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LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.2011, 12 Sa 964/11
Schlagworte: | Insolvenz, Änderungskündigung, Arbeitsvertrag, Lohn und Gehalt | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 12 Sa 964/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 21.09.2011 | |
Leitsätze: | Der Arbeitnehmer, der sich in Verbraucherinsolvenz befindet, darf ohne Zustimmung des Treuhänders das in einer Änderungskündigung enthaltene Angebot seines Arbeitgebers zur Absenkung von Arbeitszeit und Arbeitsvergütung annehmen, auch wenn sich dadurch der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens verringert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Änderung der Vergütung als Folge der Neubestimmung des Synallagmas des Arbeitsverhältnisses darstellt. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 13.07.2011, 6 Ca 1302/11 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, 6 AZR 789/11 |
|
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.07.2011 - 6 Ca 1302/11 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe der Kläger von der Beklagten Zahlungen aus dem Arbeitseinkommen des Herrn D. zur Insolvenzmasse verlangen kann.
Herr D. war seit dem 01.06.2006 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.05.2006 bei der Beklagten, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Herrn D. ist, als Führungskraft zur Überwachung von Diskothek und Bistro in B. sowie von Restaurant und Hotel in N. beschäftigt. § 3 des Arbeitsvertrags sah eine Arbeitszeit "entsprechend den betrieblichen Erfordernissen zwischen 169 und 199 Stunden" vor. In § 4 des Arbeitsvertrags war eine Vergütung von 3.000,00 Euro brutto monatlich vereinbart, mit welcher auch die über die 169 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit abgegolten sein sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen. Die Beklagte betrieb neben ihrem Stammgeschäft, dem Gaststätten- und Hotelbetrieb "L." in N. die Diskothek "Tanz q. F." in B., L. 8. In B., L. 10 eröffnete sie zudem im November 2006 die Gaststätte "U.".
Über das Vermögen des Herrn D. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 01.10.2007 (45 IK 188/07) am gleichen Tag wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Treuhänder (§ 313 InsO) ernannt. In dem Beschluss wurde weiter festgehalten, dass Herr D. Restschuldbefreiung beantragt hatte. Mit Schreiben vom 09.10.2007 forderte der Kläger die Beklagte zur Abführung der pfändbaren Beträge des Arbeitseinkommens von Herrn D. auf und wies darauf hin, dass hinsichtlich der pfändbaren Lohnbestandteile mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an ihn gezahlt werden konnte. Bis einschließlich März 2010 waren drei Unterhaltspflichten des Herrn D. (Ehefrau und zwei Kinder), seit April 2010 aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 31.03.2010 (45 IK 188/07) nur noch zwei Unterhaltspflichten (zwei Kinder) zu berücksichtigen.
Am 31.07.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Herrn D. aus dringenden betrieblichen Gründen zum 30.09.2010. Sie bot diesem zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu folgenden Bedingungen an:
"1.
Das Gehalt beträgt ab 1.10.2010 brutto 2.100,00 Euro monatlich.
2.
Die Arbeitszeit ab 1.10.2010 beträgt 120 Stunden monatlich.
3.
Die Öffnungszeiten des Lokals U. F. bleiben beschränkt auf die Wochentage Freitag 11 und Samstag und vor einem Feiertag.
4.
Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Anstellungsvertrages fort."
