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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.04.2010, 10 Sa 276/10
Schlagworte: | Tarifvertrag, Nachtzuschlag | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 10 Sa 276/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 16.04.2010 | |
Leitsätze: | Der Nachtzuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG kann auch in einer tariflichen Grundvergütung enthalten sein, wenn der Tarifvertrag dafür genügend Anhaltspunkte hat. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 14.01.2010, 24 Ca 10178/08 Nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2011, 10 AZR 369/10 |
|
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 16. April 2010
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
10 Sa 276/10
24 Ca 10178/08
Arbeitsgericht Berlin
H., VA
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herr R. und Herr W.
für Recht erkannt:
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Januar 2010 - 24 Ca 10178/08 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.680,00 EUR festgesetzt.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um Nachtzuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG.
Die Beklagte ist ein 100%iges Tochterunternehmen der DB A. GmbH und ist mit der Erbringung von Serviceleistungen für Zugreisende, insbesondere in den Bereichen Betreuung, Bewirtschaftung und betriebliche Borddienste im Nachtreiseverkehr sowie in Autoreisezügen, befasst. Sie entstand im Jahre 2002 aus dem Teilbereich Nachtreiseverkehr des Geschäftsbereichs „Service im Zug“ der M. AG. Sie beschäftigt ca. 45 stationär tätige Mitarbeiter und - saisonabhängig - ca. 650 Mitarbeiter im Fahrdienst.
Die Klägerin ist 47 Jahre alt und seit dem 2. Januar 1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als „Stewardess mit Zugschaffnerfunktion“ entsprechend einer Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 64 d.A.) beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Firmentarifverträge der Beklagten aufgrund Verbandszugehörigkeit der Klägerin Anwendung. Unter dem 28. Juni 2002 legten die Beklagte und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) das „Ergebnis der Verhandlungen zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer/innen der M. AG SIZ Nachtverkehr zur DB RBS GmbH“ schriftlich nieder (Bl. 56-57 d.A.). Dabei wurde unter anderem die Fortgeltung des Ergänzungstarifvertrages über spezifische Regelungen Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Geschäftsbereiches SiZ Ost vom 27. Juni 1997 (ErgTV SiZ/Ost) festgelegt. Zu einem zwischen der M. AG und der Gewerkschaft NGG am 26. März 2002 vereinbarten Eckpunktepapier wurde in der Vereinbarung vom 28. Juni 2002 unter anderem festgehalten:
„Die tägliche Arbeitszeit im Fahrdienst kann wegen des regelmäßig hohen Anteils an Arbeitsbereitschaft (reine Servicebereitschaft gegenüber den Reisenden) gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 4a ArbZG über 8 Stunden hinaus verlängert werden; sie darf, abhängig vom Zugeinsatz, jedoch eine Dauer von 16 Stunden nicht überschreiten.“
Die Fortgeltung des Ergänzungstarifvertrages über spezifische Regelungen im Geschäftsbereich SiZ - Service im Zug/Ost“ wurde in den späteren Tarifverhandlungen am 30. März 2006 erneut vereinbart (Bl. 30 d.A.).
Nach § 5 Nr. 1.1 des Ergänzungstarifvertrages (Bl. 62 d.A.) erhalten Arbeitnehmer/-innen im stationären Dienst Tarifentgelt der Staffel I sowie Feiertags-, Mehrarbeits- und Nachtzuschläge. Nach der dortigen Nr. 1.2 erhalten Arbeitnehmer/-innen im Fahrdienst Tarifentgelt der Staffel II (85% der Staffel I) und einen umsatzabhängigen Provisionslohn sowie Feiertags- und Mehrarbeitszuschläge, aber keine Nachtzuschläge. Entsprechend regelt § 3 Ziffer 4.3 des Ergänzungstarifvertrages, dass nur stationär beschäftigte Arbeitnehmer für Nachtarbeit einen Zuschlag von 15% zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr erhalten. Die Klägerin ist nach Tarifgruppe 5 eingruppiert. Dazu gehört nach § 7 Ziff. 1 des Ergänzungstarifvertrages u.a. auch die Tätigkeit von Nachtstewardessen (Bl. 63 d.A.).
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Nachtzuschläge gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG für die vom 1. Februar 2008 bis 30. April 2008 und vom 1. Oktober 2008 bis 31. Januar 2009 während der Nachtzeit geleisteten Stunden in Höhe von 25% des tariflichen Stundenlohns, entsprechend 1,88 EUR je Stunde bzw. ab dem 1. Oktober 2008 in Höhe von 1,96 EUR je Stunde. Die Klägerin hat diese Ansprüche jeweils rechtzeitig geltend gemacht. Für die Zeit ab Februar 2009 begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr der Nachtzuschlag nach Wahl der Beklagten als Freizeitausgleich oder in Höhe von 25% der tariflichen Stundenvergütung zustehe.
Die Klägerin führt aus, dass die Tätigkeit im Nachtdienst aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten nicht zu wesentlichen Teilen aus Bereitschaftszeiten bestehe. Die Belastung der Mitarbeiter im Nachtverkehr sei keine geringere als die der Mitarbeiter im Tagverkehr, sondern lediglich anders gestaltet. Neben den Tätigkeiten im Restaurant seien weitere Tätigkeiten wie zum Beispiel das Wecken von Gästen und das Abziehen der Bettwäsche durchzuführen. Da die tarifliche Vergütung nicht zwischen der Arbeit im Tagverkehr und der im Nachtverkehr differenziere, sei ein Nachtzuschlag in der tariflichen Vergütung nicht enthalten.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 403,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 497,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;3.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 22,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;4.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 1. Februar 2009 für die von der Klägerin geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% des Tariflohnes für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder der Klägerin für während der Nachtzeit geleistete Arbeitsstunden fünf bezahlte freie Tage jährlich zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelung zum Ausgleich für Nachtarbeit im Tarifvertrag getroffen hätten. Zwar sei dort nur für Mitarbeiter im stationären Dienst ein Nachtzuschlag ausdrücklich vereinbart, bei Mitarbeitern im Fahrdienst sei er jedoch in der tariflichen Grundvergütung enthalten. Dieses sei dem Tarifvertrag zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, aber angesichts der entsprechenden Regelung für die Tätigkeit im stationären Dienst sei den Tarifvertragsparteien bei Abschluss das Problem des § 6 Abs. 5 ArbZG bekannt gewesen. Es handele es sich bei der tariflichen Regelung für das Fahrpersonal insoweit um beredtes Schweigen. Im Übrigen sei die Belastung der Fahrdienstmitarbeiter im Tagdienst deutlich höher. Entsprechend sei der Anteil der reinen Service-Bereitschaft im Nachdienst deutlich höher und entspreche etwa 30% der Gesamtarbeitszeit.
Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 145-149 d.A.) abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Januar 2010 abgewiesen. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass die Tarifvertragsparteien die Entscheidung getroffen hätten, dass aufgrund des hohen Anteils an Bereitschaftszeiten während der Tätigkeit von Nachtstewardessen der Nachtzuschlag bereits in der - allgemeinen - tariflichen Vergütung enthalten sei. Dies ergebe sich aus dem Zusammenhang der tariflichen Vorschriften des ErgTV SiZ/Ost. Dass den Tarifvertragsparteien die Problematik der mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen bewusst gewesen sei, ergebe sich daraus, dass es konkrete Regelungen zu Nachtzuschlägen, wenn auch nur für das stationäre Personal, im Tarifvertrag gebe. Auch die gleiche Eingruppierung von Stewardessen im Tag- und Nachtdienst spreche nicht gegen eine Einbeziehung des Nachtzuschlags in die tarifliche Grundvergütung. Die Tarifvertragsparteien seien ersichtlich davon ausgegangen, dass die arbeitsmäßige Belastung der Servicemitarbeiter im Nachtverkehr während der Nachtzeit grundsätzlich geringer sei als im Tagverkehr. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 149-154 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses der Klägerinvertreterin am 18. Januar 2010 zugestellte Urteil hat diese am 9. Februar 2010 mit Schriftsatz vom 8. Februar 2010 Berufung eingelegt und mit am 3. März 2010 eingegangenem Schriftsatz vom 1. März 2010 begründet.
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin ausgeführt, dass der Anteil an Bereitschaftszeiten während ihrer Arbeitszeit tatsächlich gering sei.
