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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 15.11.2007, 5 Sa 1816/06

   
Schlagworte: Gleichbehandlung, Betriebsrat: Mitbestimmungsrecht, Lohn
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 Sa 1816/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.11.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Darmstadt
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hes­sen
Urt. v. 15.11.2007, Az.: 5 Sa 1816/06

 

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Darm­stadt vom 18. Ju­li 2006 – 4 Ca 47/07 – ab­geändert.

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits hat der Kläger zu tra­gen. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand:

Der Kläger macht Lohn­ansprüche gel­tend und stützt sich da­bei auf den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz.

Die Be­klag­te ist Teil ei­ner welt­weit täti­gen Lo­gis­tik- und Pa­ket­dienst­leis­tungs­grup­pe und beschäftigt in Deutsch­land in zahl­rei­chen Nie­der­las­sun­gen ins­ge­samt ca. 15.000 Ar­beit­neh­mer. Der Kläger ist im Be­trieb A der Be­klag­ten als Zu­stel­ler mit ei­nem St­un­den­lohn beschäftigt, der im Jahr 2005 € 14,75 be­trug. Zum 01.09.2005 erhöhte die Be­klag­te frei­wil­lig die Vergütung al­ler ih­rer Mit­ar­bei­ter um 2,1%. Aus­ge­nom­men hier­von wa­ren le­dig­lich die Be­trie­be in B, C, D, E, F und G, für die ein an­de­rer Erhöhungs­satz an­ge­wandt wur­de und der Be­trieb in A, für des­sen Mit­ar­bei­ter kei­ner­lei Ge­halts­erhöhung er­folg­te. Die Mit­ar­bei­ter die­ses Be­trie­bes sind nach den mit ih­nen ver­ein­bar­ten Ar­beits­verträgen auf An­ord­nung der Be­klag­ten in­ner­halb der ge­setz­li­chen Höchst­gren­zen zur Leis­tung von Über­stun­den ver­pflich­tet. Für den Be­trieb des Klägers in A galt ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 16. April 1997, der­zu­fol­ge der Be­triebs­rat der Verlänge­rung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit bis zu 5 St­un­den je Voll­zeit­mit­ar­bei­ter zu­ge­stimmt hat­te, so­fern der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer in je­dem Ein­zel­fall hier­mit ein­ver­stan­den ist. Nach Kündi­gung die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung sei­tens des Be­triebs­rats galt ei­ne in­halts­glei­che Re­ge­lung auf­grund ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs vom 18.11.2005 wei­ter. We­gen der Ein­zel­hei­ten die­ser Re­ge­lun­gen ins­ge­samt wird ergänzend auf Bl. 31 - 40 d. A. Be­zug ge­nom­men. Der Be­trieb in A ist der ein­zi­ge der Be­klag­ten im Ta­rif­ge­biet Hes­sen, in dem Mehr­ar­beit in­so­weit nicht ein­sei­tig an­ge­ord­net wer­den kann.

Der Kläger hat ge­meint, auch ihm ste­he aus dem Ge­sichts­punkt der Gleich­be­hand­lung zum 01.09.2005 die Loh­nerhöhung um 2,1% zu. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz sei nämlich un­ter­neh­mens­weit an­zu­wen­den. Die Her­aus­nah­me des Be­triebs der Be­klag­ten in A wi­der­spre­che dem.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger € 181,77 brut­to nebst 5 Pro­zent­punk­te Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz der EZB aus € 17,36 seit dem 01. Ok­to­ber 2005, aus € 23,93 seit dem 01. No­vem­ber 2005, aus € 91,70 seit dem 01. De­zem­ber 2005 und aus € 48,88 seit dem 01. Ja­nu­ar 2006 zu zah­len;

so­wie

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger ab 01. Fe­bru­ar 2006 ei­nen um 2,1% erhöhten St­un­den­lohn in Höhe von € 15,06 brut­to zu zah­len.

