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LAG Köln, Be­schluss vom 05.06.2014, 7 TaBV 27/14

   
Schlagworte: Betriebsänderung, Betriebsstilllegung, Sozialplan
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 7 TaBV 27/14
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 05.06.2014
   
Leitsätze:

1. Für die Frage, ob in einem Betrieb genügend Arbeitnehmer beschäftigt sind, um die Sozialplanpflichtigkeit einer Betriebsänderung zu begründen, kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der Arbeitgeber den Entschluss fasst, die Betriebsänderung vorzunehmen.

2. Auch aus einem Betrieb bereits ausgeschiedene Mitarbeiter können von einem Sozialplan erfasst werden.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 24.03.2014, 1 BV 43/14
   

Te­nor:

Die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 24.03.2014 in Sa­chen 1 BV 43/14 wird zurück­ge­wie­sen.

Gründe

I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten in ei­nem Ver­fah­ren nach § 98 ArbGG über die Er­rich­tung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zum The­ma „Auf­stel­lung ei­nes So­zi­al­plans anläss­lich der Be­triebs­still­le­gung und des Per­so­nal­auf­baus“.

We­gen des Sach- und Streit­stan­des ers­ter In­stanz, we­gen der erst­in­stanz­lich zur Ent­schei­dung ge­stell­ten Sach­anträge und we­gen der Gründe, die die 1. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Köln da­zu be­wo­gen ha­ben, den Anträgen des An­trag­stel­lers in vol­lem Um­fang statt­zu­ge­ben, wird auf den an­ge­grif­fe­nen Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 24.03.2014 Be­zug ge­nom­men.

Der ar­beits­ge­richt­li­che Be­schluss wur­de der An­trags­geg­ne­rin am 10.04.2014 zu­ge­stellt. Sie hat hier­ge­gen am 24.04.2014 Be­schwer­de ein­ge­legt.

Die An­trags­geg­ne­rin und Be­schwer­deführe­rin meint wei­ter­hin, ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le zu dem streit­ge­genständ­li­chen The­ma sei of­fen­sicht­lich un­zuständig und da­her von vor­ne­her­ein nicht ein­zu­rich­ten. Für das zwin­gen­de Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats zur Auf­stel­lung ei­nes So­zi­al­pla­nes gemäß § 112 Abs. 4 Be­trVG feh­le es dar­an, dass das Un­ter­neh­men nicht in der Re­gel über mehr als 20 wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer verfügt ha­be. Be­reits zum Zeit­punkt der Sch­ließung des Be­trie­bes am 31.01.2014 ha­be sie, die Be­schwer­deführe­rin, nicht über mehr als 20 wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer verfügt. Zwi­schen­zeit­lich sei­en na­he­zu sämt­li­che Ar­beits­verhält­nis­se be­en­det wor­den. Der­zeit stünde le­dig­lich noch der Fort­be­stand von vier Ar­beits­verhält­nis­sen zur Dis­kus­si­on, de­rent­we­gen beim Ar­beits­ge­richt Köln noch Kündi­gungs­schutz­pro­zes­se anhängig sei­en.

Die Ar­beit­ge­be­rin als Be­schwer­deführe­rin be­an­tragt, un­ter Auf­he­bung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Köln vom 24.03.2014, 1 BV 43/14, 7
die Anträge kos­ten­pflich­tig zurück­zu­wei­sen.

Der Be­triebs­rat als An­trag­stel­ler und Be­schwer­de­geg­ner be­an­tragt,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Der Be­schwer­de­geg­ner macht gel­tend, dass es für die Be­ur­tei­lung der So­zi­al­plan­vor­aus­set­zung ‚Beschäftig­ten­zahl‘ nicht auf den Zeit­punkt der
Be­triebs­sch­ließung an­kom­me, son­dern auf den Zeit­punkt, in wel­chem der Still­le­gungs­be­schluss ge­fasst wor­den sei. Der Be­schwer­de­geg­ner weist dar­auf hin, dass bei der Be­triebs­rats­wahl vom 10.06.2013 un­be­an­stan­det 88 Ar­beit­neh­mer auf der Wähler­lis­te ge­stan­den hätten. We­der sei die Ar­beit­neh­mer­zahl kurz vor­her sprung­haft an­ge­stie­gen, noch sei sie nach der Wahl sprung­haft re­du­ziert wor­den und auf un­ter 20 ab­ge­sun­ken. Noch am 27.01.2014 ha­be in der Lo­ka­lität „A W “ ei­ne Großver­an­stal­tung mit ca. 1000 Gästen statt­ge­fun­den, de­ren Durchführung be­reits ei­ne Beschäfti­gung von weit­aus mehr als 20 Ar­beit­neh­mern er­for­dert ha­be.