Auch in den Zeiten, in denen die Passagiere überwiegend schlafen würden, seien zahlreiche Vor- und Nachbereitungstätigkeiten zu leisten. Bei Bahnhöfen, die in der Nacht angefahren würden, falle ebenfalls ein erheblicher Teil an Arbeitsleistung an. Wegen der weiteren Einzelheiten der nach Ansicht der Klägerin von ihr während ihrer Arbeitszeit zu leistenden Tätigkeiten wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung (Bl. 170-173 d.A.) sowie den dabei in Bezug genommenen Schriftsatz der Klägerin 5. März 2009 (Bl. 94-95 d.A.).
Weiter hat die Klägerin gemeint, dass nach § 6 Abs. 5 ArbZG grundsätzlich ein Nachzuschlag zu gewähren sei. Für eine etwaige Ausnahme sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Das gelte auch, wenn man davon ausgehe, dass dieser auch in der tariflichen Grundvergütung enthalten sein könne.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Januar 2010 - 24 Ca 10178/08 -
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 923,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit auf 403,77 EUR, 497, 26 EUR und 22,48 EUR zu zahlen oder der Klägerin fünf freie Tage zu gewährleisten;
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 1. Februar 2009 für die von der Klägerin geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25% des Tariflohnes für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder der Klägerin für jeweils 90 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen freien Tag zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Klägerin arbeite entsprechend dem Betriebszweck der Beklagten zu weiten Teilen nachts. Das sei typisch für die Tätigkeit bei der Beklagten. Das hätten die Tarifvertragsparteien bei der Entgeltfindung berücksichtigt. Im Übrigen seien die Betreuungsleistungen der Klägerin in der Nachtzeit nicht so umfangreich wie von ihr geschildert. Ein Großteil der Nachtzeit sei von Bereitschaft geprägt. Diese ergebe sich auch aus den von der Klägerin vorgelegten Schichtablaufplänen. Wegen der weiteren Einzelheiten der nach Ansicht der Beklagten bei der Klägerin während ihrer Arbeitszeit bestehenden Bereitschaftszeiten wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung (Bl. 188 d.A. in Verbindung mit den tabellarischen Aufstellungen Bl. 191-194 d.A.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin vom 1. März 2010 und den Schriftsatz vom 12. April 2010 sowie auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 5. April 2010 sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.
II.
In der Sache ist jedoch keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Die Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Sowohl im Ergebnis wie auch in der Begründung hat das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen.
1.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit des Feststellungsantrags angenommen, da damit eine dauerhafte Klärung der unterschiedlichen Ansichten der Parteien über die Ansprüche der Klägerin auf Nachtzuschläge zu erwarten ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten. Die Feststellungsklage ist nicht wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Der Vorrang der Leistungsklage gilt nicht uneingeschränkt. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07).
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz ihre Anträge geringfügig geändert bzw. präzisiert hat, war dieses ebenfalls zulässig, da der Streitgegenstand dadurch nicht verändert worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 5. September 2002 - 9 AZR 202/01) handelt es sich bei der Ausgleichsverpflichtung des Arbeitgebers nach § 6 Abs. 5 ArbZG um eine Wahlschuld. Dem hat die Klägerin nun bei den Zahlungsanträgen wie schon zuvor beim Feststellungsantrag entsprochen.
2.
Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 1. Senates des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 26. August 1997 - 1 ABR 16/97) angenommen, dass Tarifverträge auch eine stillschweigende Ausgleichsregelung im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG beinhalten können. In der Entscheidung vom 26. August 1997 hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt:
Ausdrückliche [tarifliche] Bestimmungen fehlen insoweit; hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Der BMTV hat auch nicht stillschweigend den Ausgleich für Nachtarbeit geregelt, etwa durch die Bestimmungen über Urlaub, über Arbeitsbereitschafts- und Kabinenzeiten oder über die Grundvergütung. Der Arbeitgeberin ist allerdings zuzugeben - in Übereinstimmung mit der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum (Dobberahn, Das neue Arbeitszeitgesetz in der Praxis, 2. Aufl., Rz 91; Kraegeloh, Arbeitszeitgesetz, § 6 Rz 10; Roggendorff, Arbeitszeitgesetz, § 6 Rz 40; Zmarzlik/Anzinger, Arbeitszeitgesetz, § 6 Rz 57) -, dass eine solche Ausgleichsregelung auch stillschweigend erfolgen kann. In den Ausschussberatungen zum Arbeitszeitgesetz wurde die Formulierung des § 6 Abs. 5 ArbZG mit dem erklärten Zweck geändert, klarzustellen, dass auch bereits bestehende Tarifverträge, in denen z.B. branchenspezifische Nachtarbeit bei der Grundentgeltfindung berücksichtigt war, als Ausgleichsregelungen i.S.d. Vorschrift in Betracht kommen (Ausschussbericht BT-Drucks. 12/6990 S. 43).
