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LAG Köln, Beschluss vom 23.11.2009, 4 Ta 350/09
Schlagworte: | Auszubildender, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 4 Ta 350/09 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 23.11.2009 | |
Leitsätze: | Ein Beschäftigungsanspruch aufgrund einer tarifvertraglichen Übernahmeverpflichtung eines Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung kann vor einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptverfahren mit einer einstweiligen Verfügung nur durchgesetzt werden, wenn der Vertragseingehungsanspruch des ehemaligen Auszubildenden offensichtlich begründet ist. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, 3 Ga 136/09 | |
4 Ta 350/09
3 Ga 136/09
Arbeitsgericht Köln
LANDESARBEITSGERICHT
KÖLN
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
g e g e n
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigte:
hat die 04. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 23.11.2009 – ohne mündliche Verhandlung – durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden
b e s c h l o s s e n :
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2009 – 3 Ga 136/09 – wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
A. Die Antragstellerin macht im einstweiligen Verfügungsverfahren im Hauptantrag einen Beschäftigungsanspruch mit der Begründung geltend, die Antragsgegnerin sei aufgrund § 3 TV zur Beschäftigungssicherung vom 30.09.2005 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens in Verbindung mit § 8 einheitlicher Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke vom 15.08.2004 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens verpflichtet, sie nach Abschluss ihrer Ausbildung mit dem 30.01.2009 für mindestens 12 Monate in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Den Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses hat die Antragstellerin in dem Rechtsstreit 9 Ca 8914/08 beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemacht. Dort wurde, nachdem in einem ersten Kammertermin vom 15.07.2009 eine Entscheidung nicht erging, ein weiterer Termin auf den 07.04.2010 anberaumt.
Die Antragstellerin macht in dem einstweiligen Verfügungsverfahren mithin mit dem Hauptantrag einen Beschäftigungsanspruch aus einem noch nicht bestehenden Vertrag geltend, denn ein solcher Vertrag kann gem. § 894 Abs.1 ZPO erst durch ein rechtskräftiges Urteil zustande kommen.
1. Dennoch bestehen aufgrund des dem einstweiligen Verfügungsverfahren über den Sicherungscharakter des § 935 ZPO hinaus innewohnenden Regelungscharakters (§ 940 ZPO) keine grundsätzlichen Bedenken, den Arbeitgeber auch schon vor Rechtskraft des Hauptsacheprozesses zu einer Beschäftigung zu verpflichten. Einstweiliger Rechtsschutz ist hier grundsätzlich geboten, da der Beschäftigungsanspruch mit Ablauf der Vertragszeit im Gegensatz z. B. zu Entgeltansprüchen nicht mehr durchgesetzt werden kann. Dementsprechend wird auch bei einem Anspruch auf Abschluss einer Teilzeitbeschäftigungsvereinbarung nach § 8 TzBfG einstweiliger Rechtsschutz auf entsprechende Beschäftigung (nur) in Teilzeit gewährt, noch bevor eine entsprechende Vereinbarung nach § 894 ZPO zustande gekommen ist (vgl.
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z. B. LAG Hamburg 06.09.2001 – 8 Sa 59/01; LAG Berlin 20.02.2004 – 4 Sa 2043/01; LAG Rheinland-Pfalz 12.04.2002 – 3 Sa 161/02).
2. Was die materiellen Anforderungen an den Verfügungsanspruch anbelangt, so sind jedoch in einer Parallelwertung die Grundsätze zu beachten, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im Streit um eine Kündigung vor einer erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung im Kündigungsschutzprozess aufgestellt hat (BAG Großer Senat 27.02.1985 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Danach besteht der Beschäftigungsanspruch in einem Arbeitsverhältnis, dessen Bestand aufgrund einer arbeitgeberseitigen Kündigung umstritten ist, nur dann, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Erst recht müssen entsprechende Voraussetzungen gelten, wenn nicht die Beendigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers in Streit ist, sondern – wie hier - die Verpflichtung des Arbeitgebers, überhaupt erst ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Daher kann ein Verfügungsanspruch im vorliegenden Fall nur bejaht werden, wenn der Vertragseingehungsanspruch der Antragstellerin offensichtlich begründet ist.
Offensichtlichkeit der Unwirksamkeit einer Kündigung liegt nach der zitierten Entscheidung des Großen Senats nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Unwirksamkeit der Kündigung muss also ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegen. Das ist regelmäßig gegeben, wenn bei feststehendem Sachverhalt die Rechtsfolge der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Kündigung unzweifelhaft ohne jeden Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (BAG GS a.a.O.) In entsprechendem Sinne müsste hier der Vertrageingehungsanspruch der Antragstellerin offensichtlich sein. Das ist nicht gegeben:
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3. Im vorliegenden Fall ist nach der tariflichen Regelung der Übernahmeanspruch nicht gegeben, wenn personenbedingte Gründe entgegenstehen oder wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat und der Betriebsrat zustimmt.
„Personenbedingte Gründe“ ist ein weiterer Begriff als der in § 1 Abs. 2 KSchG, da es hier nicht darum geht, ein Arbeitsverhältnis zu beenden, sondern darum, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll (BAG NZA 1998, 777, 780; LAG Köln 01.10.2003 – 7 Sa 623/03). Personenbedingte Gründe sind alle, die aus der Sphäre des Auszubildenden stammen einschließlich verhaltensbedingter Gründe.
