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LAG Ham­burg, Be­schluss vom 05.07.2010, 7 Ta 24/09

   
Schlagworte: Geschäftsführer, Geschäftsführervertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 7 Ta 24/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 05.07.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 20.10.2009, 9 Ca 331/09
   


Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg


Be­schluss

 


Geschäfts­zei­chen:

7 Ta 24/09
(9 Ca 331/09 ArbG Ham­burg)  

In dem Be­schwer­de­ver­fah­ren

Verkündet am:
5. Ju­li 2010

 


An­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le 

 

 


er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Sieb­te Kam­mer,
auf­grund der münd­li­chen Anhörung vom 5. Ju­li 2010
durch die Vi­ze­präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts Lo­ets als Vor­sit­zen­de

Auf die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Klägers wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 20. Ok­to­ber 2009 – 9 Ca 331/09 – ab­geändert.

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Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen wird für zulässig erklärt.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens zu tra­gen.

Die Rechts­be­schwer­de wird zu­ge­las­sen.

 

 

 

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Gründe:


I.

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit zwei­er or­dent­li­cher Kündi­gun­gen.
Die Be­klag­te beschäftigt re­gelmäßig mehr als 10 Ar­beit­neh­mer, es be­steht ein Be­triebs­rat.
Der 48-jähri­ge, ver­hei­ra­te­te und ei­nem Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te Kläger war gemäß schrift­li­chem Ar­beits­ver­trag vom 15. Fe­bru­ar 2001 seit dem 01. Ju­li 1996 als kaufmänni­scher An­ge­stell­ter bei der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, der BAT (In­dus­trie) GmbH beschäftigt. Der Ar­beits­ver­trag vom 15. Fe­bru­ar 2001 be­inhal­tet u.a. ei­ne Re­ge­lung über be­son­de­ren Be­stands­schutz nach Voll­endung des 50. Le­bens­jah­res und ei­ne Re­ge­lung über die Rechts­fol­gen vor­zei­ti­ger Pen­sio­nie­rung bei Be­reichs­lei­tern. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en wur­de mit Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 01. No­vem­ber 2006 auf die Be­klag­te über­ge­lei­tet. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten wird auf die An­la­gen K 1 bis 2 zur Kla­ge­schrift ver­wie­sen.
Der Kläger be­zieht der­zeit ei­ne Fest­vergütung in Höhe brut­to € 204.515,00 jähr­lich zuzüglich ei­ner Son­der­zah­lung und ei­ner va­ria­blen Vergütung im Rah­men der Vor­ga­ben der Mut­ter­ge­sell­schaft BAT PLC, Lon­don.
Der Kläger wur­de mit Wir­kung zum 01. Fe­bru­ar 2008 in die Geschäftsführung der Be­klag­ten be­ru­fen. Ein schrift­li­cher Geschäftsführer­ver­trag wur­de zwi­schen den Par­tei­en nicht ge­schlos­sen. Bis zu sei­ner Er­nen­nung zum Geschäftsführer der Be­klag­ten be­setz­te der Kläger die Po­si­ti­on des Head of Cor­po­ra­te Con­trol­ling.
Mit Schrei­ben vom 28. Mai 2009 er­hielt der Kläger von der Be­klag­ten ei­ne Be­schluss­vor­la­ge für die Sit­zung des Auf­sichts­ra­tes am 27. Mai 2009, aus der sich er­gab, dass die Be­stel­lung des Klägers mit Wir­kung zum 15. Ju­ni 2009 aus wich­ti­gem Grund wi­der­ru­fen und das mit ihm be­ste­hen­de Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis or­dent­lich gekündigt wer­den soll­te. Auf der Sit­zung des Auf­sichts­ra­tes der Be­klag­ten vom 27. Mai 2009 wur­de der Kläger als Geschäftsführer der Be­klag­ten mit Wir­kung zum 15. Ju­ni 2009, 24 Uhr aus wich­ti­gem Grund ab­be­ru­fen. Die Ab­be­ru­fung des Klägers wur­de am 09. Ju­li 2009 in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. Hin­sicht der Ein­zel­hei­ten wird auf die An­la­gen K 5 – 7 zum Schrift­satz des Klägers vom 08. Ok­to­ber 2009 ver­wie­sen.
Mit Schrei­ben vom 03. Ju­ni 2009 erklärte die Be­klag­te die Kündi­gung des Geschäftsführer-An­stel­lungs­verhält­nis­ses zum 30. Ju­ni 2011. In­so­weit wird auf die An­la­ge K 5 zur Kla­ge­schrift ver­wie­sen.

