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LAG Ham­burg, Be­schluss vom 17.12.2008, 5 TaBV 8/08

   
Schlagworte: Arbeitszeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 5 TaBV 8/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 17.12.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg - 27 BV 16/07
   

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg

Be­schluss


In der Be­triebs­ver­fas­sungs­sa­che be­tref­fend:

 

Geschäfts­zei­chen:
5 TaBV 8/08
(27 BV 16/07 ArbG Ham­burg)

 

mit den Be­tei­lig­ten

1. 

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te:

 

Verkündet am:
17. De­zem­ber 2008

 

 


2. 

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te:
 

2

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be­sch­ließt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, 5. Kam­mer
auf­grund der münd­li­chen Anhörung vom 17. De­zem­ber 2008

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Les­meis­ter als Vor­sit­zen­den

den eh­ren­amt­li­cher Rich­ter …
den eh­ren­amt­li­cher Rich­ter …


für Recht:

Auf die Be­schwer­de der An­trag­geg­ne­rin wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 09. Mai 2008 – 27 BV 16/07 – teil­wei­se ab­geändert:

Der An­trag zu Zif­fer 2 wird als un­zulässig zurück­ge­wie­sen.

Auf die An­schluss­be­schwer­de des An­trag­stel­lers wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 09. Mai 2008 – 27 BV 16/07 – teil­wei­se ab­geändert:

Es wird fest­ge­stellt, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le vom 10. Ju­li 2008 rechts­un­wirk­sam ist.
Die wei­ter­ge­hen­de An­schluss­be­schwer­de wird zurück­ge­wie­sen.

Die Rechts­be­schwer­de wird zu­ge­las­sen.

 

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Gründe

I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­spru­ches. Bei der nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Be­tei­lig­ten zu 2), der An­trags­geg­ne­rin, wur­de im Jahr 2006 ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le zum The­ma Be­reit­schafts­dienst in Wohn­grup­pen ge­bil­det. Die An­trags­geg­ne­rin be­treibt Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. An­trag­stel­ler ist der bei ihr be­ste­hen­de Be­triebs­rat.

Im Rah­men je­ner Ei­ni­gungs­stel­le wur­de am 30. No­vem­ber 2006 zunächst ei­ne Ei­ni­gung da­hin­ge­hend er­reicht, dass die §§ 45, 46 des Ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­beits­recht­li­che Ver­ei­ni­gung Ham­burg e.V. – Be­son­de­rer Teil Kran­kenhäuser (TV-AVH-BT-K) vom 19. Sep­tem­ber 2005 gemäß § 7 Abs. 3 Arb­ZG über­nom­men wer­den soll­ten (Anl. Bl. 8 d.A.). So­fern bis zum 31. Ju­li 2006 kei­ne endgülti­gen Re­ge­lun­gen der Be­triebs­par­tei­en über die Über­nah­me ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen zum Be­reit­schafts­dienst ge­trof­fen sein würden, soll­te die Ei­ni­gungs­stel­le ih­re Tätig­keit fort­set­zen. Bis zum 11. Ju­ni 2007 wur­de zwi­schen den Be­triebs­par­tei­en ent­ge­gen ih­rer Ver­ab­re­dung kei­ne Ei­ni­gung er­zielt. Da­her fand am 11. Ju­ni 2007 ei­ne wei­te­re Ei­ni­gungs­stel­len­sit­zung statt. Nach­dem noch ein­mal ein Ei­ni­gungs­ver­such un­ter­nom­men wor­den war, wie­sen die Bei­sit­zer des Be­triebs­ra­tes dar­auf hin, dass nach ih­rer Rechts­auf­fas­sung die Über­nah­me ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung gemäß § 7 Abs. 3 Arb­ZG nicht spruchfähig sei. Nach­fol­gend nah­men die Bei­sit­zer des Be­triebs­ra­tes am Ab­stim­mungs­ver­fah­ren nicht mehr teil, so dass mit den Stim­men der Ar­beit­ge­ber­sei­te im ers­ten Ab­stim­mungs­gang ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung per Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­sen wur­de, wel­che bis zum 31. De­zem­ber 2007 un­ter Aus­schluss der Nach­wir­kung be­fris­tet war (Anl. A 3, Bl. 14 d. A.).

