HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 21.09.2011, 12 Sa 964/11

   
Schlagworte: Insolvenz, Änderungskündigung, Arbeitsvertrag, Lohn und Gehalt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 12 Sa 964/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.09.2011
   
Leitsätze: Der Arbeitnehmer, der sich in Verbraucherinsolvenz befindet, darf ohne Zustimmung des Treuhänders das in einer Änderungskündigung enthaltene Angebot seines Arbeitgebers zur Absenkung von Arbeitszeit und Arbeitsvergütung annehmen, auch wenn sich dadurch der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens verringert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Änderung der Vergütung als Folge der Neubestimmung des Synallagmas des Arbeitsverhältnisses darstellt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 13.07.2011, 6 Ca 1302/11
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, 6 AZR 789/11
   

Te­nor:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 13.07.2011 - 6 Ca 1302/11 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten der Be­ru­fung wer­den dem Kläger auf­er­legt.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

TAT­BESTAND:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, in wel­cher Höhe der Kläger von der Be­klag­ten Zah­lun­gen aus dem Ar­beits­ein­kom­men des Herrn D. zur In­sol­venz­mas­se ver­lan­gen kann.

Herr D. war seit dem 01.06.2006 auf der Grund­la­ge des Ar­beits­ver­trags vom 30.05.2006 bei der Be­klag­ten, de­ren Geschäftsführe­rin die Ehe­frau des Herrn D. ist, als Führungs­kraft zur Über­wa­chung von Dis­ko­thek und Bis­tro in B. so­wie von Re­stau­rant und Ho­tel in N. beschäftigt. § 3 des Ar­beits­ver­trags sah ei­ne Ar­beits­zeit "ent­spre­chend den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen zwi­schen 169 und 199 St­un­den" vor. In § 4 des Ar­beits­ver­trags war ei­ne Vergütung von 3.000,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich ver­ein­bart, mit wel­cher auch die über die 169 St­un­den hin­aus ge­leis­te­te Ar­beits­zeit ab­ge­gol­ten sein soll­te. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den zur Ak­te ge­reich­ten Ar­beits­ver­trag Be­zug ge­nom­men. Die Be­klag­te be­trieb ne­ben ih­rem Stamm­geschäft, dem Gaststätten- und Ho­tel­be­trieb "L." in N. die Dis­ko­thek "Tanz q. F." in B., L. 8. In B., L. 10 eröff­ne­te sie zu­dem im No­vem­ber 2006 die Gaststätte "U.".

Über das Vermögen des Herrn D. wur­de durch Be­schluss des Amts­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 01.10.2007 (45 IK 188/07) am glei­chen Tag we­gen Zah­lungs­unfähig­keit das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Kläger zum Treuhänder (§ 313 In­sO) er­nannt. In dem Be­schluss wur­de wei­ter fest­ge­hal­ten, dass Herr D. Rest­schuld­be­frei­ung be­an­tragt hat­te. Mit Schrei­ben vom 09.10.2007 for­der­te der Kläger die Be­klag­te zur Abführung der pfänd­ba­ren Beträge des Ar­beits­ein­kom­mens von Herrn D. auf und wies dar­auf hin, dass hin­sicht­lich der pfänd­ba­ren Lohn­be­stand­tei­le mit schuld­be­frei­en­der Wir­kung nur noch an ihn ge­zahlt wer­den konn­te. Bis ein­sch­ließlich März 2010 wa­ren drei Un­ter­halts­pflich­ten des Herrn D. (Ehe­frau und zwei Kin­der), seit April 2010 auf­grund des Be­schlus­ses des Amts­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 31.03.2010 (45 IK 188/07) nur noch zwei Un­ter­halts­pflich­ten (zwei Kin­der) zu berück­sich­ti­gen.

Am 31.07.2010 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit Herrn D. aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründen zum 30.09.2010. Sie bot die­sem zu­gleich die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu fol­gen­den Be­din­gun­gen an:

"1.

