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LAG Hamm, Urteil vom 18.02.2016, 18 Sa 1577/15
Schlagworte: | Zeugnis | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 18 Sa 1577/15 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 18.02.2016 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgerichts Hagen, Urteil vom 17.09.2015, 4 Ca 435/15 | |
Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Sa 1577/15
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015 – 4 Ca 435/15 – dahin abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, folgenden Satz in das Zeugnis des Klägers aufzunehmen: „Wir betrachten es als besondere Leistung, dass er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden hat“.
Der Kläger war vom 01.07.2010 bis zum 31.10.2013 bei der Beklagten als Gebietsverkaufsleiter tätig. Die Beklagte sprach im Juli und August 2013 Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und nahm die Beklagte zudem auf Weiterbeschäftigung, Entfernung von Abmahnungsschreiben aus der Personalakte und auf Zeugniserteilung in Anspruch. Dieser Rechtsstreit, den die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hagen unter dem Geschäftszeichen 4 Ca 1628/13 führten, wurde durch den Abschluss eines Vergleichs am 27.08.2013 erledigt. Der Vergleich sah unter anderem vor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2013 endet und die Beklagte an den Kläger eine Abfindungszahlung leistet. Darüber hinaus heißt es in dem Vergleich: „Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem 31.10.2013 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger ein Vorschlagsrecht zusteht, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grunde abweichen darf.“
Im September 2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Zeugnisentwurf mit der Bitte um Übernahme und Erteilung. Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Arbeitszeugnis, das von dem übersandten Zeugnisentwurf abwich. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach Maßgabe des Zeugnisentwurfs zu verpflichten. Nachdem die Beklagte dem Kläger im Laufe des Rechtsstreits ein neues Arbeitszeugnis erteilt hatte, das dem Zeugnisentwurf – mit Ausnahme des einleitend im Tatbestand wiedergegebenen Satzes – entsprach, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit erledigt erklärt.
Im Kammertermin vom 09.07.2015, den die Beklagte nicht wahrgenommen hat, ist ein Versäumnisurteil erlassen worden, durch das die Beklagte verpflichtet wurde, den noch fehlenden Satz aus dem Zeugnisentwurf in das Arbeitszeugnis des Klägers zu übernehmen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.
Der Kläger hat behauptet, dass er unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden habe. Die Angaben zu den von dem Kläger getätigten Umsätzen basierten auf einer Auskunft des vormaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn C. Die nach den Gebietsübernahmen erfolgten Umsatzrückgänge seien letztlich darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten sehr lange auf ihre Bezahlung hätten warten müssen und dann nur schlechte Qualität geliefert hätten. Dies habe sich nachteilig auf die Umsätze ausgewirkt.
Der Kläger hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger mit seinem Begehren die Grenze zum offenkundigen Rechtsmissbrauch überschritten habe, da oberster Grundsatz für die Zeugnisausstellung die Wahrheit des Zeugnisses sei. Weder habe er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert noch unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus der Beklagten gebunden. Die Frage, ob in dem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und ob unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden worden seien, sei keine Frage der Wertung, sondern eine auf objektiven Zahlen basierende Tatsache und einem Beweis zugänglich. Der Kläger sei seiner Beweislast für die Richtigkeit der begehrten Angaben nicht nachgekommen. Darüber hinaus zeige die Darstellung der „neuen Verkaufsgebiete“ mit Stand 20.12.2011 (Blatt 54 der Akte), dass das Gebiet West neu aufgeteilt und dem Kläger die Postleitzahlengebiete 33 bis 37, 60 bis 63 und 65 zugeteilt worden seien. Aus den Umsatzzahlen (Blatt 55 der Akte) ergebe sich zwar, dass durch die Übernahme der Kundengebiete ein Umsatzsprung erfolgte. Die Umsatzzahlen der Jahre 2011 und 2012 für die Kundengebiete L und G belegten aber, dass nach Übernahme dieser Gebiete durch den Kläger ein Umsatzrückgang zu verzeichnen gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und zur Begründung im Wesentlichen aufgeführt, die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der vom Kläger gewünschten Formulierung ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich im Verfahren 4 Ca 1628/13. Wenn die Beklagte im Vergleich zugesagt habe, dem Kläger ein Arbeitszeugnis nach seinem Entwurf zu erteilen und von dem Entwurf nur aus wichtigem Grunde abzuweichen, so stelle dies ein Schuldanerkenntnis dar. Einwendungen gegenüber dem anerkannten Anspruch seien von der Beklagten zu beweisen. Es sei der Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass die vom Kläger gewünschten Formulierungen inhaltlich falsch seien. Die Beklagte habe insbesondere lediglich die Umsatzzahlen des Klägers in den Jahren 2010 bis 2012 dargelegt und sich nicht hinreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, er habe Umsatzzuwächse im Zeitraum von 2010 bis 2013 erzielt. Im Übrigen wird,, auch zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das Urteil erster Instanz ist der Beklagten am 08.10.2015 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 28.10.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 11.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, den Kläger treffe die Darlegungslast für die behaupteten Tatsachen, auf die er seinen Anspruch hinsichtlich der Ergänzung des Zeugnisses stütze. Die Beklagte habe insoweit bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 kein Schuldanerkenntnis abgegeben, sondern sich das Recht vorbehalten, vom Formulierungsvorschlag des Klägers abzuweichen. Die Behauptung des Klägers, er habe unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden, könne die Beklagte nur bestreiten. Als Anlage mit einem am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte die Umsatzzahlen des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2013 dargestellt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015, Az. 4 Ca 435/15, das Versäumnisurteil vom 09.07.2015, Arbeitsgericht Hagen, aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Darlegungslast im Streitfall die Beklagte treffe. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz eine Aufstellung der vom Kläger erzielten Umsätze in den Jahren 2010 bis 2013 vorgelegt habe, sei dieser Vortrag nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt; zudem könne die Bezugnahme auf eine Anlage nicht den ordnungsgemäßen Parteivortrag ersetzen. Aus den Umsatzzahlen, die die Beklagte vorgelegt habe, ergebe sich, dass sich der Umsatz des Klägers bei einem Vergleich der Monate Juli 2010 und Oktober 2010 um 33 % gesteigert habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I
Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Die Beklagte hat die Berufung insbesondere rechtzeitig gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet.
II
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern und das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 auf den zulässigen Einspruch der Beklagten aufzuheben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Ergänzung des Zeugnisses aus § 109 Abs. 1 GewO in Verbindung mit dem Vergleich vom 27.08.2013 zu. Eine andere Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.
1. Die Beklagte ist nicht einschränkungslos verpflichtet, dem Kläger ein „wunschgemäßes“ Zeugnis nach dessen Vorstellungen zu erteilen.
Zwar ergibt sich aus § 109 Abs. 1 GewO ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung. Wie sich aus dem Sinn der Vorschrift des § 109 Abs. 1 GewO ergibt, muss der Arbeitgeber das Zeugnis wohlwollend abfassen, damit es das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 109 GewO, Rdnr. 27 m.w.N.). Die Vorschrift sieht jedoch keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut vor. Vielmehr ist der Arbeitgeber frei in der Wahl seiner Formulierungen (BAG, Urteil vom 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 352/04).
Der Vergleich vom 27.08.2013 engt zwar den Spielraum ein, welcher der Beklagten bei der Formulierung des Zeugnisses zusteht. Der Vergleich sieht im Grundsatz vor, dass die Beklagte den vom Kläger erstellten Formulierungsvorschlag für das Zeugnis zu übernehmen hat. Die Parteien haben bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 allerdings durch den Vorbehalt des wichtigen Grundes klargestellt, dass die Beklagte den Vorschlag des Klägers nicht ungeprüft und ohne jede Änderung übernehmen muss. Das Prüfungsrecht des Arbeitgebers besteht schon dann, wenn in einem Prozessvergleich vereinbart ist, er habe ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erstellen (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11). Das muss erst recht dann gelten, wenn ausdrücklich der Vorbehalt einer Abweichung von der vorgeschlagenen Zeugnisformulierung aus wichtigem Grunde – wie hier – im Vergleich vereinbart ist.