Dieses Angebot nahm Herr D. ohne Zustimmung des Klägers am 31.07.2010 ohne 14 Vorbehalt an. Bis zum September 2010 führte die Beklagte vom Arbeitseinkommen des Herrn D. monatlich einen pfändbaren Anteil von 263,01 Euro ab. Ab dem 01.10.2010 reduzierte sich das monatliche Bruttogehalt des Herrn D. auf 2.100,00 Euro. Die Beklagte führte fortan monatlich 87,01 Euro an den Kläger ab.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die ohne seine Zustimmung erfolgte Reduzierung des Gehalts durch Herrn D. sei gemäß §§ 80, 81 InsO unwirksam. Zwar falle die Arbeitskraft als solche nicht in die Insolvenzmasse, wohl aber die pfändbaren Einkommensanteile. Über diese habe Herr D. nur mit seiner Zustimmung verfügen können. Ihm stehe demgemäß für die Monate Oktober 2010 bis März 2011 die Zahlung des pfändbaren Anteils des Arbeitseinkommens des Herrn D. berechnet auf der bisherigen Basis eines monatlichen Bruttogehalts von 3.000,00 Euro, mithin noch 1.056,00 Euro [6 x (263,01 - 87,01)] zu. Der Kläger hat behauptet, die Ertragslage der Beklagten habe sich im Jahr 2008 gegenüber dem Jahr 2007 noch verbessert. Sie habe nämlich einen Überschuss von 75.764,59 Euro erzielt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.056,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, Herr D. habe mit der Annahme des Änderungsangebots nicht über pfändbare Einkommensanteile verfügt, sondern das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortgesetzt. Dies stehe einer Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses gleich, zu der Herr D. keine Zustimmung des Klägers hätte einholen müssen.
Die Beklagte hat behauptet, ab dem Jahr 2008 hätte sich die Umsatz- und Ertragslage verschlechtert und sich anschließend negativ entwickelt. Im Jahr 2010 habe ihr Steuerberater zum 31.07.2010 einen Verlust von 10.842,42 Euro ermittelt. Die Schulden wegen rückständiger Mieten hätten zu diesem Zeitpunkt 52.688,40 Euro betragen. Hierzu hat sich die Beklagte auf ein Schreiben der Eigentümergemeinschaft vom 03.08.2010 bezogen. Die Rückstände aus gekündigten Lieferantendarlehen hätten ca. 200.000,00 Euro betragen. Hierzu hat die Beklagte auf ein Schreiben ihres Steuerberaters vom 30.06.2011 Bezug genommen. Die Stadtsparkasse N. habe Lastschriften nicht mehr eingelöst und jeden Kredit verweigert. Zuvor habe sie bereits Maßnahmen zur Krisensenkung ergriffen, nämlich den Betrieb der Gaststätte "U." schrittweise auf die Tage beschränkt, an denen die Diskothek geöffnet hatte und die Zahl der Aushilfsbeschäftigten um ein Viertel vermindert. Ohne die Änderungskündigung hätte sie die Betriebe in B. schließen und Insolvenz anmelden müssen. Sie habe zudem ab dem 01.10.2010 ihr eigenes Gehalt von 5.800,00 Euro brutto auf 4.060,00 Euro brutto monatlich gesenkt. Zudem habe sie mit der Vermieterin eine Stundungsabrede gegen ein persönliches Schuldanerkenntnis ihrer
Geschäftsführerin erzielt. Unter diesen Umständen sei die Änderungskündigung angemessen und zulässig gewesen.
Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Änderung des Arbeitsvertrages habe nicht der Zustimmung des Klägers bedurft. Da die Arbeitskraft ein höchstpersönliches Rechtsgut sei, habe alleine der Schuldner das Recht, Arbeitsverträge abzuschließen, zu beenden und zu ändern. Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft bestünden nicht.
Gegen das ihm am 25.07.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.07.2011 hat der Kläger am 03.08.2011 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Der Kläger vertieft seine Auffassung, wonach Herr D. zur Abänderung des Arbeitsvertrags seiner Zustimmung bedurft hätte. Aus §§ 35 ff InsO ergebe sich, dass der pfändbare Einkommensanteil auch soweit er Neuerwerb sei, in die Insolvenzmasse falle. Verfügungen hierüber seien gemäß § 81 InsO absolut unwirksam. Für die Annahme einer Änderungskündigung könne nichts anderes gelten. Andernfalls könne der Schuldner zu Lasten der Insolvenzgläubiger über die Insolvenzmasse verfügen. Dies verbiete § 81 Abs. 2 InsO sogar für Bezüge nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.07.2011 (Az. 6 Ca 1302/11) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.056,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.05.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, aus der Zuweisung der pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse folge nicht, dass die Arbeitskraft des Schuldners hierzu gehöre. Dieser könne frei über seine Arbeitskraft verfügen, auch wenn dies Auswirkungen auf die dafür geschuldete Vergütung habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
A.Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen.