Nach­dem zunächst die­ser Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le ge­richt­lich an­ge­grif­fen wor­den war, er­folg­te am 4. De­zem­ber 2007 ei­ne wei­te­re Ei­ni­gungs­stel­len­sit­zung, in wel­cher fol­gen­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le nur mit den Stim­men der Ar­beit­ge­ber­sei­te zu Stan­de kam (A 7, Bl. 75 d.A.):

„§ 1

Die §§ 45, 46 TV-AVH-BT-K vom 19.09.2005 wer­den gemäß § 7 Abs. 3 Ar­beits­zeitG über­nom­men.

§ 2

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Gemäß § 45 Abs. 3 TV-AVH-BT-K wird die tägli­che Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­ge­set­zes aus­sch­ließlich der Pau­sen auf ma­xi­mal 24 St­un­den ver­ein­bart, wenn in die Ar­beits­zeit re­gelmäßig und im er­heb­li­chen Um­fang Be­reit­schafts­dienst fällt.

§ 3
Bei ei­ner er­fah­rungs­gemäß durch­schnitt­lich an­fal­len­den Ar­beits­leis­tung in­ner­halb des Be­reit­schafts­diens­tes bis ma­xi­mal 24% kann die Ar­beits­zeit oh­ne Aus­gleich wöchent­lich bis ma­xi­mal durch­schnitt­lich 58 St­un­den be­tra­gen.

Bei ei­ner er­fah­rungs­gemäß durch­schnitt­lich an­fal­len­den Ar­beits­leis­tung in­ner­halb des Be­reit­schafts­diens­tes bis ma­xi­mal 49% kann die Ar­beits­zeit oh­ne Aus­gleich wöchent­lich bis ma­xi­mal durch­schnitt­lich 54 St­un­den be­tra­gen.

Vor­ste­hen­de Verlänge­rung der durch­schnitt­li­chen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ist nur im Ein­ver­neh­men mit dem Mit­ar­bei­ter möglich.

Die­ses Ein­ver­neh­men ist gemäß § 7 Abs. 7 Ar­beits­zeit­ge­setz fest­zu­stel­len und im Rah­men die­ser ge­setz­li­chen Re­ge­lung wi­der­ruf­lich. Hierfür ist die schrift­li­che Zu­stim­mung der Mit­ar­bei­ter ein­zu­ho­len und in der Per­so­nal­ab­tei­lung zu sam­meln. Der Ar­beit­neh­mer kann die Zu­stim­mung mit ei­ner Frist von sechs Mo­na­ten schrift­lich ge­genüber der Per­so­nal­lei­tung wi­der­ru­fen. Kein Mit­ar­bei­ter er­lei­det Nach­tei­le wenn er sei­ne Zu­stim­mung nicht erklärt oder wi­der­ruft.

§ 4
Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung tritt am 01.01.2008 in Kraft und ist be­fris­tet bis 30.06.2008 und wirkt bis 30.09.2008 nach, so­fern nicht zu­vor ei­ne Ei­ni­gung über die ab­zu­sch­ließen­de BV Ar­beits­zeit er­folgt.“

Am 10. Ju­li 2008 wur­de ein gleich­lau­ten­der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le in glei­cher Wei­se be­schlos­sen (Anl. A 6, Bl. 166 d.A.), be­fris­tet oh­ne Nach­wir­kung bis zum 31. März 2009, der letzt­lich Ge­gen­stand vor­lie­gen­den Ver­fah­rens in der Be­schwer­de­instanz wur­de.

Der Be­triebs­rat hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le rechts­un­wirk­sam sei. Zwar sei ei­ner Über­nah­me der ta­rif­li­chen Re­ge­lung durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung grundsätz­lich gemäß § 7 Abs. 3 Arb­ZG zulässig. Die­se Re­ge­lung

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stel­le je­doch le­dig­lich ei­ne Öff­nungs­klau­sel dar, wel­che die Sperr­wir­kung des § 77 Abs. 3 Be­trVG auf­he­be. Ein Ei­ni­gungs­stel­len­spruch kom­me nur in Fra­ge, so­weit ei­ne er­zwing­ba­re Mit­be­stim­mung vor­lie­ge. Für Ar­beits­zeit­fra­gen sei­en so­weit in § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Be­trVG Re­ge­lun­gen ge­trof­fen. Je­ne Mit­be­stim­mungs­rech­te er­streck­ten sich je­doch nicht auf die Dau­er der tägli­chen Ar­beits­zeit bis zu 24 St­un­den, son­dern le­dig­lich auf den Be­ginn und das En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit, ein­sch­ließlich der Pau­sen so­wie die Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit auf die ein­zel­nen Wo­chen­ta­ge. Darüber hin­aus sei der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le un­wirk­sam, weil es be­reits ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 30. No­vem­ber 2006 ge­ge­ben ha­be, über wel­che sich der Spruch die­ser Ei­ni­gungs­stel­le nun­mehr hin­weg­ge­setzt ha­be, oh­ne sie zu berück­sich­ti­gen.
Zu­dem lägen die Vor­aus­set­zun­gen des § 45 Abs. 3 TV-AVH-BT-K nicht vor.