2. Es liegt ein wichtiger Grund dafür vor, dass die Beklagte den Formulierungsvorschlag des Klägers, soweit er im Hinblick auf Umsatzsteigerung und die Bindung unzufriedener Kunden zwischen den Parteien streitig ist, nicht übernahm.
a) Durch den Vorbehalt der Abweichung „aus wichtigem Grunde“ ist klargestellt, dass die Beklagte nach dem Vergleich nicht verpflichtet ist, inhaltlich Unwahres in den Zeugnistext zu übernehmen.
Denn der Begriff des wichtigen Grundes ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Zeugniswahrheit zu verstehen. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit und –klarheit bildet den obersten Grundsatz des Zeugnisrechts (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 22; Preis, in: Staudinger, § 630 BGB Rdnr. 41, jeweils m.w.N.). Der Arbeitgeber, der zugunsten des Arbeitnehmers Unwahres im Zeugnis bekundet, muss damit rechnen, Schadensersatzansprüchen Dritter ausgesetzt zu sein (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 68). Vor diesem Hintergrund kann der Arbeitgeber auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht dazu angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11).
b) Die vom Kläger begehrten Änderungen betreffen nicht Wertungsfragen, sondern Tatsachen. Sowohl die Frage, ob der Kläger Umsatzzuwächse erreicht hat, als auch die Frage, ob es ihm gelang, starke Umsatzträger wieder an die Beklagte zu binden, beziehen sich auf sinnlich wahrnehmbare Geschehnisse der Außenwelt, die dem Beweis zugänglich sind.
c) Mit der angestrebten Formulierung begehrt der Kläger insoweit die Aufnahme inhaltlich unrichtiger Tatsachen in das Zeugnis.
Das ergibt sich aus der Auswertung des beiderseitigen Parteivorbringens. Es spricht einiges dafür, dass die Darlegungs- und Beweislast (wie es das Arbeitsgericht angenommen hat) für die Unrichtigkeit der Tatsachen im Streitfall die Beklagte trifft. Ist ein Vergleichstext so formuliert wie hier, stellt die Abweichung aus wichtigem Grund eine Einwendung gegen den grundsätzlich bestehenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Übernahme der von ihm vorgeschlagenen Zeugnisformulierungen dar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Arbeitgeber für die Einwendungen darlegungs- und beweispflichtig, die ihm zum Vorteil gereichen. Anderenfalls stünde der Arbeitnehmer nach dem Abschluss des Vergleichs nicht besser als wenn er einen regulären Zeugnisberichtigungsstreit führen müsste. Das widerspräche dem Sinn des Vergleichsabschlusses (LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.2010 – 1 Ta 196/10 m.w.N.). Mit einer derartigen Regelung zur Zeugniserteilung im Vergleich soll gerade ein weiterer, unter Umständen wiederum gerichtlich auszutragender Streit zwischen den Parteien um die Zeugnisformulierung vermieden werden. Der Arbeitnehmer, der – wie hier der Kläger – über einen Vergleich den Arbeitsplatz verliert, will zumindest ein für ihn vorteilhaftes Zeugnis garantiert haben, auf dessen Inhalt er weitestgehenden Einfluss nehmen kann. Der vorliegende Rechtsstreit nötigt jedoch nicht dazu, einen abstrakten Rechtssatz über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast aufzustellen.