I.Die Klage ist zulässig. Es fehlt dem Kläger nicht an der Prozessführungsbefugnis. Dieser nimmt als Treuhänder über das Vermögen des Herrn D. die Beklagte aus eigenem, übergangenem Recht in Anspruch. Prozessführungsbefugt ist, wer ein behauptetes Recht als eigenes in Anspruch nimmt oder wem kraft Gesetzes, kraft Hoheitsakts oder kraft besonderen Verwaltungs- und Verfügungsrechts die Befugnis zur Verfolgung fremder Rechte zusteht (Musielak/Weth, ZPO, 8. Aufl. 2011 § 51 Rn. 16). Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 01.10.2007 zum Treuhänder gemäß § 313 InsO bestellt worden. Zugleich ergibt sich aus diesem Beschluss, dass Herr D. die Restschuldbefreiung beantragt hat. In diesem Fall wird bereits mit der Bestimmung des Treuhänders die Abtretung des pfändbaren Arbeitseinkommens gemäß § 287 Abs. 2 InsO i.V.m. § 291 Abs. 2 InsO i.V.m. § 313 Abs. 1 Satz 2 InsO wirksam, mit der Folge, dass nicht mehr der Insolvenzschuldner, sondern der Treuhänder Anspruchsinhaber des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners wird (Mohn, NZA-RR 2008, 617, 619; Reinfelder, NZA 2009, 124, 126). Der Kläger verfolgt mit seiner Klage den ihm seiner Meinung nach zustehenden weiteren Anteil am pfändbaren Arbeitseinkommen des Herrn D. für die Monate Oktober 2010 bis März 2011, mithin ein ihm angeblich zustehendes eigenes Recht. Dies genügt für die Prozessführungsbefugnis. Ob ihm die weiteren Zahlungsansprüche zustehen, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.
II.Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten keine Zahlung von 35 weiteren 1.056,00 Euro für die Monate Oktober 2010 bis März 2011 als weiteren pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens des Herrn D. verlangen. Die Beklagte hat den Anteil des pfändbaren Arbeitseinkommens des Herrn D. ab dem 01.10.2010 zu Recht von einem Bruttogehalt von 2.100,00 Euro berechnet. Zur Änderung des Arbeitsvertrags durch Annahme des Änderungsangebots in der Änderungskündigung vom 31.07.2011 bedurfte Herr D. nicht der Zustimmung des Klägers. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten und von Herrn D. oder dafür, dass es sich bei der Änderung des Arbeitsvertrages um ein Scheingeschäft handelte, bestehen nicht.
1. Die Beklagte hat den Anteil des pfändbaren Arbeitseinkommens des Herrn D. ab 36 dem 01.10.2010 zu Recht von einem Bruttogehalt von 2.100,00 Euro berechnet. Zur Änderung des Arbeitsvertrags durch Annahme des Änderungsangebots in der Änderungskündigung vom 31.07.2011 bedurfte Herr D. nicht der Zustimmung des Klägers.