Der An­trag­stel­ler hat be­an­tragt,

1. Es wird fest­ge­stellt, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le vom 4. De­zem­ber 2007 be­tref­fend Über­nah­me der §§ 45, 46 des TV-AVH-BT-K und der Re­ge­lung des Be­reit­schafts­diens­tes in den Wohn­grup­pen rechts­un­wirk­sam ist.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass die Über­nah­me ab­wei­chen­der ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung gem. § 7 Abs. 3 Arb­ZG nicht durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le ent­schie­den wer­den kann.

Die An­trags­geg­ne­rin hat be­an­tragt,

die Anträge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le wirk­sam sei. Der hier strei­ti­ge Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le beschäfti­ge sich mit der Über­nah­me ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung zur Ar­beits­zeit­la­ge und Ver­tei­lung gemäß § 7 Arb­ZG. Die­se un­ter­lie­ge der zwin­gen­den Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes. Wenn die La­ge und Ver­tei­lung so­wie die Verkürzung und Verlänge­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit der zwin­gen­den Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes nach § 87 un­ter­lie­ge, so müsse die Über­nah­me sol­cher ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung auch mit­tels Ei­ni­gungs­stel­le er­zwing­bar sein. Dies er­ge­be sich auch aus der Sys­te­ma­tik des Ge­setz­ge­bers. Wenn die­ser Mit­be­stim­mungs­rech­te nicht er­zwing­bar aus­ge­stal­te, dann würde er dies auch aus­drück­lich be­nen­nen. § 7 Abs. 3 Arb­ZG spre­che aber nicht da­von, dass ei­ne Mit­be­stim­mung dies­bezüglich frei­wil­lig sei. Wäre der Ge­setz­ge­ber le­dig­lich von ei­ner nicht er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung aus­ge­gan­gen, so hätte

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er dies auch ent­spre­chend sta­tu­iert. Be­stim­me der Ge­setz­ge­ber, dass die Gren­zen des Arb­ZG mit­tels Über­nah­me ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen von den Be­triebs­par­tei­en er­wei­tert wer­den können, so wer­de da­durch die La­ge und Ver­tei­lung so­wie die Verkürzung und Verlänge­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Be­trVG be­trof­fen. Da­mit sei die Mit­be­stim­mung er­zwing­bar. Oh­ne die Er­zwing­bar­keit der Re­ge­lun­gen wäre auch der ge­setz­ge­be­ri­sche Wil­le, nämlich vom Arb­ZG ab­wei­chen­de ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen im Be­trieb ei­nes nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers durch Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen über­neh­men zu können, nicht durch­setz­bar. Fer­ner sei die Er­zwing­bar­keit auch des­halb ge­ge­ben, weil die Er­wei­te­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit im Rah­men von Be­reit­schafts­diens­ten durch Über­nah­me ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung an­sons­ten die ein­zi­ge Va­ri­an­te des § 7 Arb­ZG wäre, wel­che für den Ar­beit­ge­ber nicht er­zwing­bar wäre.

Durch den der An­trags­geg­ne­rin am 13. Mai 2008 zu­ge­stell­ten Be­schluss vom 9. Mai 2008, auf den zur nähe­ren Sach­dar­stel­lung Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt den Anträgen statt­ge­ge­ben. Hier­ge­gen rich­tet sich die am 22. Mai 2008 ein­ge­leg­te und mit am 6. Au­gust 2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründe­te Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin, nach­dem die Be­schwer­de­be­gründungs­frist am 8. Ju­li 2008 bis zum 14. Au­gust verlängert wor­den war. Dem An­trag­stel­ler war mit ge­richt­li­cher Verfügung vom 8. Au­gust 2008 auf­ge­ge­ben wor­den bis zum 15. Sep­tem­ber 2008 auf die Be­schwer­de­be­gründung zu er­wi­dern. Mit am 15. Sep­tem­ber 2008 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz änder­te der An­trag­stel­ler sei­ne Anträge.

Die An­trags­geg­ne­rin wie­der­holt und ver­tieft ih­re Rechts­ausführun­gen. Es wird Be­zug ge­nom­men auf die Be­schwer­de­be­gründung (S. 3 ff, Bl. 145 ff d.A.).