Im Anhörungs­ter­min vor dem Be­schwer­de­ge­richt hat die Be­schwer­deführe­rin klar­stel­len las­sen, dass sie zwar von der of­fen­sicht­li­chen Un­zuständig­keit ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le aus­ge­he, aber kei­ne Einwände ge­gen die Per­son des vor­ge­schla­ge­nen Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den er­he­be.

II. Die zulässi­ge, ins­be­son­de­re statt­haf­te und recht­zei­tig er­ho­be­ne Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 24.03.2014 ist un­be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt Köln hat die vom Be­triebs­rat be­an­trag­te Ei­ni­gungs­stel­le zu Recht ein­ge­setzt und sei­ne Ent­schei­dung zu­tref­fend be­gründet. Die Ar­beit­ge­be­rin hat ih­ren Be­trieb, die Gast- und Ver­an­stal­tungsstätte „A W “ in K , un­strei­tig zum 31.01.2014 still­ge­legt. Aus die­sem Grund hat die Ar­beit­ge­be­rin Maßnah­men er­grif­fen, um das bei ihr beschäftig­te Per­so­nal auf Null zu re­du­zie­ren. Sie hat hier­zu Kündi­gun­gen aus­ge­spro­chen und Auf­he­bungs­verträge ab­ge­schlos­sen. Auch Ei­genkündi­gun­gen soll es ge­ge­ben ha­ben.

Die Still­le­gung des gan­zen Be­trie­bes stellt ei­ne Be­triebsände­rung im Sin­ne von § 111 Satz 3 Be­trVG dar. Sie löst die in §§ 111, 112 Be­trVG be­schrie­be­nen Mit­be­stim­mungs­tat­bestände aus, dar­un­ter die Pflicht, mit dem Be­triebs­rat über den Aus­gleich oder die Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le zu ver­han­deln, die den Ar­beit­neh­mern in­fol­ge der ge­plan­ten Be­triebsände­rung ent­ste­hen (So­zi­al­plan), § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG. Kommt es im Rah­men sol­cher Ver­hand­lun­gen nicht zu ei­ner Ei­ni­gung über den Ab­schluss des So­zi­al­pla­nes, so hat gemäß § 113 Abs. 3 Be­trVG die Ei­ni­gungs­stel­le zu ent­schei­den.

Die Mit­be­stim­mungs­rech­te nach §§ 111, 112 Be­trVG set­zen al­ler­dings vor­aus, dass es sich um ein Un­ter­neh­men „mit in der Re­gel mehr als 20 wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern“ han­delt, § 111 Satz 1 Be­trVG. Ob die­se Vor­aus­set­zung erfüllt ist, stellt den ein­zi­gen Streit­punkt der Par­tei­en im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren dar.

Kommt ein ei­ni­gungs­stel­len­pflich­ti­ger Tat­be­stand zwin­gen­der Mit­be­stim­mung, wie hier der Ab­schluss ei­nes So­zi­al­plans, in Be­tracht, so hat die Ei­ni­gungs­stel­le grundsätz­lich über ih­re Zuständig­keit selbst zu ent­schei­den. Dies gilt nicht nur in recht­li­cher, son­dern auch in tatsäch­li­cher Hin­sicht. Die Bil­dung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le kann nur dann von vor­ne­her­ein ab­ge­lehnt wer­den, wenn ih­re Un­zuständig­keit of­fen­sicht­lich ist, § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.

Im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren ist in kei­ner Wei­se of­fen­sicht­lich ge­wor­den, dass ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le nach § 112 Abs. 4 Be­trVG des­halb nicht zu be­stel­len wäre, weil in dem Un­ter­neh­men der Be­schwer­deführe­rin in der Re­gel nicht mehr als wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer beschäftigt wor­den wären.