Das Ge­halt beträgt ab 1.10.2010 brut­to 2.100,00 Eu­ro mo­nat­lich.

2.

Die Ar­beits­zeit ab 1.10.2010 beträgt 120 St­un­den mo­nat­lich.

3.

Die Öff­nungs­zei­ten des Lo­kals U. F. blei­ben be­schränkt auf die Wo­chen­ta­ge Frei­tag 11 und Sams­tag und vor ei­nem Fei­er­tag.

4.

Im Übri­gen gel­ten die Be­stim­mun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges fort."

Die­ses An­ge­bot nahm Herr D. oh­ne Zu­stim­mung des Klägers am 31.07.2010 oh­ne 14 Vor­be­halt an. Bis zum Sep­tem­ber 2010 führ­te die Be­klag­te vom Ar­beits­ein­kom­men des Herrn D. mo­nat­lich ei­nen pfänd­ba­ren An­teil von 263,01 Eu­ro ab. Ab dem 01.10.2010 re­du­zier­te sich das mo­nat­li­che Brut­to­ge­halt des Herrn D. auf 2.100,00 Eu­ro. Die Be­klag­te führ­te fort­an mo­nat­lich 87,01 Eu­ro an den Kläger ab.

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, die oh­ne sei­ne Zu­stim­mung er­folg­te Re­du­zie­rung des Ge­halts durch Herrn D. sei gemäß §§ 80, 81 In­sO un­wirk­sam. Zwar fal­le die Ar­beits­kraft als sol­che nicht in die In­sol­venz­mas­se, wohl aber die pfänd­ba­ren Ein­kom­mens­an­tei­le. Über die­se ha­be Herr D. nur mit sei­ner Zu­stim­mung verfügen können. Ihm ste­he dem­gemäß für die Mo­na­te Ok­to­ber 2010 bis März 2011 die Zah­lung des pfänd­ba­ren An­teils des Ar­beits­ein­kom­mens des Herrn D. be­rech­net auf der bis­he­ri­gen Ba­sis ei­nes mo­nat­li­chen Brut­to­ge­halts von 3.000,00 Eu­ro, mit­hin noch 1.056,00 Eu­ro [6 x (263,01 - 87,01)] zu. Der Kläger hat be­haup­tet, die Er­trags­la­ge der Be­klag­ten ha­be sich im Jahr 2008 ge­genüber dem Jahr 2007 noch ver­bes­sert. Sie ha­be nämlich ei­nen Über­schuss von 75.764,59 Eu­ro er­zielt.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 1.056,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, Herr D. ha­be mit der An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots nicht über pfänd­ba­re Ein­kom­mens­an­tei­le verfügt, son­dern das Ar­beits­verhält­nis zu geänder­ten Be­din­gun­gen fort­ge­setzt. Dies ste­he ei­ner Neu­be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses gleich, zu der Herr D. kei­ne Zu­stim­mung des Klägers hätte ein­ho­len müssen.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, ab dem Jahr 2008 hätte sich die Um­satz- und Er­trags­la­ge ver­schlech­tert und sich an­sch­ließend ne­ga­tiv ent­wi­ckelt. Im Jahr 2010 ha­be ihr Steu­er­be­ra­ter zum 31.07.2010 ei­nen Ver­lust von 10.842,42 Eu­ro er­mit­telt. Die Schul­den we­gen rückständi­ger Mie­ten hätten zu die­sem Zeit­punkt 52.688,40 Eu­ro be­tra­gen. Hier­zu hat sich die Be­klag­te auf ein Schrei­ben der Ei­gentümer­ge­mein­schaft vom 03.08.2010 be­zo­gen. Die Rückstände aus gekündig­ten Lie­fe­ran­ten­dar­le­hen hätten ca. 200.000,00 Eu­ro be­tra­gen. Hier­zu hat die Be­klag­te auf ein Schrei­ben ih­res Steu­er­be­ra­ters vom 30.06.2011 Be­zug ge­nom­men. Die Stadt­spar­kas­se N. ha­be Last­schrif­ten nicht mehr ein­gelöst und je­den Kre­dit ver­wei­gert. Zu­vor ha­be sie be­reits Maßnah­men zur Kri­sen­sen­kung er­grif­fen, nämlich den Be­trieb der Gaststätte "U." schritt­wei­se auf die Ta­ge be­schränkt, an de­nen die Dis­ko­thek geöff­net hat­te und die Zahl der Aus­hilfs­beschäftig­ten um ein Vier­tel ver­min­dert. Oh­ne die Ände­rungskündi­gung hätte sie die Be­trie­be in B. schließen und In­sol­venz an­mel­den müssen. Sie ha­be zu­dem ab dem 01.10.2010 ihr ei­ge­nes Ge­halt von 5.800,00 Eu­ro brut­to auf 4.060,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich ge­senkt. Zu­dem ha­be sie mit der Ver­mie­te­rin ei­ne St­un­dungs­ab­re­de ge­gen ein persönli­ches Schuld­an­er­kennt­nis ih­rer
Geschäftsführe­rin er­zielt. Un­ter die­sen Umständen sei die Ände­rungskündi­gung an­ge­mes­sen und zulässig ge­we­sen.

