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Sächsisches LAG, Urteil vom 09.05.2014, 3 Sa 695/13
Schlagworte: | Diskriminierung: Alter, Altersdiskriminierung, Kündigung: Alter, Zwangspensionierung, Kleinbetrieb | |
Gericht: | Sächsisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 3 Sa 695/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 09.05.2014 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 1.10.2013, 9 Ca 2137/13 | |
Sächsisches
Landesarbeitsgericht
Bitte bei allen Schreiben angeben:
Az.: 3 Sa 695/13
9 Ca 2137/13 ArbG Leipzig
Verkündet am 09.05.2014
I m N a m e n d e s V o l k e s
URTEIL
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 3 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2014
für R e c h t erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 01.10.2013 – 9 Ca 2137/13 – wird auf Kosten der Klägerin zurück-gewiesen.
2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung sowie über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
Die Beklagte ist eine vom TÜV zertifizierte urologische Gemeinschaftspraxis der Ärzte ... und ... in ... Beide sind onkologisch verantwortliche Ärzte mit der Zusatzqualifikation medikamentöse Tumortherapie. Darüber hinaus verfügen beide Ärzte über die Zusatzqualifikation Andrologie sowie Herr ... über die Zusatzqualifi-
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kation Homöopathie und Herr ... über die Zusatzqualifikationen Akupunktur und reisemedizinische Beratung. In der Praxis werden für Chemotherapien zwei Infusionsplätze vorgehalten. Zudem werden ambulante Operationen, Endoskopien, Sonografien und Röntgen durchgeführt, sowie in einem praxiseigenen Labor Laborleistungen erbracht. Die beiden Ärzte nehmen an der „Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten“ (Onkologie-Vereinbarung) zwischen der ... und der ...teil. Nach § 5 Nr. 1 der Vereinbarung erfordert die Teilnahme des onkologisch verantwortlichen Arztes an der Onkologie-Vereinbarung u. a. die Beschäftigung von qualifiziertem Personal ausreichender Anzahl, welches in der Regel staatlich geprüftes Pflegepersonal mit onkologischer Erfahrung oder onkologisch qualifizierte Arzthelferinnen sind. Die Qualifikation gilt unabhängig von der Ausbildung als erbracht, wenn das Personal erfolgreich an einer onkologischen Qualifikation gemäß den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Ausbildungsberuf „Arzthelferin“ teilgenommen hat. Die Qualifikation kann auch berufsbegleitend erworben werden, muss aber zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits aufgenommen worden sein.
In der Praxis der Beklagten werden pro Quartal durchschnittlich ca. 2.500 Kassenpatienten betreut, wobei bis zum 31.12.2013 für ca. 1.000 von diesen Laboruntersuchungen durchgeführt wurden. Daneben wurden und werden auch Privatpatienten behandelt und Kassenpatienten individuelle, von den Kassenpatienten selbst zu zahlende Gesundheitsleistungen angeboten.
Die am ...1950 geborene Klägerin verfügt seit dem 02.07.1969 über die Berechtigung zur Ausübung des Berufes einer medizinisch-technischen Assistentin und war ab dem 16.12.1991 bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 21.11.1991 (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 14.06.2013; Bl. 7/8 d. A.) als Arzthelferin angestellt. Sie erhielt zuletzt ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.600,00 € zuzüglich einer Leistungszulage in Höhe von 103,00 € brutto sowie ei-ner Prämie, welche sich aus einem Anteil der monatlichen, durch private Krankendienstleistungen erzielten Einnahmen errechnet.
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Ebenso wie die weiteren Mitarbeiterinnen war die Klägerin mit der Terminverwaltung, der Patientenannahme, der Koordination des Praxisablaufes, der Praxisorganisation und Verwaltungsarbeiten betraut. Darüber hinaus führte sie bei Patienten selbständig Blutentnahmen durch und verabreichte Injektionen. Ob die Klägerin weitere Leistungen am Patienten erbracht hat, ist streitig. Zuletzt war die Klägerin überwiegend im Labor der Beklagten beschäftigt und führte dort u. a. mikroskopische und mikrobiologische Untersuchungen sowie PSA- und Testosteron-Messungen durch und erstellte Spermiogramme. Bis einschließlich 2009 verfügte die Klägerin über den Nachweis der Fachkunde im Strahlenschutz und erbrachte selbständig Röntgenleistungen. In der Folgezeit wurde sie weiterhin mit Röntgenleistungen betraut. Ob sie diese dann noch selbständig oder unter der Aufsicht eines Strahlenschutzverantwortlichen erbrachte, ist streitig.