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Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz le­dig­lich be­triebs­be­zo­gen für an­wend­bar ge­hal­ten. Im Übri­gen lägen bezüglich des Be­triebs in A Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­ma­le vor, die sei­ne Her­aus­nah­me aus der 2,1%igen Ge­halts­erhöhung recht­fer­tig­ten. Der beim Be­triebs­zweck der Be­klag­ten er­for­der­li­che fle­xi­ble Per­so­nal­ein­satz an­ge­sichts auf­trags­be­ding­ter Vo­lu­men­schwan­kun­gen wer­de nämlich durch das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis der Mit­ar­bei­ter für Mehr­ar­beit er­heb­lich ein­ge­schränkt. Außer­dem sei­en die in der Nie­der­las­sung A an­fal­len­den Kos­ten pro beförder­tes Pa­ket bun­des­weit die höchs­ten. Nur die Nie­der­las­sung H, die aus or­ga­ni­sa­to­ri­schen Gründen nicht ver­gleich­bar sei, ha­be noch höhe­re Kos­ten. We­gen der Zah­len im Ein­zel­nen wird ergänzend auf Bl. 6 - 8 des Be­klag­ten­schrift­sat­zes vom 15.05.2006 (Bl. 21 - 23 d. A.) Be­zug ge­nom­men. An­ge­sichts die­ser durch die Ab­tei­lung "In­dus­tri­al En­gi­nee­ring" er­mit­tel­ten Zah­len ge­he der Hin­weis des Klägers auf ei­nen Ar­ti­kel in der Mit­ar­bei­ter­zei­tung "Das Päck­chen" (Bl. 54 d. A.) fehl, wenn dort die Nie­der­las­sung A ("Wies­ba­den") un­ter Kos­ten­ge­sichts­punk­ten auf Rang 7 ge­nannt sei. Die Be­klag­te hat ge­meint, die Her­aus­nah­me des Be­triebs in A aus der all­ge­mei­nen Loh­nerhöhung sei aus den bei­den ge­nann­ten Gründen ge­recht­fer­tigt, da "die ob­jek­ti­ven Wirt­schaft­lich­keits­zah­len und der da­mit ver­bun­de­ne Bei­trag zum Er­folg des Ge­samt­un­ter­neh­mens" das ent­schei­den­de Mo­tiv bei der Gewährung der über­ta­rif­li­chen Zu­la­ge ge­we­sen sei­en.

