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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 20.03.2014, 5 Sa­Ga 13/13

   
Schlagworte: Versetzung, Eilverfahren
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 5 SaGa 13/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.03.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, Urteil vom 10.10.2013, 6 Ga 9/13
   

Ak­ten­zei­chen:
5 Sa­Ga 13/13
6 Ga 9/13
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuz­nach -
Ent­schei­dung vom 20.03.2014

Te­nor:

Die Be­ru­fung des Verfügungsklägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz - Auswärti­ge Kam­mern Bad Kreuz­nach - vom 10. Ok­to­ber 2013, Az. 6 Ga 9/13, wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung über ei­ne Ver­set­zung.

Der 1961 ge­bo­re­ne Kläger ist seit 1977 bei der Be­klag­ten als Pa­cker zu ei­nem Brut­to­mo­nats­lohn zwi­schen € 1.700 und € 1.800 beschäftigt. Ein schrift­li­cher Ar­beits­ver­trag be­steht nicht. Die Be­klag­te pro­du­ziert und ver­treibt Klein­le­der­wa­ren, ih­re Fir­men­zen­tra­le mit ca. 150 Ar­beit­neh­mern ist in Kirn. Der Kläger wur­de seit 1977 aus­sch­ließlich in Kirn beschäftigt.

Mit Schrei­ben vom 19.09.2013 ver­setz­te die Be­klag­te den Kläger we­gen der Ver­la­ge­rung ei­nes Teils ih­rer Lo­gis­tik mit Wir­kung zum 01.10.2013 nach Saarbrücken. Die Ver­set­zung wur­de auf den 14.10.2013 ver­scho­ben, weil sich die Ver­la­ge­rung verzöger­te. Mit sei­nem am 26.09.2013 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz be­an­trag­te der Kläger den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung.

Der Verfügungskläger hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass er bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen ar­beits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che nicht ver­pflich­tet ist, sei­ne Ar­beits­leis­tung in Saarbrücken zu er­brin­gen.

Die Verfügungs­be­klag­te hat be­an­tragt,

den An­trag zurück­zu­wei­sen.

Ein Haupt­sa­che­ver­fah­ren mach­te der Kläger, der seit dem 14.10.2013 un­un­ter­bro­chen ar­beits­unfähig krank­ge­schrie­ben ist, zunächst nicht anhängig.

Das Ar­beits­ge­richt hat den An­trag mit Ur­teil vom 10.10.2013 zurück­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, die Ver­set­zung sei bei sum­ma­ri­scher Be­trach­tung vom Di­rek­ti­ons­recht der Be­klag­ten nach § 106 Satz 1 Ge­wO ge­deckt. Der Ar­beits­ort des Klägers ha­be sich nicht auf Kirn kon­kre­ti­siert. Die Be­klag­te ha­be ihr Er­mes­sen bei Ausübung des Ver­set­zungs­rechts nicht feh­ler­haft aus­geübt.

Das ge­nann­te Ur­teil ist dem Kläger am 21.10.2013 zu­ge­stellt wor­den. Sein Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter hat mit am 21.11.2013 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und sich die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist mit Schrift­satz vom 20.12.2013 bis zum 17.01.2014 verlängern las­sen. Die Be­ru­fungs­be­gründung ging am 17.01.2014 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein.

Mit Schrei­ben vom 23.01.2014 ver­setz­te die Be­klag­te den Kläger mit Wir­kung ab 01.02.2014 er­neut von Kirn nach Saarbrücken. Um ihm die An­rei­se zu er­leich­tern, verkürz­te sie sei­ne Ar­beits­zeit bei vol­lem Lohn­aus­gleich um ei­ne St­un­de täglich. Außer­dem sag­te sie ihm zu, auf ih­re Kos­ten ein Fir­men­fahr­zeug zur ge­mein­schaft­li­chen Nut­zung zur Verfügung zu stel­len, wenn min­des­tens fünf Ar­beit­neh­mer der Ver­set­zung nach Saarbrücken und der Fahr­ge­mein­schaft zu­stim­men soll­ten. Am 06.02.2014 mach­te der Kläger vor dem Ar­beits­ge­richt ge­gen die­se Ver­set­zung erst­mals ein Haupt­sa­che­ver­fah­ren anhängig (Az. 5 Ca 64/14).

Der Kläger ist der An­sicht, das einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren ha­be sich trotz der zwei­ten Ver­set­zung nicht er­le­digt, weil er kei­ne be­stimm­te Ver­set­zungs­an­ord­nung an­ge­grif­fen ha­be. Sein Be­geh­ren sei dar­auf ge­rich­tet, bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che nicht ver­pflich­tet zu sein, die Ar­beits­leis­tung in Saarbrücken zu er­brin­gen. Hier­an ha­be sich nichts geändert. Sein Ar­beits­ort ha­be sich auf Kirn kon­kre­ti­siert. Mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln könne er den neu­en Ar­beits­ort nicht vor 8:30 Uhr er­rei­chen, ob­wohl er ab 5:40 Uhr zwei­ein­halb St­un­den an­rei­sen müss­te.

Die Mo­nats­kar­te für die Bahn­fahrt kos­te € 252,60. Die­se Mehr­kos­ten könne er sich bei sei­nem Ein­kom­men und der fa­mi­liären Be­las­tun­gen (Ehe­frau nicht be­rufstätig, drei min­derjähri­ge Kin­der) nicht leis­ten. Ein Fir­men­fahr­zeug stel­le die Be­klag­te nur un­ter der Be­din­gung zur Verfügung, dass fünf Mit­ar­bei­ter mit der Ver­set­zung ein­ver­stan­den sei­en und der Fahr­ge­mein­schaft zu­stimm­ten. Die­sen Be­din­gungs­ein­tritt könne er nicht be­ein­flus­sen.

Der Verfügungskläger be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz - Auswärti­ge Kam­mern Bad Kreuz­nach - vom 10.10.2014, Az.6 Ga 9/13, ab­zuändern und der Verfügungs­be­klag­ten auf­zu­ge­ben, ihn bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen ar­beits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che, nicht da­zu zu ver­pflich­ten, sei­ne Ar­beits­leis­tung in Saarbrücken, zu er­brin­gen.

Die Verfügungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt un­ter Ergänzung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts. Ei­ne Eil­bedürf­tig­keit be­ste­he nicht, weil der Kläger erst am 06.02.2014 ein Haupt­sa­che­ver­fah­ren anhängig ge­macht ha­be. Bei der zwei­ten Ver­set­zung zum 01.02.2014 sei sie den be­trof­fe­nen sechs Mit­ar­bei­tern hin­sicht­lich Ar­beits­zeit und Fahrt­kos­ten noch ein­mal er­heb­lich ent­ge­gen­ge­kom­men.

Im Übri­gen wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und den In­halt der Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Verfügungsklägers hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung sind un­ter Be­ach­tung der §§ 935, 940 ZPO nicht erfüllt.

Der Verfügungskläger ist ver­pflich­tet, sei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Tätig­keit einst­wei­len bis zu ei­ner Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che im Rechts­streit 5 Ca 64/14 vor dem Ar­beits­ge­richt Mainz - Auswärti­ge Kam­mern Bad Kreuz­nach - in Saarbrücken zu er­brin­gen, den er am 06.02.2014 anhängig ge­macht hat.

Der für die An­spruchs­durch­set­zung im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes er­for­der­li­che Verfügungs­grund liegt nicht vor.

Die man­geln­de Dring­lich­keit des Be­geh­rens wird be­reits da­durch in­di­ziert, dass der Kläger sei­ne Be­ru­fung, mit der er den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung wei­ter­ver­folgt, erst am letz­ten Tag der Be­ru­fungs­frist am 21.11.2013 ein­ge­legt, sich dann die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist um vier Wo­chen verlängern las­sen und die verlänger­te Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum letz­ten Tag am 17.01.2014 voll aus­geschöpft hat. Es ist in der Recht­spre­chung an­er­kannt, dass selbst ei­ne zunächst be­ste­hen­de Eil­bedürf­tig­keit durch pro­zes­sua­les Ver­hal­ten der an­trag­stel­len­den Par­tei ent­fal­len kann, sog. "Selbst­wi­der­le­gung der Dring­lich­keit". Dies wird ua. dann an­ge­nom­men, wenn sich der erst­in­stanz­lich un­ter­le­ge­ne Verfügungskläger die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist nicht un­er­heb­lich verlängern lässt und die­se Verlänge­rung voll ausschöpft (LAG Köln 15.10.2013 - 12 Sa­Ga 3/13 - Rn. 66 mwN; LAG Rhein­land-Pfalz 27.09.2012 - 10 Sa­Ga 8/12 - Rn. 23 mwN; je­weils Ju­ris). Maßgeb­lich sind die Umstände des Ein­zel­falls.

Die Ge­samt­be­trach­tung des pro­zes­sua­len Vor­ge­hens des Klägers er­gibt, dass er sein Be­geh­ren nicht mit dem er­for­der­li­chen Nach­druck ver­folgt hat. Dies folgt auch dar­aus, dass er das Haupt­sa­che­ver­fah­ren erst am 06.02.2014, al­so über vier Mo­na­te nach sei­nem An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung vom 26.09.2013 ein­ge­lei­tet hat. Die­ses zeit­verzögern­de Ver­hal­ten ver­fehlt die den §§ 935, 940 ZPO zu Grun­de lie­gen­de ge­setz­li­che In­ten­si­on. Der ver­stri­che­ne Zeit­raum von über vier Mo­na­ten ist bei wei­tem zu lang, um das In­ter­es­se des Klägers an ei­ner zügi­gen Rechts­durch­set­zung be­le­gen zu können.

Vor­lie­gend er­gibt sich die feh­len­de Dring­lich­keit über­dies dar­aus, dass der Verfügungskläger seit 14.10.2013 un­un­ter­bro­chen ar­beits­unfähig krank ist. Es ist im Zeit­punkt der Ent­schei­dung der Be­ru­fungs­kam­mer nicht er­sicht­lich (ge­we­sen), dass das En­de der Ar­beits­unfähig­keit des Verfügungsklägers ab­seh­bar ist. Zwar ist die letz­te Fol­ge­ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung, die der Arzt aus­ge­stellt hat, bis vor­aus­sicht­lich 02.04.2014 be­fris­tet. Der Kläger hat je­doch nicht erklärt, dass er ab dem 03.04.2014 in je­dem Fall wie­der ar­bei­ten kann. Ein ar­beits­unfähig er­krank­ter Ar­beit­neh­mer ist oh­ne­hin an sei­ner Ar­beits­leis­tung ver­hin­dert. Er muss we­der ar­bei­ten noch an sei­ner Beschäfti­gung mit­wir­ken. Auch des­we­gen be­steht kein Verfügungs­grund, der Verfügungs­be­klag­ten die Ver­set­zung des Verfügungsklägers zu un­ter­sa­gen (vgl. auch LAG Rhein­land-Pfalz 20.04.2011 - 7 Sa­Ga 2/11 - Rn. 33, Ju­ris).

Dem Verfügungskläger ist auch an­sons­ten zu­zu­mu­ten, bis zur Ent­schei­dung der Haupt­sa­che ei­ne Tätig­keit in Saarbrücken auf­zu­neh­men. Ein Verfügungs­grund iSd. §§ 935, 940 ZPO kann nur dann an­ge­nom­men wer­den, wenn die be­gehr­te Re­ge­lung ei­nes einst­wei­li­gen Zu­stan­des not­wen­dig ist, um an­sons­ten dro­hen­de we­sent­li­che Nach­tei­le des An­trag­stel­lers ab­zu­wen­den. Es muss ei­ne be­son­de­re Eil­bedürf­tig­keit ge­ge­ben sein, wel­che es er­for­der­lich macht, zur Ab­wen­dung we­sent­li­cher Nach­tei­le be­reits vor ei­ner Klärung strit­ti­ger Rechts­fra­gen im re­gulären ar­beits­ge­richt­li­chen Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor­ab im We­ge ei­ner sum­ma­ri­schen Prüfung im Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes ei­ne vorläufi­ge Re­ge­lung zu tref­fen. We­sent­li­che Nach­tei­le sind bei der sum­ma­ri­schen Über­prüfung von Ver­set­zungs­an­ord­nun­gen des Ar­beit­ge­bers nur in Aus­nah­mefällen an­zu­neh­men. Al­lein der Um­stand, dass ei­ne mögli­cher­wei­se ver­trags­wid­ri­ge Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers nicht mehr rückgängig ge­macht wer­den kann, reicht hierfür nicht aus. Viel­mehr er­for­dert die Be­ja­hung ei­nes Verfügungs­grun­des für ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung ge­gen Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers zu In­halt, Ort und Art der Ar­beits­leis­tung, ein deut­lich ge­stei­ger­tes Ab­weh­rin­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers. Ei­nem Ar­beit­neh­mer ist es mit­hin in der Re­gel zu­zu­mu­ten, ei­ner Ver­set­zungs­an­ord­nung oder ar­beits­ver­trag­li­chen Wei­sung zunächst Fol­ge zu leis­ten und so­dann den Um­fang des Di­rek­ti­ons­rechts in ei­nem Haupt­sa­che­ver­fah­ren klären zu las­sen. Ne­ben ei­nem ge­stei­ger­ten Ab­weh­rin­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers er­kennt die Recht­spre­chung le­dig­lich in Fällen ei­ner of­fen­kun­di­gen Rechts­wid­rig­keit der ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Maßnah­me das Be­ste­hen ei­nes Verfügungs­grun­des an (vgl. LAG Rhein­land-Pfalz 14.05.2013 - 6 Sa­Ga 2/13- Rn. 55, Ju­ris; mit zahl­rei­chen Nach­wei­sen). Für ei­ne of­fen­sicht­li­che Rechts­wid­rig­keit der Ver­set­zung be­ste­hen im Streit­fall kei­ne An­halts­punk­te.

Nach al­le­dem ist die Be­ru­fung des Verfügungsklägers mit der Kos­ten­fol­ge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurück­zu­wei­sen.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Ei­ne Re­vi­si­on ist in einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG un­statt­haft.

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