Das Ar­beits­ge­richt Mönchen­glad­bach hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die Ände­rung des Ar­beits­ver­tra­ges ha­be nicht der Zu­stim­mung des Klägers be­durft. Da die Ar­beits­kraft ein höchst­persönli­ches Rechts­gut sei, ha­be al­lei­ne der Schuld­ner das Recht, Ar­beits­verträge ab­zu­sch­ließen, zu be­en­den und zu ändern. An­halts­punk­te für ein Schein­geschäft bestünden nicht.

Ge­gen das ihm am 25.07.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 13.07.2011 hat der Kläger am 03.08.2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se gleich­zei­tig be­gründet.

Der Kläger ver­tieft sei­ne Auf­fas­sung, wo­nach Herr D. zur Abände­rung des Ar­beits­ver­trags sei­ner Zu­stim­mung be­durft hätte. Aus §§ 35 ff In­sO er­ge­be sich, dass der pfänd­ba­re Ein­kom­mens­an­teil auch so­weit er Neu­er­werb sei, in die In­sol­venz­mas­se fal­le. Verfügun­gen hierüber sei­en gemäß § 81 In­sO ab­so­lut un­wirk­sam. Für die An­nah­me ei­ner Ände­rungskündi­gung könne nichts an­de­res gel­ten. An­dern­falls könne der Schuld­ner zu Las­ten der In­sol­venzgläubi­ger über die In­sol­venz­mas­se verfügen. Dies ver­bie­te § 81 Abs. 2 In­sO so­gar für Bezüge nach der Be­en­di­gung des In­sol­venz­ver­fah­rens.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 13.07.2011 (Az. 6 Ca 1302/11) die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 1.056,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 12.05.2011 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ist der An­sicht, aus der Zu­wei­sung der pfänd­ba­ren An­tei­le des Ar­beits­ein­kom­mens zur In­sol­venz­mas­se fol­ge nicht, dass die Ar­beits­kraft des Schuld­ners hier­zu gehöre. Die­ser könne frei über sei­ne Ar­beits­kraft verfügen, auch wenn dies Aus­wir­kun­gen auf die dafür ge­schul­de­te Vergütung ha­be.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen in bei­den In­stan­zen Be­zug ge­nom­men.

ENT­SCHEI­DUN­GSGRÜNDE:

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Klägers ist un­be­gründet.

A.Die Be­ru­fung ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat die zulässi­ge Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen.