…
Den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann nur dann eine stillschweigende Ausgleichsregelung i.S. dieser Vorschrift entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält, oder wenn sich aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte dafür ergeben. So wird im Schrifttum zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einer speziell für Nachtwächter geltenden tariflichen Entgeltregelung davon auszugehen ist, die Belastungen der Nachtarbeit seien bereits im Grundentgelt berücksichtigt (Neumann/Biebl, Arbeitszeitgesetz, 12. Aufl., § 6 Rz 25). In einem derartigen Fall ständiger und fast ausschließlicher Nachtarbeit aller betroffenen Arbeitnehmer mag eine Aufspaltung der Vergütung in Grundlohn und Nachtzuschlag gekünstelt wirken. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Verhältnisse im Güterfernverkehr vergleichbar wären. Er findet keineswegs ausschließlich nachts statt. Es gibt nicht einmal Anhaltspunkte dafür, dass dies überwiegend der Fall wäre. Zwar wird es zutreffen, dass viele Fernfahrer auch nachts eingesetzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass hierdurch alle in - wenigstens annähernd - gleicher Weise belastet werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass manche Fernfahrer viel Nachtarbeit zu leisten haben, andere weniger oder gar keine. Angesichts dessen fehlt jede Grundlage für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten diese Belastungen mit dem Grundlohn abgelten wollen.
Es kann dahinstehen, ob bei einer im Tarifvertrag enthaltenen Ausgleichsregelung für Nachtarbeit eine Inhaltskontrolle der entsprechenden Regelung auf Angemessenheit entfällt bzw. bei unangemessenen tariflichen Ausgleichsregelungen der gesetzliche Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG wieder auflebt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der in der Grundvergütung der Klägerin enthaltene Nachtzuschlag unangemessen ist.
2.1
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war den Tarifvertragsparteien bei Abschluss des ErgTV SiZ/Ost bewusst, dass Nachtarbeit im Betrieb der Beklagten anfällt und grundsätzlich Nachtzuschläge als Ausgleich zu gewähren sind. Anders kann § 5 Ziffer 1.1 und die direkt nachfolgende Ziffer 1.2 des § 5 nach Ansicht der Kammer nicht verstanden werden. Wenn die Tarifvertragsparteien hier zwischen Arbeitnehmern im stationären Dienst und Arbeitnehmern im Fahrdienst unterscheiden, ist davon auszugehen, dass sie bei der Aufzählung der Vergütungsbestandteile für diese beiden Gruppen eine bewusste Entscheidung zur Unterscheidung getroffen haben, den Arbeitnehmern im stationären Dienst neben dem Tarifentgelt nicht nur Feiertags- und Mehrarbeitszuschläge, sondern auch noch Nachtzuschläge zu gewähren, den Arbeitnehmern im Fahrdienst jedoch neben dem Tarifentgelt und einem umsatzabhängigen Provisionslohn nur Feiertags- und Mehrarbeitszuschläge. Bekräftigt wird dieses Ergebnis durch die Regelung in § 3 Ziffer 4.3 des ErgTV SiZ/Ost. Denn in dieser Vorschrift haben die Tarifvertragsparteien unter der Überschrift „Nachtarbeit“ Regelungen zum Umfang der Nachtarbeit und die dafür bestehenden Ausgleichsleistungen getroffen. Zugleich haben sie aber festgelegt, dass diese Regelung nur für „stationär beschäftigte Arbeitnehmer/innen“ gelte. Da der Tarifvertrag an zahlreichen anderen Stellen jeweils zwischen dem stationären Personal und dem Fahrpersonal bzw. Arbeitnehmern im Fahrdienst unterscheidet, kann nicht angenommen werden, dass die Arbeitnehmer im Fahrdienst versehentlich in der tariflichen Regelung vergessen worden sind.
