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Beschäftigungschancengesetz, Teil 2: Freiwillige Arbeitslosenversicherung
23.08.2010. Die wirtschaftlich schwierige Situation zwingt zu einem weiteren Ausbau der Arbeitsmarktförderungen.
Daher hat der Bundestag vor kurzem ein Gesetz mit dem wohlklingenden Namen "Beschäftigungschancengesetz" verabschiedet.
Das Gesetz, das zum Jahreswechsel 2010/2011 in Kraft treten wird, bringt im wesentlichen eine Verlängerung der Sonderregelung zum Kurzarbeitergeld (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/162 Beschäftigungschancengesetz, Teil 1: Kurzarbeit).
Darüber hinaus schafft das Gesetz erstmals die Möglichkeit für Existenzgründer, sich weiter gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit zu verwichern. Diese Maßnahme ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Sprung von der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit oft nicht von Erfolg gekrönt ist.
Die in § 28a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) geregelte Möglichkeit, in der Arbeitslosenversicherung ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag einzugehen (freiwillige Weiterversicherung), wurde mit den Arbeitsmarktreformen eingeführt und ist zur Zeit noch bis zum 31.12.2010 befristet.
Sie besteht für Auslandsbeschäftigte und arbeitslose Existenzgründer, wenn sie eine Tätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden pro Woche ausüben und Pflegepersonen, die mindestens 14 Stunden pro Woche in die Pflege naher Angehöriger investieren.
Im Unterschied zum bisherigen Recht sieht das Beschäftigungschancengesetz vor, dass von diesen wöchentlichen Mindeststundenzahlen gelegentlich (nach unten) abgewichen werden kann, wenn diese von geringer Dauer sind. Die Gesetzeslage wird damit an die bisherige Verwaltungspraxis angepasst, die schwankende Beschäftigungszeiten bei selbständiger Beschäftigung berücksichtigt. Kombiniert wird dies mit einer Ruhensregelung, die eine zeitweilige „Auszeit“ von der freiwilligen Versicherung (beispielsweise für kurzzeitige Beschäftigungsverhältnisse) erlaubt.
Die freiwillige Weiterversicherung setzt eine gewisse Dauer vorheriger Versicherung in der Arbeitslosenversicherung voraus. Es wird nun auch möglich sein, diese Zeiten durch Zeiten der freiwilligen Weiterversicherung zu erfüllen.
Diese Möglichkeit wird jedoch begrenzt, um Missbrauchs- und Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Die freiwillige Weiterversicherung ist dementsprechend ausgeschlossen, wenn der Antragsteller bereits freiwillig als Selbständiger versichert war, seine (inhaltlich gleiche) Tätigkeit zweimal unterbrochen und in den Unterbrechungszeiten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hat.
Bisher war es notwendig, den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung innerhalb eines Monats nach Aufnahme der jeweiligen Beschäftigung zu stellen. Künftig wird dieser Zeitraum auf drei Monate ausgedehnt. Die Zahlungen erfolgen zudem schon (rückwirkend) ab dem Zeitpunkt, zu dem die nötigen Voraussetzungen vorliegen und nicht erst ab Antragstellung.
Existenzgründern und häuslichen Pflegern haben damit in der sehr aufwandsintensiven Einarbeitungsphase deutlich mehr Zeit, um das Für und Wider der Versicherung abzuwägen. Die Überlegungsfrist ist schon allein deshalb von zunehmender Bedeutung, weil sich die Versicherungsbeiträge bei mehrjährig bestehender Selbstständigkeit im Jahr 2011 im Vergleich zu 2010 verdoppeln und im Jahr 2012 sogar vervierfachen.
Auch wenn die dann fälligen rund 70 Euro monatlich auf den ersten Blick immer noch moderat wirken, ist zu bedenken, dass eine Jahresausgabe von über 800 Euro bei Kleinunternehmern ein tiefes Loch in die Taschen reißen kann. Hier stellt sich die Frage, ob die Versicherungskosten nicht im Einzelfall dazu beitragen, dass die Versicherung benötigt wird...
Das Versicherungsverhältnis kann künftig durch Kündigung beendet werden, allerdings nur erstmals nach fünf Jahren mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Damit soll laut Regierungsbegründung „dem Solidargedanken hinreichend Rechnung“ getragen werden.
Da aber nach wie vor das Versicherungsverhältnis ebenfalls endet, wenn der Versicherte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist, liegt die Überlegung nahe, die Versicherung ganz unsolidarisch im Zweifel lieber auf diese Weise enden zu lassen. Wer zur Zeit schon freiwillig versichert ist, bleibt es automatisch auch weiterhin, hat jedoch bis 31.03.2011 ein zum 31.12.2010 zurückwirkendes Sonderkündigungsrecht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundestag Drucksache 17/1945: Entwurf eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt - Beschäftigungschancengesetz
- Bundestag Drucksache 17/2454: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales
- Arbeitsrecht aktuell: 11/013 Gesetzesänderungen im Arbeitsrecht und Sozialrecht zum Jahreswechsel 2010/2011
- Arbeitsrecht aktuell: 10/164 Beschäftigungschancengesetz, Teil 3: Transferleistungen
- Arbeitsrecht aktuell: 10/162 Beschäftigungschancengesetz, Teil 1: Kurzarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 10/017 Kurzarbeitergeld 2010
Letzte Überarbeitung: 3. August 2020
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |
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