Neben der Klägerin waren zuletzt folgende Mitarbeiterinnen in der Praxis beschäftigt:
Frau ..., 53 Jahre alt, seit ca. 20 Jahren in der Praxis beschäftigt. Frau ... verfügt über einen Abschluss als medizinisch-technische Fachassistentin für klinische Chemie. Ebenso wie die Klägerin führte sie im Labor mikrobiologische Untersuchungen sowie PSA- und Testosteron-Messungen durch und erstellte Spermiogramme. Frau ... ist die Hygieneverantwortliche der Praxis und hat seit 2008 an diversen Schulungen auf diesem Gebiet teilgenommen (vgl. Anlagen BK 9 zur Berufungserwiderung vom 28.03.2014; Bl. 313 ff. d. A.) Des Weiteren besuchte sie seit 2010 diverse Schulungen auf dem Gebiet der Onkologie und nimmt seit 2012 an dem Fortbildungscurriculum für medizinische Fachangestellte und Arzthelferin-nen in der Onkologie teil (vgl. Anlagen BK 8 zur Berufungserwiderung vom 28.03.2014; Bl. 289 ff. d. A.).
Frau ..., 39 Jahre alt, seit ca. 20 Jahren in der Praxis beschäftigt. Frau ... verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Röntgenassistentin sowie über einen aktuellen Nachweis der Fachkunde im Strahlenschutz. Darüber hinaus ist sie für
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das Qualitätsmanagement, die QM-Zertifizierungen und deren Umsetzung in der Praxis verantwortlich.
rau ..., 44 Jahre alt, seit ca. 20 Jahren in der Praxis beschäftigt. Frau ... verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als medizinische Fachangestellte und hat erfolgreich an einer onkologischen Qualifikation gemäß den Vorgaben der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung teilgenommen. Sie ist für das Praxismanagement zuständig.
Frau ..., 27 Jahre alt, seit ca. 10 Jahren in der Praxis beschäftigt. Frau ... verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als medizinische Fachangestellte sowie eine Zusatzqualifikation als Röntgenassistentin und hat erfolgreich an einer onkologischen Qualifikation gemäß den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung teilgenommen. Sie assistiert bei Operationen und Prostatabiopsien.
Ebenso wie die Klägerin sind die vorgenannten Mitarbeiterinnen mit der Terminverwaltung, der Patientenannahme, der Koordination des Praxisablaufes, der Praxisorganisation und Verwaltungsarbeiten betraut. Darüber hinaus führen auch sie bei Patienten selbständig Blutentnahmen durch und verabreichen Injektionen. Die Mitarbeiterinnen ..., ... und ... sind für Kinder unterhaltspflichtig.
Bis zum 31.12.2013 absolvierte des Weiteren Frau ... in einer von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Umschulungsmaßnahme in der Praxis der Beklagten ihre praktische Ausbildung.
Im Jahr 2008 verständigten sich die ... und der ... auf Regelungen zur Umsetzung einer sogenannten „Laborreform“, die stufenweise ab dem 01.10.2008 in Kraft traten. Diese Regelungen sehen u. a. vor, dass ab dem 01.04.2013 nur noch auf der Basis von sogenannten Behandlungsfällen und nicht mehr auf der Basis von Arzt-fällen abgerechnet werden darf. Dies hat in Fällen, in denen in Gemeinschaftspraxen ein Patient durch mehrere Ärzte behandelt wird, zur Folge, dass nur noch ein Behandlungsfall und nicht mehr mehrere (im Fall der Beklagten nicht mehr zwei)
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Arztfälle gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden können. Darüber hinaus wird im Rahmen der Budgetierung der Laborleistungen eine größere Zahl von Fällen nicht mehr berücksichtigt, was zu einer Absenkung des Laborbudgets führt, bei dessen Überschreitung es wiederum zu einer Kürzung des Laborbonus kommt. Die Referenzfallwerte für Laborleistungen von Urologen wurden zudem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf 4,00 € pro Patient und Quartal festgesetzt, nachdem die Leistungsanforderungen der Praxis in der Vergangenheit 20,00 € betrugen. Zum 01.01.2014 änderten sich schließlich die Regelungen für die sog. Selbstzuweiser. Nach § 25 Abs. 4 a des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) können ab diesem Zeitpunkt laboratoriumsmedizinische Untersuchungen des Kapitels 32 BMÄ und entsprechende laboratoriumsmedizinische Leistungen des Kapitels 1.7 des EBM nur noch an Fachärzte überwiesen werden, bei denen diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Zudem darf bei laboratoriumsmedizinische Untersuchungen des Kapitels 32.3 BMÄ und entsprechenden laboratoriumsmedizinische Leistungen des Kapitels 1.7 des EBM ein Teil der Befunderhebung nur noch von Vertragsärzten erbracht und abgerechnet werden, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Diese Regelungen betreffen vor allem Nicht-Laborärzte wie die Gesellschafter der Beklagten (zu den Einzelheiten vgl. die Anlagen BK 1 bis BK 4 zur Berufungserwiderung vom 28.03.2014; Bl. 262 ff. d. A.).
