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ArbG Köln, Ur­teil vom 24.03.2015, 14 Ca 6837/14

   
Schlagworte: Befristung
   
Gericht: Arbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 14 Ca 6837/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.03.2015
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: nachgehend:
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 15.10.2015, 7 Sa 532/15
   

Ar­beits­ge­richt Köln, 14 Ca 6837/14

Te­nor:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht auf­grund der Be­fris­tung vom 10.12.2013 zum 31.08.2014 sein En­de ge­fun­den hat.

2. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.

3. Der Streit­wert beträgt 5.200,86 €.

1

T A T B E S T A N D

2

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit der Be­fris­tung des zwi­schen ih­nen be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses.

3

Die am 1960 ge­bo­re­ne und ver­hei­ra­te­te Kläge­rin ist seit dem 16.07.2012 auf­grund ver­schie­de­ner be­fris­te­ter Verträge bei der Be­klag­ten zu­letzt seit dem 01.08.2013 als Büro­sach­be­ar­bei­te­rin im Re­fe­rat 403 mit ei­nem Brut­to­ent­gelt von 1.733,62 € beschäftigt. Zu­vor war sie be­reits vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2004 oh­ne Sach­grund im Re­fe­rat „Grundsätz­li­che An­ge­le­gen­hei­ten des Zi­vil­diens­tes“ tätig.

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Die am 26.07.2013 zunächst bis zum 31.01.2014 er­folg­te Be­fris­tung des Teil­zeit­ar­beits­ver­trags im Re­fe­rat 403 wur­de mit Ände­rungs­ver­trag vom 10.12.2013 bis zum 31.08.2014 verlängert (vgl. An­la­gen K 1 und K 2, Bl. 4 und 5 d.A.). Ent­spre­chend der ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lung er­folg­te der Ein­satz der Kläge­rin in der be­fris­te­ten ein­ge­rich­te­ten Geschäfts­stel­le des sog. „Fonds Heim­er­zie­hung“.

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Die Geschäfts­stel­le „Fonds Heim­er­zie­hung“ über­nimmt die Be­treu­ung der Fonds „Heim­er­zie­hung in der Bun­des­re­pu­blik Deutschlang in den Jah­ren 1945 bis 1975“ und „Heim­er­zie­hung in der DDR in den Jah­ren 1949 bis 1990“ so­wie die Aus­zah­lung der Fonds­mit­tel an die Be­trof­fe­nen. Die bei­den Fonds star­te­ten am 01.01.2012 bzw. 01.07.2012 und lau­fen bis 31.12.2016 bzw. 31.12.2017.

6

Die bei­den Fonds sind der­ge­stalt auf­ge­setzt, dass ehe­ma­li­ge Heim­kin­der in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ih­re Ansprüche bis zum 31.12.2014 an­mel­den konn­ten; die ver­ein­bar­ten Leis­tun­gen müssen in­ner­halb der Vor­lauf­zeit bis zum 31.12.2016 er­bracht und ab­ge­rech­net wer­den. Be­trof­fe­ne Heim­kin­der der ehe­ma­li­gen DDR konn­te ih­re Ansprüche bis zum 30.09.2014 an­mel­den; die ver­ein­bar­ten Leis­tun­gen müssen in­ner­halb der Vor­lauf­zeit bis zum 30.06.2017 er­bracht und ab­ge­rech­net wer­den (vgl. An­la­ge B 12, Bl. 41 ff. d.A.).

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Mit ih­rer am 10.09.2014 beim Ar­beits­ge­richt Köln ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wehrt sich die Kläge­rin ge­gen die Be­fris­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses.

8

Sie ist der Auf­fas­sung, dass im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses nicht mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit ab­seh­bar ge­we­sen sei, dass ein erhöhter Per­so­nal­be­darf bei Ver­trags­ab­lauf weg­fal­len wer­de. Die Be­fris­tung set­ze vor­aus, dass im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit zu er­war­ten ist, dass nach dem vor­ge­se­he­nen Ver­trags­en­de für die Beschäfti­gung des be­fris­tet ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers in dem Be­trieb kein dau­er­haf­ter Be­darf mehr be­steht. Hierüber ha­be der Ar­beit­ge­ber bei Ab­schluss des be­fris­te­ten Ver­tra­ges ei­ne Pro­gno­se zu er­stel­len, der kon­kre­te An­halts­punk­te zu­grun­de­lie­gen müssen. Die­se Pro­gno­se sei Teil des Sach­grunds der Be­fris­tung. Ein ent­spre­chen­der sach­li­cher Grund sei vor­lie­gend nicht ge­ge­ben. Das ins­be­son­de­re des­halb, weil Ver­trags- und Pro­jekt­dau­er sehr weit aus­ein­an­der klaf­fen. Der letz­te be­fris­te­te Ver­trag mit der Kläge­rin wur­de am 01.08.2013 bis zum 31.08.2014 und so­mit für ei­nen Zeit­raum von 13 Mo­na­ten ge­schlos­sen. Da­bei sei un­strei­tig, dass die Geschäfts­stel­le Fon­der­zie­hung für den Be­reich Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land bis zum 31.12.2016 und für den Be­reich ehe­ma­li­ge DDR bis zum 31.12.2017 tätig sein würde. Die Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten für die Kläge­rin in der Geschäfts­stel­le würden da­her noch für 2,5 bzw. 3,5 Jah­re be­ste­hen, was bei Ab­schluss des be­fris­te­ten Ver­tra­ges be­reits fest­stand. Darüber hin­aus sei­en im ers­ten Halb­jahr 2014 sie­ben Ein­stel­lun­gen mit un­be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen, 47 Ein­stel­lun­gen mit be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen und 40 Verlänge­run­gen von be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen er­folgt. Es sei da­her nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass man­geln­der Beschäfti­gungs­be­darf vor­lie­ge. Es sei der Be­klag­ten auch nicht er­laubt, während der Dau­er der Be­fris­tun­gen willkürlich Mit­ar­bei­ter aus­zu­tau­schen. So er­ge­be sich aus dem Schrei­ben vom 30.05.2014 (An­la­ge K3, Bl. 6 d.A.), dass ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung al­lein auf­grund ar­beits­qua­li­ta­ti­ver Gründe nicht er­folg­te.

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Die Kläge­rin be­an­tragt:

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Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht auf­grund der Be­fris­tung vom 10.012.2013 zum 31.08.2014 sein En­de ge­fun­den hat.

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fest­zu­stel­len

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Die Be­klag­te be­an­tragt,

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die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

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Sie ist der Auf­fas­sung, dass ein Sach­grund im Hin­blick auf ei­nen vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gungs­be­darf vor­lie­ge und die Be­fris­tung da­her wirk­sam sei. Es han­de­le sich bei der Geschäfts­stel­le des Re­fe­rats 403 um ei­ne auf vorüber­ge­hen­de Dau­er an­ge­leg­te und ge­genüber den Dau­er­auf­ga­ben des Bun­des­am­tes für Fa­mi­lie und zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Auf­ga­ben ab­grenz­ba­re Zu­satz­auf­ga­be. Darüber hin­aus ver­tritt sie die An­sicht, die Lauf­zeit des be­fris­te­ten Ver­tra­ges ha­be nicht mit der vor­aus­sicht­li­chen Dau­er der Lauf­zeit der hier streit­ge­genständ­li­chen Fonds übe­rein­stim­men müssen. Die Be­klag­te könne während die­ses Zeit­raums frei darüber ent­schei­den, ob sie den Zeit­raum des von ihr pro­gnos­ti­zier­ten Per­so­nal­be­darfs ganz oder nur teil­wei­se durch den Ab­schluss von be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen ab­de­cke oder sich die Möglich­keit zu ei­nem per­so­nel­len Aus­tausch of­fen­hal­te.

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Darüber hin­aus sei zu berück­sich­ti­gen, dass seit Ju­li 2014 vier ehe­ma­li­ge Aus­zu­bil­den­de der Be­klag­ten in der Geschäfts­stel­le Fonds Heim­er­zie­hung ein­ge­setzt wur­den. Die­se sei­en im An­schluss an ih­re er­folg­reich be­stan­de­ne Aus­bil­dung gem. § 16 a TV AüG be­fris­tet zu beschäfti­gen.

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We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen, die zum Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­wor­den sind und die Sit­zungs­pro­to­kol­le ergänzend Be­zug ge­nom­men.

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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

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Die zulässi­ge Kla­ge ist be­gründet.

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I.

20

Das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis en­de­te nicht mit Aus­lauf der Be­fris­tung zum 31.08.2014. Der zulässi­ge Be­fris­tungs­kon­trollein­trag ist be­gründet. Die streit­be­fan­ge­ne Be­fris­tung er­weist sich je­den­falls aus be­son­de­ren Gründen als rechts­miss­bräuch­lich.

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  • 1. Ob ein Sach­grund für die Be­fris­tung in Form ei­nes vorüber­ge­hen­den be­trieb­li­chen Be­darfs an der Ar­beits­leis­tung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Tz­B­fG vor­lie­gend ge­ge­ben ist, kann vor­lie­gend da­hin ste­hen. Die Kam­mer hat al­ler­dings Zwei­fel, ob der Be­fris­tungs­grund der vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gung in Form ei­ner sog. Pro­jekt­be­fris­tung vor­lie­gend trägt.
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  • a. Ein sach­li­cher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Tz­B­fG vor, wenn der be­trieb­li­che Be­darf an der Ar­beits­leis­tung nur vorüber­ge­hend be­steht.
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Der Sach­grund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Tz­B­fG ist von der re­gelmäßig ge­ge­be­nen Un­si­cher­heit über die künf­ti­ge Ent­wick­lung des Ar­beits­kräfte­be­darfs ei­nes Un­ter­neh­mens oder ei­ner Behörde zu un­ter­schei­den. Die all­ge­mei­ne Un­si­cher­heit über die zukünf­tig be­ste­hen­de Beschäfti­gungsmöglich­keit recht­fer­tigt die Be­fris­tung nicht. Ei­ne sol­che Un­si­cher­heit gehört zum un­ter­neh­me­ri­schen Ri­si­ko des Ar­beit­ge­bers, das er nicht durch Ab­schluss ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags auf den Ar­beit­neh­mer abwälzen darf. Es reicht dem­nach nicht aus, dass sich le­dig­lich un­be­stimmt ab­zeich­net, auf­grund wel­cher Abläufe ei­ne Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers in der Zu­kunft ent­behr­lich sein könn­te (vgl. BAG 19. März 2014 - 7 AZR 718/12 - Rn. 26 mwN). Viel­mehr muss im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit zu er­war­ten sein, dass nach dem vor­ge­se­he­nen Ver­trags­en­de für die Beschäfti­gung des be­fris­tet ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers kein Be­darf an der Ar­beits­leis­tung mehr be­steht. Hierüber hat der Ar­beit­ge­ber bei Ab­schluss des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags ei­ne Pro­gno­se zu er­stel­len, der kon­kre­te An­halts­punk­te zu­grun­de lie­gen müssen. Die Pro­gno­se ist ein Teil des Sach­grun­des für die Be­fris­tung. Die tatsächli­chen Grund­la­gen für die Pro­gno­se hat der Ar­beit­ge­ber im Pro­zess dar­zu­le­gen, da­mit der Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit erhält, die Rich­tig­keit der Pro­gno­se zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses zu über­prüfen (vgl. BAG 19. März 2014 - 7 AZR 718/12 - Rn. 25). Auch der nur vorüber­ge­hen­de pro­jekt­be­ding­te per­so­nel­le Mehr­be­darf kann da­nach ei­nen Sach­grund für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags mit ei­nem pro­jekt­be­zo­gen beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer für die Dau­er des Pro­jekts dar­stel­len (vgl. BAG 7. No­vem­ber 2007 - 7 AZR 484/06 - Rn. 19). Nicht er­for­der­lich ist, dass der be­fris­te­te Ver­trag für die ge­sam­te Lauf­zeit des Pro­jekts ge­schlos­sen wor­den ist. Das bloße Zurück­blei­ben der Ver­trags­lauf­zeit hin­ter der vor­aus­sicht­li­chen Dau­er ei­nes Pro­jekts ist nicht stets und oh­ne wei­te­res ge­eig­net, den sach­li­chen Grund für die Be­fris­tung in Fra­ge zu stel­len.

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  • b. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen ist das Vor­lie­gen ei­nes wirk­sa­men Be­fris­tungs­grunds nach § 14 Tz­B­fG frag­lich. Die Kläge­rin war un­strei­tig für das bzw. die Pro­jek­te „Fonds Heim­er­zie­hung“ tätig. Wei­ter­hin ist un­strei­tig, dass die­se Pro­jek­te nur ei­ne be­fris­te­te Lauf­zeit ha­ben und En­de 2016 bzw. 2017 endgültig aus­lau­fen wer­den. Da­mit bleibt die ver­ein­bar­te Be­fris­tungs­dau­er 2,5 bzw. 3,5 Jah­re hin­ter der Lauf­zeit der bei­den Fonds Heim­er­zie­hung zurück. Zwar hat die Be­klag­te vor­ge­tra­gen, Aus­zu­bil­den­de zwin­gend be­fris­te­te ein­stel­len zu müssen. Wie sich dies in­des auf den Beschäfti­gungs­be­darf aus­wirk­te und wel­che Pro­gno­se der ver­ein­bar­ten Be­fris­tung zu­grun­de lag, hat sie in­des nicht dar­ge­legt. Kon­kre­ter Vor­trag zu dem ggf. während der Fond­lauf­zeit un­ter­schied­li­chen per­so­nel­len Be­darf fehlt gänz­lich. Vor die­sem Hin­ter­grund ist be­reits frag­lich, ob be­reits das Zurück­blei­ben der Ver­trags­lauf­zeit deut­lich, d.h. meh­re­re Jah­re, hin­ter der Fond­lauf­zeit da­zu führt, dass ein wirk­sa­mer Be­fris­tungs­grund schon nicht vor­liegt.
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  • 2. Die Be­fris­tung ist aber je­den­falls des­halb un­wirk­sam, weil sie rechts­miss­bräuch­lich im Sin­ne der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ver­ein­bart wur­de.
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  • a. Die Ge­rich­te dürfen sich bei der Be­fris­tungs­kon­trol­le nach § 14 Abs. 1 Tz­B­fG nicht auf die Prüfung des gel­tend ge­mach­ten Sach­grunds der vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gung be­schränken. Sie sind viel­mehr aus uni­ons­recht­li­chen Gründen ver­pflich­tet, al­le Umstände des Ein­zel­falls und da­bei na­ment­lich die Ge­samt­dau­er und die Zahl der mit der­sel­ben Per­son zur Ver­rich­tung der glei­chen Ar­beit ge­schlos­se­nen auf­ein­an­der­fol­gen­den be­fris­te­ten Verträge zu berück­sich­ti­gen, um aus­zu­sch­ließen, dass Ar­beit­ge­ber miss­bräuch­lich auf be­fris­te­te Ar­beits­verträge zurück­grei­fen. Die­se zusätz­li­che Prüfung ist im deut­schen Recht nach den Grundsätzen des in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauchs (§ 242 BGB) vor­zu­neh­men (vgl. BAG 24.09.2014 – 7 AZR 987/12, Rn. 34 ff.; BAG 18. Ju­li 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 37, bei­de zi­tiert nach Ju­ris).
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  • b. Die nach den Grundsätzen des in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauchs vor­zu­neh­men­de Prüfung ver­langt ei­ne Würdi­gung sämt­li­cher Umstände des Ein­zel­falls (vgl. EuGH 26. Ja­nu­ar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40, 43, 51, 55; BAG 18. Ju­li 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 40, BA­GE 142, 308). Von be­son­de­rer Be­deu­tung sind die Ge­samt­dau­er der be­fris­te­ten Verträge so­wie die An­zahl der Ver­trags­verlänge­run­gen (BAG aaO). Bei zu­neh­men­der An­zahl und Dau­er der je­weils be­fris­te­ten Beschäfti­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers kann es ei­ne miss­bräuch­li­che Aus­nut­zung der dem Ar­beit­ge­ber an sich recht­lich eröff­ne­ten Be­fris­tungsmöglich­keit dar­stel­len, wenn er ge­genüber ei­nem be­reits langjährig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer trotz der tatsächlich vor­han­de­nen Möglich­keit ei­ner dau­er­haf­ten Ein­stel­lung im­mer wie­der auf be­fris­te­te Verträge zurück­greift (BAG aaO). Zu berück­sich­ti­gen ist außer­dem die Lauf­zeit der ein­zel­nen be­fris­te­ten Verträge so­wie die Fra­ge, ob und in wel­chem Maße die ver­ein­bar­te Be­fris­tungs­dau­er zeit­lich hin­ter dem zu er­war­ten­den Ver­tre­tungs- oder Beschäfti­gungs­be­darf zurück­bleibt. Wird trotz ei­nes tatsächlich zu er­war­ten­den lan­gen Be­darfs in ra­scher Fol­ge mit dem­sel­ben Ar­beit­neh­mer ei­ne Viel­zahl kurz­fris­ti­ger Ar­beits­verhält­nis­se ver­ein­bart, liegt die Ge­fahr des Ge­stal­tungs­miss­brauchs näher, als wenn die ver­ein­bar­te Be­fris­tungs­dau­er zeit­lich nicht hin­ter dem pro­gnos­ti­zier­ten Ver­tre­tungs­be­darf zurück­bleibt (BAG aaO). Bei der Ge­samtwürdi­gung können da­ne­ben zahl­rei­che wei­te­re Ge­sichts­punk­te ei­ne Rol­le spie­len. Zu den­ken ist da­bei ins­be­son­de­re an bran­chen­spe­zi­fi­sche Be­son­der­hei­ten et­wa bei Sai­son­be­trie­ben.
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  • c. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen er­weist sich die Be­fris­tung des zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses rechts­miss­bräuch­lich.
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Die Kläge­rin war – nach­dem schon zu­vor be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se be­stan­den – seit 2012 bei der Be­klag­ten tätig. Die mit ihr zu­letzt ver­ein­bar­te Ver­trags­lauf­zeit bis zum 31.08.2014 bleibt er­heb­lich hin­ter der vor­aus­sicht­li­chen Dau­er des Be­fris­tungs­grun­des - nämlich des Aus­lau­fen der Fonds En­de 2016 bzw. 2017 – zurück. Es ist da­her frag­lich, ob ei­ne sinn­vol­le dem Sach­grund der Be­fris­tung ent­spre­chen­de Mit­ar­beit des Ar­beit­neh­mers möglich er­scheint.

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Da­bei ist vor­lie­gend zu berück­sich­ti­gen, dass die ers­te Be­fris­tung auf Ba­sis der Beschäfti­gung im Re­fe­rat 403 für die Fonds Heim­er­zie­hung le­dig­lich für ein Jahr er­folg­te und so­dann für ei­ni­ge Mo­na­te verlängert wur­de. Dass sich zu die­sem Zeit­punkt der Beschäfti­gungs­be­darf si­gni­fi­kant verändert hätte, hat die Be­klag­te nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. In­so­fern ist im Er­geb­nis un­klar, war­um nur ei­ne so kur­ze Ver­trags­lauf­zeit ver­ein­bart wur­de, und ei­ne eben­so kur­ze Verlänge­rung, ob­wohl das Pro­jekt zum Zeit­punkt des Aus­laufs der zwei­ten bzw. verlänger­ten Be­fris­tung noch meh­re­re Jah­re lau­fen würde. Ei­ne be­last­ba­re Pro­gno­se ei­nes sich verändern­den Beschäfti­gungs­be­darfs er­gibt sich aus dem Vor­trag der Be­klag­ten nicht. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer führt dies nicht per se zu ei­ner rechts­miss­bräuch­li­chen Be­fris­tung. An­ders als in den vom BAG ent­schie­de­nen Fällen, han­delt es sich hier ge­ra­de nicht um ei­ne Viel­zahl von Be­fris­tun­gen über ei­nen länge­ren Zeit­raum, die ei­nen in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauch in­di­zie­ren.

31

Im vor­lie­gen­den Ein­zel­fall ist al­ler­dings die Mo­ti­va­ti­on der Be­klag­ten zu berück­sich­ti­gen. Der Beschäfti­gungs­be­darf ist wei­ter vor­han­den. Das zeigt sich be­reits dar­an, dass – wie die Kläge­rin un­be­strit­ten vor­ge­tra­gen hat – ne­ben der Verlänge­rung an­de­rer be­fris­te­ter Verträge und der Über­nah­me von Aus­zu­bil­den­den so­wohl be­fris­te­te als auch un­be­fris­te­te Neu­ein­stel­lun­gen vor­ge­nom­men wur­den. Wie sich aus dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 30.05.2014 (An­la­ge K 3, Bl. 6 d. A.) er­gibt, wur­de von ei­ner Verlänge­rung der Be­fris­tung des kläge­ri­schen Ver­trags auf­grund von Leis­tungsmängeln bzw. leis­tungs­be­ding­ten Un­zu­frie­den­hei­ten ab­ge­se­hen. Nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten kann sie dies auch so hand­ha­ben und während ei­nes pro­jekt­be­ding­ten per­so­nel­len Mehr­be­darfs Be­fris­tun­gen be­lie­bi­ger Dau­er ab­schlies­sen und da­durch je­der­zeit ei­nen Per­so­nal­aus­tausch vor­neh­men.

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Das ist nicht der Fall. Die­se Hand­ha­bung der Be­fris­tung ist rechts­miss­bräuch­lich. Die Be­fris­tungs­gründe des Tz­B­fG sind klar de­fi­niert und ha­ben u.a. das Ziel, die Be­leg­schaftsstärke an den kon­kre­ten Beschäfti­gungs­be­darf, der nicht dau­er­haft be­steht, fle­xi­bel an­pas­sen zu können. Maßgeb­lich sind in­des der Beschäfti­gungs­be­darf und die da­mit ein­her­ge­hen­de Pro­gno­se hin­sicht­lich des für die Auf­ga­ben­er­le­di­gung not­wen­di­gen Per­so­nals. Die ge­setz­li­chen Be­fris­tungsmöglich­kei­ten sind nicht da­zu vor­ge­se­hen, dem Ar­beit­ge­ber außer­halb des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes ei­nen Per­so­nal­aus­tausch zu ermögli­chen, der sich an an­de­ren Kri­te­ri­en als de­nen des Tz­B­fG – hier kon­kret am Per­so­nal­be­darf – ori­en­tiert. So­fern das Kündi­gungs­schutz­ge­setz auf ein Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­det, bedürfen Kündi­gun­gen aus leis­tungs­be­ding­ten Gründen ei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung. Die­se ge­setz­li­chen Maßstäbe können nicht da­durch un­ter­lau­fen wer­den, dass Be­fris­tungs­ab­re­den we­gen ei­nes ver­meint­li­chen vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gungs­be­darfs ge­trof­fen wer­den, um un­ter dem Deck­man­tel der Be­fris­tung ei­nen ge­willkürten Per­so­nal­aus­tausch vor­neh­men zu können. Die­se Möglich­keit ist durch die Möglich­keit der Be­fris­tung oh­ne Sach­grund im Tz­B­fG ver­an­kert. Zur „Er­pro­bung“ dient da­ne­ben noch die 6-mo­na­ti­ge War­te­zeit gem. § 1 KSchG.

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Vor die­sem Hin­ter­grund war die Be­klag­te ge­ra­de nicht be­rech­tigt trotz des un­strei­tig fest­ste­hen­den nur vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gungs­be­darfs durch den Ab­schluss deut­lich kürze­rer be­fris­te­ter Verträge ei­nen Per­so­nal­aus­tausch – wie vor­lie­gend aus leis­tungs­be­ding­ten Gründen – vor­zu­neh­men. Sinn ei­ner Pro­jekt­be­fris­tung ist die vorüber­ge­hen­de Ein­stel­lung von Ar­beit­neh­mern für die Dau­er des Pro­jekts und des da­mit ver­bun­de­nen höhe­ren Ar­beits­an­falls. Auch wenn die Dau­er der Be­fris­tun­gen nicht mit der Pro­jekt­lauf­zeit übe­rein­stim­men muss, ist die­se den­noch an die­ser zu ori­en­tie­ren, da dem Ar­beit­ge­ber mit der Be­fris­tung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Tz­B­fG die Möglich­keit ein­geräumt wird, ei­nen per­so­nel­len Mehr­be­darf tem­porär ab­zu­de­cken oh­ne sich dau­er­haft zu bin­den. Die­sem Zweck wird die Be­fris­tung der Kläge­rin nicht ge­recht.

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II.

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Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO. Die Be­klag­te hat als un­ter­lie­gen­de Par­tei die Kos­ten des Rechts­strei­tes zu tra­gen.

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Der Streit­wert war gem. § 61 a ArbGG im Ur­teil fest­zu­set­zen und ent­spricht gem. § 42 Abs. 2 GKG drei Brut­to­mo­nats­gehältern.

37 RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG
38

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der be­klag­ten Par­tei Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den. Für die kla­gen­de Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

39 Die Be­ru­fung muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form beim
40

Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln

41 Blu­ment­hals­traße 33
42 50670 Köln
43 Fax: 0221-7740 356
44 ein­ge­gan­gen sein.
45 Die elek­tro­ni­sche Form wird durch ein qua­li­fi­ziert si­gnier­tes elek­tro­ni­sches Do­ku­ment ge­wahrt, das nach Maßga­be der Ver­ord­nung des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr bei den Ar­beits­ge­rich­ten im Lan­de Nord­rhein-West­fa­len (ERV­VO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der je­weils gel­ten­den Fas­sung in die elek­tro­ni­sche Post­stel­le zu über­mit­teln ist. Nähe­re Hin­wei­se zum elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr fin­den Sie auf der In­ter­net­sei­te www.egvp.de.
46 Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach des­sen Verkündung.
47 Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:
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  • 1. Rechts­anwälte,
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  • 2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
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  • 3. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.
52 Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.
53 * Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

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