4. Die Antragstellerin hatte in den Jahren 2007, 2008 bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses eine Fehlzeitenquote von über 25 %. Zudem wurde sie zweimal, nämlich am 29.01.2008 und am 13.01.2009 wegen nicht rechtzeitiger Krankmeldung abgemahnt. Schließlich hat der Betriebsrat – wie sich aus dem Vermerk vom 20.06.2009 ergibt – der Nichtübernahme der Antragstellerin zugestimmt.
Ob die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe der Übernahme „entgegenstehen“ ist eine wertende Entscheidung des Tatsachengerichts, die sich nicht unzweifelhaft ohne jeden Beurteilungsspielraum des Tatsachenrichters unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Es fehlt sogar an generellen Maßstäben für das „Entgegenstehen“ aus höchstrichterlicher Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hat auch in den Entscheidungen vom 14.10.1997 (7 AZR 298/96 und 7 AZR 811/96 – juris) entsprechende klare Maßstäbe nicht gesetzt. Es kann schon deshalb nicht eine Offensichtlichkeit im Sinne der oben genannten Maßstäbe bejaht werden.
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Weit entfernt von der Offensichtlichkeit ist der vorliegende Fall auch insoweit, als sich jedenfalls nicht schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen das Bestehen des Anspruchs geradezu aufdrängen müsste. Nur ergänzend ist deshalb zu dem Vorbringen der Antragstellerin zur Krankheitsprognose darauf hinzuweisen, dass für die Prognose nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur krankheitsbedingten Kündigung Folgendes gilt:
Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit indizieren einen entsprechenden Krankheitsverlauf in der Zukunft (BAG 23.06.1983 – 2 AZR 15/82). Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, angesichts dieser Indizwirkung darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen bzw. weshalb eine Genesung erfolgt sei. Dabei kann der Arbeitnehmer sich auf das Zeugnis der behandelnden Ärzte berufen und diese von ihrer Schweigepflicht entbinden, soweit darin die Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber positiv beurteilt (vgl. BAG 02.11.1989 – 2 AZR 23/89).
Die Antragstellerin trägt lediglich vor, die Fehlzeiten seien im Wesentlichen auf ein „Burn-out-Syndrom“ zurückzuführen. Ursache dafür sei gewesen, dass sie sich nach der Geburt ihrer Tochter von dem Partner getrennt habe und mit der Doppelbelastung im Beruf und als alleinerziehende Mutter schlichtweg überfordert gewesen sei. Die Lebensumstände hätten sich mittlerweile zum Positiven verändert. Das Burn-out-Syndrom sei bereits vor Beendigung der Ausbildung ausgeheilt gewesen.
Bereits die Behauptung, die Lebensumstände hätten sich mittlerweile zum Positiven verändert, ist unsubstantiiert. Insbesondere trägt die Antragstellerin nicht vor, dass und wie vor Ende des Ausbildungsverhältnisses die Doppelbelastung von Beruf und alleinerziehender Mutter aufgehoben gewesen sei. Die Antragstellerin hat auch nicht eine entsprechende Beurteilung
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des behandelnden Arztes vorgetragen, erst recht nicht eine solche vorgelegt oder sonst glaubhaft gemacht.
B. Für den Hilfsantrag, mit dem die Antragstellerin begehrt, der Antragsgenerin aufzugeben, mit ihr, der Antragstellerin, einen bis zum 31.01.2010 befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, fehlt es jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Geht auch der aus dem Vertrag abgeleitete Beschäftigungsanspruch mit dem Ablauf der Vertragszeit unter, so gilt dieses nicht für die übrigen aus dem Arbeitsvertrag folgenden Ansprüche, insbesondere nicht für den Entgeltanspruch. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nach den zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls ein Schadensersatzanspruch nach Ablauf der Vertragszeit bestehen kann. Das Bundesarbeitsgericht ging in diesen Entscheidungen noch davon aus, dass aufgrund des § 306 BGB a. F. eine rückwirkende Vertragsbegründung nicht möglich sei. Dieser Rechtsprechung ist nach Inkrafttreten des § 311 a Abs. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes ab dem 01.01.2002 die Grundlage entzogen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit § 8 TzBfG inzwischen anerkannt (BAG 27.04.2004 – 9 AZR 522/03). Es kommt damit auch die rückwirkende Begründung von Primäransprüchen in Betracht. Eine besondere Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Reglung dieser Ansprüche ist daher nicht zu erkennen.
Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, das über den „Umweg“ dieses Hilfsantrages im Rahmen der einstweiligen Verfügung nicht die besonderen materiellen Voraussetzungen für den Hauptanspruch auf Beschäftigung (Offensichtlichkeit) verändert werden können, da diese gerade für die Zeit vor einer Entscheidung über den Bestand des Vertrages durch das Hauptsache-Gericht gelten.
Da für den Hilfsantrag mithin jedenfalls ein Verfügungsgrund nicht gegeben ist, kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen
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§ 894 ZPO überhaupt eine einstweilige Verfügung auf Abgabe einer Willenserklärung in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Dr. Backhaus
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