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Neuregelungen entschlossen sich die Gesellschafter der Beklagten zu einer Umstrukturierung ihrer Praxis. Laborleistungen sollten ab dem 01.01.2014 nur noch durch Frau ... erbracht werden. In Zeiten ihres Urlaubs sollten die Proben sachgerecht gelagert und die Untersuchungen nach ihrer Rückkehr erbracht werden. In dringenden Fällen sollten ggf. andere Labore in Anspruch genommen werden.
Vor dem Hintergrund der vorgenannten Entscheidung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 24.05.2013 (Anlage K 2 zur Klageschrift vom 14.06.2013; Bl. 9 d. A.), der Klägerin am 27.05.2013 zugegangen, ordentlich zum 31.12.2013. Das Schreiben hat u. a. folgenden Wortlaut:
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Liebe ...,
seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderung. Inzwischen bist Du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Im kommenden Jahr kommen große Veränderungen im Laborbereich auf uns zu. Dies erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis.
Wir kündigen deshalb das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Frist zum 31.12.2013. (...)
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.06.2013 (Anlage K 3 zur Klageschrift vom 14.06.2013; Bl. 10/11 d. A.) vertrat die Klägerin gegenüber der Beklagten die Ansicht, die Kündigung sei aufgrund einer Benachteiligung wegen ihres Alters unwirksam und forderte sie zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 29.003,00 € auf.
Zum 03.01.2014 stellte die Beklagte die 35-jährige Frau ... ein, die über eine abgeschlossene Ausbildung als Krankenschwester verfügt. Frau ... hat keine Laborkenntnisse und wird nicht mit Tätigkeiten im Labor der Beklagten betraut. Ihr obliegt die medizinische und hygienische Grundversorgung von Patienten, die Vorbereitung und Assistenz von/bei ärztlichen Eingriffen und Behandlungen sowie die Vorbereitung der Patienten auf therapeutische und diagnostische Maßnahmen. Frau ... führt auf Basis ärztlicher Anordnungen eigenständig medizinische Behandlungen durch und dokumentiert Patientendaten. Daneben pflegt, beobachtet, betreut und berät sie eigenständig Patienten und erfüllt Verwaltungs- und Organisationsaufgaben.
Mit ihrer am 14.06.2013 beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 24.05.2013 gewandt und mit ihrer am 01.08.2013 eingegangenen Klageerweiterung u. a. eine Entschädigung in Höhe von 31.759,00 € verlangt. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, die Kündigung verstoße gegen §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Der Wortlaut des Kündigungsschreibens lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten, da darin auf ihre Pensionsberechtigung abgestellt worden sei. Es sei daher davon auszuge-
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hen, dass ihre Pensionsberechtigung und damit ihr Alter zumindest auch ein Motiv für die Kündigung gewesen sei. Da Frau ... unstreitig nicht pensionsberechtigt sei, liege eine altersdiskriminierende Ungleichbehandlung vor. Wegen dieser Benachteiligung stehe ihr zudem eine Entschädigung nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Weshalb in der Folge der Laborreform mit Einschränkungen im Laborbereich zu rechnen sei, sei nicht nachvollziehbar. Insoweit sei bereits der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für eine Angestellte zweifelhaft.
Soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung hat die Klägerin u. a. be-antragt,
1. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.05.2013 mit Wirkung zum 31.12.2013 beendet wird;
2. die Beklagte zu verpflichten, sie für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu ungeänderten Arbeitsbedingungen als medizinisch-technische Assistentin weiter zu beschäftigen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Höhe von 31.759,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Pensionsberechtigung bzw. das Alter der Klägerin sei nicht Grund für die Kündigung gewesen. Dies könne dem Kündigungsschreiben auch nicht entnommen werden. Sie sei lediglich bemüht gewesen, die betrieblich notwendige Kündigung freundlich und verbindlich zu formulieren. Kündigungsgrund sei allein die erforderliche Umstrukturierung der Praxis aufgrund der Laborreform zum 01.01.2014. Aufgrund der Laborreform fielen ab dem 01.01.2014 Leistungen im Laborbereich in erheblichem Umfang weg. In der Folge der Entscheidung, die Labortätigkeiten nur noch durch eine Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, sei der Arbeitsplatz der Klägerin entfallen. Die Klägerin sei mit den übrigen
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Mitarbeiterinnen aufgrund deren Fachkenntnissen und Spezialisierungen nicht vergleichbar. Die Weiterbeschäftigung der übrigen Mitarbeiterinnen sei wegen deren Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen für die Fortführung der Praxis existentiell notwendig. Sie benötige für das Leistungsspektrum der Praxis qualifiziertes und ausgebildetes Personal, insbesondere onkologisch qualifizierte Schwestern und Röntgenassistentinnen. Ein Entschädigungsanspruch bestehe selbst im Falle einer Diskriminierung der Klägerin durch die Kündigung nicht, da es im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung keine Benachteiligung mehr gebe.
