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LAG Bremen, Beschluss vom 02.07.2013, 1 TaBV 35/12
Schlagworte: | Abmahnung: Betriebsrat, Betriebsrat: Abmahnung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Bremen | |
Aktenzeichen: | 1 TaBV 35/12 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 02.07.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Beschluss vom 22.11.2012, 8 BV 802/12 | |
In dem Beschlussverfahren
Antragsteller, Beteiligter zu 1) und Beschwerdegegner
Verf.-Bev.:
Antragsgegnerin, Beteiligte zu 2) und Beschwerdeführerin
Verf.-Bev.:
Beteiligter zu 3)
Verf.-Bev.:
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Bremen aufgrund der Anhörung vom 2. Juli 2013
durch
die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts
den ehrenamtlichen Richter
den ehrenamtlichen Richter
beschlossen:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) (Arbeitgeberin) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22.11.2012 - 8 BV 802/12 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Die Rechtsbeschwerde wird gegen diesen Beschluss zugelassen.
G R Ü N D E :
I.
Die Beteiligten streiten sich im Ergebnis um die Berechtigung einer erteilten Abmahnung an den Beteiligten zu 3).
Die Beteiligte zu 2) ist im Land Bremen mit der Müllentsorgung und der Stadtreinigung betraut und ist Teil des N. -Konzerns. Sie selbst beschäftigt ca. 400 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3) ist sowohl Vorsitzender des Betriebsrats als auch Mitglied des Konzernbetriebsrats.
Die Beteiligten zu 1) und 2) schlossen im Mai 2011 eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Bereich STS ab, die eine Vergütungsregelung für Leiharbeitnehmer enthält. Der Beteiligte zu 3) schrieb am 09.12.2011 eine E-Mail an alle Kolleginnen und Kollegen des N. -Konzerns. Darin wurde der Abschluss der vorstehend
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zitierten Betriebsvereinbarung angeführt und die Betriebsvereinbarung als Anhang beige-fügt. Wegen der Einzelheiten der E-Mail wird auf Bl. 41 d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 14.12.2011 (Bl. 107 d. A.) erteilte die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 3) eine „Abmahnung als Betriebsrat“, und zwar wegen der versandten E-Mail und dabei insbesondere wegen des Versendens an Arbeitnehmer außerhalb der Beteiligten zu 2). In diesem Schreiben heißt es u.a.:
„...Für Ihr Fehlverhalten mahnen wir Sie hiermit ab. Sollten Sie erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen und sich in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig verhalten, müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihren Ausschluss als Betriebsratsmitglied beim Arbeitsgericht beantragen werden (§ 23 BetrVG). Gegebenenfalls könnte sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen.“
Diese Abmahnung ist zur Personalakte des Beteiligten zu 3) genommen worden.
Am 22.12.2011 fasste der Beteiligte zu 1) den Beschluss, die Entfernung der „Abmahnung als Betriebsrat“ aus der Personalakte des Beteiligten zu 3) im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend zu machen.
Mit Schreiben vom 22.12.2011 wurde die Beteiligte zu 2) aufgefordert, die Abmahnung zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen. Dieser Aufforderung entsprach die Beteiligte zu 2) nicht.
Mit seinem am 10.01.2011 beim Gericht eingereichten Antrag verlangt der Beteiligte zu 1) im Ergebnis die Herausnahme der Abmahnung aus der Personalakte des Beteiligten zu 3) und die Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung. Mit einem am 07.09.2012 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Antrag wurden für die Beteiligten zu 1) und 3) die Anträge angekündigt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen, hilfsweise hierzu, die Arbeitgeberin zu verpflichten, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus derjenigen Akte zu entfernen, in welche die Arbeitgeberin sie aufgenommen hat. Mit einem Schriftsatz vom 08.11.2012, der am 09.11.2012 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven einging, wurden die Anträge um einen weiteren Hilfsantrag erweitert, festzustellen, dass die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat unwirksam ist. In der mündlichen Anhörung am 22.11.2012 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven nahm der Beteiligte zu 3) den ersten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 08.11.2012 zurück.
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Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen:
Nach Kenntnis des Beteiligten zu 1) habe die geschlossene Betriebsvereinbarung aus Mai 2011 eine in sonstigen Konzerngesellschaften bisher nicht vereinbarte Regelung dargestellt. Diesen Umstand habe der Beteiligte zu 3) zum Anlass genommen, die Arbeitnehmer der weiteren Konzerngesellschaften über den Abschluss dieser Betriebsvereinbarung zu informieren. Der Beteiligte zu 1) sehe die Abmahnung als Behinderung des Betriebsratsvorsitzenden und damit auch des Gremiums an. Er sei der Auffassung, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung nicht zulässig sei. Wenn dies entgegen § 23 BetrVG anders gesehen werde, sei darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen könne. Somit komme auch keine Kündigung für den Wiederholungs-fall in Betracht. Auf eine Kündigungsmöglichkeit habe sich die Beteiligte zu 2) aber ausdrücklich berufen. Allein dies führe schon zur Unwirksamkeit und damit auch zum Anspruch auf Entfernung aus der Personalakte.
Die Abmahnung sei aber auch inhaltlich unberechtigt. Der Beteiligte zu 3) sei zugleich Mitglied des Konzernbetriebsrats. Er könne nicht darauf verwiesen werden, er dürfe sich nur an die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) zu wenden. Er habe ausdrücklich auch als Konzernbetriebsrat gehandelt. Bei der Betriebsvereinbarung handele es sich auch nicht um ein geheimhaltungsbedürftiges Dokument.
Das Gesetz kenne eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung nicht. Deshalb werde überwiegend davon ausgegangen, dass eine solche nicht zulässig sei. Ein Ausschluss sei nur bei einer groben Pflichtverletzung möglich. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich. Ein Verstoß unterhalb einer groben Pflichtverletzung könne im Übrigen nicht zum Ausschluss des Betriebsrats führen. Das Verhalten des Beteiligten zu 3) stelle eine solche grobe Pflichtverletzung nicht dar.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
1. festzustellen, dass die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat unwirksam ist.
2. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen.
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Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) hat vorgetragen:
Sie sei abmahnberechtigt gewesen. Der Beteiligte zu 3) habe seine betriebsverfassungs-rechtlichen Pflichten verletzt. Die Abmahnung werde darauf gestützt, dass sich der Beteiligte zu 3) pflichtwidrig an alle Mitarbeiter des N. -Konzerns und nicht etwa lediglich an die Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) gewandt habe. Es handele sich nach Auffassung der Beteiligten zu 2) nämlich um „externe Dritte“. Es gebe für Vereinbarungen mit Leiharbeits-unternehmen oder Betriebsräten keine abgestimmte Zusammenarbeit. Sämtliche Unter-nehmen würden eigenverantwortlich handeln. Insoweit sei es ihr ureigenster Bereich, in dem Einmischungen nicht gewünscht seien. Die einzige Ausnahme sei das Einwirken der Konzernobergesellschaft. Der Beteiligte zu 3) habe sein Mandat in erheblichem Maße überzogen. Demokratisch legitimiert sei der Beteiligte zu 3) nur von den Beschäftigten der Beteiligten zu 2); nur diese vertrete er. Er sei nicht berechtigt, die Interessen der übrigen Beschäftigten des Konzerns wahrzunehmen. Es sei darauf hinzuweisen, dass Beteiligte zu 3) ausdrücklich nicht als Konzernbetriebsratsmitglied geschrieben habe.
Dem Antragsteller fehle die notwendige Aktivlegitimation. Nicht er in seiner Gesamtheit, sondern der Beteiligte zu 3) habe eine Abmahnung erhalten. Dementsprechend könne auch nur der Beteiligte zu 3) einen Entfernungsanspruch geltend machen.
Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung sei zulässig. Die Rechtsgrundlage dafür sei in § 2 BetrVG zu finden. Diese Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit bedeute, dass das Betriebsratsmitglied nicht mit einem Ausschlussantrag aus dem Betriebsrat „über-fallen“ werden könne. Ihm sei vielmehr eine Möglichkeit zur Verhaltensänderung einzuräumen. Das mildere Mittel sei zunächst einzusetzen.
Die Abmahnung sei auch nicht deshalb unwirksam, weil zugleich eine Kündigungsmöglichkeit angesprochen worden sei. Wenn das Betriebsratsmitglied aber zugleich bei gravierenden Verstößen auch gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoße, sei ein strengerer Maßstab an den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung anzulegen. Es sei zu prüfen, ob bei Ausschluss aus dem Betriebsrat weitere vergleichbare Arbeitsvertragsverletzungen drohen würden und insofern das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nachhaltig gestört sei. Nach der Rechtsprechung komme eine außerordentliche Kündigung z.B. bei verunglimpfender und aufhetzender Wahlwerbung bei einer Betriebsrats-
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wahl in Betracht. Auf diese Rechtsprechung werde im letzten Absatz der Abmahnung verwiesen. Die Warnfunktion einer Abmahnung werde dadurch erfüllt. Nur darauf komme es an.
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 22.11.2012 folgenden Beschluss verkündet:
1. Es wird festgestellt, dass die dem Beteiligten zu 3.) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat unwirksam ist.
2. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Wegen der Einzelheiten der Begründung durch das Arbeitsgericht wird auf Teil II der Gründe (Bl. 59 bis 62 d. A.) Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 29.11.2012 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) am 07.12.2012 Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 09.01.2013 begründet.
Die Beteiligte zu 2) wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ferner vor:
Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung sei möglich. Sie sei inhaltlich wirksam, da der Beteiligte zu 3) unberechtigterweise nicht Betroffene über den Inhalt einer mit der Beteiligten zu 2) abgeschlossenen Betriebsvereinbarung informiert habe. Auch als Konzernbetriebsratsmitglied sei er nicht berechtigt, diese Personen über den Inhalt der mit der Beteiligten zu 2) abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zu informieren, da diese keinen Bezug zu seinem Konzernbetriebsratsmandat habe. Erschwerend sei insofern auch die offensichtlich hinter dieser Vorgehensweise stehende Intention des Beteiligten zu 3) zu berücksichtigen, dem es letztlich bei der Versendung darum gegangen sei, in dem Konzernunternehmen einheitliche bzw. unternehmensübergreifende Regelungen einzuführen, die jedoch überhaupt keinen Konzernbezug hätten und somit gerade nicht in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen würden. Inhalte von Betriebsvereinbarungen zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) seien somit Betriebsinterna, die letztlich nur die Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) beträfen und entsprechend nicht an sonstige Personen weiter-zutragen seien. Die Pflichtwidrigkeit werde auch insbesondere dadurch unterstrichen, dass der Beteiligte zu 3) sich nicht in seiner Funktion als Konzernbetriebsrat an seine
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Konzernbetriebsratsmitglieder gewandt habe, sondern an alle Mitarbeiter. Welches Ziel der Beteiligte zu 3) damit - außer Verwirrung und Unruhestiftung - verfolgt habe, sei nicht zu erkennen.
Der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte sei ausschließlich ein individualrechtlicher Anspruch des Betroffenen, kein Anspruch des Betriebsrats. Deshalb könne dies auch nicht im Beschlussverfahren geklärt werden.
Der Beteiligte zu 3) habe erstinstanzlich keinen Antrag stellt. Dies könne er auch nicht im Beschlussverfahren, sondern nur im Urteilsverfahren. Durch einen erstmaligen zweitinstanzlichen Antrag im Beschlussverfahren könne auch kein individualrechtlicher Anspruch geltend gemacht werden.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22.11.2012 zum Aktenzeichen 8 BV 802/12 abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1) und 3) beantragen,
die Beschwerde der Beteiligten zu 2) als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3) beantragt,
die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
den Antrag des Beteiligten zu 3) zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1) und 3) verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss und tragen vor:
Das Instrument der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sei unzulässig. Handele es sich um eine Abmahnung wegen der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten, wäre eine solche Abmahnung - sofern sie sich nicht ohnehin gegen das gesamte Betriebsratsgremium richten würde - nicht in die Personalakte des Betriebsratsmitglieds auf-zunehmen. Die Personalakte habe diejenigen Dokumente zum Inhalt, die sich auf die Arbeitnehmerstellung bezögen und nicht auf die Ausübung einer Funktion im Betriebsrat.
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Da die dem Beteiligten zu 3) erteilte Abmahnung für den Wiederholungsfall auch individualrechtliche Sanktionen in Aussicht stelle, sei sie auch dann unzulässig, wenn man grundsätzlich die Möglichkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung bejahe.
Die Abmahnung sei auch inhaltlich nicht begründet. Es stelle weder einen Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten noch gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar, wenn der Beteiligte zu 3) in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Konzernbetriebsrats eine Betriebsvereinbarung an Beschäftigte im Konzern versende.
Die Abmahnung sei auch unbestimmt, da Sanktionen für den Fall, dass der Beteiligte zu 3) sich „in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig“ verhalte, angedroht seien. Es sei nicht klar, welches zukünftige Verhalten die Beteiligte zu 3) von ihm erwarte.
Durch die Abmahnung werde die Betriebsratstätigkeit behindert, woraus sich der Entfernungsanspruch des Beteiligten zu 1) ergebe. Der Beteiligte zu 3) habe mit dem Zurückweisungsantrag deutlich gemacht, dass er seinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte geltend mache.
Unabhängig davon sei auch in zweiter Instanz ein Antrag des Beteiligten zu 3) auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte zulässig, da er zumindest sachdienlich sei.
Darüber hinaus sei erstinstanzlich offenbar bei der Protokollierung der Antragstellung nicht hinreichend beachtet worden, dass die Anträge sowohl von dem Beteiligten zu 1) als auch dem Beteiligten zu 3) gestellt worden seien. Die Protokollierung der Anträge sei letztlich unverständlich. Einerseits solle nur der Beteiligte zu 1) den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung und auf Verpflichtung zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte gestellt haben. Andererseits solle nur der Beteiligte 3) erklärt haben, dass der erste Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 08.11.2011 nicht aufrecht erhalten werde. Demnach hätte der Betriebsrat den ersten Hilfsantrag jedoch aufrecht erhalten, sodass im Rahmen der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung zumindest hätte ausgeführt werden müssen, dass infolge der Zuerkennung des Hauptantrages über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden gewesen sei. Derartige Ausführungen enthalte die Entscheidung der Vorinstanz jedoch nicht. Andererseits werde unter Ziff. 1.3 in der erstinstanzlichen Entscheidung ausgeführt, dass nur der Beteiligte zu 1) (Betriebsrat) antragsbefugt sei. Dies bedeute, dass im Rahmen der Begründung im Ergebnis die Anträge zurückgewiesen worden seien, ohne dass dies im Tenor aufgeführt worden
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sei. Trotz der hierin liegenden Beschwer des Beteiligten zu 3) durch die erstinstanzliche Entscheidung sei dem Beteiligten zu 3) ein Rechtsmittel im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung nicht zugestanden worden.
Letztlich habe die Vorinstanz also die Antragstellung des Beteiligten zu 3) übergangen. Der Umstand, dass die Vorinstanz unter Berücksichtigung ihrer Auffassung von einer fehlenden Antragsbefugnis des Beteiligten zu 3) einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte in das Urteilsverfahren hätte überleiten müssen, stehe der Antragserweiterung in zweiter Instanz insoweit nicht entgegen. Wenn nämlich die erforderliche Überleitung in das Urteilsverfahren nicht vorgenommen sei und letztlich inhaltlich entschieden worden sei, indem ausgeführt werde, dass der Beteiligte zu 3) nicht antrags-befugt sei, sei eine inhaltliche Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch im Beschlussverfahren erfolgt. Im Verfahren der zweiten Instanz sei über den Anspruch dann weiterhin im Beschlussverfahren zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften und die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist an sich statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und damit insgesamt zulässig, aber unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat unwirksam ist. Richtigerweise ist auch die Beteiligte zu 2) verpflichtet worden, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus dessen Personalakte zu entfernen.
Das Beschwerdegericht verweist zur Begründung auf Teil II der Gründe des angefochtenen Beschlusses, denen es folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Wegen des Beschwerdeverfahrens ist noch Folgendes auszuführen:
1. Die Beteiligten zu 1) und 3) können die von ihnen geltend gemachten Ansprüche im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren weiterverfolgen.
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a) Eine kollektivrechtliche Streitigkeit ist trotz der gewählten individualrechtlichen Form einer Abmahnung gegeben, wenn in der Sache im Streit zwischen den Beteiligten die Frage steht, ob eine Störung der Betriebsrats- bzw. Personalvertretungstätigkeit durch eine Abmahnung verursacht und beabsichtigt war. Bildet dies den Kern der Streitigkeit der Beteiligten, dann ist das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart. Geht es hingegen um Fehlverhalten, das unabhängig von Betriebs- oder Personalvertretungstätigkeit gerügt werden soll, oder solches, das keinen spezifischen Bezug zur Betriebs-rats- oder Personalvertretungstätigkeit aufweist, ist das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren die richtige Verfahrensart (LAG Hamm Beschl. v. 25.11.2002 - 10 TaBV 121/02; LAG Köln Beschl. v. 27.04.2011 - 5 Ta 438/10 - AE 2012, 1114, 114; Hessisches LAG Beschl. v. 09.07.2009 - 9/10 Ta 25/09). Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen differenziert zwar in seiner Entscheidung vom 30.11.2011 - 16 TaBV 75/10 - danach, ob ein betriebsverfassungsrechtlicher Beseitigungsanspruch gemäß § 78 BetrVG oder ein individualrechtlicher Anspruch auf Rücknahme einer Abmahnung und Entfernung aus der Personalakte geltend gemacht wird. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen soll nur in dem ersten Fall das Beschlussverfahren einschlägig sein; dagegen müsse der individualrechtliche Anspruch abgetrennt werden und gemäß § 78 Abs. 1 ArbGG in das Urteilsverfahren übergeleitet werden, was zweitinstanzlich gemäß §§ 65, 88 ArbGG nicht mehr möglich sein könnte. Im vorliegenden Verfahren bedarf es aber keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen, weil auch über den nunmehr von dem Beteiligten zu 3) ausdrücklich geltend gemachten Entfernungsanspruch nicht im Urteilsverfahren zu entscheiden wäre.
b) Der Beteiligte zu 3) hatte bereits mit Schriftsatz vom 07.09.2012 in der ersten Instanz den Anspruch auf Entfernung der Abmahnung geltend gemacht. In dem Schriftsatz vom 08.11.2012 ist der Antrag für den Beteiligten zu 3) ebenfalls enthalten. Auch wenn ausweislich des Protokolls vom 22.11.2012 der Beteiligte zu 3) nicht ausdrücklich die Ansprüche auf Entfernung der Abmahnung und Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Abmahnung in der mündlichen Anhörung gestellt hat, sind seine Prozesserklärungen so auszulegen, dass er die angekündigten Anträge nicht aufgeben wollte und sich mindestens den Anträgen des Beteiligten zu 1) anschloss.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Prozesserklärungen danach auszulegen, was gewollt ist und aus Sicht der Prozessparteien vernünftig und ihrer Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen (BAG Urt. v. 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 - AP Nr. 62 zu § 9 KSchG 1969; BAG Urt. v. 26.07.2012 - 6 AZR 221/11 - BB 2012, 3008). Dem Protokoll der mündlichen Anhörung vom 22.11.2012 ist zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 3) sich ausdrücklich dazu erklärt hat, dass der erste Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 08.11.2012 („Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat aus derjenigen Akte zu entfernen, in welche die Arbeitgeberin sie aufgenommen hat“) nicht aufrecht erhalten werden sollte. Diese ausdrückliche Erklärung zu dem einen Hilfsantrag macht aber nur dann Sinn, wenn der Beteiligte zu 3) nicht auch alle sonstigen Anträge, die er angekündigt hatte, aufgeben wollte. Damit entspricht es der wohlverstandenen Interessenlage des Beteiligten zu 3), dass die übrigen angekündigten Anträge, die auch der Beteiligte zu 1) ausdrücklich erstinstanzlich gestellt hatte, auch für den Beteiligten zu 3) aufrecht erhalten werden sollten. Es ist nicht erkennbar, dass dem schutzwürdige Belange des Erklärungsadressaten, also der Beteiligten zu 2), entgegen stehen, weil sich diese Anträge mit denen, die ohnehin aufgrund der Antragstellung durch den Beteiligten zu 1) rechtshängig waren, deckten.
Das erstinstanzliche Gericht hat letztlich hierüber auch entschieden, weil es auf Seite 8 des Beschlusses (Teil II 1.3) ausgeführt hat, dass (nur) der Beteiligte zu 1) ausschließlich antragsbefugt sei, gegen die ausgesprochene Abmahnung des Beteiligten zu 3) vorzugehen. Dies führt dazu, dass gemäß §§ 65, 88 ArbGG - selbst, wenn das Urteilsverfahren als richtige Verfahrensart für den Entfernungsanspruch des Beteiligten zu 3) angesehen würde - eine Abtrennung nicht mehr möglich wäre, sondern in der Beschwerdeinstanz in der Sache zu entscheiden ist (BAG Urt. v. 26.07.2012 - 6 AZR 221/11 - BB 2012, 308; LAG Niedersachsen Beschl. v. 30.11.2011 - 16 TaBV 75/10). Dies gilt jedenfalls, wenn keine Rüge bzgl. der Verfahrensart erhoben worden ist, was vorliegend erstinstanzlich nicht geschehen ist.
c) Nichts Anderes würde sich nach Auffassung der Beschwerdekammer ergeben, wenn anzunehmen wäre, dass das Arbeitsgericht über Anträge des Beteiligten zu 3) in der ersten Instanz nicht entschieden hat.
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Dann hätte durch den Beteiligten zu 3) gemäß § 320 ZPO Berichtigung des Tatbestands oder gemäß § 321 ZPO Ergänzung des Beschlusses beantragt werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, wäre die Rechtshängigkeit des Antrags für den Beteiligten zu 3) entfallen (BAG Beschl. v. 21.08.2012 - 3 ABR 20/10 - BB 2012, 3199). Diese Anträge waren aber aufgrund der einzuhaltenden Fristen nicht mehr möglich. Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts ist jedoch in einem solchen Fall eine Antragserweiterung in der zweiten Instanz zulässig (BAG Beschl. v. 21.08.2012 - 3 ABR 20/10 - BB 2012, 3199). Nach Auffassung der Beschwerdekammer liegt zwischen den Beteiligten zu 1) und 3) bezogen auf das vorliegende Verfahren eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 1. Altern. ZPO vor, da wenigstens der Antrag zu 1 auf Feststellung, dass die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 ausgesprochene Abmahnung als Betriebsrat unwirksam ist, nur für diese beiden Beteiligten gleich entschieden werden kann (BAG Urt. v. 29.06.2004 - 1 AZR 143/03 - AP Nr. 36 zu § 1 TVG; BAG Beschl. v. 13.03.2007 - 1 ABR 24/06 - AP Nr. 21 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Die Beschwerdeerwiderung ist so auszulegen, dass mindestens dadurch wieder eine subjektive Antrags(Klage-)häufung erfolgen sollte, da der Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde für die Beteiligten zu 1) und 3) gestellt wurde (BAG Urt. v. 13.12.2012 - 6 AZR 348/11). Ein Zurückweisungsantrag kann eine Klagerweiterung darstellen (BAG Urt. v. 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 - AP Nr. 62 zu § 9 KSchG 1969). Diese Grundsätze gelten auch im Beschlussverfahren (BAG Beschl. v. 13.03.2007 - 1 ABR 24/06 - AP Nr. 21 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Da der Prozess noch anhängig war, konnte der Beteiligte zu 3) seine Anträge in der Beschwerdeinstanz als Antragserweiterung noch geltend machen. Gesichtspunkte des § 533 ZPO stehen dem nicht entgegen. Die Anträge des Beteiligten zu 3) sind zumindest für sachdienlich zu erachten, weil dadurch der Streit zwischen den Beteiligten endgültig beigelegt werden kann. Im Übrigen kann der Beteiligte zu 3) seine Anträge auch auf Tatsachen stützen, die das Beschwerdegericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Beschwerde ohnehin zugrunde zu legen hat. Nach Auffassung der Beschwerdekammer bedurfte es in keinem Fall der Anschlussbeschwerde für die Anträge des Beteiligten zu 3), weil eine notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Beteiligten zu 1) und 3) anzunehmen ist.
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2. Der von den Beteiligten zu 1) und 3) gestellte Antrag zu 1 - Feststellungsantrag - ist zulässig.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bejaht. Zwischen den Beteiligten ist die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Abmahnung umstritten. Da die Beteiligte zu 2) die erteilte Abmahnung ausdrücklich als „Abmahnung als Betriebsrat“ bezeichnet hat, besteht ein Interesse an der Klärung ihrer Wirksamkeit sowohl für den Beteiligten zu 1) als auch für den Beteiligten zu 3).
3. Sowohl der Beteiligte zu 1) als auch der Beteiligte zu 3) besitzen die nach § 81 Abs. 1 ArbGG erforderliche Antragsbefugnis.
Die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren ist gegeben, wenn der Antragsteller mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens eigene Rechte geltend macht und die behauptete Rechtsposition möglich erscheint. Die Gerichte sollen zur Feststellung oder Durchsetzung eines bestimmten Rechts nicht ohne eigene Rechtsbetroffenheit des Antragstellers in Anspruch genommen werden können. Die erforderliche Betroffenheit ist gegeben, wenn sich der Antragsteller eigener Rechte berühmt und deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (BAG Beschl. v. 06.04.1976 - 1 ABR 84/74 - AP Nr. 7 zu § 83 ArbGG 1953; BAG Beschl. v. 21.08.2012 - 3 ABR 20/10 - BB 2012, 3199; LAG Hamm Beschl. v. 05.03.2010 - 10 TaBV 67/09). Der Beteiligte zu 1) macht geltend, durch die dem Beteiligten zu 3) er-teilte Abmahnung in seinen Rechten gemäß § 78 BetrVG beeinträchtigt zu sein, da die Abmahnung vom 14.12.2011 ausdrücklich als „Abmahnung als Betriebsrat“ erteilt wurde. Gleiches gilt für den Beteiligten zu 3), der bezogen auf die erteilte Abmahnung aber auch individualrechtliche Ansprüche geltend machen kann. Beide Beteiligte behaupten damit die Verletzung einer eigenen Rechtsposition durch die von der Arbeitgeberin erteilte Abmahnung.
4. Die Anträge sind auch begründet.
a) Dem Beteiligten zu 1) stehen die geltend gemachten Ansprüche zu.
aa) § 2 Abs. 1 BetrVG enthält das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG ist um-
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fassend zu verstehen. In der Literatur wird darüber hinaus angenommen, dass bei einer andauernden Behinderung auch ein Beseitigungsanspruch bestehen soll (GK-BetrVG/Kreutz, 9. Aufl., Rdnr. 39 zu § 78 BetrVG; Richardi/Thüsing, BetrVG, 12. Aufl., Rdnr. 16 zu § 78 BetrVG), wobei sowohl der Betriebsrat als auch das betroffene Betriebsratsmitglied antragsberechtigt sein sollen (Wlotz-ke/Preis, BetrVG, 4. Aufl., Rdnr. 20 zu § 78 BetrVG; APS-Künzl, 3. Aufl., Rdnr. 33, 60 zu § 78 BetrVG; Däubler/Buschmann, BetrVG, 10. Aufl., Rdnr. 30 zu § 78 BetrVG).
Die Befugnisse des Betriebsrats umfassen zwar grundsätzlich nicht das Recht, auch individualrechtliche Ansprüche seiner Mitglieder gerichtlich klären zu las-sen. Konkrete Ansprüche eines einzelnen Betriebsratsmitglieds gegen den Arbeitgeber sind nur vom jeweiligen Betriebsratsmitglied gegen den Arbeitgeber durchzusetzen (LAG Baden-Württemberg Beschl. v. 04.07.2012 - 13 TaBV 4/12). Dabei kommt es nicht darauf an, welcher Normverstoß vom Antragsteller behauptet wird, sondern welche erstrebte Rechtsfolge Gegenstand des Antrags ist, da nur der Streitgegenstand Aufschluss über die Rechtsinhaberschaft geben kann. Das Arbeitsgericht Berlin will anscheinend in seinem Beschluss vom 10.01.2007 - 76 BV 16593/06 - einen Anspruch des Betriebsrats auf Entfernung einer Abmahnung dann bejahen, wenn es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung handelt. In dem vom Arbeitsgericht Berlin entschiedenen Fall scheiterte allerdings der vom Betriebsrat geltend gemachte Anspruch daran, dass keine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung vorliegen sollte. Weitere Entscheidungen liegen - soweit ersichtlich - nicht dazu vor, welche Ansprüche ein Betriebsrat im Falle einer einem Betriebsratsmitglied er-teilten Abmahnung (betriebsverfassungsrechtlicher Art) zustehen sollen.
Die erkennende Beschwerdekammer geht davon aus, dass einem Betriebsrat in dem Fall, dass einem Betriebsratsmitglied eine Abmahnung erteilt worden ist, die auf betriebsverfassungsrechtliche Verstöße des Betriebsratsmitglieds gestützt wird und damit betriebsverfassungsrechtlicher Art ist, demgegenüber Ansprüche zustehen. Denn das Vorhandensein einer unzulässigen Abmahnung, die sich auf etwaige Pflichtverstöße des Betriebsratsmitglieds im Rahmen seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beziehen, beeinträchtigt nicht nur die individualrechtliche Rechtsposition des Betriebsratsmitglieds, sondern kann sich auch auf sein Verhalten im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit auswirken und damit den Betriebsrat in seiner Tätigkeit behindern. Dann muss
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dem Betriebsratsgremium auch die Befugnis zugestanden werden, hiergegen gerichtlich vorzugehen.
Auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in seinem Beschluss vom 30.11.2011 - 16 TaBV 75/10 - einen Verstoß gegen § 78 BetrVG für möglich gehalten, wenn das gerügte Verhalten offensichtlich keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung beinhaltet, sondern nur das Betriebsratsmitglied durch die Rüge bedrängt werden soll.
bb) Es ist umstritten, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung möglich ist. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist in seinem Urteil vom 31.08.1988 - 14 Sa 724/88 (abgedruckt in AuR 1989, 152) - davon ausgegangen, dass die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nicht zu einer Abmahnung im individualrechtlichen Bereich führen darf und dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit verbleibt, gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG den Ausschluss des Arbeitnehmers aus dem Betriebsrat wegen grober Pflichtverletzung zu beantragen oder in sonstiger Weise auf den Arbeitnehmer einzuwirken, die ihm als Betriebsratsmitglied obliegenden Pflichten zu beachten. Das Arbeitsgericht Detmold hat in seiner Entscheidung vom 08.10.1998 - 3 Ca 1124/98 (abgedruckt in AiB 1999, 41) - angenommen, dass die Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds wegen Amtspflichtverletzung unzulässig sei und aus der Personalakte zu entfernen sei. In der Entscheidung vom 20.03.2009 - 10 Sa 1407/08 - hat das Landesarbeitsgericht Hamm ausdrücklich offen gelassen, ob eine Abmahnung allein wegen der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten möglich ist. In der Entscheidung vom 16.04.2010 - 13 Sa 1480/09 - scheint das Landesarbeitsgericht Hamm davon auszugehen, dass im Falle der Verletzung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten eine Abmahnung nicht in Betracht kommt, sondern der Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgehen müsse. Demgegenüber bejaht das Arbeitsgericht Berlin in der Entscheidung vom 10.01.2007 - 76 BV 16593/06 - ausdrücklich die Möglichkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung. Dagegen geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass eine Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds nur dann in Betracht kommt, wenn dieses zumindest auch gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Bei Verstößen gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, die nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Kündigung und damit auch keine Kündigungsandrohung für
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den Wiederholungsfall, sondern ein Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG und damit auch nur die Inaussichtstellung eines solchen Antrags für den Wiederholungsfall in Betracht kommen (BAG Urt. v. 10.11.1993 - 7 AZR 682/92 - AP Nr. 4 zu § 78 BetrVG 1972; BAG Urt. v. 26.01.1994 - 7 AZR 640/92).
cc) Im vorliegenden Fall hat die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung erteilt. Unter Betreff ist ausgeführt „Abmahnung als Betriebsrat“. Im Text wird ein Verstoß des Beteiligten zu 3) gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit gerügt und ein Antrag auf Ausschluss als Betriebsratsmitglied (§ 23 BetrVG) angedroht. Die Beteiligte zu 2) hat weiter ausgeführt, dass ggf. sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen könne. Die Beteiligte zu 2) bezieht sich damit ausdrücklich nur auf eine Verletzung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, nicht aber von arbeitsrechtlichen Pflichten des Beteiligten zu 3), sodass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung vorliegt. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der Beteiligte zu 3) sich mit seiner E-Mail vom 09.12.2011 ausdrücklich als Betriebsratsvorsitzender und Konzernbetriebsrat an die Beschäftigten gewandt hat, wie aus den hinzugefügten Bezeichnungen am Ende der E-Mail zu entnehmen ist. Die erkennende Beschwerdekammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall nur nach § 23 Abs. 1 BetrVG vorgehen kann, weil die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Betriebsratsmitglieds betroffen ist und nicht ohne Weiteres sein arbeitsrechtliches Verhältnis zu der Arbeitgeberin. Deshalb vertritt ferner die erkennende Beschwerdekammer die Auffassung, dass eine Kündigung als individualrechtliche Maßnahme in einem derartigen Schreiben nicht angedroht werden kann. Die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 durch die Beteiligte zu 2) erteilte Abmahnung ist daher unzulässig und rechtsunwirksam.
Die erteilte Abmahnung ist darüber hinaus nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam. Auch bei Vorliegen eines objektiv pflichtwidrigen Arbeitnehmerverhaltens kann im Einzelfall der Ausspruch einer Abmahnung unverhältnismäßig und damit unzulässig sein. Bei Abmahnungen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der aus dem ebenfalls für das Arbeitsrecht maßgebenden Prinzip von Treu und Glauben nach § 242 BGB her-geleitet wird. Danach ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere, weniger
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schwerwiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird als Übermaßverbot zur Vermeidung von schwerwiegenden Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen verstanden. Deshalb ist ein vertretbares Verhältnis zwischen Arbeitsverhältnis und Fehlverhalten zu verlangen; denn mit dem Hinweis auf die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses greift der Arbeitgeber bereits in bestehende Rechtspositionen des Arbeitnehmers ein. Eine solche Gefährdung ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein weiteres Fehl-verhalten nach Ausspruch einer Abmahnung als Grund für eine Kündigung geeignet sein könnte. Dafür reichen einmalige und geringfügige Verstöße nicht aus. Maßstab ist, ob ein verständiger Arbeitgeber die Pflichtverstöße ernsthaft für kündigungsrechtlich erheblich halten durfte (BAG Urt. v. 10.11.1993 - 7 AZR 682/92 - AP Nr. 4 zu § 78 BetrVG 1972; BAG Urt. v. 30.05.1996 - 6 AZR 537/95 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Nebentätigkeit; Hessisches LAG Urt. v. 14.05.2003 - 2/1 Sa 1441/02 - AuA 2003, 44).
Zwar hat sich der Beteiligte zu 3) an die Beschäftigen im Konzern der N. AG mit seiner E-Mail vom 09.12.2011 gewandt, obwohl die von ihm erwähnte Betriebsvereinbarung nur für die Beteiligte zu 2) galt. Aber es ist nicht ersichtlich, welche schutzwürdigen Interessen der Arbeitgeberseite durch die Veröffentlichung der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung im Konzern beeinträchtigt werden sollen. Die Beteiligte zu 2) hat dies auch nicht im Einzelnen dargelegt, abgesehen von dem Hinweis auf eine entstehende Unruhe. Letztlich ist davon auszugehen, dass die abgeschlossene Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Konzern ohnehin bekannt geworden wäre, da derartige Betriebsvereinbarungen kein Geheimmaterial sind. Der Arbeitgeber muss zudem wegen der freien Meinungsäußerung unter Beachtung des § 2 Abs. 1 BetrVG sogar öffentliche Kritik durch Betriebsratsmitglieder hinnehmen (LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 08.07.2011 - 6 Sa 713/10). Der Beteiligte zu 3) hat in seiner E-Mail vom 09.12.2011 keine unsachliche Kritik an den Handlungsweisen im Konzern geübt, sondern lediglich auf einen Handlungsbedarf im Falle des Einsatzes von Leiharbeitnehmern hingewiesen. Dies ist in sachlicher Weise durch den Beteiligten zu 3) geschehen, sodass die Beteiligte zu 2) die Meinungsäußerung des Beteiligten zu 3) in der E-Mail vom 09.12.2011 hinnehmen muss.
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Die dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 erteilte Abmahnung ist danach unter allen Gesichtspunkten rechtsunwirksam, was auf den Antrag des Beteiligten zu 1) festzustellen war, weil ihr Vorhandensein - wie ausgeführt - auch die Rechtsposition des Beteiligten zu 1) beeinträchtigt. Wegen ihrer Auswirkungen auf die Betriebsratsarbeit kann auch ihre Entfernung aus der Personalakte durch den Beteiligten zu 1) beansprucht werden.
b) Die Ansprüche stehen auch dem Beteiligten zu 3) zu.
Die Unwirksamkeit der dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 14.12.2011 erteilten Abmahnung ergibt sich aus den vorstehenden Gesichtspunkten. Die Unzulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung führt auch zu einem individualrechtlichen Entfernungsanspruch (ArbG Detmold Urt. v. 08.10.1998 - 3 Ca 1124/98 - AiB 1999, 41). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer außerdem in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB einen Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte (BAG Urt. v. 13.12.1989 - 5 AZR 10/89; BAG Urt. v. 30.05.1996 - 6 AZR 537/95 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Nebentätigkeit). Dem Beteiligten zu 3) steht deshalb ein Anspruch auf Entfernung der streitigen Abmahnung aus seiner Personalakte zu.
Nach allem war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
5. Das Verfahren ist gemäß § 2 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei.
Gegen diesen Beschluss war gemäß § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil sowohl den prozessualen Fragen als auch der Frage der möglichen Ansprüche gegenüber einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung grundsätzliche Bedeutung zukommt
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