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Die Kündi­gung vom 03. Ju­ni 2009 wur­de mit Schrei­ben des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers am 16. Ju­ni 2009 gemäß § 174 BGB zurück ge­wie­sen. In­so­weit wird auf die An­la­ge K 8 zum Schrift­satz des Klägers vom 08. Ok­to­ber 2009 ver­wie­sen.
Mit Schrei­ben vom 05. Ju­ni 2009 erklärte die Be­klag­te die vor­sorg­li­che Kündi­gung al­ler et­waig be­ste­hen­den oder sons­ti­gen Dienst­verhält­nis­se zum nächstmögli­chen Zeit­punkt. Mit Schrei­ben vom 16. Ju­ni 2009 erklärte die Be­klag­te er­neut und höchst vor­sorg­lich zum nächst­zulässi­gen Zeit­punkt die Kündi­gung al­ler et­wa be­ste­hen­den Ar­beits- oder sons­ti­gen Dienst­verhält­nis­se. In­so­weit wird auf die An­la­gen K 3 bis K 4 zur Kla­ge­schrift ver­wie­sen.
Mit der am 24. Ju­ni 2009 er­ho­be­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat sich der Kläger ge­gen die aus­ge­spro­che­nen Kündi­gun­gen vom 05. und 16. Ju­ni 2009 ge­wandt.
Mit Schrift­satz vom 26. Au­gust 2009 hat die Be­klag­te be­strit­ten, dass das Ar­beits­ge­richt für die Ent­schei­dung des Rechts­strei­tes zuständig sei.
Der Kläger hat ge­meint, das Ar­beits­ge­richt sei zuständig, da er die Fest­stel­lung be­an­tra­ge, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die bei­den streit­be­fan­ge­nen Kündi­gun­gen der Par­tei­en nicht be­en­det wird. Es han­de­le sich um ei­nen so­ge­nann­ten „Sic-non-Fall“.
Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das ursprüng­lich be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis sei mit der Be­ru­fung des Klägers in die Geschäftsführung der Be­klag­ten nicht auf­ge­ho­ben wor­den. Die Auf­he­bung hätte ei­ner schrift­li­chen Ver­ein­ba­rung be­durft. So ha­be das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en als ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis ne­ben dem Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis fort­be­stan­den und sei mit der Ab­be­ru­fung des Klägers als Geschäftsführer der Be­klag­ten ak­ti­viert wor­den.
Der Kläger hat ge­meint, die­ses Er­geb­nis sei im Übri­gen auch sach­ge­recht. Es sei kei­nes­falls an­zu­neh­men, dass er, der Kläger, mit der Be­stel­lung in die Geschäftsführung, die nur mit der tur­nusmäßigen An­he­bung sei­ner Bezüge ver­bun­den ge­we­sen sei, auf die Rech­te aus sei­nem Ar­beits­ver­trag und in­so­weit ins­be­son­de­re den 12-jähri­gen Be­stands­schutz so­wie die un­mit­tel­bar be­vor­ste­hen­de „Unkünd­bar­keit“ nach Er­rei­chen des 50. Le­bens­jah­res ver­zich­ten woll­te.

Der Kläger hat be­an­tragt,
1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 05. Ju­ni 2009 nicht be­en­det wird;

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2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 16. Ju­ni 2009 nicht be­en­det wird;

3. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern über den 30. Ju­ni 2011 hin­aus zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen fort­be­steht;

4. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger über den 30. Ju­ni 2011 hin­aus zu un­veränder­ten ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wei­ter zu beschäfti­gen.

So­wie vor­sorg­lich

5. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 03. Ju­ni 2009 nicht be­en­det wird.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat ge­meint, mit Ab­schluss des An­stel­lungs­ver­tra­ges sei das bis­he­ri­ge Ar­beits­verhält­nis be­en­det wor­den. Mit dem Geschäftsführer-Dienst­ver­trag wer­de ein Ver­trags­verhält­nis be­gründet, für das der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten nicht ge­ge­ben sei. Der An­wen­dung die­ser Recht­spre­chung ste­he auch nicht das Schrift­for­mer­for­der­nis des § 623 BGB ent­ge­gen. Dafür spre­che zum ei­nen, dass die Vor­schrift nur die „Be­en­di­gung“ des Ar­beits­verhält­nis­ses be­tref­fe. Zweck der Re­ge­lung sei we­gen der Wah­rung der Rechts­si­cher­heit und der mit die­ser ver­bun­de­nen Be­weis­funk­ti­on auch die Warn­funk­ti­on des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses, wel­che dem Ar­beit­neh­mer die ein­schnei­den­den Kon­se­quen­zen der Be­en­di­gung deut­lich ma­chen sol­le. Im Ge­gen­satz da­zu be­gründe die Be­stim­mung zum Or­gan­mit­glied aber ei­ne Bes­ser­stel­lung des Be­trof­fe­nen. An­ders als bei ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag be­ste­he hier we­der Be­darf noch be­son­de­re Rechts­si­cher­heit nach ei­ner War­nung des zukünf­ti­gen Geschäftsführers über die Fol­gen sei­ner Beförde­rung. Ter­mi­no­lo­gisch fin­de da­her le­dig­lich ei­ne in­halt­li­che „Um­ge­stal­tung“, nicht je­doch ei­ne Be­en­di­gung statt. Zwi­schen der Ge­sell­schaft und dem Ar­beit- bzw. Dienst­neh­mer be­ste­he ein Dau­er­schuld­verhält­nis. Durch den „Beförde­rungs­ver­trag“