Im Zivilprozess gilt der Grundsatz der abgestuften Darlegungslast, der sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergibt (vgl. dazu und zum Folgenden: BAG, Urteil vom 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 m.w.N.). Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Eine allgemeine Auskunftspflicht auch über die gegnerischen Behauptungen hinaus kennt das materielle Recht nicht, und es ist nicht Sache des Prozessrechts, sie einzuführen. Keine Partei ist gehalten, den Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt. Daher genügt einfaches Bestreiten eines nur pauschalen Vorbringens. Dagegen ist zu den einzelnen Behauptungen der gegnerischen Partei gezielt Stellung zu nehmen, soweit diese sich substantiiert geäußert hat; pauschales Bestreiten genügt dann nicht, sondern hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge. Ist substantiiertes Bestreiten erforderlich, muss die gegnerische Prozesspartei eine Gegendarstellung des Sachverhalts geben, soweit sie dazu in der Lage ist. Insbesondere wird dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auferlegt, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.
Danach ist festzustellen, dass der Kläger die ihn jedenfalls treffende treffende Darlegungspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit der Tatsachen, die Grundlage der beantragten Änderung des Zeugnistextes sein sollen, nicht hinreichend erfüllt hat.
aa) Dies gilt zunächst für die „Umsatzzuwächse“ von bis zu 33 %“, die der Kläger in seinem Verkaufsgebiet generiert haben will.
Dass der Kläger derartige Umsatzzuwächse erreichte, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keine näheren Angaben zu seinen Umsatzzahlen gemacht. Die Beklagte hat demgegenüber bereits erstinstanzlich (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 18.05.2015) eine Aufstellung über den Umsatz des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2012 vorgelegt. In der Berufungsinstanz hat sie diese Angaben mit der Anlage, die dem Schriftsatz vom 30.11.2015, der am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, um die Zahlen für das Jahr 2013 ergänzt.
Die von der Beklagten vorgetragenen Umsatzzahlen für das Jahr 2013 sind im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Der Vortrag ist nicht nach § 67 ArbGG ausgeschlossen. Der Schriftsatz vom 30.11.2015 ging innerhalb der noch bis zum 08.12.2015 laufenden Berufungsbegründungsfrist ein. Die Berücksichtigung des Vortrages führt nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits.
Dass die Beklagte die Umsatzzahlen in Tabellenform vorgelegt und nicht schriftsätzlich ausformuliert hat, begegnet keinen Bedenken. Zwar mag die Bezugnahme auf Anlagen dann bedenklich sein, wenn sie erforderlichen substantiierten Sachvortragen ersetzen soll (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 347/11): Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Angaben aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen. Im Streitfall ist es für das Berufungsgericht nicht notwendig, sich streitige oder unstreitige Angaben aus der Tabelle über die Umsatzzahlen zusammenzusuchen. Die Tabelle besteht nur aus einer Seite. Sie ist selbsterklärend. Die Umsatzzahlen des Klägers sind nach Jahren und Monaten aufgeführt. Die Prozessführung des Klägers wird durch die Bezugnahme auf die Anlage nicht erschwert. Er ist ohne Weiteres in der Lage, das Zahlenwerk nachzuvollziehen und sich mit den Angaben der Beklagten auseinanderzusetzen.
Aus den Zahlen, deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, ergibt sich zwar eine Steigerung des Umsatzes um etwa 300.000,00 Euro im Vergleich der Jahre 2010 und 2011. Das ist gleichbedeutend mit einer Umsatzsteigerung von 25 %. Die Beklagte hat jedoch schon erstinstanzlich vorgetragen, dass es sich insoweit nicht um Umsatzzuwächse handelt, die der Kläger durch seine Arbeitsleistung generierte, sondern dass der Umsatzzuwachs darauf zurückzuführen war, dass durch den Ausfall eines Mitarbeiters das Gebiet „West“ neu aufgeteilt und dem Kläger ein weiteres Postleitzahlengebiet zugeteilt wurde. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten, so dass das Vorbringen der Beklagten insoweit als unstreitig gelten muss. Die Aufstellungen über die Umsatzzahlen, die von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereicht worden sind, weisen den Umsatz der Gebiete gesondert aus, die dem Verkaufsgebiet des Klägers zugeschlagen wurden. Subtrahiert man den Umsatz, der in diesen Gebieten erzielt wurde, vom Gesamtumsatz des Klägers, so lässt sich keine Umsatzsteigerung mehr feststellen.