I.Die Kla­ge ist zulässig. Es fehlt dem Kläger nicht an der Pro­zessführungs­be­fug­nis. Die­ser nimmt als Treuhänder über das Vermögen des Herrn D. die Be­klag­te aus ei­ge­nem, über­g­an­ge­nem Recht in An­spruch. Pro­zessführungs­be­fugt ist, wer ein be­haup­te­tes Recht als ei­ge­nes in An­spruch nimmt oder wem kraft Ge­set­zes, kraft Ho­heits­akts oder kraft be­son­de­ren Ver­wal­tungs- und Verfügungs­rechts die Be­fug­nis zur Ver­fol­gung frem­der Rech­te zu­steht (Mu­sielak/Weth, ZPO, 8. Aufl. 2011 § 51 Rn. 16). Der Kläger ist durch Be­schluss des Amts­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 01.10.2007 zum Treuhänder gemäß § 313 In­sO be­stellt wor­den. Zu­gleich er­gibt sich aus die­sem Be­schluss, dass Herr D. die Rest­schuld­be­frei­ung be­an­tragt hat. In die­sem Fall wird be­reits mit der Be­stim­mung des Treuhänders die Ab­tre­tung des pfänd­ba­ren Ar­beits­ein­kom­mens gemäß § 287 Abs. 2 In­sO i.V.m. § 291 Abs. 2 In­sO i.V.m. § 313 Abs. 1 Satz 2 In­sO wirk­sam, mit der Fol­ge, dass nicht mehr der In­sol­venz­schuld­ner, son­dern der Treuhänder An­spruchs­in­ha­ber des pfänd­ba­ren Teils des Ar­beits­ein­kom­mens des Schuld­ners wird (Mohn, NZA-RR 2008, 617, 619; Rein­fel­der, NZA 2009, 124, 126). Der Kläger ver­folgt mit sei­ner Kla­ge den ihm sei­ner Mei­nung nach zu­ste­hen­den wei­te­ren An­teil am pfänd­ba­ren Ar­beits­ein­kom­men des Herrn D. für die Mo­na­te Ok­to­ber 2010 bis März 2011, mit­hin ein ihm an­geb­lich zu­ste­hen­des ei­ge­nes Recht. Dies genügt für die Pro­zessführungs­be­fug­nis. Ob ihm die wei­te­ren Zah­lungs­ansprüche zu­ste­hen, ist ei­ne Fra­ge der Be­gründet­heit der Kla­ge.

II.Die Kla­ge ist un­be­gründet. Der Kläger kann von der Be­klag­ten kei­ne Zah­lung von 35 wei­te­ren 1.056,00 Eu­ro für die Mo­na­te Ok­to­ber 2010 bis März 2011 als wei­te­ren pfänd­ba­ren An­teil des Ar­beits­ein­kom­mens des Herrn D. ver­lan­gen. Die Be­klag­te hat den An­teil des pfänd­ba­ren Ar­beits­ein­kom­mens des Herrn D. ab dem 01.10.2010 zu Recht von ei­nem Brut­to­ge­halt von 2.100,00 Eu­ro be­rech­net. Zur Ände­rung des Ar­beits­ver­trags durch An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots in der Ände­rungskündi­gung vom 31.07.2011 be­durf­te Herr D. nicht der Zu­stim­mung des Klägers. An­halts­punk­te für ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten der Be­klag­ten und von Herrn D. oder dafür, dass es sich bei der Ände­rung des Ar­beits­ver­tra­ges um ein Schein­geschäft han­del­te, be­ste­hen nicht.

1. Die Be­klag­te hat den An­teil des pfänd­ba­ren Ar­beits­ein­kom­mens des Herrn D. ab 36 dem 01.10.2010 zu Recht von ei­nem Brut­to­ge­halt von 2.100,00 Eu­ro be­rech­net. Zur Ände­rung des Ar­beits­ver­trags durch An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots in der Ände­rungskündi­gung vom 31.07.2011 be­durf­te Herr D. nicht der Zu­stim­mung des Klägers.

a)Rich­tig ist al­ler­dings, dass mit der Be­stel­lung des Treuhänders gemäß § 313 Abs. 1 In­sO i.V.m. § 292 In­sO gemäß § 80 Abs. 1 In­sO die Ver­wal­tungs- und Verfügungs­be­fug­nis über das ge­sam­te Vermögen, so­weit es zur In­sol­venz­mas­se gehört, auf den Treuhänder über­geht (vgl. Rein­fel­der a.a.O. S. 125). Un­strei­tig gehört zur In­sol­venz­mas­se gemäß §§ 35, 36 In­sO der pfänd­ba­re An­teil des Ar­beits­ein­kom­mens des In­sol­venz­schuld­ners, wo­bei gemäß § 35 Abs. 1 In­sO auch der Neu­er­werb, d.h. das nach der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens er­ziel­te
Ar­beits­ein­kom­men er­fasst wird (Uh­len­bruck/Hir­te, In­sO, 13. Aufl. 2010 § 35 Rn. 153; MüKoIn­sO/Lwow­ski/Pe­ters, 2. Aufl. 2007, § 35 Rn. 434). Über den pfänd­ba­ren An­teil des Ar­beits­ein­kom­mens kann der In­sol­venz­schuld­ner nicht mehr frei verfügen. Verfügt er nach der In­sol­ven­zeröff­nung gleich­wohl oh­ne Zu­stim­mung des In­sol­venz­ver­wal­ters, ist die Verfügung un­wirk­sam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 In­sO), wo­bei un­ter Verfügun­gen i.S. die­ser Vor­schrift sämt­li­che rechts­ge­stal­ten­den Hand­lun­gen mit verfügen­dem, d.h. un­mit­tel­bar rechts­ge­stal­ten­dem Cha­rak­ter, wie z.B. ein Ver­zicht fal­len (Uh­len­bruck/Uh­len­bruck a.a.O. § 81 Rn. 4). Rich­tig ist auch, dass § 81 Abs. 2 In­sO Abs. 1 die­ser Vor­schrift so­gar für Verfügun­gen zur An­wen­dung
bringt, wel­che künf­ti­ge For­de­run­gen aus ei­nem Dienst­verhält­nis für die Zeit nach der Be­en­di­gung des In­sol­venz­ver­fah­rens be­tref­fen,

b)Die Kam­mer hat­te je­doch kei­nen Fall zu be­ur­tei­len, in dem der In­sol­venz­schuld­ner al­lei­ne zu Las­ten sei­ner Gläubi­ger auf künf­ti­ge For­de­run­gen aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­zich­tet. Herr D. hat viel­mehr ei­ner Ände­rung sei­nes Ar­beits­ver­tra­ges, mit der Ar­beits­um­fang und Ar­beits­vergütung neu fest­ge­legt wer­den, zu­ge­stimmt.

aa) Die Ar­beits­kraft als sol­che fällt als höchst­persönli­ches Rechts­gut nicht in die In­sol­venz­mas­se. Dies hat be­reits das Reichs­ge­richt im Jah­re 1909 (Ur­teil vom 26.01.1909 - VII. 146/08, RGZ 17, 226, 230) ent­schie­den und dies­bezüglich wört­lich Fol­gen­des aus­geführt: "Der Gläubi­ger kann dem­gemäß nicht be­an­spru­chen, dass sein Schuld­ner ei­ne für je­nen güns­ti­ge Er­werbstätig­keit fort­set­ze, wenn der Schuld­ner dies nicht tun will. Die ge­gen­tei­li­ge An­nah­me würde zu ei­ner Art mo­der­ner Schuld­knecht­schaft führen, die mit den heu­ti­gen An­schau­un­gen, ins­be­son­de­re den über das Recht zur frei­en Betäti­gung der Persönlich­keit, un­ver­ein­bar wäre." Dies gilt nach wie vor. So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Jah­re 2009 (Ur­teil vom 05.11.2009 - 2 AZR 609/08, DB 2010, 286 Rn. 10) aus­geführt, dass auf­grund der Eröff­nung des ver­ein­fach­ten Ver­brau­cher­insol­venz­ver­fah­rens ein Kündi­gungs­schutz­pro­zess nicht un­ter­bro­chen wird, weil mit die­sem nicht die In­sol­venz­mas­se, son­dern ein höchst­persönli­cher An­spruch des Ar­beit­neh­mers (so auch OLG Düssel­dorf 23.12.1981 - 3 Ws 243/81, NJW 1982, 1712 zur Ar­beits­kraft des Schuld­ners) be­trof­fen ist. Auch die Li­te­ra­tur er­kennt an, dass die Ar­beits­kraft als sol­che nicht zur In­sol­venz­mas­se gehört (vgl. nur Braun/Bäuer­le, In­sO, 4. Aufl. 2010 § 35 Rn. 80; Uh­len­bruck/Hir­te a.a.O., § 35 Rn. 16; MüKoIn­sO/Lwow­ski/Pe­ters a.a.O., § 35 Rn. 436; Rein­fel­der a.a.O. S. 125 f.).

Es trifft zwar zu, dass den In­sol­venz­schuld­ner, der ei­ne Rechts­schuld­be­frei­ung be­gehrt, ei­ne Er­werbs­ob­lie­gen­heit trifft (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 In­sO). Dies be­deu­tet aber nicht, dass er vom In­sol­venz­schuld­ner zu ei­ner Ar­beit ver­pflich­tet wer­den könn­te. Kommt er sei­ner Er­werbs­ob­lie­gen­heit nicht nach, kann ihm al­len­falls die Rest­schuld­be­frei­ung ver­sagt wer­den (Rein­fel­der a.a.O. S. 126; vgl. a. Uh­len­bruck/Val­len­dar, a.a.O. § 295 Rn. 18). Be­reits aus § 888 Abs. 3 ZPO er­gibt sich, dass die Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung nicht er­zwing­bar ist. Mit­hin hängt es vom frei­en Wil­len des In­sol­venz­schuld­ners ab, ob durch die Er­brin­gung sei­ner Ar­beits­leis­tung die In­sol­venz­mas­se ver­größert wird (Mohn, a.a.O. S. 622). Auch aus der Ver­pflich­tung, den Ver­wal­ter bei sei­nen Auf­ga­ben zu un­terstützen (§ 97 Abs. 2 In­sO) wird man des­halb kei­ne Ver­pflich­tung des Schuld­ners zum Ein­satz der Ar­beits­kraft ab­lei­ten können, um die In­sol­venz­mas­se zu ver­größern (Rein­fel­der a.a.O. Fn. 21; a.A. wohl Braun/Bäuer­le a.a.O., § 35 Rn. 80).

bb)Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Ausführun­gen be­durf­te Herr D. kei­ner Zu­stim­mung des Klägers, um das An­ge­bot an­zu­neh­men, künf­tig für 2.100,00 Eu­ro nur noch 120 St­un­den zu ar­bei­ten. Herr D. hat nicht al­lei­ne über ei­ne pfänd­ba­re For­de­rung aus sei­nem Ar­beits­verhält­nis verfügt. Er hat viel­mehr ei­ner Verände­rung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses, wel­che Ar­beits­zeit und Ar­beits­um­fang be­trifft, zu­ge­stimmt. Will man nicht den Rechts­satz ent­wer­ten, dass die Ar­beits­kraft als höchst­persönli­ches Rechts­gut nicht zur In­sol­venz­mas­se gehört, so muss nicht nur die Voll­be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern auch die Verände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses, je­den­falls, so­weit der Um­fang der Ar­beits­kraft be­trof­fen ist, wei­ter­hin der al­lei­ni­gen Verfügungs­ge­walt des Schuld­ners ob­lie­gen (Rein­fel­der a.a.O. S. 126). Die Vergütungs­ansprüche ste­hen in­so­weit im
Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis zur Ar­beits­leis­tung. Es ist zwar rich­tig, dass die In­sol­venz­mas­se in­so­weit mit­tel­bar be­trof­fen ist. Dies ist aber nur Fol­ge ei­ner Neu­be­stim­mung des Sy­nal­lag­mas auf­grund der Ausübung des Rechts des In­sol­venz­schuld­ners, über den Um­fang des Ein­sat­zes sei­ner Ar­beits­kraft neu zu be­stim­men. Ursprüng­lich war Herr D. ver­pflich­tet, für 3.000,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich ent­spre­chend den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen zwi­schen 169 und 199 St­un­den zu ar­bei­ten. Mit der An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bo­tes ver­rin­ger­te er nicht nur sein Ge­halt auf 2.100,00 Eu­ro, son­dern auch sei­ne Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung auf 120 St­un­den mo­nat­lich. Das Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis zwi­schen Ar­beits­leis­tung und Vergütung ist mit die­ser Ver­tragsände­rung nicht ein­sei­tig zu Un­guns­ten der Gläubi­ger des Herrn D. verändert wor­den. Die Kam­mer hat da­bei zu Grun­de ge­legt, dass ei­ne Fle­xi­bi­li­sie­rung der Ar­beits­zeit bis zu 25 % der ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit zulässig ist (vgl. BAG vom 07.12.2005 - 5 AZR 535/04, AP Nr. 4 zu § 12 Tz­B­fG Rn. 44). 25 % von 169 St­un­den sind 42,25 St­un­den. Die Fle­xi­bi­li­sie­rung der aus be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen ab­ruf­ba­ren Ar­beits­zeit von 169 auf 199 St­un­den mo­nat­lich hält sich noch in die­sem Rah­men. Bei 199 St­un­den Ar­beits­ver­pflich­tung im Mo­nat er­gab sich bei ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von 3.000,00 Eu­ro ein St­un­den­lohn von 15,07 Eu­ro brut­to. Bei ei­ner Ar­beits­ver­pflich­tung von 120 St­un­den im Mo­nat und ei­nem Brut­to­mo­nats­lohn er­gab sich so­gar ein höhe­rer St­un­den­lohn, nämlich von 17,50 Eu­ro. Je­den­falls in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on be­trach­tet die Kam­mer die Ände­rung der Vergütung in Fol­ge der Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung le­dig­lich als Fol­ge der Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit. Über letz­te­re kann aber al­lei­ne der In­sol­venz­schuld­ner be­stim­men. Dann be­darf auch die Re­du­zie­rung der Vergütung als schlich­te Fol­ge der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung kei­ner Zu­stim­mung des Treuhänders. Dies würde zur Über­zeu­gung der Kam­mer so­gar dann gel­ten, wenn man von ei­ner ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­pflich­tung von nur 169 St­un­den, mit­hin ei­nem St­un­den­satz von 17,75 Eu­ro aus­ge­hen würde. Auch dann würde sich die Ände­rung der Vergütung noch im Rah­men ei­ner Fol­geände­rung zur Neu­ver­ein­ba­rung des Sy­nal­lag­mas des Ar­beits­verhält­nis­ses hal­ten. Hin­zu kommt, dass Herrn D. die Re­ak­ti­on auf die Ände­rungskündi­gung durch den Kläger nicht hätte vor­ge­schrie­ben wer­den können. So hätte Herr D. z.B. kei­ne An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots erklären und die Kla­ge­frist ver­strei­chen las­sen können. Dann hätte die Ände­rungskündi­gung als Be­en­di­gungskündi­gung ge­wirkt und das Ar­beits­verhält­nis be­en­det. Nach­fol­gend hätte er oh­ne wei­te­res das Ar­beits­verhält­nis zu den jetzt an­ge­nom­me­nen Ar­beits­be­din­gun­gen neu ab­sch­ließen können. Es ist auch aus die­sem Grund nicht er­sicht­lich, war­um Herr D. zur An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots der Zu­stim­mung des Klägers be­durf­te.

2. An­halts­punk­te für ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten der Be­klag­ten und von Herrn D. oder dafür, dass es sich bei der Ände­rung des Ar­beits­ver­tra­ges um ein Schein­geschäft han­del­te, be­ste­hen nicht. Der Auf­stel­lung des Steu­er­be­ra­ters der Be­klag­ten, wo­nach die­se zum 31.07.2010 ei­nen Fehl­be­trag von 9.518,01 Eu­ro zu ver­bu­chen hat­te, die Dar­le­hen und Ver­bind­lich­kei­ten (ein­sch­ließlich der Außenstände ge­genüber dem Fi­nanz­amt) sich auf ins­ge­samt so­gar auf 411.286,55 Eu­ro be­lie­fen, zu de­nen u.a. noch Mietrückstände von 45.181,41 Eu­ro net­to hin­zu­ka­men, ist der Kläger schon erst­in­stanz­lich nicht mehr ent­ge­gen­ge­tre­ten. Auf die Sach­la­ge im Jahr 2008 kam es im Hin­blick dar­auf, dass die Ände­rungskündi­gung im Jahr 2010 aus­ge­spro­chen wur­de, nicht an. Die Fra­ge des Rechts­miss­brauchs oder ei­nes Schein­geschäfts ist im Kam­mer­ter­min vor der er­ken­nen­den Kam­mer noch­mals erörtert wor­den. Der Kläger hat in­so­weit al­lei­ne dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Geschäftsführe­rin der Be­klag­ten des­sen Ehe­frau sei und de­ren Un­ter­halts­pflicht seit dem 31.03.2010 nicht mehr zu berück­sich­ti­gen ge­we­sen sei. Dies al­lei­ne genügt in­des zur Über­zeu­gung der Kam­mer nicht, um von ei­nem Rechts­miss­brauch oder ei­nem Schein­geschäft aus­zu­ge­hen. Auch auf den Hin­weis der Kam­mer zu der vor­ge­leg­ten Auf­stel­lung des Steu­er­be­ra­ters der Be­klag­ten hat der Kläger nicht wei­ter vor­ge­tra­gen, so dass die Kam­mer von ent­spre­chen­den wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten der Be­klag­ten aus­ge­hen muss­te. Die­se spre­chen ge­gen die An­nah­me ei­nes Schein­geschäfts oder von
Rechts­miss­brauch. Ei­ne Kon­trol­le der An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots an den Maßstäben für die Wirk­sam­keit ei­ner Ände­rungskündi­gung im An­wen­dungs­be­reich des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes war im Rah­men der Rechts­miss­brauchs­kon­trol­le nicht er­for­der­lich. Es be­stand mit­hin auch kein An­lass, fest­zu­stel­len, ob das Kündi­gungs­schutz­ge­setz über­haupt auf die Be­klag­te An­wen­dung fin­det. Hin­zu kommt, dass nicht nur die Vergütung, son­dern auch die dafür ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung ver­rin­gert wor­den ist. Dass Herr D. in Wahr­heit gleich­wohl mehr ar­bei­tet, hat der Kläger nicht vor­ge­tra­gen.

3. Un­strei­tig hat die Be­klag­te den pfänd­ba­ren An­teil des Ar­beits­ein­kom­mens von 2.100,00 Eu­ro des Herrn D. an den Kläger ge­zahlt. Darüber, dass dies mo­nat­lich 87,01 Eu­ro sind, be­steht zwi­schen den Par­tei­en kein Streit. Zu ei­ner wei­te­ren Zah­lung an den Kläger war die Be­klag­te nach den vor­ste­hen­den Ausführun­gen nicht ver­pflich­tet.

B.Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C.Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu­ge­las­sen. Die Rechts­fra­ge, ob die An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots in ei­ner
Ände­rungskündi­gung, mit dem zu­gleich Ar­beits­zeit und Vergütung ver­rin­gert wer­den, in der Ver­brau­cher­insol­venz des Ar­beit­neh­mers der Zu­stim­mung des Treuhänders be­darf, ist höchst­rich­ter­lich noch nicht ent­schie­den.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 12 Sa 964/11