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zum Geschäftsführer wer­de die­ses Rechts­verhält­nis nicht be­en­det, son­dern le­dig­lich ab­gelöst.
Darüber hin­aus dürfe sich der Kläger im Hin­blick auf § 242 BGB je­den­falls nicht auf das Schrift­for­mer­for­der­nis des § 623 BGB be­ru­fen. Mit der Be­stel­lung zum Geschäftsführer hätten die Par­tei­en kon­klu­dent ei­ne Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen, dass der Kläger ei­nen völlig neu­en Auf­ga­ben- und Ver­ant­wor­tungs­be­reich über­neh­me und die Pflich­ten aus sei­nem al­ten Ar­beits­verhält­nis erlöschen. Die Wei­sungs­un­ge­bun­den­heit des Geschäftsführers er­for­de­re ge­ra­de die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Dem Be­trof­fe­nen sei be­wusst, dass er sei­nen so­zia­len Be­sitz­stand aus dem Ar­beits­verhält­nis auf­ge­be. Mit der Geschäftsführ­er­be­stel­lung ha­be der Kläger außer­dem zu­gleich ei­ne höhe­re Vergütung er­hal­ten, wel­che u.a. auch ein Ri­si­ko­aus­gleich für den ver­hin­der­ten Be­stands­schutz dar­stel­le.
Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Er­geb­nis sei auch in­ter­es­sen­ge­recht. Würde das al­te Ar­beits­verhält­nis wie­der auf­le­ben, so hätte die Be­klag­te un­mit­tel­bar nach Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses wie­der die Erfüllung der (frühe­ren) ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten for­dern können. Ei­ne sol­che „Zwangs­de­gra­die­rung“ könne von den Par­tei­en nicht ge­wollt ge­we­sen sein.
Mit Be­schluss vom 20. Ok­to­ber 2009 – 9 Ca 331/09 – hat das Ar­beits­ge­richt Ham­burg den Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten für nicht eröff­net er­ach­tet und den Rechts­streit an das Land­ge­richt Ham­burg, Kam­mer für Han­dels­sa­chen, ver­wie­sen.
We­gen der Be­gründung des Ar­beits­ge­richts wird auf die Gründe des erst­in­stanz­li­chen Be­schlus­ses un­ter II. (S. 6 – 11, Bl. 69 – 74 d. A.) ver­wie­sen.
Der Kläger hat ge­gen den sei­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten am 26. Ok­to­ber 2009 zu­ge­stell­ten Be­schluss vom 09. No­vem­ber 2009 so­for­ti­ge Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se zu­gleich be­gründet.
Der Kläger rügt, das Ar­beits­ge­richt ver­ken­ne die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und der herr­schen­den Mei­nung zur Zuständig­keit der Ar­beits­ge­rich­te bei so­ge­nann­ten Sic-non-Fällen.
Der Kläger trägt zur Be­gründung sei­ner Be­schwer­de wei­ter vor, die Par­tei­en hätten mit der Be­stel­lung des Klägers zum Geschäftsführer im März 2008 aus gu­ten Gründen kei­nen schrift­li­chen, son­dern nur ei­nen münd­li­chen Geschäftsführer-Dienst­ver­trag ge­schlos­sen, da der Kläger Wert dar­auf ge­legt ha­be, die Rech­te aus dem Ar­beits­verhält­nis nicht zu ver­lie­ren. Der Kläger ha­be vor der Be­ru­fung in die Geschäftsführung in ei­nem Gespräch mit sei­nem Vor­ge­setz­ten, dem Zeu­gen Herrn

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S., im Ja­nu­ar bzw. Fe­bru­ar 2008 so­wohl in des­sen Ei­gen­schaft als Vor­ge­setz­ter als auch Geschäftsführer sei­ner Ar­beit­ge­be­rin als auch Geschäftsführer der Ge­sell­schaf­ten sei­nes Ar­beit­ge­bers aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er für den Fall der Be­ru­fung in die Geschäftsführung kei­nes­falls sei­nen Ar­beits­ver­trag bzw. sein Ar­beits­verhält­nis auf­ge­ben und auf die da­mit ver­bun­de­nen Rech­te ver­zich­ten wol­le. Er ha­be aus dem Um­stand her­aus, dass ihm, ab­wei­chend von an­de­ren Fällen, anläss­lich der Be­ru­fung in die Geschäftsführung der Be­klag­ten kein schrift­li­cher Geschäftsführer­ver­trag an­ge­bo­ten wur­de, dar­auf ver­trau­en dürfen, dass der Fort­be­stand sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­ru­fung in die Geschäftsführung nicht an­ge­tas­tet würde, zu­mal er kurz zu­vor ge­genüber dem Zeu­gen S. dar­auf hin­ge­wie­sen hätte, dass er sei­ne Rech­te aus dem Ar­beits­ver­trag nicht ver­lie­ren woll­te.
Der Kläger macht wei­ter gel­tend, das Ar­beits­ge­richt ha­be un­ge­prüft den Vor­trag der Be­klag­ten über­nom­men, dass er, der Kläger, mit sei­ner Be­stel­lung zum Geschäftsführer ei­ne höhe­re Vergütung und da­mit ei­nen Ri­si­ko­aus­gleich für den ver­min­der­ten Be­stands­schutz er­hal­ten ha­be. Die­se An­nah­me sei un­zu­tref­fend. Auch ha­be er - ent­ge­gen den Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten - auch kei­nen völlig neu­en Auf­ga­ben- und Ver­ant­wor­tungs­be­reich er­hal­ten. Da­zu trägt der Kläger wei­te­re Ein­zel­hei­ten vor.
Der Kläger meint, voll­ends ver­fehlt sei in die­sem Zu­sam­men­hang auch die Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts, dass von ei­ner kon­klu­den­ten Auf­he­bung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zu­ge­hen sei, da der Schutz­zweck des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses nach § 623 BGB vor­lie­gend ei­nen Rück­griff auf die­se Norm nicht ge­bie­te.

