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LAG Niedersachsen, Urteil vom 07.03.2012, 16 Sa 809/11
Schlagworte: | Aufhebungsvertrag, Altersdiskriminierung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Niedersachsen | |
Aktenzeichen: | 16 Sa 809/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.03.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 06.04.2011, 8 Ca 320/07 | |
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
16 Sa 809/11
8 Ca 320/07 ArbG Hannover
In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
Kläger und Berufungskläger,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
gegen
V., C-Stadt
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte D., D-Straße, A-Stadt
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2012 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber,
den ehrenamtlichen Richter Ernst,
den ehrenamtlichen Richter Schneider
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.04.2011 – 8 Ca 320/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nur hinsichtlich der Hilfsanträge zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung oder der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindung verpflichtet ist sowie hilfsweise darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des Monats geendet hat, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hatte.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger war seit dem 11.04.1980 bei der Beklagten auf Grund der Vereinbarung vom 08.04.1980 (Bl. 179 d.A.) beschäftigt, die auszugsweise lautet:
1. Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Lohnempfänger, des Lohntarifvertrages und der Arbeitsordnung der V. AG in der jeweils gültigen Fassung
…
6. Es wurden ausgehändigt:
Mantel-Tarifvertrag für Lohnempfänger
Lohntarifvertrag
Arbeitsordnung
Satzung der Betriebskrankenkasse (mit Krankenordnung)
Unfallverhütungs-Vorschriften
Versorgungsrichtlinien
Bei der ausgehändigten Versorgungsrichtlinie handelte es sich um die Gesamtbetriebsvereinbarung 6/76 (Bl. 33 ff. d.A.), die in § 4 Abs. 1 lautete:
V.-Altersrente wird gezahlt, wenn ein V.-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V. AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).
Die Gesamtbetriebsvereinbarung 6/76 wurde mit Wirkung vom 01.01.2001 durch die Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 (Bl. 58 ff. d.A.) abgelöst, deren § 4 Abs. 1 lautet:
Die feste Altersgrenze ist für V.-Mitarbeiterinnen und V.-Mitarbeiter mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.
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Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Im Juni 2006 legte die Beklagte, bei der betriebsbedingte Kündigungen zu diesem Zeitpunkt tariflich noch bis mindestens 31.12.2011 ausgeschlossen waren, für die bei ihr Beschäftigten ein Abfindungsmodell für Arbeitnehmer auf, die bis zum 30.06.2007 freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden (Bl. 14 f. d.A.). Für Arbeitnehmer in den Entgeltstufen 6 bis 11 und mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren betrug die Abfindung 117.720,00 €. Das Modell richtete sich ausdrücklich lediglich an Mitarbeiter der Jahrgänge 1952 und jünger. Es stand unter einem doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt. Kein Arbeitnehmer musste zu den dargelegten Bedingungen ausscheiden. Die Beklagte behielt sich vor, Angebote von Arbeitnehmern auf ein Ausscheiden abzulehnen. Bis Januar 2007 hatten 5937 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge unterschrieben, darunter 24 Arbeitnehmer, die wie der Kläger vor dem 01.01.1952 geboren waren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, zu welchen Konditionen letztere ausgeschieden sind.
Mit Schreiben vom 12.03.2007 (Bl. 16 d.A.) bat der Kläger vergeblich um ein Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags auf der Basis des Abfindungsmodell 2006. Mit Schreiben vom 11.05.2007 (Bl. 18 d.A.) machte der Kläger einen Anspruch auf Abschluss des Aufhebungsvertrags geltend und Schadensersatz wegen Alterdiskriminierung. Mit Schreiben vom 21.05.2007 (Bl. 20 d.A.) lehnte die Beklagte den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ab. Mit Ablauf des 31.08.2007 schied der Kläger aus. Er erhält seit dem die gesetzliche Altersrente und die Betriebsrente der Beklagten.