a)Richtig ist allerdings, dass mit der Bestellung des Treuhänders gemäß § 313 Abs. 1 InsO i.V.m. § 292 InsO gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das gesamte Vermögen, soweit es zur Insolvenzmasse gehört, auf den Treuhänder übergeht (vgl. Reinfelder a.a.O. S. 125). Unstreitig gehört zur Insolvenzmasse gemäß §§ 35, 36 InsO der pfändbare Anteil des Arbeitseinkommens des Insolvenzschuldners, wobei gemäß § 35 Abs. 1 InsO auch der Neuerwerb, d.h. das nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielte
Arbeitseinkommen erfasst wird (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010 § 35 Rn. 153; MüKoInsO/Lwowski/Peters, 2. Aufl. 2007, § 35 Rn. 434). Über den pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens kann der Insolvenzschuldner nicht mehr frei verfügen. Verfügt er nach der Insolvenzeröffnung gleichwohl ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters, ist die Verfügung unwirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO), wobei unter Verfügungen i.S. dieser Vorschrift sämtliche rechtsgestaltenden Handlungen mit verfügendem, d.h. unmittelbar rechtsgestaltendem Charakter, wie z.B. ein Verzicht fallen (Uhlenbruck/Uhlenbruck a.a.O. § 81 Rn. 4). Richtig ist auch, dass § 81 Abs. 2 InsO Abs. 1 dieser Vorschrift sogar für Verfügungen zur Anwendung
bringt, welche künftige Forderungen aus einem Dienstverhältnis für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betreffen,
b)Die Kammer hatte jedoch keinen Fall zu beurteilen, in dem der Insolvenzschuldner alleine zu Lasten seiner Gläubiger auf künftige Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis verzichtet. Herr D. hat vielmehr einer Änderung seines Arbeitsvertrages, mit der Arbeitsumfang und Arbeitsvergütung neu festgelegt werden, zugestimmt.
aa) Die Arbeitskraft als solche fällt als höchstpersönliches Rechtsgut nicht in die Insolvenzmasse. Dies hat bereits das Reichsgericht im Jahre 1909 (Urteil vom 26.01.1909 - VII. 146/08, RGZ 17, 226, 230) entschieden und diesbezüglich wörtlich Folgendes ausgeführt: "Der Gläubiger kann demgemäß nicht beanspruchen, dass sein Schuldner eine für jenen günstige Erwerbstätigkeit fortsetze, wenn der Schuldner dies nicht tun will. Die gegenteilige Annahme würde zu einer Art moderner Schuldknechtschaft führen, die mit den heutigen Anschauungen, insbesondere den über das Recht zur freien Betätigung der Persönlichkeit, unvereinbar wäre." Dies gilt nach wie vor. So hat das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2009 (Urteil vom 05.11.2009 - 2 AZR 609/08, DB 2010, 286 Rn. 10) ausgeführt, dass aufgrund der Eröffnung des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens ein Kündigungsschutzprozess nicht unterbrochen wird, weil mit diesem nicht die Insolvenzmasse, sondern ein höchstpersönlicher Anspruch des Arbeitnehmers (so auch OLG Düsseldorf 23.12.1981 - 3 Ws 243/81, NJW 1982, 1712 zur Arbeitskraft des Schuldners) betroffen ist. Auch die Literatur erkennt an, dass die Arbeitskraft als solche nicht zur Insolvenzmasse gehört (vgl. nur Braun/Bäuerle, InsO, 4. Aufl. 2010 § 35 Rn. 80; Uhlenbruck/Hirte a.a.O., § 35 Rn. 16; MüKoInsO/Lwowski/Peters a.a.O., § 35 Rn. 436; Reinfelder a.a.O. S. 125 f.).
Es trifft zwar zu, dass den Insolvenzschuldner, der eine Rechtsschuldbefreiung begehrt, eine Erwerbsobliegenheit trifft (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dies bedeutet aber nicht, dass er vom Insolvenzschuldner zu einer Arbeit verpflichtet werden könnte. Kommt er seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, kann ihm allenfalls die Restschuldbefreiung versagt werden (Reinfelder a.a.O. S. 126; vgl. a. Uhlenbruck/Vallendar, a.a.O. § 295 Rn. 18). Bereits aus § 888 Abs. 3 ZPO ergibt sich, dass die Erbringung der Arbeitsleistung nicht erzwingbar ist. Mithin hängt es vom freien Willen des Insolvenzschuldners ab, ob durch die Erbringung seiner Arbeitsleistung die Insolvenzmasse vergrößert wird (Mohn, a.a.O. S. 622). Auch aus der Verpflichtung, den Verwalter bei seinen Aufgaben zu unterstützen (§ 97 Abs. 2 InsO) wird man deshalb keine Verpflichtung des Schuldners zum Einsatz der Arbeitskraft ableiten können, um die Insolvenzmasse zu vergrößern (Reinfelder a.a.O. Fn. 21; a.A. wohl Braun/Bäuerle a.a.O., § 35 Rn. 80).
