- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Urteile 2023
- Urteile 2021
- Urteile 2020
- Urteile 2019
- Urteile 2018
- Urteile 2017
- Urteile 2016
- Urteile 2015
- Urteile 2014
- Urteile 2013
- Urteile 2012
- Urteile 2011
- Urteile 2010
- Urteile 2009
- Urteile 2008
- Urteile 2007
- Urteile 2006
- Urteile 2005
- Urteile 2004
- Urteile 2003
- Urteile 2002
- Urteile 2001
- Urteile 2000
- Urteile 1999
- Urteile 1998
- Urteile 1997
- Urteile 1996
- Urteile 1995
- Urteile 1994
- Urteile 1993
- Urteile 1992
- Urteile 1991
- Urteile bis 1990
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
LAG Hamburg, Urteil vom 22.05.2008, 8 Sa 1/08
Schlagworte: | Tarifvertrag: Bezugnahme | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamburg | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 1/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 22.05.2008 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 31.10.2007, 24 Ca 118/07 | |
Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes
Geschäftszeichen:
8 Sa 1/08
(24 Ca 118/07 ArbG Hamburg)
In dem Rechtsstreit
Verkündet am:
22. Mai 2008
Da.
Angestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 8. Kammer
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rühl als Vorsitzenden
den ehrenamtlicher Richter Wi.
die ehrenamtliche Richterin Sch.
2
für Recht:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31.10.2007 (24 Ca 118/07) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
3
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil kann Revision bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht.
Die Revisionsschrift muss enthalten:
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird.
Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Die Revision ist zu begründen. Die Revisionsbegründung muss enthalten:
- die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge),
- die Angabe der Revisionsgründe, und zwar,
a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt,
b) soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Eine Revision kann nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, einlegen und begründen.
Die Frist für die Einlegung der Revision (Notfrist) beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Die Revisionsbegründungsfrist kann auf Antrag einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.
Die Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Hinweis:
1. Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Hugo-Preuß-Platz 1 – 99084 Erfurt
2. Aus technischen Gründen sind die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
4
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (im Folgenden: TV-L) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-Länder) kraft vertraglicher Inbezugnahme Anwendung finden. Darüber hinaus begehrt der Kläger eine tarifliche Sonderzahlung.
Der Kläger ist seit dem 01.11.1995 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Erzieher beschäftigt. Er war in die Tarifgruppe V b der Anlage 1 zum BAT eingruppiert. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt € 3.090,97 brutto. Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH, die dem L. e. V. gehört, einem in Hamburg ansässigen Elternverein. Die Beklagte ist Träger zahlreicher Behinderten¬einrichtungen. Sie ist nicht tarifgebunden.
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 06.10.1995 (Anl. K 1, Bl. 5 d. A.) heißt es unter Ziffer 2
„Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils gültigen Fassung und die dazu abgeschlossenen Zusatzverträge.“
Ziffer 9 des Arbeitsvertrages enthält eine Regelung zur betrieblichen Altersversorgung. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages haben die Parteien an die Möglichkeit, dass der BAT nicht fortgeführt werden könnte, nicht gedacht.
Der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23.02.1961 wurde auf Arbeitgeberseite von der Bundesrepublik Deutschland, der Tarifgemeinschaft der Länder
5
und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände abgeschlossen. Die letzte Änderung erfolgte durch den 78. Änderungstarifvertrag vom 31.01.2003.
Am 01.10.2005 trat der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in Kraft, welcher am 19.09.2005 auf Arbeitgeberseite durch die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geschlossen worden war.
Am 01.11.2006 trat der am 12.10.2006 zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder und Ver.di abgeschlossene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Kraft. Bereits am 08.06.2006 schlossen die gleichen Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 (Anl. K 2, Bl. 14 d. A.). Der Tarifgemeinschaft der Länder gehören alle Bundesländer an mit Ausnahme von Berlin und Hessen.
Mit der am 04.06.2007 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der TV-L sowie der TVÜ-Länder für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgeblich sind.
Er hat die Ansicht vertreten, die Geltung der genannten Tarifverträge ergebe sich im Wege ergänzender Auslegung aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Durch die Aufspaltung des BAT in zwei unterschiedliche Regelungswerke sei eine planwidrige Regelungslücke entstanden. Hätten die Parteien diese Lücke bei Abschluss des Arbeitsvertrages erkannt, wäre nur eine Bezugnahme auf die Regelung der Länder in Betracht gekommen, da weder die Beklagte noch das Beschäftigungsverhältnis der Parteien eine Beziehung zum Bund oder zu den Kommunen aufweise.