Mit am 18. Ju­li 2006 verkünde­tem Ur­teil hat das Ar­beits­ge­richt Darm­stadt – 4 Ca 47/06 – der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, der all­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­grund­satz sei un­ter­neh­mens­be­zo­gen an­zu­wen­den. Das von der Be­klag­ten an­ge­wand­te Un­ter­schei­dungs­kri­te­ri­um der Be­triebs­ver­ein­ba­rung mit ih­rem Zu­stim­mungs­er­for­der­nis sei­tens der ein­zel­nen be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer für Mehr­ar­beit sei sach­fremd. Die Wahr­neh­mung des ent­spre­chen­den Mit­be­stim­mungs­rechts könne nie­mals ein sach­li­cher Grund für ei­ne Schlech­ter­stel­lung sein. Auch das vor­ge­tra­ge­ne Kos­ten­ar­gu­ment sei kein Grund für die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung. Die­se Kos­ten sei­en nämlich nicht zwin­gend auf die Leis­tungs­be­reit­schaft und Leis­tungsfähig­keit der Mit­ar­bei­ter der Nie­der­las­sung zurück­zuführen. We­gen der vollständi­gen Ent­schei­dungs­gründe wird auf die S. 4 - 7 des Ur­teils (Bl. 74 - 77 d. A.) ergänzend Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses der Be­klag­ten am 04.10.2006 zu­ge­stell­te Ur­teil hat sie am 23.10.2006 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­ses Rechts­mit­tel nach recht­zei­ti­ger Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 04.01.2007 auch am 04.01.2007 be­gründet. Sie meint, der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz sei als An­spruchs­grund­la­ge be­triebs­be­zo­gen ent­stan­den. Ar­ti­kel 3 GG vermöge kein er­wei­tern­des sub­jek­ti­ves Recht zu be­gründen, son­dern le­dig­lich als Schutz­recht Wir­kung zu ent­fal­ten. Die­se könne je­doch nicht wei­ter rei­chen als das zu schützen­de Recht. Ein be­triebsüberg­rei­fen­der Un­ter­neh­mens­be­zug des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes las­se sich da­her mit Art. 3 GG nicht be­gründen. Selbst wenn man aber an­de­rer Auf­fas­sung sein woll­te, feh­le es für die An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes an ei­nem ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip, nach dem die frei­wil­li­ge Leis­tung ver­teilt wur­de. Die Be­klag­te ha­be nämlich rein be­triebs­be­zo­gen für je­den ein­zel­nen Be­trieb ent­schie­den, ob ei­ne Loh­nerhöhung gewährt wer­den sol­le. Le­dig­lich aus Ver­ein­fa­chungs­gründen sei dann der Satz von 2,1% gewählt wor­den. Bei ei­ner Ver­gleichs­grup­pen­bil­dung müsse auch das un­ter­schied­li­che Markt­um­feld berück­sich­tigt wer­den, ins­be­son­de­re das Lohn­ni­veau des je­wei­li­gen Ta­rif­ge­biets, das sich je Bun­des­land un­ter­schei­de. Auch wenn man aber ein ge­ne­ra­li­sie­ren­des Prin­zip bei der Ver­tei­lung der frei­wil­li­gen Loh­nerhöhung un­ter­stel­le, so recht­fer­tig­ten zwei sach­li­che Gründe die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung. Zum ei­nen gel­te für die Mit­ar­bei­ter in A ein nied­ri­ge­res An­for­de­rungs­pro­fil, da sie un­strei­tig als ein­zi­ge im Ta­rif­ge­biet Hes­sen nicht ver­pflich­tet sei­en, oh­ne ih­re Zu­stim­mung wöchent­lich Mehr­ar­beit bis zu 5 St­un­den zu leis­ten. Ab­ver­lang­te Fle­xi­bi­lität ha­be das Bun­des­ar­beits­ge­richt als Grund für den Aus­schluss von Leis­tun­gen an­er­kannt ( Ur­teil vom 18.09.2007 – 3 AZR 639/06 – Pres­se­mit­tei­lung des BAG Nr. 65/07) . Zum an­de­ren lägen die auf­ge­wand­ten Kos­ten pro Pa­ket in der Nie­der­las­sung A bun­des­weit – mit Aus­nah­me des nicht ver­gleich­ba­ren H – am höchs­ten. Sch­ließlich lägen auch die an die Mit­ar­bei­ter in A ge­leis­te­ten ef­fek­ti­ven Löhne deut­lich über de­nen an­de­rer Nie­der­las­sun­gen in Hes­sen. We­gen der Zah­len im Ein­zel­nen wird ergänzend auf Bl. 4 - 6 der Be­ru­fungs­be­gründung vom 04.01.2007 (Bl. 92 - 94 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

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Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Darm­stadt vom 18. Ju­li 2006 – Az. 4 Ca 47/06 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tritt un­ter Be­ru­fung auf das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 17.11.1998 und die herr­schen­de Mei­nung die Auf­fas­sung, der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz sei un­ter­neh­mens­weit an­zu­wen­den. So sei die Be­klag­te auch tatsächlich vor­ge­gan­gen, in­dem sie bei der Lohn­an­pas­sung nicht zwi­schen den Mit­ar­bei­tern der Nie­der­las­sung A un­ter­schie­den ha­be, son­dern zwi­schen den ein­zel­nen Nie­der­las­sun­gen des Un­ter­neh­mens. Auch auf die Ta­rif­ge­bie­te ha­be die Be­klag­te of­fen­bar nicht ab­ge­stellt, da sie bun­des­weit in der Re­gel ei­ne Erhöhung von 2,1% vor­ge­nom­men ha­be. An­ge­sichts des­sen be­ste­he auch ei­ne tatsächli­che Ver­mu­tung dafür, dass es sich bei der vor­ge­nom­me­nen Loh­nerhöhung um ei­nen Kauf­kraft­ver­lust­aus­gleich ha­be han­deln sol­len. Der aber müsse auch den Mit­ar­bei­tern des Be­triebs A ge­leis­tet wer­den. Dar­aus er­ge­be sich auch, dass der Be­klag­ten die Dar­le­gungs- und Be­weis­last hin­sicht­lich des Zwecks der Leis­tung und der Be­stim­mung der Aus­nah­me­tat­bestände ob­lie­ge. Dies bestäti­ge auch die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Aus­kunfts­an­spruch nicht begüns­tig­ter Beschäftig­ter. Sch­ließlich ist der Kläger der Auf­fas­sung, dass die in A gel­ten­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Ar­beits­zeit nichts über sei­ne Leis­tungs­be­reit­schaft aus­sa­ge.

We­gen des vollständi­gen Vor­trags der Par­tei­en im Be­ru­fungs­rechts­zug wird ergänzend auf die
Be­ru­fungs­be­gründung (Bl. 89 - 114 d. A.), den Be­klag­ten­schrift­satz vom 20.06.2007 (Bl. 144 - 150
d. A.) so­wie schließlich die Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung (Bl. 131 - 136 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung der Be­klag­ten ist be­gründet.

Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf ei­ne Vergütungs­erhöhung um 2,1% zum 01.01.2005 aus dem
Ge­sichts­punkt des all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes.

1.

Nach ständi­ger und von der Kam­mer be­folg­ter zu­tref­fen­der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist der all­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­grund­satz auch in­so­weit an­zu­wen­den, als es sich um frei­wil­li­ge Loh­nerhöhun­gen han­delt (z. B.: Ur­teil vom 15.11.1994 – 5 AZR 682/93 – BB 1995, S. 409 f.) . Nach die­ser Recht­spre­chung ge­bie­tet es der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz dem Ar­beit­ge­ber, sei­ne Ar­beit­neh­mer oder Grup­pen von Ar­beit­neh­mern, die sich in ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, bei der An­wen­dung ei­ner selbst ge­ge­be­nen Re­gel gleich zu be­han­deln. Gewährt der Ar­beit­ge­ber nach er­kenn­bar ge­ne­ra­li­sie­ren­dem Maßstab oder Prin­zip Leis­tun­gen, so muss er die Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen so ab­gren­zen, dass kei­ne Ar­beit­neh­mer hier­von aus sach­frem­den oder willkürli­chen Gründen aus­ge­schlos­sen sind. Dies wäre der Fall, wenn kei­ne bil­li­gens­wer­ten, d.h. auf vernünf­ti­gen Erwägun­gen be­ru­hen­de und nicht ge­gen über­ge­ord­ne­te Wer­tungs­ent­schei­dun­gen ver­s­toßen­de Über­le­gun­gen zu­grun­de lägen ( BAG, Ur­tei­le vom 21.06.2000 – 5 AZR 806/98 – DB 2000, S. 1921 f.; 21.05.2003 – 10 AZR 524/02 – NZA 2003, S. 1274 ff.) .

2.

Bei An­wen­dung die­ser Grundsätze lässt sich der vom Kläger gel­tend ge­mach­te An­spruch nicht her­lei­ten. Dies gilt auch dann, wenn man zu­guns­ten des Klägers die un­ter­neh­mens­wei­te Gel­tung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes an­nimmt (so wohl die in­zwi­schen herr­schen­de Mei­nung:

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HWK-Thüsing, 2. Aufl. 2006, m. w. N.; BAG, Ur­teil vom 17.11.1998 – 1 AZR 147/98 – AP Nr. 162 zu § 242 BGB Gleich­be­hand­lung) .

a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten schei­tert al­ler­dings die An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes nicht be­reits dar­an, dass sie ih­rer frei­wil­li­gen Zah­lung zum 01.09.2005 kei­nen ge­ne­ra­li­sie­ren­den Maßstab oder ein be­stimm­tes Prin­zip zu­grun­de ge­legt hätte.

Ih­rem ei­ge­nen Vor­trag zu­fol­ge (S. 11 des Schrift­sat­zes vom 15.05.2006, Bl. 26 d. A.) war das ent­schei­den­de Mo­tiv für die Gewährung der über­ta­rif­li­chen Zu­la­ge "die ob­jek­ti­ven Wirt­schaft­lich­keits­zah­len und der da­mit ver­bun­de­ne Bei­trag zum Er­folg". Da­mit hat die Be­klag­te ei­nen be­stimm­ten Zweck der Zah­lung fest­ge­legt und ei­ne frei­wil­li­ge Leis­tung nach ei­nem all­ge­mei­nen Prin­zip gewährt. Dar­an ändert auch die Be­haup­tung der Be­klag­ten nichts, sie sei "rein be­triebs­be­zo­gen" vor­ge­gan­gen und ha­be "für je­den Be­trieb ein­zeln" ent­schie­den, ob ei­ne Loh­nerhöhung gewährt wer­den soll. Eben die­se auf je­den ein­zel­nen Be­trieb be­zo­ge­ne Ent­schei­dung hat die Be­klag­te an der oben ge­nann­ten all­ge­mei­nen Zweck­set­zung ori­en­tiert.

b) Nach Auf­fas­sung der Kam­mer hat die Be­klag­te sich bei der Her­aus­nah­me des Be­triebs, in dem der Kläger beschäftigt wird, auch an die­se sich selbst ge­ge­be­ne Re­ge­lung ge­hal­ten und da­bei kei­ne sach­frem­de Grup­pen­bil­dung vor­ge­nom­men. Da­bei ist sie auch der ihr ob­lie­gen­den Dar­le­gungs­last ge­recht ge­wor­den, wo­nach sie vor­zu­tra­gen hat, wie sie im Ein­zel­nen den begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis ab­ge­grenzt bzw. den nicht begüns­tig­ten aus­ge­grenzt hat ( BAG, Ur­teil vom 29.09.2004 – 5 AZR 43/04 – AP Nr. 192, a. a. O., zu II. 3. a) d. Gr.; Thüsing, a. a. O., § 611 BGB Rn 209) .
20 aa) In­dem die Be­klag­te die Mit­ar­bei­ter der Nie­der­las­sung A nicht an der sonst über­wie­gend gewähr­ten Loh­nerhöhung um 2,1% be­tei­ligt hat, hat sie im Verhält­nis zu den ge­nann­ten Mit­ar­bei­tern der übri­gen Be­trie­be ei­ne sach­ge­rech­te Grup­pen­bil­dung vor­ge­nom­men. Ori­en­tiert am Zweck ih­rer frei­wil­li­gen Leis­tung, nämlich der Ho­no­rie­rung des Bei­trags zum Er­folg des Ge­samt­un­ter­neh­mens, hat sie ei­nen Be­trieb von der Leis­tung aus­neh­men dürfen, der auch von be­son­de­ren Leis­tungs­an­for­de­run­gen aus­ge­nom­men war.

In­dem die Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten im Be­trieb A be­rech­tigt sind, die vom Be­triebs­rat grundsätz­lich ge­neh­mig­te Ab­leis­tung von 5 St­un­den Mehr­ar­beit pro Wo­che ab­zu­leh­nen, ge­nießen sie in größerem Maße Zeit­sou­veränität als die Mit­ar­bei­ter der an­de­ren Nie­der­las­sun­gen in Hes­sen. Um­ge­kehrt ist die Be­klag­te in die­sem Be­trieb – an­ders als in den übri­gen Be­trie­ben in Hes­sen – nicht in der La­ge, Be­darf­schwan­kun­gen durch ein­sei­ti­ge Ar­beits­zeit­zu­wei­sung in Form von Mehr­ar­beit aus­zu­glei­chen. Es leuch­tet ein, dass der Per­so­nal­ein­satz in A ori­en­tiert an be­triebs­wirt­schaft­li­chen Bedürf­nis­sen schwe­rer zu hand­ha­ben ist als bei ei­ner Dis­po­si­ti­ons­frei­heit, wie sie in an­de­ren Be­trie­ben be­steht. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer ist es ei­ne vernünf­ti­ge Erwägung, der kei­ne über­ge­ord­ne­ten Wer­tent­schei­dun­gen ent­ge­gen­ste­hen, wenn die Be­klag­te ih­re ein­ge­schränk­te Dis­po­si­ti­ons­frei­heit im Be­trieb in A zum An­lass für die Her­aus­nah­me der Mit­ar­bei­ter die­ses Be­triebs aus dem durch die Loh­nerhöhung begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis nahm. Die Ar­beit­ge­be­rin hat da­mit auch nicht et­wa die Wahr­neh­mung des Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats in A gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Be­trVG zum Grund für ei­ne Schlech­ter­stel­lung ge­nom­men. Nicht die Ausübung des Mit­be­stim­mungs­rechts, son­dern die un­ter Wah­rung der Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats her­bei­geführ­te Rechts­la­ge im Hin­blick auf die An­ord­nung von Mehr­ar­beit und sich dar­aus er­ge­ben­de Ein­schränkun­gen im Verhält­nis zu an­de­ren Be­trie­ben, sind der An­knüpfungs­punkt für die vor­ge­nom­me­ne Grup­pen­bil­dung.

bb) Ei­nen wei­te­ren Dif­fe­ren­zie­rungs­grund hin­sicht­lich der Mit­ar­bei­ter der Nie­der­las­sung A hat die Be­klag­te schlüssig dar­ge­legt, in­dem sie sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen hat, dass die Kos­ten pro beförder­tem Pa­ket dort bun­des­weit – mit Aus­nah­me der Nie­der­las­sung H – die höchs­ten sind.