Mit seiner am 05.07.2007 angebrachten Klage hat der Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindungszahlung nach dem Abfindungsmodell 2006 und die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs wegen Alterdiskriminierung geltend gemacht und sich hilfsweise gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf seines 65. Lebensjahres gewandt. Sein Hauptbegehren hat er auf das Verbot der Altersdiskriminierung gestützt. Die Richtlinie 2000/78/EG diene nicht nur der Sicherung der Arbeitsplätze, sondern schütze auch die soziale und wirtschaftliche Entwicklung älterer Arbeitnehmer. Auch werde er gegenüber den vor dem 01.01.1952 geborenen Arbeitnehmern ungünstiger behandelt, mit denen die Beklagte gleichwohl Aufhebungsverträge geschlossen habe. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahres sehe weder die Einstellungsvereinbarung noch der in
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Bezug genommene Tarifvertrag vor. § 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 € beinhaltet, zu unterbreiten, sowie
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 € angeboten hat,
3. hilfsweise zu 1. und 2.: festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.08.2007 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht, sowie ebenfalls
4. hilfsweise zu 1. und 2.: die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages auch über den 31.08.2007 hinaus in der Montage zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zu dem Hauptbegehren vorgetragen, Arbeitnehmer älter als Jahrgang 1952 seien nicht zu den Konditionen des Abfindungsmodells 2006 aufgeschieden. Älteren Arbeitnehmern seien Aufhebungsverträge zu den Bedingungen der Gesamtbetriebsvereinbarung 4/04 (Bl. 43 ff. d.A.) oder Altersteilzeitverträge angeboten worden. Es läge weder eine ungerechtfertigte Altersdiskriminierung noch eine Ungleichbehandlung vor. Hinsichtlich des Hilfsbegehrens hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Altersgrenzenregelung in der Betriebsvereinbarung wirksam sei.
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Mit Urteil vom 06.04.2011, auf dessen Tatbestand wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Hauptbegehrens hat sich das Arbeitsgericht die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts in dem Parallelverfahren (Urteil vom 25.02.2010 – 6 AZR 911/08, AP Nr. 3 zu § 3 AGG = EzA § 10 AGG Nr. 3) zu Eigen gemacht. Hinsichtlich des Hilfsbegehrens hat es die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung für wirksam erachtet.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen, das dem Kläger am 02.05.2011 zugestellt worden ist und gegen das er am 01.06.2011 Berufung eingelegt hat, die er innerhalb der mit Beschluss vom 04.07.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.08.2011 begründet hat.
Der Kläger greift das Urteil nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 04.08.2011 an. Auf diese wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu unterbreiten, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2007 und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von vom 117.720,00 € beinhaltet,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 € angeboten hat,
3. hilfsweise zu 1. und 2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.08.2007 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht, sowie ebenfalls
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4. hilfsweise zu 1. und 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages auch über den 31.08.2007 hinaus in der Montage zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 25.08.2011, auf die gleichfalls Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 b und c ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO).
Die mithin zulässige Berufung ist unbegründet.
I.
Das Hauptbegehren ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klageanträge zu 1) und zu 2) zutreffend unter Auswertung und Bezugnahme des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25.02.2010 (a.a.O.) in der Parallelsache abgewiesen. Die Berufungskammer folgt der überzeugenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und macht sich dessen Entscheidungsgründe zu Eigen, die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen arbeitsgerichtlichen Urteils korrekt dargestellt worden sind. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe I. und II. des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Soweit die Berufung dagegen ausführt, dem stehe das Urteil des EuGH vom 12.10.2010, (C-499/08 (Andersen), AP Nr. 17 zu Richtlinie 2000/78/EG = EzA Richtlinie 2000/78/EG-Vertrag 1999 Nr. 17) entgegen, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung nicht die Unverhältnismäßigkeit der von der Beklagten gewählten Differenzierung festgestellt. Es hat lediglich angenommen, dass die Bestimmung in § 2 a Abs. 3 des dänischen Gesetzes über die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wegen des Widerspruchs zwischen dem Zweck der Leistung und dem Inhalt der Ausschlussregelung altersdiskriminierend wirkt.
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Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 06.10.2011 (6 AZN 815/11, NZA 2011, 1431) zutreffend ausgeführt hat, hat die Entlassungsabfindung nach dem dänischen Gesetz das Ziel, den Übergang älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu erleichtern. Die Regelung in seinem § 2 a Abs. 3, wonach der Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden eine Vollrente erhält, soll vermeiden, dass Abfindungen Personen zugute kommen, die keine neue Stelle suchen, sondern aus dem Erwerbsleben ausscheiden und eine Altersrente beziehen wollen. Für diesen Personenkreis besteht kein Bedürfnis zur Zahlung einer Entlassungsabfindung, die den Übergang älterer Arbeitnehmer in eine neue Beschäftigung erleichtern soll. Ob ein solcher Wille vorliegt, wird nach dem dänischen Recht allerdings nicht am tatsächlichen Bezug der Altersrente festgemacht. Die Regelung beruht vielmehr auf dem Gedanken, dass Arbeitnehmer in Allgemeinen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, wenn sie Rente beziehen können. Sie knüpft also allein an den unterstellten Willen der rentenberechtigten Arbeitnehmer an, auch tatsächlich aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden zu wollen. Mit diesem auf den mutmaßlichen Willen des Arbeitnehmers abstellenden Regelungszweck ist es nicht in Einklang zu bringen, dass die Abfindung gerade den Arbeitnehmern vorenthalten wird, die sich nicht mit der Rente begnügen, sondern tatsächlich weiterarbeiten wollen und deshalb den Schutz durch die Entlassungsabfindung besonders bedürfen. Der Inhalt und der dem Europäischen Gerichtshof mitgeteilte Zweck der Abfindungsregelung stehen also nicht nur nicht im Einklang sondern widersprechen sich. Dem Arbeitnehmer, der seinen Willen dokumentiert, weiter arbeiten zu wollen, indem er keinen Rentenantrag stellt, darf deshalb die Abfindung nach dem Regelungszweck der dänischen Regelung nicht vorenthalten werden.
Demgegenüber knüpfte das Abfindungsangebot der Beklagten weder an die Rentenberechtigung noch an einen unterstellten Willen des Arbeitnehmers, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und Altersrente beziehen zu wollen. Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem den Prozessbevollmächtigten des vorliegenden Rechtsstreits bekannten Beschluss vom 17.11.2011 (6 AZN 1102/11 zur Parallelsache 13 Sa 1610/10 – LAG Niedersachsen) zutreffend ausgeführt hat, berücksichtigt der Kläger nicht, dass aus dem Personenkreis, dem die Beklagte Abfindungen zu den vom Kläger begehrten Konditionen angeboten hat, nicht ausschließlich und nicht schwerpunktmäßig Arbeitnehmer ausgenommen worden sind, die bereits Anspruch auf eine gesetzliche Rente hatten, sondern sich das Abfindungsmodell an alle nach dem 01.01.1952
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Geborenen, also an alle Arbeitnehmer, die nicht älter als 54 Jahre und 6 Monate waren, richtete. Bei diesem Personenkreis steht es nicht im Widerspruch zum Regelungszweck der Personalabbaumaßnahme, älteren Arbeitnehmern nur Abfindungen zu anderen Konditionen beziehungsweise Altersteilzeitverträge anzubieten.
II.
Das Hilfsbegehren ist gleichfalls unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht die in der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG angebrachte Entfristungsklage und die Beschäftigungsklage abgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.08.2007 geendet hat.
1.
Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers wirksam gewesen.
a)
Die Vereinbarung einer Altersgrenze steht in der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien, wie das Arbeitsgericht zu Recht unter Bezugnahme auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 07.11.1989 (GS 3/85, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972 = EzA § 77 BetrVG Nr. 72, Nr. 34) ausgeführt hat.
b)
Die Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 und ihre Vorgängerregelung 6/76 sind nicht wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam gewesen.
Der Manteltarifvertrag enthielt bis zum Jahre 2009 keine Altersgrenze sondern lediglich Regelungen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung. Aus diesem Grund stand der betriebsverfassungsrechtlichen Altersgrenzenregelung zum Zeitpunkt des Renteneintritts des Klägers der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht entgegen, wie das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt hat. Auf III. 2. b der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.
c)
Für die Altersgrenzenregelung des § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 bestand ein
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sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, wie das Arbeitsgericht unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 18.06.2008 – 7 AZR 116/07, AP Nr. 48 zu § 14 TzBfG = EzA § 14 TzBfG Nr. 49) zu Recht ausgeführt hat. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (III. 2. c, aa und bb).
d)
Entgegen der Berufung verstößt die Altersgrenze des § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach den §§ 1, 7 Abs. 1 AGG. Mit der Altersgrenze ist zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters verbunden. Diese ist aber durch § 10 Sätze 1, 2 und 3 Nr. 5 AGG erlaubt. Weder diese gesetzliche Bestimmung noch die ausgestaltende Betriebsvereinbarung sind unionsrechtlich zu beanstanden. Der deutsche Gesetzgeber verfolgt mit ihr in zulässiger Weise rechtmäßige Ziele (BAG, Urteil vom 08.12.2010 – 7 AZR 438/09, AP Nr. 77 zu § 14 TzBfG = EzA § 620 BGB 2002 Altersgrenze Nr. 10). Das gilt auch für die kollektivrechtliche Regelung des § 4 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 der Beklagten.
Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 08.12.2010 (a.a.O.) ausgeführt hat, erlauben § 10 Satz 1 und 2 AGG die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziel angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch eine Vereinbarung einschließen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann. Die gesetzliche Regelung steht mit Artikel 6 der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang, wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 12.10.2010 (C-45/09 (Rosenbladt), AP Nr. 18 zu Richtlinie 200/78/ED = EzA § 620 BGB 2002, § 620 Altersgrenze Nr. 9) entschieden hat.
In Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie werden in der Aufzählung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters, die gerechtfertigt sein können, Klauseln über die automatische Beendigung von Arbeitverhältnissen allerdings nicht genannt. Die Aufzählung hat jedoch nur Hinweischarakter. Daher können die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie auch andere Beispiele von gerechtfertigten Ungleichbehandlungen aufnehmen, sofern diese Ziele im Sinne des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie legitim und die Ungleichbehandlung zur Erreichung dieser Ziele angemessen und erforderlich sind. Die
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Mitgliedstaaten sowie gegebenenfalls die Sozialpartner haben auf nationaler Ebene sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum. Auch muss der nationale Gesetzgeber die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete Ungleichbehandlung nicht im Details selbst regeln, sondern kann den zur Ausgestaltung berufenen Tarifvertrags- und Betriebsparteien Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass solche in Kollektivregelungen enthaltenen Altersgrenzen nicht der effektiven gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf die Vorschriften der Richtlinie 2000/78/EG entzogen sind, denn die Klauseln sind anhand der besonderen Gegebenheiten zu überprüfen.
Die danach vorzunehmende Prüfung der vorliegenden Altersgrenze der Gesamtbetriebsvereinbarung 3/10 ergibt, dass mit ihr legitime Ziele im Sinne des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt worden sind und sie erforderlich und angemessen waren.
Die Betriebsparteien haben das Ziel der Regelung nicht ausdrücklich benannt. Aus dem Kontext ergibt sich jedoch, dass die Betriebsparteien im Zusammenhang mit der zusätzlichen Altersversorgung ein Regime angestrebt haben, dass einerseits die zusätzliche soziale Absicherung ihrer Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sollte und andererseits für die Personalplanung, für eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung einen geordneten Rahmen schaffen wollten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie sich nicht von aktuellen, individuellen und ökonomischen Gründen des Arbeitgebers zur Kostenreduzierung oder der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit haben leiten lassen, weil es sich um ein langfristiges Personalregime gehandelt hat, das unabhängig von aktuellen Anlässen bereits seit dem 01.12.1976 galt.
2.
Die betriebsverfassungsrechtliche Altersgrenzenregelung verstieß auch nicht gegen das individualrechtliche Günstigkeitsprinzip (dazu BAG, Beschluss des Großen Senats vom 07.11.1989, a.a.O.).
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Grundsätzlich steht ein Arbeitnehmer günstiger, wenn er auf Grund seines Arbeitsvertrags selbst entscheiden kann, ob er mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand treten oder ob er weiter arbeiten will. Eine kollektivrechtliche Norm, die abweichend von seinem Individualarbeitsvertrag eine zwangsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze herbeiführt, stellt für ihn eine ungünstigere Kollektivregelung dar.
Vorliegend ergibt die Auslegung der Einstellungsvereinbarung jedoch, dass Gegenstand des Individualarbeitsvertrags auch die Gesamtbetriebsvereinbarung 6/76 geworden ist, die bereits in ihrem § 4 Abs. 1 die Altersgrenze enthielt, die durch die Altersgrenze des § 4 Abs. 1 der ablösenden Gesamtbetriebsvereinbarung 3/01 ersetzt worden ist.
Bei der Auslegung der Vereinbarung vom 08.04.1980 ist zu berücksichtigen, dass diese den Inhalt des Arbeitsverhältnisses individualrechtlich nur rudimentär regelt, sondern das Arbeitsverhältnis ganzheitlich den geltenden Kollektivregelungen unterstellt, also auch der Gesamtbetriebsvereinbarung 6/76, die dem Kläger zudem ausgehändigt worden ist. Als verständlicher und redlicher Vertragspartner (§ 157 BGB) konnte der Kläger diese Vereinbarung nur so verstehen, dass sein Arbeitsverhältnis insgesamt den Kollektivregelungen in ihrer jeweiligen Fassung unterstellt werden sollte. Damit waren die Altersgrenzen des § 4 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarungen 6/76 und 3/01 Gegenstand des Individualvertrags des Klägers, was zur Folge hat, dass kein Verstoß gegen den individualrechtlichen Günstigkeitsvergleich gegeben ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision hinsichtlich der Hilfsanträge (Klageanträge zu 3. und zu 4.) beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, zumal das Bundesarbeitsgericht die Revision in der Parallelsache (13 Sa 1611/10 – LAG Niedersachsen) mit Beschluss vom 19.10.2011 (7 AZN 1101/11) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.
Dagegen war die Revision hinsichtlich der Hauptanträge (Klageanträge zu 1. und zu 2.) nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die grundsätzlichen Fragen bereits durch das Bundesarbeitsgericht geklärt sind.
- 12 -
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil findet, soweit sich das aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.
Die Revisionsschrift muss innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils, die Revisionsbegründung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils bei dem Bundesarbeitsgericht eingehen.
Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Postfach, 99113 Erfurt
oder
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt.
Telefax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00
Auf die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Dokumente beim Bundesarbeitsgericht nach § 46 c ArbGG i. V. m. den besonderen Voraussetzungen nach der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09. März 2006, BGBl. 2006 Teil I Nr. 12, S. 519 f., ausgegeben zu Bonn am 15. März 2006, wird hingewiesen.
Vor dem Bundesarbeitsgericht müssen sich die Parteien durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren sollen 7-fach – für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr – eingereicht werden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Übrigen findet die Beschwerde statt.
Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass
1. eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe, des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht,
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oder
3. ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
Die Beschwerde muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt.
Telefax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00
Auf die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Dokumente beim Bundesarbeitsgericht nach § 46 c ArbGG i. V. m. den besonderen Voraussetzungen nach der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09. März 2006, BGBl. 2006 Teil I Nr. 12, S. 519 f., ausgegeben zu Bonn am 15. März 2006, wird hingewiesen.
Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen der obigen Nr. 2 dargelegt oder die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht.
Vor dem Bundesarbeitsgericht müssen sich die Parteien durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Die Beschwerdeschrift, die Beschwerdebegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Beschwerdeverfahren sollen 7-fach – für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr – bei dem Bundesarbeitsgericht eingereicht werden.
Löber
Ernst
Schneider
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