Unbehilflich ist der Vortrag des Klägers zu einem Telefongespräch mit dem vormaligen Geschäftsführer der Beklagten, das „nach ca. einem Jahr“ der Tätigkeit des Klägers geführt worden sein soll und in dessen Rahmen der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt haben soll, der Kläger habe den Umsatz in seinem Gebiet um 33 % gesteigert. Diese Äußerung des vormaligen Geschäftsführers mag vor dem Hintergrund der Gebietserweiterung erfolgt sein. Der Verweis auf die Äußerung im Rahmen eines Telefongesprächs ersetzt jedenfalls nicht die Auseinandersetzung mit den konkreten Umsatzzahlen, die die Beklagte vortragen hat.
Wenn der Kläger geltend macht, im Zeitraum von Juli 2010 bis Oktober 2010 eine etwa 33%ige Umsatzsteigerung erreicht zu haben, so muss er sich entgegenhalten lassen, dass das Zeugnis nach dem Grundsatz der Zeugnisklarheit auf die Leistungen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen hat; einzelne Vorfälle dürfen nur dann hervorgehoben werden, wenn sie für das Vertragsverhältnis charakteristisch waren (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 40). Die Umsatzsteigerung, auf die der Kläger sich berufen will, war nicht charakteristisch für das Arbeitsverhältnis, sondern ergibt sich nur unter Zugrundelegung eines nicht aussagekräftigen Zeitraums zu Beginn des Arbeitsverhältnisses. In jedem Jahr waren die Umsatzzahlen des Klägers schwankend. Durch das beliebige Herausgreifen einzelner Monate lässt sich sowohl eine Umsatzsteigerung als auch ein Umsatzrückgang belegen. Dies gilt auch für das Jahr 2010: Vergleicht man die Umsätze der Monate März und April, so ist ein etwa 25%-iger Umsatzrückgang festzustellen. Aussagekräftige und damit im Sinne des Zeugnisrechts wahre Angaben zu den Umsatzzahlen lassen sich nur bei Betrachtung eines größeren (jährlichen oder halbjährlichen) Zeitraumes machen. Insoweit sind aber keine Zeiträume ersichtlich, aus denen sich ein Umsatzplus in der vom Kläger gewünschten Größenordnung ableiten ließe. Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, dass der Kläger lediglich die Formulierung begehrt, Umsatzzuwächse „von bis zu 33 %“ generiert zu haben. Selbst diese einschränkende Formulierung erweist sich indes bei einem Vergleich der aussagekräftigen längeren Referenzzeiträume als unzutreffend. Die „bereinigten“ Umsatzzahlen (abzüglich der zusätzlich übernommenen Gebiete) weisen nur im Vergleich der Jahre 2011 und 2012 eine leichte (weniger als 10%-ige) Steigerung auf. Im Vergleich der Jahre 2010 zu 2011 sowie 2012 und 2013 ist jedoch ein Umsatzrückgang festzustellen.
bb) Auch im Hinblick auf die Richtigkeit der Zeugnisformulierung, die auf eine erneute Bindung unzufriedener Kunden als starke Umsatzträger an die Beklagte abhebt, ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
Die Beklagte hat insoweit bestritten, dass der Kläger Derartiges leistete. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, daraufhin zumindest beispielhaft darzulegen, welche Umsatzträger oder unzufriedenen Kunden er mit welchen Maßnahmen dazu brachte, weiterhin Geschäftsbeziehungen zur Beklagten zu pflegen. Der Kläger hat aber keinen einzigen Kunden und keine einzige Maßnahme benannt, die die Aufnahme der von ihm erstrebten Zeugnisformulierung in das Zeugnis rechtfertigen könnte.