bb)Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen bedurfte Herr D. keiner Zustimmung des Klägers, um das Angebot anzunehmen, künftig für 2.100,00 Euro nur noch 120 Stunden zu arbeiten. Herr D. hat nicht alleine über eine pfändbare Forderung aus seinem Arbeitsverhältnis verfügt. Er hat vielmehr einer Veränderung seines Arbeitsverhältnisses, welche Arbeitszeit und Arbeitsumfang betrifft, zugestimmt. Will man nicht den Rechtssatz entwerten, dass die Arbeitskraft als höchstpersönliches Rechtsgut nicht zur Insolvenzmasse gehört, so muss nicht nur die Vollbeendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch die Veränderung des Arbeitsverhältnisses, jedenfalls, soweit der Umfang der Arbeitskraft betroffen ist, weiterhin der alleinigen Verfügungsgewalt des Schuldners obliegen (Reinfelder a.a.O. S. 126). Die Vergütungsansprüche stehen insoweit im
Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung. Es ist zwar richtig, dass die Insolvenzmasse insoweit mittelbar betroffen ist. Dies ist aber nur Folge einer Neubestimmung des Synallagmas aufgrund der Ausübung des Rechts des Insolvenzschuldners, über den Umfang des Einsatzes seiner Arbeitskraft neu zu bestimmen. Ursprünglich war Herr D. verpflichtet, für 3.000,00 Euro brutto monatlich entsprechend den betrieblichen Erfordernissen zwischen 169 und 199 Stunden zu arbeiten. Mit der Annahme des Änderungsangebotes verringerte er nicht nur sein Gehalt auf 2.100,00 Euro, sondern auch seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung auf 120 Stunden monatlich. Das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung ist mit dieser Vertragsänderung nicht einseitig zu Ungunsten der Gläubiger des Herrn D. verändert worden. Die Kammer hat dabei zu Grunde gelegt, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bis zu 25 % der vereinbarten Arbeitszeit zulässig ist (vgl. BAG vom 07.12.2005 - 5 AZR 535/04, AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG Rn. 44). 25 % von 169 Stunden sind 42,25 Stunden. Die Flexibilisierung der aus betrieblichen Erfordernissen abrufbaren Arbeitszeit von 169 auf 199 Stunden monatlich hält sich noch in diesem Rahmen. Bei 199 Stunden Arbeitsverpflichtung im Monat ergab sich bei einem Bruttomonatsgehalt von 3.000,00 Euro ein Stundenlohn von 15,07 Euro brutto. Bei einer Arbeitsverpflichtung von 120 Stunden im Monat und einem Bruttomonatslohn ergab sich sogar ein höherer Stundenlohn, nämlich von 17,50 Euro. Jedenfalls in einer solchen Situation betrachtet die Kammer die Änderung der Vergütung in Folge der Arbeitszeitreduzierung lediglich als Folge der Verringerung der Arbeitszeit. Über letztere kann aber alleine der Insolvenzschuldner bestimmen. Dann bedarf auch die Reduzierung der Vergütung als schlichte Folge der Arbeitszeitverringerung keiner Zustimmung des Treuhänders. Dies würde zur Überzeugung der Kammer sogar dann gelten, wenn man von einer ursprünglichen Arbeitsverpflichtung von nur 169 Stunden, mithin einem Stundensatz von 17,75 Euro ausgehen würde. Auch dann würde sich die Änderung der Vergütung noch im Rahmen einer Folgeänderung zur Neuvereinbarung des Synallagmas des Arbeitsverhältnisses halten. Hinzu kommt, dass Herrn D. die Reaktion auf die Änderungskündigung durch den Kläger nicht hätte vorgeschrieben werden können. So hätte Herr D. z.B. keine Annahme des Änderungsangebots erklären und die Klagefrist verstreichen lassen können. Dann hätte die Änderungskündigung als Beendigungskündigung gewirkt und das Arbeitsverhältnis beendet. Nachfolgend hätte er ohne weiteres das Arbeitsverhältnis zu den jetzt angenommenen Arbeitsbedingungen neu abschließen können. Es ist auch aus diesem Grund nicht ersichtlich, warum Herr D. zur Annahme des Änderungsangebots der Zustimmung des Klägers bedurfte.
2. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten und von Herrn D. oder dafür, dass es sich bei der Änderung des Arbeitsvertrages um ein Scheingeschäft handelte, bestehen nicht. Der Aufstellung des Steuerberaters der Beklagten, wonach diese zum 31.07.2010 einen Fehlbetrag von 9.518,01 Euro zu verbuchen hatte, die Darlehen und Verbindlichkeiten (einschließlich der Außenstände gegenüber dem Finanzamt) sich auf insgesamt sogar auf 411.286,55 Euro beliefen, zu denen u.a. noch Mietrückstände von 45.181,41 Euro netto hinzukamen, ist der Kläger schon erstinstanzlich nicht mehr entgegengetreten. Auf die Sachlage im Jahr 2008 kam es im Hinblick darauf, dass die Änderungskündigung im Jahr 2010 ausgesprochen wurde, nicht an. Die Frage des Rechtsmissbrauchs oder eines Scheingeschäfts ist im Kammertermin vor der erkennenden Kammer nochmals erörtert worden. Der Kläger hat insoweit alleine darauf hingewiesen, dass die Geschäftsführerin der Beklagten dessen Ehefrau sei und deren Unterhaltspflicht seit dem 31.03.2010 nicht mehr zu berücksichtigen gewesen sei. Dies alleine genügt indes zur Überzeugung der Kammer nicht, um von einem Rechtsmissbrauch oder einem Scheingeschäft auszugehen. Auch auf den Hinweis der Kammer zu der vorgelegten Aufstellung des Steuerberaters der Beklagten hat der Kläger nicht weiter vorgetragen, so dass die Kammer von entsprechenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten ausgehen musste. Diese sprechen gegen die Annahme eines Scheingeschäfts oder von
Rechtsmissbrauch. Eine Kontrolle der Annahme des Änderungsangebots an den Maßstäben für die Wirksamkeit einer Änderungskündigung im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes war im Rahmen der Rechtsmissbrauchskontrolle nicht erforderlich. Es bestand mithin auch kein Anlass, festzustellen, ob das Kündigungsschutzgesetz überhaupt auf die Beklagte Anwendung findet. Hinzu kommt, dass nicht nur die Vergütung, sondern auch die dafür geschuldete Arbeitsleistung verringert worden ist. Dass Herr D. in Wahrheit gleichwohl mehr arbeitet, hat der Kläger nicht vorgetragen.
3. Unstreitig hat die Beklagte den pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens von 2.100,00 Euro des Herrn D. an den Kläger gezahlt. Darüber, dass dies monatlich 87,01 Euro sind, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Zu einer weiteren Zahlung an den Kläger war die Beklagte nach den vorstehenden Ausführungen nicht verpflichtet.
B.Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
C.Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Rechtsfrage, ob die Annahme des Änderungsangebots in einer
Änderungskündigung, mit dem zugleich Arbeitszeit und Vergütung verringert werden, in der Verbraucherinsolvenz des Arbeitnehmers der Zustimmung des Treuhänders bedarf, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.
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