Nach­dem die Be­tei­lig­ten den An­trag zu Zif­fer 1 be­tref­fend den Ei­ni­gungs­stel­len­spruch vom 4. De­zem­ber 2007 übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärt ha­ben, be­an­tragt die An­trags­geg­ne­rin,

un­ter Abände­rung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 9. Mai 2008 – 27 BV 16/07 –

die Anträge auch im Übri­gen zurück­zu­wei­sen.

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Der An­trag­stel­ler be­an­tragt,

1. Die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen,

2. hilfs­wei­se, fest­zu­stel­len, dass die Über­nah­me ab­wei­chen­der ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen zur Dau­er der Ar­beits­zeit durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung gemäß § 7 Abs. 3 Arb­ZG nicht durch den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 87 Abs. 2 Be­trVG ent­schie­den wer­den kann,


3. fest­zu­stel­len, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le vom 10. Ju­li 2008 be­tref­fend die Über­nah­me der §§ 45, 46 des TV-AVH-BT-K und der Re­ge­lung des Be­reit­schafts­diens­tes in den Wohn­grup­pen rechts­un­wirk­sam ist.


Die An­trags­geg­ne­rin stimmt der An­tragsände­rung nicht zu und be­an­tragt,

die An­schluss­be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Der An­trags­stel­ler trägt un­ter Wie­der­ho­lung sei­ner Rechts­auf­fas­sung vor, der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le sei schon des­halb un­wirk­sam, weil die An­trags­geg­ne­rin nicht in den Gel­tungs­be­reich des TV-AVH-BT-K in der Fas­sung vom 1. Au­gust 2006 fal­le.

Das Ver­fah­ren wur­de hin­sicht­lich des An­trags zu Zif­fer 1 be­tref­fend den Ei­ni­gungs­stel­len­spruch vom 4. De­zem­ber 2007 vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg am 17. De­zem­ber 2008 ein­ge­stellt.

II. 1. Die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statt­haft und im Übri­gen form- und frist­gemäß ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit zulässig (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Glei­ches gilt für die im We­ge der An­schluss­be­schwer­de - § 87 Abs. 2 ArbGG, § 524 Abs. 1, 2 ZPO – gel­tend ge­mach­te An­tragsände­rung des An­trag­stel­lers. Sie wird auf Tat­sa­chen gestützt, die das Ge­richt sei­ner Ent­schei­dung oh­ne­hin zu­grun­de zu le­gen hat­te. Die Kam­mer hat die An­tragsände­rung aus pro­zessöko­no­mi­schen Gründen als sach­dien­lich be­wer­tet, § 533 Nr. 1, 2 ZPO, so dass über sie ent­schie­den wer­den konn­te trotz der feh­len­den Zu­stim­mung der An­trags­geg­ne­rin.

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2. Die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin ist – so­weit sie nicht übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärt wur­de, al­so noch be­tref­fend den Fest­stel­lungs­an­trag zu Zif­fer 2 – be­gründet. Die An­schluss­be­schwer­de ist be­tref­fend die Wirk­sam­keit des Ei­ni­gungs­stel­len­spru­ches vom 10. Ju­li 2008 be­gründet, im Übri­gen un­be­gründet.

a. Der Fest­stel­lungs­an­trag zu Zif­fer 2 ist un­zulässig, das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist nicht ge­ge­ben. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist ei­ne Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses möglich. Un­ter ei­nem Rechts­verhält­nis ist die aus ei­nem kon­kre­ten Le­bens­sach­ver­halt ent­stan­de­ne recht­lich ge­re­gel­te Be­zie­hung ei­ner Per­son zu an­de­ren Per­so­nen oder Ge­genständen zu ver­ste­hen (st. Rspr. vgl. nur BAG 05.10.2000 – 1 ABR 52/99 – AP Nr. 35 zu § 23 Be­trVG 1972 m.w.N.). Ei­ne sol­che Kla­ge ist nur zulässig, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se hat, das Rechts­verhält­nis durch ge­richt­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­stel­len zu las­sen. § 256 ZPO ist auch im Be­schluss­ver­fah­ren an­wend­bar (BAG 15. De­zem­ber 1998 - 1 ABR 9/98 - BA­GE 90, 288, 293). Nach § 256 ZPO kann das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se sich nur auf das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen ei­nes Rechts­verhält­nis­ses be­zie­hen, nicht da­ge­gen auf ei­ne abs­trak­te, wenn auch klärungs­bedürf­ti­ge Rechts­fra­ge. Der zu Zif­fer 2 ge­stell­te An­trag be­zieht sich aber nicht auf ein be­ste­hen­des Rechts­verhält­nis, son­dern auf die abs­trak­te Rechts­fra­ge, ob ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung gestützt auf § 7 Abs. 3 Arb­ZG der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung un­ter­liegt oder nicht. Die Klärung ei­ner sol­chen Mei­nungs­ver­schie­den­heit kommt der Er­stat­tung ei­nes Rechts­gut­ach­tens gleich. Da­zu ist das Ge­richt nicht be­fugt (BAG 11.12.2001 - 1 ABR 9/01 - EzA § 256 ZPO Nr 61). Es ist zwar denk­bar, dass ei­ne Ent­schei­dung – je­den­falls wenn sie al­le denk­ba­ren Fall­ge­stal­tun­gen er­fasst - ge­eig­net wäre, ei­nem künf­ti­gen Streit der Be­tei­lig­ten über das Be­ste­hen ei­nes kon­kre­ten Be­tei­li­gungs­rechts vor­zu­beu­gen. Ei­ne sol­che Ent­schei­dung er­folgt je­doch be­reits bei der recht­li­chen Über­prüfung des kon­kre­ten Ei­ni­gungs­stel­len­spru­ches, so­dass ein ei­ge­nes Fest­stel­lungs­in­ter­es­se für den An­trag zu Zif­fer 2 nicht vor­liegt. In­so­weit war die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung ab­zuändern.

Dies gilt auch für den im We­ge der An­schluss­be­schwer­de ge­stell­ten Hilfs­an­trag. Die Kon­kre­ti­sie­rung änder­te nichts am Feh­len ei­nes Rechts­verhält­nis­ses. Auch in die­ser Form ziel­te der An­trag auf die Er­stel­lung ei­nes ge­richt­li­chen Rechts­gut­ach­tens. In­so­weit war die An­schluss­be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

b. Von den Grundsätzen des Arb­ZG über § 7 Abs. 3 Arb­ZG ab­wei­chen­de Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen können nicht über die Ei­ni­gungs­stel­le er­zwun­gen wer­den.

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Die Be­triebs­part­ner ei­nes Be­trie­bes ei­nes – wie hier – nicht­ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers wer­den in § 7 Abs. 3 Satz 2 Arb­ZG le­gi­ti­miert, ta­rif­ver­trag­lich auf die Be­triebs­ebe­ne de­le­gier­te Ab­wei­chungs­be­fug­nis­se durch den Ab­schluss von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ent­spre­chend even­tu­el­ler in­halt­li­cher Vor­ga­ben aus­zufüllen (Ku­fer, AR-Blat­tei (SD) 240 Ar­beits­zeit Nr.223). In der Li­te­ra­tur wird wohl über­wie­gend ver­tre­ten, dass es den Be­triebs­par­tei­en frei ste­he, ob sie von der Über­nah­memöglich­keit nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Arb­ZG Ge­brauch ma­chen wol­len, der Ab­schluss ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung könne des­halb nicht über die Ei­ni­gungs­stel­le nach § 76 Abs. 5 Be­trVG er­zwun­gen wer­den (ErfK-Wank,9. Aufl. 2009, Nr 20 zu § 7 Arb­ZG; Anz­in­ger/Ko­ber­ski Arb­ZG 2. Aufl. 2005, Nr. 76 zu § 7; Busch­mann FS Ri­char­di 2007 S. 93, 111 m.w.N.; a.A. Neu­mann Arb­ZG 15. Aufl. 2008 Nr. 43 zu § 7). Die­se Auf­fas­sung teilt aus ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen Gründen die Be­schwer­de­kam­mer: un­abhängig von der Aus­ge­stal­tung der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung in den hier in Fra­ge kom­men­den Re­ge­lun­gen aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Be­trVG (vgl. BAG 16.03.2004 – 9 AZR 93/03 – AP Nr. 2 zu § 2 Arb­ZG zur Pro­ble­ma­tik bei § 7 Abs. 4 Arb­ZG) kann die Über­nah­me im­mer frei­wil­lig ab­ge­schlos­se­ner Ta­rif­verträge auf die be­trieb­li­che Ebe­ne in Form von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen auch nur auf frei­wil­li­ger Ba­sis ge­sche­hen. Zunächst sind bei den Ab­wei­chun­gen von den Schutz­be­stim­mun­gen ins­be­son­de­re des § 3 Arb­ZG auch Fra­gen der Dau­er der Ar­beits­zeit be­trof­fen, so auch hier, wenn der Spruch mit der Über­nah­me der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen die durch­schnitt­li­che wöchent­li­che Ar­beits­zeit verlängert und die tägli­che Ar­beits­zeit auf 24 St­un­den aus­dehnt oh­ne Aus­gleich und da­mit den Be­reich der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung verlässt. Dies ist an­ge­sichts der Re­ge­lun­gen über die Fra­ge des Aus­gleichs auch nicht nur ei­ne Abände­rung öffent­lich-recht­li­cher Ar­beits­zeit­be­stim­mun­gen, son­dern greift auch in die ver­trag­lich ge­schul­de­te Dau­er der Ar­beits­zeit ein.