Der Kläger ist insoweit die Prozesspartei mit der größeren Sachnähe, da er die von ihm betreuten Kunden kennt und weiß, welcher Kunde unzufrieden und womöglich im Begriff war, die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten abzubrechen. Der Kläger weiß auch, durch welche Leistungen er diese Kunden wieder an die Beklagten zu binden verstand. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Beklagte etwa durch Vorlage von Arbeitsberichten oder ähnlichen Unterlagen unschwer in der Lage gewesen wäre, die Leistungen des Klägers insoweit nachzuvollziehen.
cc) Das Berufungsgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, dem Kläger einen rechtlichen Hinweis zu den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast zu erteilen.
Die Frage, inwieweit die Darlegungslast (und die Beweislast) zwischen den Parteien zu verteilen ist, war zwischen den Parteien im Streit. Ist die Rechtslage umstritten oder problematisch, muss ein Prozessbevollmächtigter alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Sachvortrag berücksichtigen (BAG, Urteil vom 12.12.2012 – 5 AZR 858/12 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei bereits darauf hingewiesen hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (BAG, Urteil vom 30.09.2014 – 3 AZR 998/12 m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall: Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung (dort Seite 6 f.) vorgetragen, die Regeln der abgestuften Beweislast seien anwendbar und der Kläger habe weder schlüssig zu den Umsatzsteigerungen noch zur Bindung unzufriedener Kunden vorgetragen.
III
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Rechtsstreits erster Instanz aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante ZPO. Die Kosten waren verhältnismäßig zu teilen, da beide Parteien teils obsiegten, teils unterlagen. Die Beklagte hat den größeren Anteil der Kosten zu tragen, da der Kläger nur mit seiner Forderung nach Aufnahme des Satzes scheiterte, der im Berufungsverfahren noch zwischen den Parteien streitig war. Die Beklagte ist den Wünschen des Klägers im Übrigen entgegengekommen und hat sich damit in die Rolle des Unterlegenen begeben. Insoweit waren die Kosten der Beklagten gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. Die Parteien haben den Rechtstreit im Hinblick auf diese Punkten übereinstimmend für erledigt erklärt. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren billigem Ermessen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Hinsichtlich der Kostenquotelung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 10, unter D der Entscheidungsgründe) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass der Gesamtstreitwert für alle vom Kläger erstrebten Änderungen des Zeugnisses ein Monatseinkommen und die zuletzt zwischen den Parteien noch streitige Änderung 20 % hiervon beträgt.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat sich erst in der Berufungsinstanz hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Kläger gewünschte Änderung des Zeugnistextes auf der Grundlage wahrer Tatsachen erfolgen kann. Sie hat erst in der Berufungsbegründung (dort Seite 7) vorgetragen, die Behauptung, der Kläger habe unzufriedene Kunden gebunden, mangels Substantiierung und eigener Kenntnisse nur bestreiten zu können. Zuvor hat sie die Aussagen schlicht als „falsch“ bezeichnet (Schriftsatz vom 18.05.2015, dort Seite 3) bzw. vorgetragen, der Kläger habe seine Behauptungen „mit keinem Satz erklärt“ (Schriftsatz vom 14.07.2015, dort Seite 2). Auch eine vollständige Aufstellung der Umsatzzahlen (einschließlich des Jahres 2013) hat die Beklagte erst im Berufungsverfahren vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass es für die Beklagte nicht bereits erstinstanzlich möglich war, sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinanderzusetzen und vollständige Angaben zu den Umsatzzahlen zu machen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keine Angaben dazu machen, seit wann die Zahlen für das Jahr 2013 bei der Beklagten vorlagen.
IV
Es bestand keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
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