Mit seinem der Klägerin am 28.10.2013 zugestellten Urteil vom 01.10.2013 hat das Arbeitsgericht die Klage im Hinblick auf die oben genannten Anträge abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 26.11.2013 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung, die sie am 10.02.2014 begründet hat, nachdem die Frist zur Berufungsbegründung auf ihren am 20.12.2013 eingegangenen Antrag bis zum 10.02.2014 verlängert worden war.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht eine Diskriminierung wegen Alters verneint. Insoweit habe das Arbeitsgericht übersehen, dass ihr aufgrund von § 22 AGG eine erleichterte Beweislast obliege. Aufgrund der Tatsache, dass in der Kündigung ihre Pensionsberechtigung genannt sei, sei davon auszugehen, dass damit ihr Alter Teil eines Motivbündels gewesen sei, was zur Kündigung geführt habe. Betriebsbedingte Gründe lägen nicht vor. Insbesondere habe sich der Arbeitsumfang im Labor nicht verringert, sondern sei in den letzten Jahren ständig angewachsen. Dies liege daran, dass die Patienten die Laborleistungen privat bezahlten. Deshalb beriefe sich die Beklagte auch nur auf einen Rückgang der Laborleistungen im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen. Entsprechend sei auch Frau ... eingestellt worden, damit andere Arbeitnehmerinnen die im Labor anfallenden Arbeiten mit übernehmen könnten. Die Beklagte könne nicht mit nur einer Mitarbeiterin im Labor auskommen. Sie (die Klägerin) sei schlicht gegen Frau ... ausgetauscht worden. Die Tatsache, dass die Beklagte unter Vorspiegelung einer „ominösen“ großen Laborreform den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für eine Mitarbeiterin vortäusche, zeige, dass nicht eine Umstrukturierung
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der Praxis sondern ihr Alter für die Kündigung der Beklagten ausschlaggebend gewesen sei. Unzutreffend sei, dass sie außer ihrer Qualifikation für das Labor über keine Zusatzqualifikationen verfüge. Sie sei für Gesundheits- und Aging-Checks verantwortlich gewesen und habe dem jeweiligen Arzt bei Prostatabiopsien assistiert und diese Operationen vorbereitet. Auch sei sie – unstreitig – beim Röntgen eingesetzt worden und habe hierbei IV-Infusionen gesetzt. Unzutreffend sei, dass sie die Teilnahme an dem Kurs zur Erlangung der Fachkunde im Strahlenschutz abgelehnt habe. Die Teilnahme sei ihr vielmehr unter Hinweis darauf, dass sie die Kosten für den Lehrgang aufgrund ihres Alters nicht mehr „einspielen“ werde, ver-weigert worden. Insgesamt sei sie ab Januar 2013 nicht mehr bei Weiterbildungen berücksichtigt worden. Sie sei ohne weiteres mit Frau ... vergleichbar. Deren Kenntnisse als Hygieneverantwortliche könne sie innerhalb einer eintägigen Fortbildung erlangen. Die onkologische Zusatzausbildung hätte auch ihr angeboten werden können. Auch die Tätigkeiten, die jetzt Frau ... ausführe, könne sie auch ohne Ausbildung als Krankenschwester erbringen. Sie habe diese Tätigkeiten während ihrer Betriebszugehörigkeit ständig erbracht. Obwohl sie keine Ausbildung als Krankenschwester habe, sei es bei der Erledigung der Tätigkeiten nie zu Beanstandungen gekommen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 01.10.2013 – 9 Ca 2137/13 – teilweise abzuändern;
2. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.05.2013 mit Wirkung zum 31.12.2013 beendet wird;
3. die Beklagte zu verpflichten, sie für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 2. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu ungeänderten Arbeitsbedingungen als medizinisch-technische Assistentin weiter zu beschäftigen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Höhe von 20.436,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 09.05.2014 (Bl. 380 ff. d. A.) Be-zug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sowie ausgeführte Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen, denn das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 24.05.2013 mit Ablauf des 31.12.2013 aufgelöst worden. Die Kündigung ist rechtswirksam und wahrt die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats.