Wenn "die ob­jek­ti­ven Wirt­schaft­lich­keits­zah­len und der da­mit ver­bun­de­ne Bei­trag zum Er­folg des Ge­samt­un­ter­neh­mens" Zweck der Gewährung der über­ta­rif­li­chen Zu­la­ge wa­ren, dann ist die Her­aus­nah­me des Be­triebs mit den schlech­tes­ten Zah­len die­ser Art aus dem begüns­tig­ten

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Per­so­nen­kreis sach­lich nicht un­ge­recht­fer­tigt. Die be­schrie­be­ne Vor­ge­hens­wei­se stellt dann auch kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes dar. Dies gilt ins­be­son­de­re des­halb, weil nach dem Vor­trag der Be­klag­ten auch die Vergütungshöhe in ab­so­lu­ten Zah­len in der Nie­der­las­sung A im Ver­gleich zu an­de­ren hes­si­schen Be­trie­ben an der Spit­ze liegt.

cc) Nach­dem die Be­klag­te dar­ge­legt hat, wel­chen Zweck sie mit der frei­wil­li­gen Loh­nerhöhung zum 01.09.2005 ver­folgt hat, wel­chen Per­so­nen­kreis sie in wel­cher Höhe begüns­tigt hat und nach wel­chen Kri­te­ri­en sie den nicht begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis ab­ge­grenzt hat, wäre es Sa­che des an­spruch­stel­len­den Klägers ge­we­sen, dies durch Be­weis­an­tritt zu wi­der­le­gen (Thüsing, a. a. O.; BAG, Ur­teil vom 29.09.2004, a. a. O.) . Ein Be­strei­ten mit Nicht­wis­sen genügt die­sem Er­for­der­nis nicht.

An­ge­sichts des ins Ein­zel­ne ge­hen­den Vor­trags der Be­klag­ten ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers auch nicht von ei­ner tatsächli­chen Ver­mu­tung dafür aus­zu­ge­hen, dass die frei­wil­li­ge Loh­nerhöhung ei­nen Kauf­kraft­ver­lust aus­glei­chen soll­te. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer ver­mag der Hin­weis des Klägers auf die Mit­ar­bei­ter­zei­tung "Das Päck­chen" (Bl. 54 d. A.) den tatsächli­chen Vor­trag der Be­klag­ten nicht zu erschüttern. Es ist die­ser Quel­le nicht zu ent­neh­men, nach wel­chen Kri­te­ri­en die dort auf­ge­stell­te Kos­ten­rang­fol­ge er­mit­telt wur­de.

Sch­ließlich kann sich der Kläger für ei­ne Be­weis­last­ver­tei­lung zu Las­ten der Be­klag­ten auch nicht auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu Aus­kunfts­ansprüchen im Zu­sam­men­hang mit der An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes be­ru­fen. Den Er­for­der­nis­sen der hier gel­ten­den ab­ge­stuf­ten Dar­le­gungs- und Be­weis­last ( BAG, Ur­teil vom 01.12.2004 – 5 AZR 664/03 – ) ist die Be­klag­te ge­recht ge­wor­den. Sie hat – wie oben aus­geführt – Aus­kunft über die von ihr ver­wen­de­ten Re­geln bei der Leis­tung der hier strit­ti­gen Loh­nerhöhung er­teilt.

Die Kos­ten des Rechts­streits hat der un­ter­le­ge­ne Kläger zu tra­gen ( § 91 Abs. 1 ZPO ).

Im Hin­blick ins­be­son­de­re auf Fra­gen der Dar­le­gungs- und Be­weis­last bei der An­wen­dung des all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auf über­be­trieb­li­cher Ebe­ne er­scheint die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ge­bo­ten.

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Dr. Martin Hensche
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