Vor al­lem aber liegt in der über ggf. durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le er­zwing­ba­ren Er­stre­ckung ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen ein pro­ble­ma­ti­scher Ein­griff in die ne­ga­ti­ve und po­si­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit, Art 9 Abs. 3 GG. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können den Be­triebs­par­tei­en kei­ne Re­ge­lungs­macht ver­lei­hen, die sie selbst nicht ha­ben (kei­ne Ta­rif­au­to­no­mie ge­genüber Außen­sei­tern, vgl. ErfK-Wank aaO. Nr. 3). Ei­ne Ab­wei­chung von ta­rif­dis­po­si­ti­ven Ar­beits­schutz­re­ge­lun­gen auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges durch ei­ne er­zwing­ba­re Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht nur ge­genüber Nicht­mit­glie­dern der ta­rif­sch­ließen­den Or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern auch ge­genüber Mit­glie­dern ei­ner an­de­ren Or­ga­ni­sa­ti­on, die mögli­cher­wei­se den Ta­rif­ab­schluss aus­drück­lich ab­ge­lehnt hat, würde de­ren po­si­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit ver­let­zen (Busch­mann aaO, S. 106). Ob dies auch bei Be­trieb­ver­ein­ba­run­gen gemäß § 88 Be­trVG zu gel­ten hätte (für ei­ne All­zuständig­keit des Be­triebs­ra­tes BAG 18.08.87 - 1 ABR 30/86 - AP Nr 23 zu § 77 Be­trVG 1972), braucht

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vor­lie­gend nicht ent­schie­den zu wer­den, je­den­falls kann über § 7 Abs. 3 Satz 2 Arb­ZG ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le er­zwun­gen wer­den.

Es ist je­den­falls nicht be­gründ­bar, dass – wie die An­trags­geg­ne­rin meint – aus Wett­be­werbs­gründen den nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bern ermöglicht wer­den müss­te, über er­zwing­ba­re Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zu glei­chen Wett­be­werbs­be­din­gun­gen zu kom­men, wie sie für ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber gel­ten. Es ist viel­mehr Be­stand­teil der Ko­ali­ti­ons­frei­heit, durch die Ent­schei­dung über den Bei­tritt zu ei­nem Ta­rif­part­ner auch von die­sem ab­ge­schlos­se­ne Ver­ein­ba­run­gen für und ge­gen sich gel­ten zu las­sen oder eben nicht. Dass der Ge­setz­ge­ber den Be­triebs­par­tei­en die Möglich­keit einräumt, ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen zu über­neh­men heißt auch nicht – wie die An­trags­geg­ne­rin ausführt -, dass die­se Möglich­keit auch ge­gen den Wil­len ei­nes der Be­triebs­part­ner um­setz­bar sein muss.

Der TV-AVH-BT-K liegt mitt­ler­wei­le in der Fas­sung vom 1. Au­gust 2006 vor. Zu­gleich wur­de der Pfle­ge­be­reich her­aus­ge­nom­men und in ei­nem ei­ge­nen Ta­rif­ver­trag ge­re­gelt. Ob die Über­nah­me von Tei­len des TV-AVH-BT-K vom 19. Sep­tem­ber 2005, der kei­ne Nach­wir­kung ent­fal­tet, im an­ge­foch­te­nen Spruch we­gen da­mit nicht ge­ge­be­nen Gel­tungs­be­rei­ches zu des­sen Un­wirk­sam­keit führt, kann of­fen blei­ben.

Der ar­beits­ge­richt­li­che Be­schluss war da­her in­so­weit er­wei­ternd ab­zuändern

III. Die Rechts­be­schwer­de war we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­zu­las­sen, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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