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfiel nicht dem Kündigungsschutz nach dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes, da die Beklagte unstreitig nicht die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG für die Anwendbarkeit des ersten Ab-
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schnitts des Kündigungsschutzgesetzes erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt hat.
2. Die Kündigung der Beklagten ist nicht treuwidrig (§ 242 BGB).
a) Auch in einem sogenannten „Kleinbetrieb“ ist der Arbeitnehmer vor einer treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitgeber geschützt. Dabei haben die Arbeitsgerichte bei der Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln des § 242 BGB den objektiven Gehalt der Grundrechte, hier vor allem Art. 12 Abs. 1 GG, zu beachten. Allerdings darf dieser Schutz nicht so weit reichen, dass dem Kleinunternehmer praktisch die im Kündigungsschutzgesetz vorgesehenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden. Verlangt wird vom Arbeitgeber im Kleinbetrieb vielmehr nur ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme. Es geht darum, den Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Eine willkürliche Kündigung liegt nicht vor, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung besteht (vgl. BAG, Urteile vom 28.06.2007 – 6 AZR 750/06 – Rz. 29/30, NZA 2007, 1049, 1052 und vom 23.04.2009 – 6 AZR 533/08 – Rz. 32, NZA 2009, 1260, 1263, jeweils m. w. N.).
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus de-nen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt beim Arbeitnehmer. Dabei ist durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, soweit er die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt haben, nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Sodann muss sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, so gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BAG, Urteile vom 28.06.2007 – 6 AZR 750/06 – Rz. 31, NZA 2007, 1049, 1052 und vom 23.04.2009 – 6 AZR 533/08 – Rz. 33, NZA 2009, 1260, 1263, jeweils m. w. N.).
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b) Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen erweist sich die Kündigung vom 24.05.2013 nicht als treuwidrig.
(1) Die Kündigung der Klägerin erscheint nicht als willkürlich. Die Beklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, nach dem eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, die sogar geeignet wäre, eine betriebsbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen.
(a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrere Arbeitnehmer entfallen lässt. Ist die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich, muss der Arbeitgeber seine Entscheidung hin¬sichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehlt es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personal führt oder sie lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.2012 – 2 AZR 867/11 – Rz. 33/34, m. w. N., NZA 2013, 1003, 1006).
(b) Die Gesellschafter der Beklagten haben sich unstreitig entschlossen, die in der Praxis anfallenden Laborarbeiten nur noch durch Frau ... erledigen zu lassen. Diese Entscheidung erscheint auch dann als organisatorisch durchführbar, wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass sich der Umfang der Laborarbeiten in der Folge der Laborreform nicht verringern werden, da nach dem Vorbringen der Parteien die Laborarbeiten schon bisher nicht den Umfang hatten, um eine Arbeitnehmerin voll auszulasten. Unstreitig war die Ausführung der Laborarbeiten bis zum Ausspruch der Kündigung im Wesentlichen die Aufgabe der Klägerin, die daneben aber auch noch weitere in der Praxis anfallende Arbeiten ausgeführt hat. Frau ... war nach dem Vorbringen der Klägerin im Jahr 2011 zu ihrer Vertretung für
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Laborarbeiten angelernt worden. Eine Vertretung im Labor soll aber künftig nach der Planung der Beklagten nicht mehr erfolgen. Vielmehr sollen nach ihrem Vor-bringen die Laborarbeiten bei Abwesenheit von Frau ... liegen bleiben bzw. fremd-vergeben werden. Dass dies nicht möglich ist, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Eine Überlastung der übrigen Beschäftigten wird dadurch vermieden, dass mit Frau ... zum 03.01.2014 eine neue Mitarbeiterin ein-gestellt worden ist.
Im Hinblick auf Frau ... handelt es sich entgegen der Ansicht der Klägerin jedoch nicht um eine bloße Austauschkündigung. Zum einen soll Frau ... unstreitig nicht im Labor eingesetzt werden. Zum anderen besitzt Frau ... als ausgebildete Krankenschwester eine größere fachliche Qualifikation als die Klägerin für eine Arbeit am Patienten. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass sie in der Vergangenheit alle ihr übertragenen Aufgaben am Patienten unbeanstandet erledigt hat, ist es jedenfalls im Kleinbetrieb nicht zu beanstanden, dass sich die Gesellschafter der Beklagten von Frau ... aufgrund ihrer Ausbildung eine noch höher-wertige Versorgung der Patienten versprechen, als von der Klägerin schon bisher geleistet. Zudem kann Frau ... aufgrund ihrer Ausbildung in größerem Maße in zulässiger Weise selbständig am Patienten arbeiten, als dies die Klägerin durfte.