Mit seiner am 06.07.2007 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung hat der Kläger tarifliche Sonderzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 geltend gemacht. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 (1) a bzw. b des Tarifvertrags über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007. Nach Anlage 2 zum TVÜ-L sei der Kläger von der Vergütungsgruppe V b BAT in die Entgeltgruppe 9 TV-L übergeleitet worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den
6
TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) anwendbar ist, mit der Ausnahme, dass sich die Altersversorgung nach vertraglichen Vereinbarung richtet.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 310,- brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent¬punkten seit dem 10.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nach wie vor der BAT anwendbar. Ziffer 2 des Arbeitsvertrages sei eindeutig. Der BAT existiere nach wie vor, er werde lediglich nicht mehr fortgeschrieben. Eine Regelungslücke sei nicht entstanden und könne folglich auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. Der TV-L sei kein Zusatzvertrag zum BAT und habe diesen auch nicht abgelöst. Die im TV-L vorgenommenen Regelungen, insbesondere die Schaffung neuer Tarifgruppen, die Einführung eines Leistungssystems, die Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie die Abschaffung des Ortszuschlags seien so weitreichend, dass ein Wille der Parteien, statt des BAT nunmehr ein völlig neues Tarifwerk anzuwenden, ohne eine sog. Tarifwechselklausel nicht unterstellt werden könne. Die Fortgeltung des BAT stelle demgegenüber die interessengerechtere Lösung dar, auch wenn die Gehalts-entwicklung nicht mehr dynamisiert sei. Dies werde sich erst auswirken, wenn die Lücke zum marktüblichen Gehaltsniveau zu einem untragbaren Lohngefälle führe, worauf durch freiwillige Anpassungen reagiert werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die begehrte Feststellung getroffen und die Beklagte zur Zahlung von € 210,- an den Kläger verurteilt. Der Arbeitsvertrag der Parteien sei gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass das geltende Tarifwerk für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Anwendung finden soll. Dies sei seit dem 01.11.2006 der TV-L. Anhaltspunkte für eine Bezugnahme auf den TVöD seien unstreitig nicht vorhanden. Eine Tarifwechselklausel sei nicht erforderlich, denn der Übergang von BAT und TV-L sei kein Tarifwechsel, da die Tarifvertragsparteien für
7
denselben Regelungsbereich einen neuen Tarifvertrag geschaffen hätten. Die von der Beklagten hervorgehobenen strukturellen Veränderungen hätten ebenso im Rahmen des BAT erfolgen können. Der Zahlungsanspruch des Klägers aus § 2 (1) b des Tarifvertrags über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 sei nur in Höhe von € 210,- begründet. Da diese Zahlung mit den Bezügen für Januar 2007 fällig gewesen sei, habe sie der Kläger durch die am 06.07.2007 erhobene Klage innerhalb der Ausschlussfrist des § 37 I TV-L geltend gemacht. Eine rechtzeitige Geltendmachung der im Juli 2006 fälligen Sonderzahlung habe der Kläger hingegen nicht dargelegt.
Gegen das am 31.10.2007 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17.12.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.01.2008 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 17.03.2008 – am 13.03.2008 begründet.
Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe § 2 des Arbeitsvertrags im Sinne einer Bezugnahme auf das Tarifvertragswerk des öffentlichen Dienstes ausgelegt und danach festgestellt, der TV-L sei an die Stelle des BAT getreten. Beides treffe nicht zu. Der TV-L sei keine Umbenennung oder Fortsetzung des BAT, sondern ein anderer Tarifvertrag als der BAT. Der BAT sei auf Arbeitgeberseite von der Bundesrepublik Deutschland, der Tarifgemeinschaft der Länder sowie der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber abgeschlossen worden. Partei des TV-L und des TVÜ-Länder sei demgegenüber nur die Tarifgemeinschaft der Länder, während die Bundesrepublik Deutschland und die kommunalen Arbeitgeberverbände mit dem TVöD ein eigenes Regelungswerk vereinbart hätten. Dass auch die Tarifvertragsparteien nicht von einer Fortführung des BAT durch den TV-L ausgingen, ergebe sich daraus, dass ein Überleitungstarifvertrag für erforderlich gehalten wurde. Der BAT habe auch nicht aufgehört zu existieren, sondern gelte in Hessen und Berlin fort, die vor Abschluss des TV-L aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten seien. Dass der BAT nicht mehr fortgeschrieben werde, bedeute nicht, dass er lückenhaft geworden sei. Auch vor der Vereinbarung der anderen Tarifverträge sei der BAT teilweise über mehrere Jahre nicht verändert worden, ohne dass deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht gezogen worden sei. Schließlich ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Parteien eine dynamische