2.2
Dass den Tarifvertragsparteien bewusst war, dass es die Tätigkeit der Nachtstewardessen gab, zeigt sich daran, dass bei den Tätigkeitsbeispielen in § 7 zur Tarifgruppe 5 neben der Tätigkeit als „Kellner/in/Steward/ess“ unter anderem auch die Tätigkeit als „Schlafwagenschaffner/in /Nachtsteward/ess“ aufgeführt ist. Da es sich um einen Tarifvertrag speziell für die Rechtsvorgängerin der Beklagten und dort noch wieder speziell um einen Tarifvertrag für den Service im Zug handelte, war nach Ansicht der Kammer davon auszugehen, dass den Tarifvertragsparteien auch die Einzelheiten der vorgenannten Tätigkeiten bekannt waren. Hinzu kommt, dass die Beklagte und die Gewerkschaft NGG im Ergebnis der Verhandlungen zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer/innen der M. AG SIZ Nachtverkehr zur DB R. GmbH im Jahre 2002 im Zusammenhang mit der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit im Fahrdienst festgehalten haben, dass es im Fahrdienst regelmäßig einen hohen Anteil an Arbeitsbereitschaft (reine Servicezeit gegenüber den Reisenden) gebe.
2.3
Damit enthält der ErgTV SiZ/Ost selbst ebenso wie die „Tarifgeschichte“ im Zusammenhang mit der Überleitung der Arbeitsverhältnisse von der M. AG zur Beklagten hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass der Nachtzuschlag für Nachtstewardessen in dem Tarifentgelt enthalten sein sollte.
3.
Dass dieser im Tarifentgelt enthaltene Nachtzuschlag unangemessen niedrig wäre, kann bei einem von den Tarifvertragsparteien angenommenen „regelmäßig hohen Anteil an Arbeitsbereitschaft“ nicht festgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Kontrolle von Tarifbestimmungen durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt wird. Den Tarifvertragsparteien steht als selbständigen Grundrechtsträgern eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung des tatsächlichen Regelungsbedarfs im Hinblick auf die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen geht. Sie sind nicht dazu verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn es für die getroffene Regelung einen sachlich vertretbaren Grund gibt (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07). Dieser ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen (BAG, Urteil vom 16. August 2005 - 9 AZR 378/04). Die den Tarifvertragsparteien zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume schließen Typisierungen und Pauschalierungen ein. Die mit diesen häufig verbundenen Härten müssen im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden.
Die Tarifvertragsparteien sind von erheblichen Bereitschaftsanteilen an der Arbeitszeit im Fahrdienst ausgegangen. Die Höhe des angemessenen Nachtzuschlags im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist. Ein geringerer Ausgleich ist erforderlich, wenn in die Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft fällt (BAG, Urteil vom 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08). Dabei kommt es angesichts der objektiven Kriterien nicht auf den konkreten Anteil der Bereitschaftszeiten an der Nachtarbeit der Klägerin an, sondern es genügt, wenn die pauschalierte Handhabung im Tarifvertrag nachvollziehbar und sachlich vertretbar ist. Dieses war nach Ansicht der Kammer unzweifelhaft der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Der Streitwert war gegenüber der ersten Instanz unverändert.
Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, damit dem Bundesarbeitsgericht Gelegenheit gegeben wird, die Einzelheiten seiner Rechtsprechung zur stillschweigenden Festlegung eines „Nachtzuschlags“ nach § 6 Abs. 5 ArbZG in einem Tarifvertrag zu präzisieren.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden. Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als solche sind außer Rechtsanwälten nur folgende Stellen zugelassen, die zudem durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln müssen:
• Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
• juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Für die Beklagte ist kein Rechtsmittel gegeben.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments i. S. d. § 46b ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de.
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung einzureichen.
W.-M.
R.
W.
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |