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ArbG Suhl, Urteil vom 26.02.2009, 5 Ca 885/08
Schlagworte: | Abmahnung | |
Gericht: | Arbeitsgericht Suhl | |
Aktenzeichen: | 5 Ca 885/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 26.02.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Arbeitsgericht Suhl
Aktenzeichen (bitte stets angeben)
5 Ca 885108
Verkündet
am 26.02.2009
gez
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte -
hat das Arbeitsgericht Suhl, 5. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 26.02.2009,
durch Richter am Arbeitsgericht K als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Frau und Frau für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 03.04.2008 aus den Personalunterlagen des Klägers zu entfernen.
2.. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 2.700,00 € brutto festgesetzt.
- 2 -
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf Entfernung einer Abmahnung aus den Personalunterlagen.
Der Kläger , der bei der Beklagten seit dem 01. Januar 1985 als Krankenpfleger und Stationsleiter der Station C 1 tätig ist, verdient 2.700,00 € brutto im Monat.
Mit Schreiben vom 03. April 2008 erhielt der Kläger eine Abmahnung. Das Abmahnungsschreiben hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Mak
wir erteilen Ihnen, aus den nachfolgend genannten Gründen eine Abmahnung.
Während der Stationsleitungsbesprechung am 02.04.08 teilte Ihr Vertreter, Herr R auf Anfrage der zuständigen Abteilungsleiterin Pflege, Frau W mit, dass Sie erkrankt sind.
Sowohl im Manteltarifvertrag (§ 6 Nr. 3) sowie auch im Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 5) ist geregelt, dass Sie Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen haben.
Am 02.04.2008 hatten Sie laut Dienstplanung Frühdienst. Eine entsprechende unverzügliche Anzeige Ihrer Arbeitsunfähigkeit ist somit nicht erfolgt.
Berücksichtigen Sie bitte künftig, dass diese Anzeige entsprechend der gesetzlichen bzw. der tarifrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen hat.
Wir sind nicht gewillt dieses Verhalten weiter hinzunehmen und fordern Sie auf, sich in Zukunft pflichtgemäß zu verhalten.
Im Wiederholungsfall haben Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen bis hin zur Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses.
Sie haben die Möglichkeit, sich schriftlich bis zum 18.04.2008 zum oben genannten Sachverhalt zu äußern.C
Geschäftsführerin"
Mit der beim Arbeitsgericht erhobenen Klage vom 19. Mai 2008 verlangt der Kläger die Entfernung dieser Abmahnung aus seinen Personalunterlagen.
- 3 -
Nachdem er am 01. April 2008 um 17.00 Uhr arbeitsunfähig krank geschrieben worden sei, habe er gegen 17.30 Uhr darüber die Stationsmitarbeiter Frau J, Frau Z und Herr L informiert und diese Mitarbeiter beauftragt, die Information über seine Erkrankung an seine Vorgesetzten und die Personalabteilung zu übermitteln. Diese Handhabung sei bei der Beklagten auch betriebsüblich gewesen. Eine Mitteilung an Vorgesetzte sei am 01.04. 2008, 17.30 Uhr nicht möglich gewesen, da sich diese seit 13.00 Uhr nicht mehr im Dienst befinden würden.
Darüber hinaus habe er mit diesen Mitarbeitern in dem Telefongespräch die organisatorischen Abläufe geplant und besprochen. Seines Wissens hätten die von ihm auf diese Weise in Kenntnis gesetzten Mitarbeiter die Information über sein krankheitsbedingtes Fehlen am nächsten Arbeitstag an die Kollegen der Nachtschicht weitergegeben. Von diesen Mitarbeitern sei die ab 6 Uhr tätig werdende Frühschicht informiert worden, die auch der Kläger ohne die besehende Arbeitsunfähigkeit hätte antreten müssen. Auf Grund dieser Verfahrensweise sei der Schichtleiter der Frühschicht vom 02.04. 2008, der stellv. Stationsleiter Herr R über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers informiert gewesen. Die „Weitergabe dieser Information durch diesen Kollegen an die Pflegedienstleitung könne in der Regel aber nicht vor 08.00 Uhr erfolgen, weil erst zu diesem Zeitpunkt die reguläre Dienstzeit der Pflegedienstleiterin beginne. Aus diesem Umstand folge im Übrigen auch, dass es dem Kläger vor dem Beginn der Frühschicht am 02.04. 2008 um 06.00 Uhr nicht möglich gewesen wäre, der Pflegedienstleiterin persönlich seine Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen.
An dem 02. April 2008 sei es die Absicht des stellv. Stationsleiters gewesen, die krankheitsbedingte Abwesenheit des Klägers in dem regelmäßig täglich gegen 09.30 Uhr stattfindenden Gespräch mit der Pflegedienstleitung zu übermitteln. An diesem Tag sei die Station jedoch entgegen der sonst üblichen Gepflogenheit nicht von Pflegedienstleitung aufgesucht worden. Aus diesem Grund habe Herr R erst auf der um 13.00 Uhr stattfindenden Stationsleitersitzung über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers informiert (Beweis: Zeuge R). Habe er damit alles unternommen, um einen reibungslosen und voll funktionierenden Stationsablauf zu sichern, sei der Abmahnungsvorwurf unberechtigt, was den Klageantrag rechtfertige.
Für das Vorbringen des Klägers wird im Übrigen Bezug genommen auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Klageschrift (BI. 1-3 d.A.) und des Schriftsatzes vom 29.07. 2008 (BI. 34-36 d.A.) nebst Anlage (BI. 37 d.A.).
- 4 -
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 03.04. 2008 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
Demgegenüber beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte sieht die Abmahnung als gerechtfertigt an. Der Kläger habe gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG iVm § 6 Abs. 3 des anwendbaren Manteltarifvertrages verstoßen. Nach beiden Vorschriften sei der Kläger verpflichtet, eine festgestellte Arbeitsunfähigkeit unverzüglich bei Arbeitgeber anzuzeigen. Im Hinblick auf die am 01. April 2008 gegen 17.00 Uhr festgestellten Arbeitsunfähigkeit ab dem 02. April 2008 habe der Kläger gegen diese Anzeigepflicht verstoßen.
Infolge dessen sei der Pflegedienstleiterin, Frau W am 02. April 2008 nicht bekannt gewesen, dass der Kläger an diesem Tag seine Arbeit nicht antreten wird. Erst auf Nachfrage der Geschäftsführerin in der Stationsleitersitzung seien Nachforschungen über den Verbleib des KI. angestellt worden (Beweis: Zeugin W). Die ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei der Beklagten am 03. April 2008 zur Kenntnis gelangt. Auch die Kenntnis des stellvertretenden Stationsleiters R ändere nichts daran, dass der Kläger bis zum Beginn der regulären Arbeitszeit am 02. April 2008 um 07.30 Uhr weder der Geschäftsführerin noch seiner Vorgesetzten die Arbeitsunfähigkeit gemeldet habe. Soweit Herr Rom» die Arbeitsunfähigkeit erst in der Stationsleitersitzung und damit verspätet gemeldet habe, müsse sich der Kläger dieses Verhalten zurechnen lassen. Dass Herr R tatsächlich Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit des Klägers hatte, werde bestritten. Im Übrigen ändere auch die Kenntnis des Herrn R von der Arbeitsunfähigkeit nichts an der Tatsache, dass der Kläger die erforderliche Anzeige dadurch zu Beginn der regulären Arbeitszeit nicht gegenüber seinem Arbeitgeber abgegeben habe. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger bereits wegen Verlassens seines Arbeitsplatzes, ohne sich abzumelden, am 23. Juni 2006 abgemahnt worden sei. Für das Vorbringen der Beklagten wird im Übrigen Bezug genommen auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Schriftsätze vom 15.07. 2008 (BI. 18-24 d.A.) nebst Anlagen (BI. 25-28 d.A.), vom 21.07. 2008 (BI. 32,33 d.A.) und vom 03.12. 2008 (BI. 40-42 d.A.).
- 5 -
Die Kammer hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen P Wegen der Durchführung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.02. 2009 (BI. 52,53 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Im Einzelnen gilt Folgendes:
I.
a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Kläger die Beseitigung einer ungerechtfertigten Abmahnung verlangen (BAG v. 13.4. 1988, 5 AZR 537/86 NZA 1988, 654-655). Soweit sich diese in der Personalakte befindet, ist die Abmahnung daraus zu entfernen und verliert dadurch ihre Wirkung (BAG v. 5.8.1992, 5 AZR 531/91, NZA 1993, 838-839).
b)
Dieser Anspruch folgt aus der allgemeinen Fürsorgepflicht der Beklagten und dem aus § 1004 BGB hergeleiteten Rechtsgedanken, nach dem jedermann die Verpflichtung hat, Störungen der Rechtsstellung Dritter zu unterlassen (BAG 15.1.1986, 5 AZR 70/84, BAGE 50, 362-370).
II.
Die Abmahnung vom 03. April 2008 ist ungerechtfertigt. Die Beklagte ist verpflichtet diese Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
1.
Der Kläger hat der Beklagten die am 01. April 2008 festgestellte Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer nicht unverzüglich mitgeteilt.
a)
Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG sowie die dem Wortlaut nach identische Regelung in § 6 Abs. 3 des auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Manteltarifvertrages verpflichten den Kläger, die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen.
- 6 -
b)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt ein Arbeitnehmer dieser gesetzlichen Verpflichtung, wenn er am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit während der ersten Betriebsstunden seinen Arbeitgeber informiert (BAG v. 31.08.1989, 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433-434).
c)
Die Mitteilung ist an den Arbeitgeber zu richten. Nach herrschender Meinung gelten Arbeitskollegen oder Mitarbeiter mit untergeordneter Funktion nicht als richtige Adressaten dieser Mitteilung. Eine solche Person ist danach als Erklärungsbote einzuordnen, so dass der Arbeitnehmer das Risiko trägt, dass der Bote die Mitteilung nicht oder nicht rechtzeitig Leitergibt (vgl. BAG v. 18.2.1965, DB 1965, 824; Schmitt EFZG § 5 Rn 37; VVorzalla/Süllwald EFZG § 5 Rn 7; Zimmermann, in Reinhardt EFZG § 5 Rn 18; KunzNVedde EFZG § 5 Rn 23).
d)
Im zu entscheidenden Fall ist dem Arbeitgeber des Klägers in Person der Pflegedienstleiterin bzw. der Geschäftsführerin die Anzeige über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers frühestens 7 Stunden nach Arbeitsbeginn durch einen Erklärungsboten angezeigt worden. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zum Dienstbeginn der Pflegedienstleiterin zu seinen Gunsten als wahr unterstellt wird, sind auch für die Kammer keine Gründe ersichtlich, die den Kläger daran gehindert haben, seine Arbeitsunfähigkeit in den Vormittagsstunden gegenüber der Pflegedienstleiterin unter Nutzung eines Kommunikationsmittels anzuzeigen. Die Kammer sieht darin, ebenso wie die Beklagte, einen objektiven Verstoß des Klägers gegen die Anzeigeverpflichtung.
2.
Die Abmahnung ist wegen geringem Verschuldens des Klägers unverhältnismäßig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
a)
Aus der Legaldefinition in § 121 BGB, die „unverzüglich" mit einem Handeln ohne schuldhaftes Zögern beschreibt, folgt, dass dem Kläger an der Verletzung der Anzeigepflicht ein Verschulden treffen muss, um eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten annehmen zu können. Insoweit ist der Rechtssatz in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.09. 1988 (BAG 5 AZR 625/87, NZA 1989, 272), nach der es für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, allein darauf ankommt, ob der erhobene Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist, nicht aber, ob das beanstandete Verhalten dem
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Arbeitnehmer auch subjektiv vorgeworfen werden kann, in dem hier zu entscheidenden Fall nicht einschlägig. Unabhängig davon wird auch in der Literatur vertreten, dass eine Abmahnung grundsätzlich schuldhaftes Verhalten voraussetzt, weil eine Abmahnung die verhaltensbedingte Kündigung vorbereitet (Küttner, Eisemann, Personalbuch 2008, Abmahnung, Rz 4). Dies muss erst recht gelten, wenn die Verletzung einer Rechtsnorm abgemahnt wird, die ihrem Tatbestand nach nur verletzt sein kann, wenn der Kläger verschuldet gehandelt hat.
b)
Zwar ist es grundsätzlich Sache der Beklagten die Schwere der Pflichtverletzung des Klägers und damit auch seines Verschuldens einer Beurteilung zu unterziehen und im Ergebnis dieser Bewertung zu entscheiden, ob eine Abmahnung notwendig ist oder nicht. Dabei ist dieser Beurteilungsspielraum allerdings nicht schrankenlos, sondern unterliegt, wie jeder Belastungsakt, der gerichtlichen Kontrolle nach den Prinzipien des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Küttner, Eisemann, Personalbuch 2008, Abmahnung, Rz 28).
c)
Nach diesem Grundsatz ist eine Abmahnung dann verhältnismäßig, wenn sie vor dem Hintergrund des von ihr verfolgten Zwecks, dass dafür geeignete Mittel ist und das Ziel nicht auch mit einem milderen Mittel erreicht werden kann, die Abmahnung also erforderlich ist (BAG v. 19.01.1999, 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546-550). Ist dies zu bejahen, stellt sich die Frage, ob von der Abmahnung dennoch abgesehen werden muss, weil der mit der Zweckverfolgung erstrebte Nutzen gemessen an dem durch ihn beim Betroffenen bewirkten Schaden nicht mehr hinnehmbar erscheint (s.g. Übermaßkontrolle; BVerfG v. 09.03.19942, BvL 43/92, NJW 1994, 1577-1590).
d)
Zweck der zu beurteilenden Abmahnung ist es, den Kläger zur Einhaltung der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG und der wortgleichen Bestimmung des § 6 Abs. 3 des Manteltarifvertrages anzuhalten. Bei diesem Anliegen der Beklagten handelt es sich zweifellos um ein rechtlich zu billigendes Ziel. Auch an der Eignung der Abmahnung für einen solchen Zweck kann kein Zweifel bestehen.
e)
Allerdings heiligt im zu entscheidenden Einzelfall der verfolgte Zweck nach Auffassung der Kammer nicht jedes geeignete Mittel, sprich die streitige Abmahnung.
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f)
Die Abmahnung ist nicht schon wegen der Regelung des § 314 Abs. 2 BGB erforderlich nach herrschender Auffassung richtet sich die Pflicht zur Abmahnung auch nach Einführung fieser Bestimmung ausschließlich nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Die Rechtsprechung zur Abmahnung im Arbeitsverhältnis bleibt unberührt. (Küttner, Eisemann, Personalbuch 2008, Abmahnung, Rz 9 mwN).
g)
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger nach seiner Krankschreibung unverzüglich alles getan hat, um den reibungslosen Ablauf auf der Station ab dem 02. April 4008 zu gewährleisten, indem er dafür Sorge getragen hat, das der stellvertretende Stationspfleger von seiner Arbeitsunfähigkeit ab diesem Tag zu Beginn der Frühschicht Kenntnis hatte. Dieser war dadurch in die Lage versetzt, wie üblich, ab 06.00 Uhr auf die krankheitsbedingte Abwesenheit des Klägers reagieren zu können und eigenverantwortlich über den Personaleinsatz zu entscheiden. Tatsächlich ist es zu keinerlei Störungen im Stationsbetrieb gekommen. Die hierzu von dem Zeugen gemachte Aussage ist glaubhaft, der Zeuge glaubwürdig. Der Zeuge war erkennbar bemüht, sich an das in der Vergangenheit liegende Geschehen zu erinnern. Er war dabei durchaus bereit, sich in Einzelheiten zu korrigieren. In seinem Aussageverhalten wirkte der Zeuge sicher und im Kern seiner Aussage gab es keine Widersprüche.
h)
Im Ergebnis hat der Kläger durch sein Verhalten, auch für die Beklagte erkennbar, so gehandelt, dass mögliche negative Folgen für den Betriebsablauf, wie sie § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG nach seinem Regelungszweck gerade verhindern will, nicht eingetreten sind. Im Übrigen war diese Verfahrensweise bisher auch üblich.
i)
Es bleibt letztendlich der Vorwurf, dass der Erklärungsbote entgegen der Erwartung des Klägers die Krankmeldung nicht am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit während der ersten Arbeitsstunden dem maßgeblichen Vorgesetzten mitgeteilt hat, sondern erst gegen 13.00 Uhr.
j)
In diesen Kontext gestellt erzwingt das geringe Maß an Verschulden des Klägers und das daraus resultierende Gewicht dieses Pflichtverstoßes nach Auffassung der Kammer kein sofortiges "Durchgreifen" der Beklagten in Form einer Abmahnung. In dem tatsächlichen Verhalten des Klägers kommt nämlich zum Ausdruck, dass er sich im Falle einer Arbeitsunfähigkeit seiner Pflicht zur unverzüglichen Information seines Arbeitgebers bewusst
- 9 -
war und auch danach gehandelt hat. Soweit die Beklagte den verspäteten Eingang der Krankmeldung bei der Vorgesetzten des Klägers beanstandet, hätte der bloße Hinweis auf diesen Umstand, verbunden mit der Bitte, in der Zukunft für eine persönliche Inkenntnissetzung der Vorgesetzten zum Dienstbeginn Sorge zu tragen, dem insoweit berechtigten Interesse der Beklagten nach Auffassung der Kammer angemessen Rechnung getragen. Zu welchem Zeitpunkt genau dies die Beklagte wünscht und vor allem welcher Person gegenüber dies vor Dienstbeginn um 06.00 Uhr bei Abwesenheit der Pflegedienstleiterin und der Geschäftsführerin erfolgen soll, hat sei dem Kläger im Übrigen mit der Abmahnung noch nicht einmal mitgeteilt. Bei der gewählten Formulierung „ dass die Anzeige entsprechend der gesetzlichen bzw. der tariflichen Bestimmungen zu erfolgen hat" bleibt offen, ob damit der Dienstbeginn des Klägers gemeint ist oder der der 'Pflegedienstleiterin.
k)
Erst wenn ein derartiger kooperativer Einwirkungsversuch gescheitert oder vorhersehbar aussichtslos gewesen ist, kann in einem solchen Fall wie dem vorliegenden der Ausspruch einer Abmahnung als erforderlich angesehen werden.
l)
Eine solche negative Prognose lässt sich aus der Abmahnung vom 23. Juni 2006 nicht ohne weiteres schlussfolgern. Die dort abgemahnte Pflichtverletzung kann dann als auf einer Linie mit der Pflichtverletzung angesehen werden, wie sie in der hier in Rede stehenden Abmahnung dem Kläger vorgeworfen wird, wenn darin eine spezifische Unzuverlässigkeit des Klägers bezogen auf seine Verantwortung für seinen Aufgabenbereich gesehen werden müsste (vgl. BAG v. 16.09.2004, 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459-464). Das ist im Hinblick auf die hier streitige Abmahnung aus den in Ziffer II. h)-j) der Urteilsgründe dargelegten Gründen nicht der Fall.
m)
Der Ausspruch einer Abmahnung, die das Arbeitsverhältnis in die Nähe einer Kündigung rückt, hält die Kammer aus diesen Gründen für unverhältnismäßig. Die Beklagte hat hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
III.
a)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Danach hat die Beklagte als unterlegene Partei die Kosten zu tragen.
- 10 -
b)
Jen Wert des Streitgegenstands hat das Arbeitsgericht im Urteil festzusetzen (§ 61 Abs. 1 rbGG). Der Klageantrag ist in Höhe eines monatlichen Bruttoverdienstes bewertet worden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1, 2 Buchst. b ArbGG Berufung einlegen. Die Berufung muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft bzw. einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.
Die Berufung muss binnen eines Monats nach der Zustellung des Urteils beim
Thüringer Landesarbeitsgericht
Justizzentrum Erfurt
Rudolfstraße 46
99092 Erfurt
Telefon 036113776010
Telefax 0361/3776300
eingegangen sein.
Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils schriftlich zu begründen.
K
Vorsitzender 5. Kammer
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