8
Bezugnahmeklausel vereinbart hätten, keine Befugnis, das in Bezug genommene Regelwerk durch ein anderes zu ersetzen. Durch die dynamische Bezugnahme auf den BAT hätten die Parteien nämlich ein Regelwerk vereinbaren wollen, welches über Jahrzehnte auch den Rahmenbedingungen des schwächsten der drei auf Arbeitgeberseite Beteiligten Rechnung getragen habe. Durch die Auflösung dieser Gemeinschaft sei dies nun nicht mehr gewährleistet, was durch unterschiedliche Regelungen zu Arbeitszeit und Entgelt im TVöD einerseits und im TV-L andererseits belegt werde. Selbst wenn eine ergänzende Vertragsauslegung vom Ansatz her in Betracht käme, so würde diese an fehlenden Anhaltspunkten dafür scheitern, dass die Parteien auch ein anderes, von anderen Tarifvertragsparteien ausgehandeltes Regelungswerk in Bezug nehmen wollten. Die Ausklammerung der kostenträchtigen betrieblichen Altersversorgung aus der Bezugnahme belege, bringe den Willen zum Ausdruck, eine eigene Vertragssystematik zu schaffen. Dies schließe es aus, von einem Willen zur Einbeziehung eines Tarifwerks für den öffentlichen Dienst auszugehen. Dabei sei auch zu beachten, dass zwischen BAT und TV-L in wesentlichen Punkten strukturelle Unterschiede bestünden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31.10.2007 (24 Ca 118/07) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen und nimmt auf die Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
9
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger begehrte Feststellung zu Recht getroffen (I) und die Beklagte auch zu Recht zur Zahlung von € 210,- an den Kläger verurteilt (II).
I. Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig und begründet.
1) Das Arbeitsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nach § 256 ZPO ausgegangen.
a) Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein. Ein Rechtsverhältnis ist die rechtlich geregelte Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (BAG v. 03.05.2006 – 1 ABR 63/04 – NZA 07, 285 Tz 19; BGH v. 25.10.2004 – II ZR 413/02 – ZIP 05, 42). Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beziehen (BAG v. 29.09.2004 – 1 AZR 473/03 – EzA-SD 05, Nr. 5 12 – 13; Urt. v. 13.02.2003 – 8 AZR 102/02 – DB 03, 1740; Urt. V. 19.06.1985 – 5 AZR 57/84 – DB 86, 132). Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können hingegen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BAG v. 03.05.2006 – 1 ABR 63/04 – NZA 07, 285, Tz 19; BAG v. 13.02.2003, a.a.O.; BAG v. 29.11.2001 – 4 AZR 757/00 – BAGE 100, 43 = DB 02, 1561).
b) Die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags auf ein Arbeitsverhältnis ist eine Verpflichtung, die Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann (BAG v. 15.03.2006 – 4 AZR 75/05 – BAGE 117, 248 = NZA 06, 690, Tz 15 m. w. N.). Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass mit der Anwendbarkeit eines Tarifvertrags eine Vielzahl von Fragen, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses betreffen, geklärt werden kann.
10
2) Der Feststellungsantrag des Klägers ist auch begründet, denn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind der TV-L sowie der TVÜ-Länder anwendbar. Dies ergibt sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten Bezugnahme auf den BAT in der jeweils gültigen Fassung und die dazu abgeschlossenen Zusatzverträge.
a) Bei der Frage, welche Vereinbarung zwischen den Parteien eines Vertrages gilt, ist zunächst zu prüfen, ob sich ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen lässt. Wenn feststeht, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben, dann ist für eine Auslegung ihrer Erklärungen nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB kein Raum; ihr übereinstimmender Wille geht dem Wortlaut einer Erklärung vor (BAG v. 06.02.1974 – 3 AZR 232/73 – Tz 18). Bedarf es der Auslegung der Vertragsbestimmungen, ist ausgehend von deren Wortlaut der objektive Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln. Maßgebend ist der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhanges. In die Auslegung einzubeziehen sind auch die Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht ebenfalls Rückschlüsse auf dessen Inhalt. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind auch die Entstehungsgeschichte, der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Abschluss der Vereinbarung bestehende Interessenlage der Beteiligten (BAG v. 15.03.2005 – 9 AZR 97/04 – AP Nr. 33 zu § 157 BGB, Tz 23 m. w. N.), wobei der Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung zu beachten ist (vgl. BAG v. 12.12.2007 – 4 AZR 998/06 – NZA 08, 649, Tz 24; BAG v. 07.11.2007 – 5 AZR 880/06 – NZA 08, 355, Tz 17; BGH v. 07.11.2001 – VIII ZR 213/00 – NJW 02, 506, Tz 12).
Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine unbewusste Lücke einer vertraglichen Regelung voraus. Bei ihrer Schließung ist zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lücke bewusst gewesen wäre, wobei nicht die subjektive Vorstellung einer Vertragspartei maßgebend ist, sondern das, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten (BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07 – NZA 08, 409, Tz 29; Urt. v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 07, 87, Tz 34). Bei der
11
ergänzenden Vertragsauslegung muss die Antwort auf diese Frage innerhalb des durch den Vertrag selbst gezogenen Rahmens gesucht werden. Das Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung darf nicht im Widerspruch zu dem im Vertrag ausgedrückten Parteiwillen stehen (BAG v. 12.12.2007, a.a.O., Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 08, 40, Tz 34).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis als zutreffend.
aa) Ein übereinstimmender Wille der Parteien, welche Regelungen für die Vertragsbeziehung maßgeblich sein soll, wenn der BAT nicht fortgeführt wird und die auf Arbeitgeberseite am BAT beteiligten Koalitionen unterschiedliche Tarifverträge abschließen, kann nicht festgestellt werden. Unstreitig haben die Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags diese Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen.
bb) Die Geltung des TV-L lässt sich nach Auffassung der Berufungskammer nicht im Wege der (normalen) Auslegung aus Ziffer 2 des Arbeitsvertrages ableiten. Zwar kann diese Vereinbarung, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, so verstanden werden, dass das für den öffentlichen Dienst geltende Tarifwerk in Bezug genommen werden soll. Damit allein lässt sich indes die Frage, welcher Tarifvertrag heute Anwendung finden soll, nicht beantworten, denn es gibt seit Ende 2006 zwei Tarifverträge, die als solche des öffentlichen Dienstes bezeichnet werden können. Die Frage, welcher von mehreren Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden soll, haben die Parteien nicht geregelt.
cc) Genau darin besteht die Regelungslücke, die auch unbewusst entstanden ist. Die Parteien haben nämlich bei Abschluss des Arbeitsvertrages im Jahr 1995 nicht etwa entschieden, die Frage offen zu lassen, welcher Tarifvertrag bei einer eventuellen Aufspaltung des BAT gelten soll. Sie haben vielmehr diese Möglichkeit nach ihrem übereinstimmenden Sachvortrag nicht in Erwägung gezogen.
Der Auffassung der Beklagten, es liege keine Regelungslücke vor, da der BAT weiterhin bestehe, kann nicht gefolgt werden. Sie berücksichtigt zu wenig, dass die
12
Parteien eine dynamische Bezugnahme auf den BAT gewählt haben. Eine dynamische Bezugnahme ist so zu verstehen, dass die Parteien die Regelung ihres Arbeitsverhältnisses aktuellen Entwicklungen anpassen wollen. Dies gilt insbesondere für die Vergütung. Dass die Gehälter, wie die Beklagte argumentiert, unter der Geltung des BAT manchmal über längere Zeit nicht angepasst worden sind, steht dem nicht entgegen. Auch eine längere Phase des Stillstandes in der Tarifentwicklung ist mit einer statischen Regelung nicht zu vergleichen. Da Lebenshaltungskosten im Regelfall nicht über einen längeren Zeitraum sinken sondern steigen (vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland, Stichwort: Verbraucherpreise), würde eine statische Bezugnahme zu einer kontinuierlichen Absenkung des realen Einkommensführen. Dafür, dass die Parteien eine solche Regelung treffen wollen, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Sie wollten die Anpassung ihrer Arbeitsvertragsbedingungen – mit Ausnahme der betrieblichen Altersversorgung, die explizit ausgeklammert wurde – auch ausschließlich der Tarifentwicklung überlassen. Das ergibt sich aus dem Fehlen einer vertraglichen Anpassungsklausel z. B. für den Fall, dass tarifliche Entgeltsteigerungen aus Sicht der Parteien zu hoch oder zu gering ausfallen. Dass der BAT in den Ländern Berlin und Hessen noch nicht durch eine neue Regelung ersetzt worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn es spricht nichts dafür, dass der BAT zumindest von diesen beiden Ländern als Tarifwerk fortgeführt wird. Eine solche Fortführung im Sinne einer Anpassung an veränderte Umstände ist aber das, worauf es den Parteien bei der Vereinbarung einer dynamischen Bezugnahmeklausel typischerweise ankommt. Dass im vorliegenden Fall bei Abschluss des Arbeitsvertrages andere Erwägungen eine Rolle spielten, ist nicht ersichtlich.