(2) Auch die Auswahlentscheidung zu Lasten der Klägerin ist unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht zu beanstanden.
(a) Die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers kann im Kleinbetrieb nur darauf überprüft werden, ob sie unter Berücksichtigung des Interesses des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und der schützenswerten Interessen des Kleinunternehmers gegen Treu und Glauben verstößt. Ein solcher Treuverstoß bei der Kündigung des sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmers ist um so eher anzunehmen, je weniger bei der Auswahlentscheidung eigene Interessen des Arbeitgebers eine Rolle gespielt haben. Hat der Arbeitgeber keine spezifischen eigenen Interessen, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen bzw. anderen vergleichbaren Arbeitnehmern nicht zu kündigen, und entlässt er gleichwohl den Arbeitnehmer mit
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der bei weitem längsten Betriebszugehörigkeit, dem höchsten Alter und den meisten Unterhaltspflichten, so spricht alles dafür, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer acht gelassen hat. Bestehen andererseits derartige betriebliche, persönliche oder sonstige Interessen des Arbeitgebers, so ist der durch § 242 BGB vermittelte Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers um so schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Da es in der Sache allein um einen Ausschluss von Willkür und sachfremden Motiven geht, ist ein nach § 242 BGB beachtlicher Auswahlfehler nur dann evident, wenn die Nichteinbeziehung eines Arbeitnehmers in den Auswahlkreis willkürlich ist. Nur, wenn sich aus dem Vorbringen des Arbeitnehmers auf den ersten Blick ergibt, dass der Arbeitgeber davon ausgehen musste, der gekündigte und der oder die nicht gekündigten Arbeitnehmer seien ohne weiteres austauschbar, kann es auf die Rechtfertigung der Auswahlentscheidung nach sozialen Gesichtspunkten ankommen. Nur dann kann von einem insoweit vorliegenden "evidenten" Auswahlfehler gesprochen werden (vgl. BAG, Urteil vom 06.02.2003 – 2 AZR 672/01 – Rz. 20 und 23, m. w. N., NZA 2003, 717, 718 f.).
(b) Ausgehend vom Vorstehenden liegt im vorliegenden Fall ein evidenter Auswahlfehler nicht vor.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Kündigung sind die Umstände im Zeitpunkt ihres Zugangs. Hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt beschäftigten Arbeitnehmerinnen war nicht auf den ersten Blick zu erkennen, dass diese durch die Klägerin hätten ausgetauscht werden können.
Frau ..., Frau ... und Frau ... verfügen alle über Qualifikationen, über die die Klägerin nicht verfügt, und die für den Betrieb der Beklagten erforderlich sind. Sowohl Frau ... als auch Frau ... verfügen über einer Qualifikation als Röntgenassistentinnen. Frau ... ist zudem ebenso wie Frau ... onkologisch qualifizierte Schwester. Beide Qualifikationen müssen aufgrund des im Betrieb ausgeübten Röntgens bzw. aufgrund der Teilnahme der Gesellschafter der Beklagten an der Onkologie-
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Vereinbarung von der Beklagten vorgehalten werden. Ein Erwerb dieser Qualifikationen durch die Klägerin ist kurzfristig nicht möglich. Bei der Qualifikation der Röntgenassistentin handelt es sich um einen anerkannten Ausbildungsberuf. Für den Erwerb der Qualifikation als onkologisch qualifizierte Schwester bedarf es jedenfalls der berufsbegleitenden Teilnahme an einen 120-stündigen Fortbildungscurriculum.
Die von der Klägerin vor allem als vergleichbar angesehene Frau ... war ebenfalls nicht kurzfristig durch die Klägerin ersetzbar. Zum einen hatte sie seit 2010 diverse Schulungen auf dem Gebiet der Onkologie besucht und nahm bereits seit 2012 an dem Fortbildungscurriculum für medizinische Fachangestellte und Arzthelferinnen in der Onkologie teil, wodurch sie im Rahmen der Onkologie-Vereinbarung eingesetzt werden konnte. Zum anderen ist sie die Hygieneverantwortliche der Praxis und hat seit 2008 an diversen Schulungen auf diesem Gebiet teilgenommen. Damit konnte die Klägerin die Kenntnisse und Erfahrungen von Frau ... keinesfalls innerhalb eines Tages erwerben, wie sie meint.
Frau ... befand sich als Umschülerin in der Ausbildung und war aufgrund dessen nicht mit ausgebildeten Arbeitnehmerinnen vergleichbar. Frau ... war im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht beschäftigt und deshalb nicht in die Auswahlentscheidung mit einzubeziehen.
3. Die Kündigung der Beklagten vom 24.05.2013 ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht wegen einer Diskriminierung wegen Alters rechtsunwirksam.
a) Ordentliche Kündigungen in Kleinbetrieben sind unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG. Der Wortlaut der Bestimmung steht dem nicht entgegen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt allerdings nicht selbst, welche Rechtsfolge eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige Benachteiligung hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich erst aus § 134 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12 – Rz. 22, m. w. N., NZA 2014, 372, 374).
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b) Der unstreitige Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 24.05.2013 lässt eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Alters und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten.
(1) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Dieser Zusammenhang kann sich aus der Kündigungsbegründung oder anderen Umständen ergeben. Dabei bedarf es allerdings keiner subjektiven Komponente im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Es reicht aus, wenn eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommt (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12 – Rz. 44, m. w. N., NZA 2014, 372, 377). Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Diskriminierungsmerkmal ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Merkmal anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Das Merkmal muss mithin nicht – gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens – handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12 – Rz. 22, m. w. N., zitiert nach Juris).
Nach der gesetzlichen Beweisregelung gemäß § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchsteller im Streitfalle Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (vgl. BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 – Rz. 27, m. w. N., NZA 2010, 280, 282 f.). Der Anspruchsteller genügt seiner Darlegungslast, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen
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dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist. Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen. Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2011 – 2 AZR 396/10 – Rz. 34, m. w. N., NZA 2012, 34, 36).
(2) Ausgehend vom Vorstehenden ist aufgrund des Wortlauts des Kündigungsschreibens vom 24.05.2013 zu vermuten, dass das Alter der Klägerin jedenfalls auch ein Motiv für die Kündigung vom 24.05.2013 gewesen ist.
Das Schreiben vom 24.05.2013 erwähnt das Alter der Klägerin zwar nicht ausdrücklich. Durch den Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ der Klägerin wird aber mittelbar auch das Alter der Klägerin in Bezug genommen, da die „Pensionsberechtigung“ (richtig wohl: der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Rente wegen Alters) vom Erreichen einer bestimmten Altersgrenze abhängig ist.
Da Gericht hält es für unwahrscheinlich, dass die „Pensionsberechtigung“ und da-mit das Alter der Klägerin für die Kündigungsentscheidung keine Rolle gespielt hat, wie die Beklagte behauptet. Richtig ist, dass im Kündigungsschreiben durch die Verwendung des Wortes „deshalb“ im zweiten Absatz ausdrücklich wohl nur eine Verbindung zwischen der Kündigung und der Umstrukturierung der Praxis aufgrund der Veränderungen im Laborbereich hergestellt werden soll. Gleichwohl vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ allein der Tatsache geschuldet gewesen sein soll, die betrieblich notwendige Kündigung freundlich und verbindlich zu formulieren. Es ist vielmehr lebensnah, dass ein Arbeitgeber mit sozialer Verantwortung in seine Überlegungen zu einer aus seiner Sicht betrieblich notwendigen Kündigung mit einfließen lässt, wenn die Kündigung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern evtl. weniger hart trifft, weil er berech-
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tigt ist, Altersrente zu beziehen. Hätte die Beklagte entsprechende Überlegungen nicht auch angestellt, wäre es nicht zu verstehen, warum sie die „Pensionsberechtigung“ im Kündigungsschreiben überhaupt erwähnt hat. Um freundlich und nett zu sein, hätte es näher gelegen, die Leistungen und (etwaigen) Verdienste der Klägerin mehr in den Vordergrund zu rücken, anstatt ihre „Pensionsberechtigung“ zu nennen.
(3) Die Beklagte hat die Klägerin durch die Kündigung vom 24.05.2013 unmittelbar wegen ihres Alters benachteiligt.
Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten verpönten Merkmals eine weniger günstige Behandlung erleidet als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Es ist erforderlich, dass die betreffende Person einer weniger günstigen Behandlung ausgesetzt ist als eine in einer vergleichbaren Situation befindliche Person, bei der das Merkmal nicht vorliegt (vgl. BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 – Rz. 23, m. w. N., NZA 2010, 280, 282).
Geht man aufgrund des Wortlautes des Kündigungsschreibens davon aus, dass Motiv für die Kündigung jedenfalls auch die „Pensionsberechtigung“ der Klägerin – und damit ihr Alter – gewesen ist, so ist sie aufgrund dieses Merkmals unmittelbar schlechter behandelt worden, als die jüngeren Mitarbeiterinnen der Praxis, denn die Klägerin ist unstreitig als einzige gekündigt worden. Zwar hat der Gesellschafter der Beklagten, Herr ..., in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt, die Klägerin wäre auch dann gekündigt worden, wenn sie nur 55 Jahre alt gewesen wäre. Es erscheint dem Gericht jedoch aufgrund des im Kündigungsschreiben betonten langjährigen gemeinsamen Weges als wahrscheinlicher, dass die Beklagte dann (zunächst noch) von der Umsetzung ihres unternehmerischen Konzeptes in der jetzigen Form abgesehen hätte. Die „Pensionsberechtigung“ der Klägerin erscheint vielmehr als willkommener Anlass, das unternehmerische Konzept sofort „sozialverträglich“ umzusetzen.
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c) Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist jedoch im Falle der Klägerin gemäß § 10 AGG zulässig.
(1) Die Beklagte verfolgt mit der Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin ein legitimes Ziel. Sie will andere Arbeitnehmer, insbesondere Frau ..., vor der Kündigung schützen, weil diese sie härter als die Klägerin trifft, da sie noch nicht „pensionsberechtigt“ und damit unter Umständen über einen längeren Zeitraum arbeits-los sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin in erster Linie als vergleichbar angesehenen Frau ..., die sich mit 53 Jahren in einem Lebensalter befindet, in dem es erfahrungsgemäß schwierig ist, eine neue Beschäftigung zu finden.
(2) Die Berücksichtigung der „Pensionsberechtigung“ bzw. des Alters ist vorliegend sowohl abstrakt als auch im konkreten Fall im Sinne von § 10 Sätze 1 und 2 AGG angemessen und erforderlich.
Der Gesetzgeber selber hat in § 10 Satz 3 Nr. 5 und 6 AGG die Möglichkeit des Rentenbezuges als zulässiges Differenzierungskriterium anerkannt. § 41 SGB VI steht einer Berücksichtigung des Rentenbezuges im Hinblick auf die vorliegende Kündigung nicht entgegen. Der mögliche Rentenbezug der Klägerin soll die Kündigung vom 24.05.2013 nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Der mögliche Rentenbezug ist entsprechend den oben stehenden Ausführungen lediglich (auch) ein Motiv für die Auswahl der Klägerin zur Kündigung. Bedingt ist die Kündigung durch die unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung der Praxis.
Auch im Hinblick auf die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wird anerkannt, dass der Arbeitgeber bei der Gewichtung des Auswahlgesichtspunkts „Lebensalter“ die „Rentennähe“ einzelner Arbeitnehmer zu deren Nachteil berücksichtigten darf (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 15. Auflage, § 1 Rz. 976 und ErfK-Oetker, 14. Auflage, § 1 KSchG Rz. 332a). Selbst wenn mit dem Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld Abschläge verbunden sind, kann die Berücksichtigung der Möglichkeit der Inanspruchnahme im Einzelfall als legitim und angemes-
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sen erscheinen, wenn jüngere Arbeitnehmer ohne die Möglichkeit des Bezugs von Altersrente – wie hier Frau ... – objektiv nur verhältnismäßig geringe Aussichten haben, eine neue Beschäftigung zu finden (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 23.05.2005 – 5 Sa 198/05 – Rz. 31, NZA-RR 2005, 584, 585 und APS-Kiel, 4. Auflage, § 1 KSchG Rz. 721b). Gibt es diese Möglichkeit aber bereits im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, muss dies erst Recht gelten, wenn – wie hier – im Kleinbetrieb das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet.
Konkret bezogen auf die Klägerin liegen keine Umstände vor, die eine andere Beurteilung gebieten. Die aufgrund der ausgeübten Tätigkeit annähernd vergleichbare Frau ... hat mit 53 Jahren objektiv keine wesentlich besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt als die Klägerin. Im Unterschied zur Klägerin besteht bei ihr jedoch die konkrete Gefahr, dass sie bis zum Eintritt in die Rente noch viele Jahre arbeitslos und ggf. sogar auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein wird.
B.
Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist aufgrund ihres Unterliegens mit dem Feststellungsantrag nicht zur Entscheidung angefallen. Mangels einer unzulässigen Diskriminierung scheidet ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG aus.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten der von ihr ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen.
Die Zulassung der Revision für die Klägerin beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Insoweit gilt die nachfolgende
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin/Berufungsklägerin
Revision
eingelegt werden.
Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Postfach, 99112 Erfurt
oder
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
Telefon: (03 61) 26 36 - 0
Telefax: (03 61) 26 36 - 20 00.
Sie ist gleichzeitig innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift und die Begründung der Revision müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein. Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgeberverbänden sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände und Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, die die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG erfüllen.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift und die Begründung unterzeichnen oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Bezüglich der Möglichkeiten elektronischer Einlegung und Begründung der Revision - eine Einlegung per E-Mail ist ausgeschlossen! - wird verwiesen auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 9. März 2006 (BGBl. I S. 519).
Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht.
Für die Beklagte/Berufungsbeklagte ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
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