Die Ein­las­sun­gen der Be­schwer­deführe­rin zu die­ser Vor­aus­set­zung der Min­dest­beschäftig­ten­zahl sind un­schlüssig und un­sub­stan­ti­iert. Für die Be­ur­tei­lung, ob die hin­rei­chen­de Beschäftig­ten­zahl für die So­zi­al­plan­pflich­tig­keit ei­ner Be­triebs­sch­ließung mit vollständi­gem Per­so­nal­ab­bau ge­ge­ben ist, kommt es nämlich nicht, wie die Be­schwer­deführe­rin zu glau­ben meint, auf den Zeit­punkt der Be­triebs­sch­ließung selbst (hier der 31.01.2014) an. Wäre dies der Fall, so käme ge­ra­de bei ei­ner vollständi­gen Be­triebs­sch­ließung, al­so dem klas­si­schen Bei­spiel­fall nach § 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG, für den die Mit­be­stim­mungs­rech­te der §§ 111, 112 Be­trVG ge­ra­de ge­schaf­fen wur­den, ei­ne So­zi­al­plan­pflicht prak­tisch nie in Be­tracht. Erst recht kommt es nicht auf den Zeit­punkt der endgülti­gen Ge­richts­ent­schei­dung über ei­nen An­trag nach § 98 ArbGG an. Maßge­bend ist viel­mehr al­lein der Zeit­punkt, in dem der Ar­beit­ge­ber den Ent­schluss fasst, ei­ne be­stimm­te Be­triebsände­rung vor­zu­neh­men; denn die­ser Be­schluss stellt den Tat­be­stand dar, der die Mit­be­stim­mungs­rech­te aus §§ 111, 112 Be­trVG auslöst (std. Rspr., z. B. BAG vom 10.12.1996, 1 ABR 43/96; ErfKo/Ka­nia, § 111 Be­trVG Rd­nr. 5 m. w. N.).

Über den Zeit­punkt, zu dem die Be­schwer­deführe­rin den Still­le­gungs­be­schluss und den Be­schluss zum vollständi­gen Per­so­nal­ab­bau ge­trof­fen hat, hat sich die­se im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren aus­ge­schwie­gen. Sie hat auch in kei­ner Wei­se nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt, in wel­cher Wei­se und in wel­cher zeit­li­chen Ab­fol­ge der Per­so­nal­ab­bau sich im Ein­zel­nen voll­zo­gen hat. Auf der an­de­ren Sei­te konn­te der an­trag­stel­len­de Be­triebs­rat un­wi­der­spro­chen dar­le­gen und durch Vor­la­ge ent­spre­chen­der Lis­ten do­ku­men­tie­ren, dass nur sie­ben­ein­halb Mo­na­te vor dem Voll­zug der Be­triebs­sch­ließung die Be­leg­schaftsstärke noch bei 88 wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern lag.

In An­be­tracht die­ser Vor­trags­la­ge er­scheint es al­les an­de­re als of­fen­sicht­lich, dass die vom Be­triebs­rat be­an­trag­te Ei­ni­gungs­stel­le des­halb nicht zu bil­den sei, weil im Un­ter­neh­men der Be­schwer­deführe­rin in der Re­gel nicht mehr als 20 wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer beschäftigt ge­we­sen sei­en. Et­was an­de­res er­gibt sich schließlich auch nicht dann, wenn das Vor­brin­gen der Be­schwer­deführe­rin so zu ver­ste­hen sein soll­te, dass es aus ih­rer Sicht prak­tisch nichts mehr zu re­geln gäbe, weil die weit­aus meis­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer je­den­falls zwi­schen­zeit­lich fak­tisch aus ih­rem Un­ter­neh­men aus­ge­schie­den sei­en. Es kommt nämlich auch in Be­tracht, dass auch aus­ge­schie­de­ne Mit­ar­bei­ter von ei­nem So­zi­al­plan er­fasst wer­den können, da der Ar­beit­ge­ber sei­ne Pflich­ten nicht durch Hin­auszögern des Ab­schlus­ses ei­nes So­zi­al­pla­nes um­ge­hen können soll (LAG Ham­burg, DB 1972, 632, 648; vgl. fer­ner BAG vom 13.11.1996, AP § 620 BGB Auf­he­bungs­ver­trag Nr. 4; BAG vom 11.08.1993, vom 20.04.1994, vom 08.11.1994, AP § 112 Be­trVG Nr. 71, 77, 85; ErfKo/Ka­nia, § 112/112 a Be­trVG, Rd­nr. 20).

Ergänzend und vor­sorg­lich wird schließlich noch auf § 21 b Be­trVG und die hier­zu er­gan­ge­ne Recht­spre­chung des BAG (z. B. BAG vom 12.01.2000, AP § 24 Be­trVG Nr. 5) hin­ge­wie­sen.

Die vom Ar­beits­ge­richt ge­bil­de­te Ei­ni­gungs­stel­le wird über ih­re Zuständig­keit so­mit selbst zu ent­schei­den ha­ben. Ge­gen die Per­son des ein­ge­setz­ten Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den so­wie die An­zahl der Bei­sit­zer hat die Be­schwer­deführe­rin aus­drück­lich kei­ne Einwände er­ho­ben.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist ein wei­te­res Rechts­mit­tel nicht statt­haft, § 98 Abs. 2 Satz 4 25 ArbGG.

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