dd) Die Regelungslücke im Arbeitsvertrag der Parteien kann im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. Hätten die Parteien bei Vertragsschluss die Möglichkeit einer Aufteilung des BAT in unterschiedliche Regelungswerke in Betracht gezogen, dann hätten sie die Geltung des für sie sachnäheren Regelungswerkes vereinbart (ebenso: LAG Niedersachsen v. 06.07.2007 – 3 Sa 1790/06 – ZTR 07, 690, Tz 25). Das ist – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – der TV-L. Die Beklagte und ihr Trägerverein sind schwerpunktmäßig in Hamburg tätig. Anknüpfungspunkte, die eine Beziehung zum Bund oder zu den Gemeinden ergeben könnten, sind nicht vorhanden.
13
Die Frage, ob es sich bei dem TV-L um eine Fortführung des BAT oder um einen anderen Tarifvertrag handelt, kann dahinstehen. Selbst wenn der TV-L als völlig eigenständiges Tarifwerk zu bewerten wäre, wäre unter den gegebenen Umständen von einem hypothetischen Willen der Parteien auszugehen, dieses Regelungswerk auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden. Eine sachgerechte Alternative ist nicht ersichtlich: Ein Einverständnis mit einer statischen Bezugnahme auf den BAT in seiner letzten Fassung hätte die Beklagte bei Vertragsschluss vom Kläger redlicherweise nicht erwarten können. Für eine Vereinbarung des TVöD fehlen ebenso Anknüpfungspunkte wie für die Bezugnahme auf einen anderen Tarifvertrag. Den Verzicht auf jegliche Bezugnahme auf tarifliche Regelung für den Fall der Nichtfortführung des BAT zu vereinbaren, wäre in Betracht gekommen. Da der Arbeitsvertrag jedoch keine Anpassungsklauseln enthält, spricht nach Auffassung der Berufungskammer mehr dafür, dass die Parteien auf ein tarifliches Regelwerk Bezug genommen hätten.
Einer Tarifwechselklausel, welche die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht vereinbart haben, bedarf es für eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne einer Anwendung des TV-L nicht. Die Kammer folgt insoweit der Literatur, die diese Frage für den Übergang vom BAT zum TVöD überwiegend verneint (Möller /Welkoborsky, NZA 06, 1382; Fieberg NZA 05, 1226; Werthebach NZA 05, 1224; a. A. wohl nur Hümmerich/Mäßen, NZA 05, 961). Die Vertreter der h. M. stimmen darin überein, dass die Ablösung des BAT durch den TVöD mit den Fällen, in denen das BAG eine Tarifwechselklausel für erforderlich gehalten hat, nicht vergleichbar ist. Daran hat sich durch den Abschluss des TV-L nichts geändert. Letztlich geht es um die Aufspaltung der bisherigen Tarifgemeinschaft in zwei Bereiche. Dabei hat zwar auf Arbeitgeberseite eine Veränderung der Tarifvertragsparteien stattgefunden. Dieser ist aber mit dem Übertritt eines Arbeitgebers in einen anderen Arbeitgeberverband nicht vergleichbar.
Die von der Beklagten betonten strukturellen Unterschiede zwischen BAT und TV-L stehen einer ergänzenden Vertragsauslegung ebenfalls nicht entgegen. Eine dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, wie sie die Parteien im vorliegenden Fall vereinbart haben, beinhaltet grundsätzlich auch die Bereitschaft,
14
weitreichende, auch strukturelle Veränderungen des Tarifvertrags umzusetzen. Dass die Parteien die tariflichen Regelungen auf ihre Geeignetheit für ihr Vertragsverhältnis überprüft haben, belegt der Abschluss einer eigenständigen, für die Arbeitgeberin gegenüber dem Tarifvertrag günstigeren Regelung zur betrieblichen Altersversorgung. Da entsprechende Ausnahmen oder Vorbehalte für andere Fragen fehlen, ist von einer uneingeschränkten Akzeptanz tariflicher Änderungen auszugehen. Dass die Veränderungen des TV-L gegenüber dem BAT gerade wegen der Veränderungen der Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite besonders gravierend ausgefallen sind, ist im Übrigen lediglich eine Vermutung der Beklagten, deren Richtigkeit die Kammer jedenfalls nicht positiv feststellen kann. Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass entsprechende strukturelle Veränderungen auch innerhalb des BAT hätten vorgenommen werden können.
II. Der Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 2 (1) b des Tarifvertrags über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007. Die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ergibt sich aus dessen § 1 I als Folge der Anwendbarkeit des TV-L.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.
IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.
Wi.
Rühl
Sch.
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |