HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 04.10.2018, C-12/17

   
Schlagworte: Urlaub: Elternzeit, Elternzeit: Urlaub
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-12/17
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 04.10.2018
   
Leitsätze:

Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, wonach bei der Berechnung der einem Arbeitnehmer durch diesen Artikel gewährleisteten Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub in einem Bezugszeitraum die Dauer eines von dem Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird.

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Große Kam­mer)

4. Ok­to­ber 2018(*)

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung - So­zi­al­po­li­tik - Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - Richt­li­nie 2003/88/EG - An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub - Richt­li­nie 2010/18/EU - Übe­r­ar­bei­te­te Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub - El­tern­ur­laub, der nicht als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­ge­se­hen wird“

In der Rechts­sa­che C‑12/17

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht von der Cur­tea de Apel Cluj (Be­ru­fungs­ge­richts­hof Cluj, Rumänien) mit Ent­schei­dung vom 11. Ok­to­ber 2016, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 10. Ja­nu­ar 2017, in dem Ver­fah­ren

Tri­bu­nalul Bo­toşani,

Mi­nis­te­rul Jus­tiţiei

ge­gen

Ma­ria Di­cu,

Be­tei­lig­te:

Cur­tea de Apel Su­cea­va,

Con­si­li­ul Su­pe­ri­or al Ma­gis­tra­tu­rii,

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Große Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten K. Lena­erts, des Vi­ze­präsi­den­ten A. Tiz­za­no, der Kam­mer­präsi­den­ten M. Ilešič, L. Bay Lar­sen, T. von Dan­witz und E. Le­vits (Be­richt­er­stat­ter), der Rich­ter A. Borg Bart­het, A. Ara­b­ad­jiev und F. Bilt­gen, der Rich­te­rin K. Jürimäe so­wie des Rich­ters C. Ly­cour­gos,

Ge­ne­ral­an­walt: P. Men­goz­zi,

Kanz­ler: R. Șereș, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 15. Ja­nu­ar 2018,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- des Con­si­li­ul Su­pe­ri­or al Ma­gis­tra­tu­rii, ver­tre­ten durch M. Ghena als Be­vollmäch­tig­te,

- der rumäni­schen Re­gie­rung, zunächst ver­tre­ten durch R. H. Ra­du, O.‑C. Ichim, L. Liţu und E. Ga­ne, dann durch C.‑R. Canţăr O.‑C. Ichim, L. Liţu und E. Ga­ne als Be­vollmäch­tig­te,

- der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch D. Klebs und T. Hen­ze als Be­vollmäch­tig­te,

- der est­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch A. Kal­bus als Be­vollmäch­tig­te,

- der spa­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch S. Jiménez García als Be­vollmäch­tig­ten,

- der ita­lie­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. Pal­mie­ri als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von G. De So­cio, av­vo­ca­to del­lo Sta­to,

- der pol­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch B. Ma­jc­zy­na als Be­vollmäch­tig­ten,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch M. van Beek und C. Hödl­mayr als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 20. März 2018

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
2 Es er­geht in ei­nem Rechts­streit zwi­schen dem Tri­bu­nalul Bo­toșani (Land­ge­richt Bo­toșani, Rumänien) und dem Mi­nis­te­rul Jus­tiției (Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um, Rumänien) auf der ei­nen so­wie Ma­ria Di­cu auf der an­de­ren Sei­te we­gen der Be­rech­nung ih­rer Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub für das Jahr 2015.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

Richt­li­nie 2003/88

3 Der sechs­te Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2003/88 lau­tet:

„Hin­sicht­lich der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist den Grundsätzen der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on Rech­nung zu tra­gen; dies be­trifft auch die für Nacht­ar­beit gel­ten­den Grundsätze.“

4 In Art. 1 („Ge­gen­stand und An­wen­dungs­be­reich“) die­ser Richt­li­nie heißt es:

„(1) Die­se Richt­li­nie enthält Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung.

(2) Ge­gen­stand die­ser Richt­li­nie sind

a) … der Min­dest­jah­res­ur­laub …

…“

5

Art. 7 („Jah­res­ur­laub“) die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen nach Maßga­be der Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und die Gewährung erhält, die in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder nach den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten vor­ge­se­hen sind.

(2) Der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub darf außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den.“

6

Art. 15 die­ser Richt­li­nie lau­tet:

„Das Recht der Mit­glied­staa­ten, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen oder die An­wen­dung von für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­ren Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern zu fördern oder zu ge­stat­ten, bleibt un­berührt.“

7

Nach Art. 17 der Richt­li­nie 2003/88 können die Mit­glied­staa­ten von be­stimm­ten Vor­schrif­ten die­ser Richt­li­nie ab­wei­chen. Ei­ne Ab­wei­chung von Art. 7 der Richt­li­nie ist je­doch nicht zulässig.

Richt­li­nie 2010/18/EU

8

Pa­ra­graf 2 Nr. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub vom 18. Ju­ni 2009 (im Fol­gen­den: Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub) im An­hang der Richt­li­nie 2010/18/EU des Ra­tes vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSI­NESS­EU­RO­PE, UE­AP­ME, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen übe­r­ar­bei­te­ten Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub und zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 96/34/EG (ABl. 2010, L 68, S. 13) sieht vor:

„Nach die­ser Ver­ein­ba­rung ha­ben Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer im Fall der Ge­burt oder Ad­op­ti­on ei­nes Kin­des ein in­di­vi­du­el­les Recht auf El­tern­ur­laub …“

9

Pa­ra­graf 2 Nr. 2 die­ser Rah­men­ver­ein­ba­rung lau­tet:

„Der El­tern­ur­laub wird für ei­ne Dau­er von min­des­tens vier Mo­na­ten gewährt und soll­te zur Förde­rung der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en grundsätz­lich nicht über­trag­bar sein. Um ei­ne aus­ge­wo­ge­ne­re In­an­spruch­nah­me des El­tern­ur­laubs durch bei­de El­tern­tei­le zu fördern ist min­des­tens ei­ner der vier Mo­na­te nicht über­trag­bar. Die Mo­da­litäten für den nicht über­trag­ba­ren Teil wer­den auf na­tio­na­ler Ebe­ne ge­setz­lich und/oder ta­rif­ver­trag­lich fest­ge­legt, wo­bei die El­tern­ur­laubs­re­ge­lun­gen, die be­reits in den Mit­glied­staa­ten be­ste­hen, berück­sich­tigt wer­den.“

10

In Pa­ra­graf 5 die­ser Rah­men­ver­ein­ba­rung heißt es:

„1. Im An­schluss an den El­tern­ur­laub hat der Ar­beit­neh­mer das Recht, an sei­nen frühe­ren Ar­beits­platz zurück­zu­keh­ren oder, wenn das nicht möglich ist, ei­ne ent­spre­chend sei­nem Ar­beits­ver­trag oder Beschäfti­gungs­verhält­nis gleich­wer­ti­ge oder ähn­li­che Ar­beit zu­ge­wie­sen zu be­kom­men.

2. Die Rech­te, die der Ar­beit­neh­mer zu Be­ginn des El­tern­ur­laubs er­wor­ben hat­te oder da­bei war zu er­wer­ben, blei­ben bis zum En­de des El­tern­ur­laubs be­ste­hen. Im An­schluss an den El­tern­ur­laub fin­den die­se Rech­te mit den Ände­run­gen An­wen­dung, die sich aus den na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten, Ta­rif­verträgen und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten er­ge­ben.

3. Die Mit­glied­staa­ten und/oder die So­zi­al­part­ner be­stim­men den Sta­tus des Ar­beits­ver­trags oder Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses für den Zeit­raum des El­tern­ur­laubs.

…“

11

Nach Pa­ra­graf 8 Nr. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub können die Mit­glied­staa­ten güns­ti­ge­re Be­stim­mun­gen an­wen­den oder einführen, als sie in die­ser Ver­ein­ba­rung vor­ge­se­hen sind.

Rumäni­sches Recht

12 Art. 10 der Le­gea nr. 53/2003 pri­vind Co­dul mun­cii (Ge­setz Nr. 53/2003 über das Ar­beits­ge­setz­buch) in sei­ner auf den Aus­gangs­rechts­streit an­wend­ba­ren Fas­sung (im Fol­gen­den: Ar­beits­ge­setz­buch) be­stimmt:

„Der In­di­vi­dual­ar­beits­ver­trag ist ein Ver­trag, durch den sich ei­ne natürli­che Per­son, der Ar­beit­neh­mer, ver­pflich­tet, für und un­ter der Wei­sung ei­nes Ar­beit­ge­bers, ei­ner natürli­chen oder ju­ris­ti­schen Per­son, für ei­ne Vergütung ge­nann­te Ge­gen­leis­tung Ar­beit zu leis­ten.“

13 Art. 49 Abs. 1, 2 und 3 des Ar­beits­ge­setz­buchs be­stimmt:

„(1) Der In­di­vi­dual­ar­beits­ver­trag kann von Rechts we­gen, im Ein­ver­neh­men der Par­tei­en oder durch ein­sei­ti­ges Rechts­geschäft ei­ner der Par­tei­en aus­ge­setzt wer­den.

(2) Die Aus­set­zung des In­di­vi­dual­ar­beits­ver­trags führt zur Aus­set­zung der Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung durch den Ar­beit­neh­mer und zur Aus­set­zung der Vergütungs­zah­lun­gen durch den Ar­beit­ge­ber.

(3) An­de­re Rech­te und Pflich­ten der Par­tei­en als die in Abs. 2 ge­nann­ten können für die Dau­er der Aus­set­zung fort­be­ste­hen, wenn sie in spe­zi­el­len Ge­set­zen, im an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag, in In­di­vi­dual­ar­beits­verträgen oder in Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen vor­ge­se­hen sind.“

14 Art. 51 Abs. 1 Buchst. a des Ar­beits­ge­setz­buchs be­stimmt:

„(1) Der In­di­vi­dual­ar­beits­ver­trag kann in fol­gen­den Fällen auf Initia­ti­ve des Ar­beit­neh­mers aus­ge­setzt wer­den:

a) El­tern­ur­laub für ein Kind im Al­ter von un­ter zwei Jah­ren …“

15 Art. 145 Abs. 4 bis 6 des Ar­beits­ge­setz­buchs lau­tet:

„(4) Bei der Fest­set­zung der Dau­er des Jah­res­ur­laubs wer­den Zei­ten vorüber­ge­hen­der Ar­beits­unfähig­keit, des Mut­ter­schafts­ur­laubs, des Ur­laubs we­gen be­son­de­rer Ri­si­ken während Schwan­ger­schaft und Still­zeit so­wie des Ur­laubs zur Pfle­ge ei­nes kran­ken Kin­des als Zeiträume tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­ge­se­hen.

(5) Fällt die vorüber­ge­hen­de Ar­beits­unfähig­keit, der Mut­ter­schafts­ur­laub, der Ur­laub we­gen be­son­de­rer Ri­si­ken während Schwan­ger­schaft und Still­zeit oder der Ur­laub zur Pfle­ge ei­nes kran­ken Kin­des in die Zeit ei­nes Jah­res­ur­laubs, wird die­ser un­ter­bro­chen und der Ar­beit­neh­mer nimmt die rest­li­chen Ur­laubs­ta­ge in An­spruch, wenn die [Si­tua­ti­on, die zur Un­ter­bre­chung geführt hat,] be­en­det ist; ist dies nicht möglich, wird für die nicht in An­spruch ge­nom­me­nen Ta­ge ein neu­er Ter­min fest­ge­legt.

(6) Der Ar­beit­neh­mer hat auch dann An­spruch auf Jah­res­ur­laub, wenn die vorüber­ge­hen­de Ar­beits­unfähig­keit un­ter den ge­setz­li­chen Be­din­gun­gen ein gan­zes Ka­len­der­jahr an­dau­ert; der Ar­beit­ge­ber ist dann ver­pflich­tet, den Jah­res­ur­laub in­ner­halb von 18 Mo­na­ten ab dem Jahr zu gewähren, das auf das Jahr folgt, in dem sich der Ar­beit­neh­mer im Krank­heits­ur­laub be­fun­den hat.“

16 Art. 2 Abs. 1 und 2 der Hotărârea Con­si­li­ului Su­pe­ri­or al Ma­gis­tra­tu­rii nr. 325/2005 pen­tru apro­barea Re­gu­la­men­tu­lui pri­vind con­ce­dii­le ju­decăto­rilor și pro­cu­ro­rilor (Ent­schei­dung des Obers­ten Rich­ter­rats Nr. 325/2005 zur Ge­neh­mi­gung der Ur­laubs­ord­nung für Rich­ter und Staats­anwälte) sieht vor:

„(1) Rich­ter und Staats­anwälte ha­ben jähr­lich An­spruch auf 35 Ar­beits­ta­ge be­zahl­ten Jah­res­ur­laub. Auf die­sen An­spruch kann nicht ver­zich­tet wer­den, und er kann nicht be­schränkt wer­den.

(2) Die Dau­er des in der [Ur­laubs­ord­nung für Rich­ter und Staats­anwälte] vor­ge­se­he­nen Jah­res­ur­laubs ist an die in ei­nem Ka­len­der­jahr ge­leis­te­te Ar­beit ge­bun­den. Bei der Fest­set­zung der Dau­er des Jah­res­ur­laubs wer­den Zei­ten vorüber­ge­hen­der Ar­beits­unfähig­keit, des Mut­ter­schafts­ur­laubs, des Ur­laubs we­gen be­son­de­rer Ri­si­ken während Schwan­ger­schaft und Still­zeit so­wie des Ur­laubs zur Pfle­ge ei­nes kran­ken Kin­des als Zeiträume tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­ge­se­hen.“

Aus­gangs­rechts­streit und Vor­la­ge­fra­ge

17

Frau Di­cu ist Rich­te­rin am Tri­bu­nalul Bo­toșani (Land­ge­richt Bo­toșani). Im Jahr 2014 nahm sie zunächst vollständig ih­ren be­zahl­ten Jah­res­ur­laub und da­nach, vom 1. Ok­to­ber 2014 bis zum 3. Fe­bru­ar 2015, Mut­ter­schafts­ur­laub. An­sch­ließend wur­de ihr vom 4. Fe­bru­ar 2015 bis zum 16. Sep­tem­ber 2015 El­tern­ur­laub gewährt; während die­ses Zeit­raums war ihr Ar­beits­verhält­nis aus­ge­setzt. Sch­ließlich nahm sie vom 17. Sep­tem­ber bis zum 17. Ok­to­ber 2015 30 Ta­ge be­zahl­ten Jah­res­ur­laub.

18

Auf der Grund­la­ge des rumäni­schen Rechts, das ei­nen An­spruch auf 35 Ta­ge be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor­sieht, be­an­trag­te Frau Di­cu beim Ge­richt ih­rer Ver­wen­dung, ihr den Rest­an­spruch von fünf Ta­gen be­zahl­tem Jah­res­ur­laub für 2015, den sie an den Ar­beits­ta­gen zwi­schen den Fei­er­ta­gen am Jah­res­en­de neh­men woll­te, zu gewähren.

19 Das Tri­bu­nalul Bo­toșani (Land­ge­richt Bo­toșani) lehn­te die­sen An­trag ab, da nach rumäni­schem Recht die Dau­er des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs an die Zeit tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung in­ner­halb des lau­fen­den Jah­res ge­bun­den sei und die Dau­er des El­tern­ur­laubs, der ihr 2015 gewährt wor­den sei, bei der Be­rech­nung der Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­zu­se­hen sei. Das Tri­bu­nalul Bo­toșani (Land­ge­richt Bo­toșani) war außer­dem der Auf­fas­sung, dass der Frau Di­cu für 2015 gewähr­te be­zahl­te Jah­res­ur­laub vom 17. Sep­tem­ber bis zum 17. Ok­to­ber 2015 be­reits sie­ben Ta­ge des Ur­laubs für 2016 ent­hal­ten ha­be.
20 Frau Di­cu er­hob beim Tri­bu­nalul Cluj (Land­ge­richt Cluj, Rumänien) ge­gen das Tri­bu­nalul Bo­toșani (Land­ge­richt Bo­toșani), die Cur­tea de Apel Su­cea­va (Be­ru­fungs­ge­richts­hof Su­cea­va, Rumänien), das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um so­wie den Con­si­li­ul Su­pe­ri­or al Ma­gis­tra­tu­rii (Obers­ter Rat der Rich­ter und Staats­anwälte, Rumänien) Kla­ge mit dem Ziel, fest­stel­len zu las­sen, dass bei der Be­rech­nung ih­rer Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub für 2015 die Dau­er ih­res El­tern­ur­laubs als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­zu­se­hen sei.
21 Mit Ur­teil vom 17. Mai 2016 gab das Tri­bu­nalul Cluj (Land­ge­richt Cluj) der Kla­ge von Frau Di­cu statt. Das Tri­bu­nalul Bo­toșani (Land­ge­richt Bo­toșani) und das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um leg­ten ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung beim vor­le­gen­den Ge­richt ein.
22 Vor die­sem Hin­ter­grund hat die Cur­tea de Apel Cluj (Be­ru­fungs­ge­richts­hof Cluj, Rumänien) das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

Steht Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ei­ner Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts ent­ge­gen, nach der bei der Fest­set­zung der Dau­er des Jah­res­ur­laubs die Zeit, in der sich der Ar­beit­neh­mer im El­tern­ur­laub für ein Kind im Al­ter von un­ter zwei Jah­ren be­fun­den hat, nicht als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung berück­sich­tigt wird?

Zur Vor­la­ge­fra­ge

23 Mit sei­ner Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, wo­nach bei der Be­rech­nung der ei­nem Ar­beit­neh­mer durch die­sen Ar­ti­kel gewähr­leis­te­ten Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub in ei­nem Be­zugs­zeit­raum die Dau­er des von dem Ar­beit­neh­mer in die­sem Zeit­raum ge­nom­me­nen El­tern­ur­laubs nicht als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­ge­se­hen wird.
24 Wie sich be­reits aus dem Wort­laut von Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 er­gibt, hat je­der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen, der nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs als ein be­son­ders be­deut­sa­mer Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on an­zu­se­hen ist (Ur­teil vom 20. Ju­li 2016, Ma­schek, C‑341/15, EU:C:2016:576, Rn. 25 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
25 Die­ser je­dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­de An­spruch ist in Art. 31 Abs. 2 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che recht­li­che Rang wie den Verträgen zu­er­kannt wird, aus­drück­lich ver­an­kert (Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914, Rn. 33 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
26 Zwar dürfen die Mit­glied­staa­ten nicht be­reits die Ent­ste­hung des sich un­mit­tel­bar aus der Richt­li­nie 2003/88 er­ge­ben­den An­spruchs auf ei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub von ir­gend­ei­ner Vor­aus­set­zung abhängig ma­chen (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 26. Ju­ni 2001, BEC­TU, C‑173/99, EU:C:2001:356, Rn. 53, vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 28, und vom 29. No­vem­ber 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914, Rn. 34); die vor­lie­gen­de Rechts­sa­che be­trifft je­doch die Fra­ge, ob bei der Be­rech­nung der Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ein Zeit­raum des El­tern­ur­laubs ei­nem Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung gleich­zu­stel­len ist.
27 In­so­weit ist auf den Zweck des in Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 je­dem Ar­beit­neh­mer gewähr­leis­te­ten An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hin­zu­wei­sen, der dar­in be­steht, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zum ei­nen von der Ausübung der ihm nach sei­nem Ar­beits­ver­trag ob­lie­gen­den Auf­ga­ben zu er­ho­len und zum an­de­ren über ei­nen Zeit­raum der Ent­span­nung und Frei­zeit zu verfügen (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 25, vom 22. No­vem­ber 2011, KHS, C‑214/10, EU:C:2011:761, Rn. 31, und vom 30. Ju­ni 2016, Sobc­zy­szyn, C‑178/15, EU:C:2016:502, Rn. 25).
28 Die­ser Zweck, durch den sich der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub von an­de­ren Ar­ten des Ur­laubs mit an­de­ren Zwe­cken un­ter­schei­det, be­ruht auf der Prämis­se, dass der Ar­beit­neh­mer im Lau­fe des Be­zugs­zeit­raums tatsächlich ge­ar­bei­tet hat. Das Ziel, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zu er­ho­len, setzt nämlich vor­aus, dass die­ser Ar­beit­neh­mer ei­ne Tätig­keit aus­geübt hat, die es zu dem in der Richt­li­nie 2003/88 vor­ge­se­he­nen Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit recht­fer­tigt, dass er über ei­nen Zeit­raum der Er­ho­lung, der Ent­span­nung und der Frei­zeit verfügt. Da­her sind die Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub grundsätz­lich an­hand der auf der Grund­la­ge des Ar­beits­ver­trags tatsächlich ge­leis­te­ten Ar­beits­zeiträume zu be­rech­nen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 11. No­vem­ber 2015, Green­field, C‑219/14, EU:C:2015:745‚ Rn. 29).
29 Nach ständi­ger Recht­spre­chung kann zwar ein Mit­glied­staat in be­stimm­ten Fällen, in de­nen ein Ar­beit­neh­mer nicht in der La­ge ist, sei­ne Auf­ga­ben zu erfüllen, z. B. weil er we­gen ei­ner ord­nungs­gemäß be­leg­ten Krank­heit fehlt, den An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht von der Vor­aus­set­zung abhängig ma­chen, dass der Ar­beit­neh­mer tatsächlich ge­ar­bei­tet hat (vgl. u. a. Ur­teil vom 24. Ja­nu­ar 2012, Do­m­in­guez, C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 20 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung). In Be­zug auf den An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub sind Ar­beit­neh­mer, die we­gen ei­ner Krank­schrei­bung während des Be­zugs­zeit­raums der Ar­beit fern­ge­blie­ben sind, und sol­che, die während die­ses Zeit­raums tatsächlich ge­ar­bei­tet ha­ben, so­mit gleich­ge­stellt (vgl. u. a. Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 40).
30 Dies gilt auch für Ar­beit­neh­me­rin­nen, die we­gen Mut­ter­schafts­ur­laubs ih­re Auf­ga­ben im Rah­men ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se nicht erfüllen können und de­ren Rech­te auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub im Fall die­ses Mut­ter­schafts­ur­laubs gewähr­leis­tet sein müssen und zu ei­ner an­de­ren Zeit als der ih­res Mut­ter­schafts­ur­laubs in An­spruch ge­nom­men wer­den können müssen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 18. März 2004, Me­ri­no Gómez, C‑342/01, EU:C:2004:160‚ Rn. 34, 35 und 38).
31 Die in den bei­den vor­ste­hen­den Rand­num­mern an­geführ­te Recht­spre­chung kann je­doch auf den Fall ei­nes Ar­beit­neh­mers, dem wie Frau Di­cu während des Be­zugs­zeit­raums El­tern­ur­laub gewährt wur­de, nicht sinn­gemäß an­ge­wandt wer­den.
32 Ers­tens ist nämlich das Ein­tre­ten ei­ner krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit grundsätz­lich nicht vor­her­seh­bar (Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 51) und vom Wil­len des Ar­beit­neh­mers un­abhängig (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914‚ Rn. 49). Wie der Ge­richts­hof be­reits in Rn. 38 des Ur­teils vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a. (C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18), aus­geführt hat, wer­den in Art. 5 Abs. 4 des Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on vom 24. Ju­ni 1970 über den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub (Neu­fas­sung), des­sen Grundsätze nach dem sechs­ten Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2003/88 bei de­ren Aus­le­gung be­ach­tet wer­den müssen, Fehl­zei­ten in­fol­ge ei­ner Krank­heit den Ar­beits­versäum­nis­sen „aus Gründen, die un­abhängig vom Wil­len des be­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mers be­ste­hen“, zu­ge­ord­net, die „als Dienst­zeit an­zu­rech­nen“ sind. Dem­ge­genüber ist die In­an­spruch­nah­me des El­tern­ur­laubs nicht un­vor­her­seh­bar und folgt in den meis­ten Fällen aus dem Wunsch des Ar­beit­neh­mers, sich um sein Kind zu kümmern (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 20. Sep­tem­ber 2007, Ki­iski, C‑116/06, EU:C:2007:536‚ Rn. 35).
33 Da zwei­tens der Ar­beit­neh­mer im El­tern­ur­laub un­ter kei­nen durch ei­ne Er­kran­kung her­vor­ge­ru­fe­nen phy­si­schen oder psy­chi­schen Be­schwer­den lei­det, be­fin­det er sich in ei­ner an­de­ren La­ge, als wenn er auf­grund sei­nes Ge­sund­heits­zu­stands ar­beits­unfähig wäre (vgl. ent­spre­chend Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012, Hei­mann und Tolt­schin, C‑229/11 und C‑230/11, EU:C:2012:693, Rn. 29).
34 Die Si­tua­ti­on des Ar­beit­neh­mers im El­tern­ur­laub un­ter­schei­det sich glei­cher­maßen von der der Ar­beit­neh­me­rin, die ihr Recht auf Mut­ter­schafts­ur­laub in An­spruch nimmt. Der Mut­ter­schafts­ur­laub soll nämlich zum ei­nen dem Schutz der körper­li­chen Ver­fas­sung der Frau während und nach ih­rer Schwan­ger­schaft und zum an­de­ren dem Schutz der be­son­de­ren Be­zie­hung zwi­schen der Mut­ter und ih­rem Kind während der an Schwan­ger­schaft und Ent­bin­dung an­sch­ließen­den Zeit die­nen, da­mit die­se Be­zie­hung nicht durch die Dop­pel­be­las­tung in­fol­ge der gleich­zei­ti­gen Ausübung ei­nes Be­rufs gestört wird (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 18. März 2004, Me­ri­no Gómez, C‑342/01, EU:C:2004:160, Rn. 32, und vom 20. Sep­tem­ber 2007, Ki­iski, C‑116/06, EU:C:2007:536‚ Rn. 46).
35 Drit­tens bleibt zwar der Ar­beit­neh­mer im El­tern­ur­laub während die­ses Ur­laubs ein Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Uni­ons­rechts (Ur­teil vom 20. Sep­tem­ber 2007, Ki­iski, C‑116/06, EU:C:2007:536‚ Rn. 32). Dies ändert aber nichts dar­an, dass dann, wenn wie im vor­lie­gen­den Fall sein Ar­beits­verhält­nis auf­grund des na­tio­na­len Rechts aus­ge­setzt wor­den ist, wie dies nach Pa­ra­graf 5 Nr. 3 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub zulässig ist, auch die ge­gen­sei­ti­gen Leis­tungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers und des Ar­beit­neh­mers, ins­be­son­de­re die Pflicht des Ar­beit­neh­mers, die ihm im Rah­men die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses ob­lie­gen­den Auf­ga­ben zu erfüllen, ent­spre­chend sus­pen­diert sind (vgl. ent­spre­chend Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012, Hei­mann und Tolt­schin, C‑229/11 und C‑230/11, EU:C:2012:693, Rn. 28).
36 Folg­lich kann in ei­nem Fall wie dem des Aus­gangs­ver­fah­rens der Zeit­raum des El­tern­ur­laubs, der dem be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer während des Be­zugs­zeit­raums gewährt wur­de, bei der Be­rech­nung sei­ner Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ei­nem Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung nicht gleich­ge­stellt wer­den.
37 Fer­ner kann zwar nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ein uni­ons­recht­lich gewähr­leis­te­ter Ur­laub nicht das Recht be­ein­träch­ti­gen, ei­nen an­de­ren uni­ons­recht­lich gewähr­leis­te­ten Ur­laub zu neh­men, der ei­nen an­de­ren Zweck als der erst­ge­nann­te ver­folgt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 26 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung). Aus die­ser im Zu­sam­men­hang mit Fällen der Über­schnei­dung oder des Zu­sam­men­fal­lens der Zeiträume die­ser bei­den Ur­lau­be ent­wi­ckel­ten Recht­spre­chung lässt sich je­doch nicht her­lei­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ver­pflich­tet sind, bei der Be­rech­nung der Ansprüche ei­nes Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß der Richt­li­nie 2003/88 ei­nen ihm während des Be­zugs­zeit­raums gewähr­ten Zeit­raum des El­tern­ur­laubs als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­zu­se­hen.
38 Nach al­le­dem ist auf die vor­ge­leg­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, wo­nach bei der Be­rech­nung der ei­nem Ar­beit­neh­mer durch die­sen Ar­ti­kel gewähr­leis­te­ten Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub in ei­nem Be­zugs­zeit­raum die Dau­er ei­nes von dem Ar­beit­neh­mer in die­sem Zeit­raum ge­nom­me­nen El­tern­ur­laubs nicht als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­ge­se­hen wird.

Kos­ten

39 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Große Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art.7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, wo­nach bei der Be­rech­nung der ei­nem Ar­beit­neh­mer durch die­sen Ar­ti­kel gewähr­leis­te­ten Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub in ei­nem Be­zugs­zeit­raum die Dau­er ei­nes von dem Ar­beit­neh­mer in die­sem Zeit­raum ge­nom­me­nen El­tern­ur­laubs nicht als Zeit­raum tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung an­ge­se­hen wird.

Un­ter­schrif­ten 

 

(*) Ver­fah­rens­spra­che: Rumänisch

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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