen mit einem der Bäckerei gehörenden Streichbelag
Ein über 24 Jahre bei einer Bäckerei beschäftigter Bäcker hatte den Auftrag, einen Brötchenbelag herzustellen. Bei dieser Gelegenheit bestrich er gemeinsam mit einem Kollegen ein zuvor gekauftes bzw. ihm gehörendes Brötchen mit diesem Belag („Hirtenfladenbelag“), d.h. er entwendete seinem Arbeitgeber Produktionsstoff im Wert von weniger als 10 Cent. Der Arbeitnehmer und sein Kollege bissen sodann jeder in sein Brötchen. Sie wurden später von dem Prokuristen der Bäckerei nach dem Hergang befragt, nachdem der Prokurist ein angebissenes Brötchen entdeckt hatte.
Der Kläger gab zu, ein Brötchen mit einem Aufstrich des Arbeitgebers belegt und angebissen zu haben. Anschließend wurde der andere Arbeitnehmer, der Mitglied des Betriebsrats war, befragt. Er gab an, dass es sich um sein Brötchen handelte. Obwohl sich die Aufmerksamkeit des Arbeitgebers im Verlauf des Personalgesprächs allein auf den anderen Arbeitnehmer konzentrierte, erkundigte sich der Kläger, was denn nun mit ihm geschehe, er habe ja auch ein Brötchen mit dem Hirtenfladenbelag bestrichen. Daraufhin erhielt er in den folgenden Tagen nach Anhörung des Betriebsrats die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung.
Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.
Er berief sich – zutreffend - darauf, dass er eine von der Arbeitgeberin herausgegebene Arbeitsanweisung, nach der Lebensmittel des Arbeitgebers nicht zum eigenen Gebrauch verwendet werden dürften, nicht erhalten hatte. Ihm sei jedoch bewusst gewesen, dass er Waren, die er selbst verbrauchen wolle, bezahlen müsse.
Er habe sich den Hirtenfladenbelag jedoch nicht rechtswidrig aneignen wollen. Die Backstube werde von zehn bis zwölf Videokameras überwacht und er werde doch keine strafbare Handlung vor laufenden Kameras begehen.
Arbeitsgericht Dortmund: Keine Kündigung eines Arbeitnehmers, der seinem Arbeitgeber Brotaufstrich im Wert von eniger als 10 Cent entwendet und gegessen hat
Das Arbeitsgericht Dortmund gab der Klage statt, d.h. es stellte fest, dass die streitige Kündigung unwirksam war.
Dabei nahm das Gericht an, dass sich der Kläger den Hirtenfladenbelag zu Unrecht angeeignet hatte. Auch wenn der Kläger eine Sache von nur geringem Wert entwendet habe, lag demzufolge nach Ansicht des Gerichts ein Sachverhalt vor, der im Allgemeinen eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
Auf der zweiten Stufe der Prüfung nahm das Arbeitsgericht dann allerdings eine Abwägung der Interessen vor, die zu Gunsten des Klägers ausfiel. Für ihn sprach nämlich, dass das Arbeitsverhältnis mehr als 24 Jahre ohne Beanstandungen im Vertrauensbereich bestanden hatte. Außerdem war der Schaden extrem gering, so dass die Entwendung des Belags dem Arbeitsgericht zufolge „keine schwerwiegende Verfehlung“ war. Dabei verweist das Arbeitsgericht auf eine bereits sehr alte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm (LAG Hamm, Urteil vom 17.03.1977, 8 Sa 1348/76).
Schließlich berücksichtigte das Gericht auch zugunsten des Arbeitnehmers, dass er, nachdem sich der Verdacht seines Arbeitgebers in erster Linie gegen seinen Kollegen gerichtet hatte, seinen Vorgesetzten von sich aus nochmals darauf aufmerksam gemacht hatte, dass auch er ein Brötchen angebissen hatte. Dies wertete das Gericht als „Ausdruck einer auf Ehrlichkeit ausgerichteten Grundhaltung des Klägers“.
Im Ergebnis meinte das Arbeitsgericht, dass der Arbeitgeber seine Interessen auch durch eine Abmahnung hätten wahren können. Da eine solche Abmahnung aber vor dem streitigen Vorfall niemals ausgesprochen worden war, war auch eine fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung nicht gerechtfertigt.
Das Urteil ist überzeugend begründet und sicherlich im Ergebnis „vertretbar“. Vor dem Hintergrund der in den letzten Monaten intensiv geführten öffentlichen und juristischen Diskussion darüber, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Diebstahl geringwertiger Sachen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann, macht das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund deutlich, dass die teilweise heftig kritisierte Rechtsprechung des BAG es durchaus erlaubt, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer im Einzelfall davon zu schützen, aufgrund eines einmaligen „kleinen“ Fehltritts ihr Arbeitsverhältnis zu verlieren.
Im Unterschied zu dem Berliner Fall der bei Kaiser´s angestellten Kassiererin („Emmely“) hatte der hier gekündigte Arbeitnehmer allerdings aus dem gesamten Vorfall kein Hehl gemacht, so dass ihm der lächerlich geringe Wert der entwendeten Sache (Produktionsmaterial im Wert von weniger als 10 Cent) unter Be-rücksichtigung der langen Beschäftigungsdauer bei der Interessenabwägung zugute gehalten werden konnte. Außerdem sprach sein Verhalten bei der Aufarbeitung des Vorfalls dafür, dass er – wiederum unter Berücksichtigung des minimalen Wertes der entwendeten Sache – wohl gar keinen Diebstahlsvorsatz hatte.
Fazit: Man sollte bei extremer Geringwertigkeit einer vom Arbeitnehmer entwendeten Sache des Arbeitgebers (unfrankierter Briefumschlag, Büroklammer, Kopie und dgl.) ernsthafter als bisher prüfen, ob der Arbeitnehmer bei Begehung der „Tat“ nicht möglicherweise das Einverständnis seines Arbeitgebers vermutet hat. Bei vermutetem Einverständnis des Eigentümers in den Gewahrsambruch liegt aber kein Diebstahl vor.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 10.03.2009 (7 Ca 4977/08)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Diebstahl
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 09/202 Fristlose Kündigung wegen Diebstahls von sechs Maultaschen
- Arbeitsrecht aktuell: 09/066 Urteilsgründe im Fall "Emmely" - Kündigung wegen 1,30 EUR
Letzte Überarbeitung: 13. März 2018
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