Der Kläger be­an­tragt,
den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 20. Ok­to­ber 2009 – 9 Ca 331/09 – ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten eröff­net ist.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die so­for­ti­ge Be­schwer­de zurück zu wei­sen.

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Sie ver­tei­digt den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts und nimmt Be­zug auf ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Sie meint, der Kläger ha­be im Zu­ge der Be­ru­fung zum Geschäftsführer der Be­klag­ten sein Ar­beits­verhält­nis ein­ver­nehm­lich in ein Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis um­ge­wan­delt. Sie trägt vor, der Kläger ha­be im Zu­ge sei­ner Be­ru­fung zum Geschäftsführer der Be­klag­ten ei­ne ganz er­heb­li­che und auch ob­jek­tiv her­aus­ra­gen­de Stei­ge­rung sei­ner Vergütung er­fah­ren. Die Ge­samt­bezüge in­klu­si­ve Bo­ni usw. hätten sich 2008 um ein 21,57% erhöht. Der Kläger ha­be im Rah­men der Um­wand­lung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis auch ein völlig neu­es Auf­ga­ben- und Ver­ant­wor­tungs­ge­biet über­nom­men. Da­zu trägt die Be­klag­te wei­te­re Ein­zel­hei­ten vor.
Die Be­klag­te be­strei­tet das be­haup­te­te Gespräch zwi­schen dem Kläger und Herrn S. im Ja­nu­ar/Fe­bru­ar 2008 und rügt, die Be­haup­tun­gen des Klägers zum The­ma der Er­hal­tung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses vor sei­ner Be­ru­fung zum Geschäftsführer sei­nen un­sub­stan­ti­iert.
Die Be­klag­te meint, es han­de­le sich bei dem Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis nicht um ein völlig neu­es, von den ursprüng­li­chen ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen los­gelöstes Rechts­verhält­nis. Viel­mehr hätten die Par­tei­en ihr Ver­trags­verhält­nis nur den geänder­ten Be­din­gun­gen an­pas­sen wol­len. Es hand­le sich so­mit um ei­ne Ände­rungs­ver­ein­ba­rung. Die vom Kläger vor­ge­nom­me­ne künst­li­che Auf­spal­tung ei­nes ein­heit­li­chen Sach­ver­halts in zwei Vorgänge, nämlich die Be­en­di­gung des ei­nen und die Neu­be­gründung des an­de­ren Dienst­verhält­nis­ses sei nicht ge­recht­fer­tigt. Dem ste­he auch die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht ent­ge­gen. In kei­ner der vom Kläger zi­tier­ten Ent­schei­dun­gen sei ein Ver­s­toß ge­gen § 623 BGB ent­schei­dungs­er­heb­lich ge­we­sen.
Ei­ne Be­ru­fung des Klägers auf die Ver­let­zung von Form­vor­schrif­ten sei im Übri­gen treu­wid­rig, weil bei­de Par­tei­en den form­wid­ri­gen Ver­trag länge­re Zeit als gültig be­han­delt hätten.
We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Par­tei­en im Be­schwer­de­ver­fah­ren wird auf die Be­schwer­de­be­gründung vom 09. No­vem­ber 2009 (Bl. 78 f. d. A.), die Be­schwer­de­er­wi­de­rung vom 18. Ja­nu­ar 2010 (Bl. 154 f. d. A.) die Schriftsätze des Klägers vom 02. Fe­bru­ar 2010 (Bl. 182 f. d. A.), der Be­klag­ten vom 15. März 2010 (Bl. 208 f. d. A.), den Schrift­satz des Klägers vom 24. März 2010 (Bl.

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220 f. d. A.), den Schrift­satz der Be­klag­ten vom 09. April 2010 (Bl. 223 d. A.) so­wie den Schrift­satz des Klägers vom 19. April 2010 (Bl. 224 d. A.) Be­zug ge­nom­men.
Ergänzend wird auf das erst­in­stanz­li­che Vor­brin­gen der Par­tei­en nebst An­la­gen so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten ver­wie­sen.

II.

1. Die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Klägers ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts ist gemäß § 17a Abs. 4 GVG statt­haft und außer­dem form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit zulässig (§ 17a Abs. 4 Satz 2 GVG, 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO). Über die so­for­ti­ge Be­schwer­de ist oh­ne­hin Hin­zu­zie­hung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu ent­schei­den (BAG Be­schluss vom 10. De­zem­ber 1992 – 8 AZR 6/92 – EZA § 17a GVG Nr. 3; Ger­mel­mann/Mat­thes/Prütting/Müller–Glöge, ArbGG, 6. Auf­la­ge, § 48 Rn. 90).

2. Die so­for­ti­ge Be­schwer­de ist auch be­gründet. Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ist eröff­net.
a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG sind die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen zuständig für bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern über das Be­ste­hen oder das Nicht­be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Der Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des ArbGG ist be­stimmt in § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gel­ten in Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son oder Per­so­nen­ge­samt­heit Per­so­nen nicht als Ar­beit­neh­mer, die kraft Ge­set­zes, Sat­zung oder Ge­sell­schafts­ver­trag al­lein oder als Mit­glie­der des Ver­tre­tungs­or­gans zur Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son oder der Per­so­nen­ge­samt­heit be­ru­fen sind. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG be­trifft das der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Rechts­verhält­nis. Die­ses ist von der Or­gan­stel­lung zu un­ter­schei­den. Die Be­stel­lung und die Ab­be­ru­fung als Ver­tre­tungs­or­gan sind aus­sch­ließlich körper­schafts­recht­li­che Rechts­ak­te. Durch sie wer­den ge­setz­li­che oder sat­zungsmäßige Kom­pe­ten­zen über­tra­gen oder wie­der ent­zo­gen. Da­ge­gen ist die An­stel­lung zum Zwe­cke des Tätig­wer­dens als Ver­tre­tungs­or­gan ein schuld­recht­li­cher Ver­trag.
Bei ei­ner Aus­ein­an­der­set­zung über Rech­te und Pflich­ten aus dem der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­den An­stel­lungs­verhält­nis ist der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten nicht ge­ge­ben, weil Or­gan­mit­glie­der we­gen § 5 Abs. 1

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Satz 3 ArbGG nicht als Ar­beit­neh­mer gel­ten. Die­se Fik­ti­on be­trifft stets das der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Rechts­verhält­nis. Da § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aus­nahms­los gilt, ist es un­er­heb­lich, ob die Ver­tre­tungs­macht im In­nen­verhält­nis be­schränkt ist (vgl. BAG vom 17. Ja­nu­ar 1985 – 2 AZR 96/84 – AP Nr. 2 zu § 5 ArbGG 1979), das Or­gan­mit­glied gel­tend macht, es sei we­gen sei­ner ein­ge­schränk­ten Kom­pe­tenz in Wirk­lich­keit Ar­beit­neh­mer ge­we­sen (BAG vom 20. Au­gust 2003 – 5 AZB 79/02 – AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979; vom 23. Au­gust 2001 – 5 AZB 9/01 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr.54 und vom 06. Mai 1999 – 5 AZB 22/98 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 ) oder sich durch die Ver­ein­ba­rung der Or­gan­stel­lung an der Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft nichts geändert hat. Auch wenn das An­stel­lungs­verhält­nis zwi­schen ju­ris­ti­scher Per­son und Ver­tre­tungs­or­gan we­gen star­ker in­ter­ner Wei­sungs­abhängig­keit als Ar­beits­verhält­nis an­zu­se­hen ist und des­halb dem ma­te­ri­el­len Ar­beits­recht un­ter­liegt, sind nach der oben zi­tier­ten Recht­spre­chung des BAG zur Ent­schei­dung von Rechts­strei­tig­kei­ten aus die­ser Rechts­be­zie­hung we­gen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 13 GVG die or­dent­li­chen Ge­rich­te be­ru­fen. Im Fall des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist die so­ge­nann­te Sic-non-Recht­spre­chung des BAG nicht an­wend­bar.
Un­er­heb­lich ist auch, ob die Or­gan­stel­lung durch Ab­be­ru­fung be­en­det wur­de oder die Ur­sa­che für den Streit nach der Ab­be­ru­fung ent­stan­den ist. Das BAG be­gründet dies da­mit, dass das An­stel­lungs­verhält­nis auch nach der Ab­be­ru­fung nicht not­wen­dig zum Ar­beits­verhält­nis wird. Viel­mehr müss­ten wei­te­re Umstände hin­zu tre­ten, aus de­nen fol­ge, dass ne­ben dem Geschäftsführer­ver­trag noch ein Ar­beits­ver­trag be­stan­den hat, ein sol­cher wie­der auf­ge­lebt ist oder dass der An­stel­lungs­ver­trag in Fol­ge der Ab­be­ru­fung zum Ar­beits­ver­trag ge­wor­den ist. So­weit Rech­te aus ei­nem wie­der auf­ge­leb­ten oder neu be­gründe­ten Ar­beits­verhält­nis gel­tend ge­macht wer­den, ist § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG al­ler­dings nicht an­zu­wen­den (BAG vom 18. De­zem­ber 1996 – 5 AZB 25/96 – EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 35; vom 25. Ju­ni 1997 – 5 AZB 41/96 – AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979).
Zahl­rei­che Ent­schei­dun­gen zum The­men­kreis der Ver­tre­tungs­or­ga­ne beschäfti­gen sich mit Kon­stel­la­tio­nen, wie der vor­lie­gen­den, in de­nen ein Mit­ar­bei­ter zunächst auf­grund ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses tätig war und später in ei­ne Or­gan­stel­lung, z. B. ei­ne Stel­lung als Geschäftsführer ei­ner ju­ris­ti­schen

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Per­son be­ru­fen wor­den ist. Vor al­lem der 2. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. nur: BAG vom 12. März 1987 – 2 AZR 336/86 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 4) ver­trat bis 1993 die Auf­fas­sung, dass bei Feh­len ei­ner aus­drück­li­chen oder kon­klu­den­ten, den ursprüng­li­chen An­stel­lungs­ver­trag auf­he­ben­den, Ver­ein­ba­rung im Zwei­fel an­zu­neh­men sei, dass z.B. der Geschäftsführer ei­ner GmbH mit sei­ner Be­stel­lung nicht endgültig den bis­her er­wor­be­nen Be­stands­schutz sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses auf­ge­ben woll­te, son­dern dass das Ar­beits­verhält­nis während sei­ner Geschäftsführ­ertätig­keit le­dig­lich ru­he. Die neue­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes, des 5. Se­nats, der jetzt für die Zuständig­keits­fra­gen aus­sch­ließlich zuständig ist, geht da­ge­gen da­von aus, dass – bei Feh­len ei­ner an­der­wei­ti­gen Ver­ein­ba­rung – das bis­he­ri­ge Ar­beits­verhält­nis mit dem Ab­schluss des An­stel­lungs­ver­tra­ges (als Or­gan­ver­tre­ter) en­det und ein ver­trag­li­ches Verhält­nis be­gründet wird, für das der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten nicht ge­ge­ben ist. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ist nun­mehr in ständi­ger Recht­spre­chung der An­sicht, dass im Fall des Ab­schlus­ses ei­nes Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges durch ei­nen an­ge­stell­ten Mit­ar­bei­ter im Zwei­fel nicht an­ge­nom­men wer­den könne, dass da­ne­ben ein ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis fort­be­ste­hen sol­le, ins­be­son­de­re nicht bei Gewährung ei­ner höhe­ren Vergütung. Be­reits ei­ne nur ge­rin­ge An­he­bung der Bezüge sei aus­rei­chend für die­se An­nah­me (vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 5 ArbGG 1979). Nach dem Wil­len der ver­trags­sch­ließen­den Par­tei­en sol­le re­gelmäßig da­ne­ben nicht noch ein Ar­beits­verhält­nis ru­hend fort­be­ste­hen. Dem Ar­beit­neh­mer müsse im Re­gel­fall klar sein, dass er, wenn nichts an­de­res ver­ein­bart wer­de, mit dem Ab­schluss sei­nes Geschäftsführer-Dienst­ver­trags sei­nen Sta­tus als Ar­beit­neh­mer auf­ge­be. Die ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen würden auf ei­ne neue Grund­la­ge ge­stellt, die bis­he­ri­ge Grund­la­ge ver­lie­re ih­re Be­deu­tung (vgl. BAG vom 08. Ju­ni 2000 – 2 AZR 207/99 – EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 35; BAG vom 14. Ju­ni 2006 – 5 AZR 592/05 – AP Nr. 62 zu § 5 ArbGG 1979 mit zahl­rei­chen wei­te­ren Nach­wei­sen zur Recht­spre­chung des BAG). Im Zwei­fel wer­de da­her nach dem Par­tei­wil­len ein be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis mit dem Ab­schluss ei­nes Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges kon­klu­dent auf­ge­ho­ben. Für ei­ne an­de­re Aus­le­gung müss­ten zu­min­dest deut­li­che An­halts­punk­te vor­lie­gen. Da­ge­gen spre­che z.B. die Ver­bes­se­rung der Vergütung in dem Geschäftsführer­verhält­nis (vgl. BAG vom

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25. April 2002 – 2 AZR 352/01 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 11; vom 14. Ju­ni 2006 a.a.O. m.w.N.). Die­se Recht­spre­chung wird in die­ser Form nicht auf­recht er­hal­ten wer­den können, denn nach § 623 BGB ist ein kon­klu­den­ter Auf­he­bungs­ver­trag nicht möglich. Ob die ab dem 01. Mai 2000 gel­ten­de Form­vor­schrift des § 623 BGB ei­ne aus­drück­li­che schrift­li­che Auf­he­bung des Ar­beits­ver­tra­ges bei Ab­schluss des Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges er­for­dert, hat das BAG in der Ent­schei­dung vom 14. Ju­ni 2006 (- 5 AZR 592/05 – a.a.O.) da­hin ste­hen las­sen, denn in dem vom BAG zu ent­schei­den­den Fall hat­ten die Par­tei­en den Geschäftsführer-An­stel­lungs­ver­trag be­reits im Jah­re 1986 ab­ge­schlos­sen. In späte­ren Ent­schei­dun­gen (vgl. BAG vom 03. Fe­bru­ar 2009 – 5 AZB 100/08 – EZA § 5 ArbGG 1979 Nr. 43) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, dass das Schrift­for­mer­for­der­nis des § 623 BGB für den Auflösungs­ver­trag durch den schrift­li­chen Geschäfts-Dienst­ver­trag ge­wahrt wer­de, denn aus die­sem er­ge­be sich die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses hin­rei­chend deut­lich, so­weit nicht et­was an­de­res ver­ein­bart wer­de (BAG vom 19. Ju­li 2007 – 6 AZR 774/06 – AP Gmb­HG § 35 Nr. 18 = EzA § 623 BGB 2002 Nr. 7).
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die ein­ver­nehm­li­che Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch ei­nen Auflösungs­ver­trag bedürfe zwar nach § 623 BGB der Schrift­form. Sei die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht aus­drück­lich ver­ein­bart, sei im We­ge der Aus­le­gung der ge­trof­fe­nen schrift­li­chen Ver­ein­ba­rung fest­zu­stel­len, ob der Wil­le, das Ar­beits­verhält­nis ein­ver­nehm­lich zu be­en­den, in der schrift­li­chen Ver­ein­ba­rung zum Aus­druck ge­kom­men ist. Außer­halb der Ur­kun­de lie­gen­de Umstände dürf­ten berück­sich­tigt wer­den, wenn der ein­schlägi­ge rechts­geschäft­li­che Wil­le der Par­tei­en in der form­ge­rech­ten Ur­kun­de ei­nen wenn auch nur un­voll­kom­me­nen oder an­deu­tungs­wei­se Aus­druck ge­fun­den hat (BAG vom 16. Sep­tem­ber 2004 – 2 AZR 628/03 – BA­GE 112, 58, 61). Sch­ließe ein Ar­beit­neh­mer mit dem Ar­beit­ge­ber ei­nen schrift­li­chen Dienst­ver­trag, der Grund­la­ge der Be­stel­lung zum Geschäftsführer ist, be­ste­he die tatsächli­che Ver­mu­tung, dass da­mit zu­gleich das zu­vor be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis auf­gelöst wird. Der neue Ver­trag sei aus­sch­ließli­che Grund­la­ge der recht­li­chen Be­zie­hung der Par­tei­en, so­fern nicht et­was an­de­res ver­ein­bart ist. Da­mit sei­en durch den schrift­li­chen Geschäftsführer-Dienst­ver­trag die zu­vor ver­ein­bar­ten Rech­te und

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Pflich­ten der Par­tei­en kon­klu­dent auf­ge­ho­ben. Die­ser Wil­le der Ver­trags­par­tei­en, das zu­vor ge­gründe­te Ar­beits­verhält­nis zu be­en­den, kom­me in dem schrift­li­chen Geschäftsführer-Dienst­ver­trag hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck (in die­sem Sin­ne auch Zöll­ner/Noack in Baum­bach/Hu­eck, Gmb­HG § 35 Rn. 173; Münch­Komm BGB/Hens­s­ler 4. Auf­la­ge § 623 Rd.Nr. 25; Ka­man­ab­rou, Der Be­trieb 2002, 146, 150; ErfK/Müller-Glöge, 9. Auf­la­ge, § 623 BGB Rn. 5 so­wie ErfK/ Koch § 5 ArbGG Rn. 9; KR – Spil­ger, Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum KSchG, 9. Auf­la­ge, § 623 BGB Rn. 239). Übe­rei­lungs­schutz ste­he dem nicht ent­ge­gen. In­so­weit sei zu berück­sich­ti­gen, dass mit dem schrift­li­chen Dienst­ver­trag ei­ne Ver­trags­ur­kun­de vor­liegt, die dem Ar­beit­neh­mer ver­deut­licht, dass nun­mehr die ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen zu sei­nem Ar­beit­ge­ber auf ei­ne neue recht­li­che Grund­la­ge ge­stellt wer­den.
c) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Umstände ist vor­lie­gend der An­stel­lungs­ver­trag der Par­tei­en vom 15. Fe­bru­ar 2001 durch den Ab­schluss des Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges mit der Be­klag­ten nicht auf­ge­ho­ben wor­den. Der An­stel­lungs­ver­trag ist we­der aus­drück­lich schrift­lich auf­ge­ho­ben wor­den noch ist der Geschäftsführer-Dienst­ver­trag schrift­lich ab­ge­schlos­sen wor­den. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts kann auf­grund der Be­stel­lung des Klägers zum Geschäftsführer und des nur münd­lich ge­schlos­se­nen Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges we­gen der Form­vor­schrift des § 623 BGB auch nicht von ei­ner kon­klu­den­ten Auf­he­bung des An­stel­lungs­ver­tra­ges aus­ge­gan­gen wer­den (eben­so LAG Bre­men vom 02. März 2006 – 3 Ta 9/06 – LA­GE § 5 ArbGG 1979 Nr. 11; LAG Nie­der­sach­sen vom 05. März 2007 – 17 Ta 618/06 – LA­GE § 623 BGB 2002 Nr. 5a; a. A.: LAG Hamm (West­fa­len) vom 30. April 2008 – 2 Ta 738/07 -, zi­tiert nach ju­ris). Die Form­vor­schrift des § 623 BGB ist für den vor­lie­gen­den Fall ein­schlägig. Es han­delt sich in Fällen der vor­lie­gen­den Art auch nicht le­dig­lich um Ände­run­gen des Ar­beits­ver­tra­ges, bei de­nen § 623 BGB nicht greift, son­dern um ei­ne Auf­he­bung des Ar­beits­ver­tra­ges und die Be­gründung ei­nes neu­en Rechts­verhält­nis­ses.
§ 623 BGB be­inhal­tet ne­ben dem Rechts­klar­heits­ge­dan­ken auch ei­ne Warn­funk­ti­on hin­sicht­lich des Ver­lus­tes der Ar­beit­neh­mer­stel­lung. Denn der un­mit­tel­ba­re Or­gan­ver­tre­ter gilt auf­grund sei­ner förm­li­chen Po­si­ti­on ent­we­der nicht als Ar­beit­neh­mer oder fällt nicht mehr un­ter den Schutz von be­stimm­ten

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Ge­set­zen. Er ver­liert da­mit we­sent­li­che Ar­beit­neh­mer­rech­te, un­be­scha­det der Tat­sa­che, dass er un­ter Umständen Ar­beit­neh­mer bleibt. Ge­ra­de vor dem in­halt­li­chen Ver­lust der Ar­beit­neh­mer­stel­lung will aber die Form­vor­schrift des § 623 BGB (auch) schützen (so zu­tref­fend Rost in FS für Wißmann 2005, 61/67 und KR Rost, a.a.O.,§ 14 KSchG Rn. 6 b, 6 c; a. A. of­fen­bar für die Fälle des Auf­stiegs ei­nes Fremd­geschäftsführers, des­sen Dienst­verhält­nis ein Ar­beits­verhält­nis ist, Er­fur­ter Kom­men­tar-Müller–Glöge, a.a.O.). In­so­fern be­darf es auch hier der Be­weis- und Rechts­si­cher­heits­funk­ti­on des § 623 BGB.
Ob darüber hin­aus sich die Vergütung des Klägers als Geschäftsführer er­heb­lich geändert hat und ihm ein neu­er Auf­ga­ben- und Ver­ant­wor­tungs­be­reich zu­ge­wie­sen wor­den ist, wie zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist, kann vor­lie­gend da­hin­ste­hen. Durch die Be­stel­lung zum Geschäftsführer und den münd­li­chen Ab­schluss ei­nes Geschäftsführer-Dienst­ver­tra­ges konn­te we­gen der Form­vor­schrift des § 623 BGB je­den­falls der An­stel­lungs­ver­trag des Klägers nicht kon­klu­dent, wie die Be­klag­te meint, auf­ge­ho­ben wer­den, son­dern Ar­beits­ver­trag blieb la­tent ru­hend, wei­ter in Kraft.
d) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist die Be­ru­fung des Klägers auf das Schrift­for­mer­for­der­nis des § 623 BGB vor­lie­gend auch nicht treu­wid­rig.
Die Be­ru­fung auf den Man­gel der ge­setz­li­chen Schrift­form kann zwar aus­nahms­wei­se ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen. Grundsätz­lich ist die Ein­hal­tung der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Form je­doch zu be­ach­ten. Wenn die Form­vor­schrif­ten des bürger­li­chen Rechts nicht aus­gehöhlt wer­den sol­len, kann ein Form­m­an­gel nur aus­nahms­wei­se nach § 242 BGB als un­be­acht­lich an­ge­se­hen wer­den (BAG vom 16. Sep­tem­ber 2004 – 2 AZR 659/03 – EzA BGB 2002 § 623 BGB Nr. 1). Das kann un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­bots wi­dersprüchli­chen Ver­hal­tens (ve­ni­re con­tra fac­tum pro­pri­um) dann der Fall sein, wenn der Erklärungs­geg­ner ei­nen be­son­de­ren Grund hat­te, auf die Gültig­keit der Erklärung trotz des Form­m­an­gels zu ver­trau­en und der Erklären­de sich mit der Be­ru­fung auf den Form­m­an­gel zum ei­ge­nen vor­her­ge­hen­den Ver­hal­ten in Wi­der­spruch setzt. So zum Bei­spiel, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ner Be­en­di­gungs­ab­sicht mit ganz be­son­de­rer Ver­bind­lich­keit und Endgültig­keit mehr­fach Aus­druck ver­lieh und da­mit ei­nen be­son­de­ren

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Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen hat­te (BAG a.a.O.). Ein sol­cher Fall liegt im Streit­fall, in dem mit der Be­klag­ten höchs­tens von ei­ner kon­klu­den­ten Auf­he­bung des bis­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­ses nach der neue­ren Recht­spre­chung des BAG aus­ge­gan­gen wer­den könn­te, er­sicht­lich nicht vor. Die Be­klag­te hat in­so­weit auch kei­ne Tat­sa­chen da­zu vor­ge­tra­gen, dass der Kläger sei­ne Be­en­di­gungs­ab­sicht in ir­gend­ei­ner Wei­se mit be­son­de­rer Ver­bind­lich­keit und Endgültig­keit Aus­druck ver­lie­hen hat. Im Ge­gen­teil, hat der Kläger vor­ge­tra­gen, er ha­be ge­genüber dem Zeu­gen S., dem da­ma­li­gen Geschäftsführer der Be­klag­ten, im Ja­nu­ar/Fe­bru­ar 2008 aus­drück­lich erklärt, sei­ne Recht aus dem bis­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis durch die Be­stel­lung zum Geschäftsführer nicht ver­lie­ren zu wol­len.
Al­lein dar­aus, dass der Kläger das Geschäftsführer-Dienst­verhält­nis über ei­nen länge­ren Zeit­raum aus­geübt hat, kann ein sol­cher Ver­trau­en­stat­be­stand hin­sicht­lich der Be­en­di­gungs­ab­sicht des Klägers nicht ent­nom­men wer­den. Die Be­klag­te hat auch kei­nen be­son­de­ren Grund vor­ge­tra­gen, nach Einführung des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses des § 623 BGB – und der seit­her in der Li­te­ra­tur dis­ku­tier­ten Pro­ble­ma­tik des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses – auf die Auflösung des bis­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis­ses trotz des Form­m­an­gels zu ver­trau­en., ob­wohl hier nicht ein­mal ein schrift­li­cher Geschäftsführer-An­stel­lungs­ver­trag ge­schlos­sen wur­de.
Nach al­lem ist für die vom Kläger er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen die Kündi­gun­gen der Be­klag­ten vom 5. Ju­ni 2010 und vom 16. Ju­ni 2010 des nach Be­en­di­gung der Or­gan­stel­lung wie­der auf­ge­leb­ten Ar­beits­verhält­nis­ses der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten eröff­net.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO in Ver­bin­dung mit § 78 Satz 1 ArbGG.

IV.

We­gen der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm (Be­schluss vom 30. April 2008 – 2 Ta 738/07) – ver­tre­te­nen ab­wei­chen­den Auf­fas­sung hat das Be­schwer­de­ge­richt gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG, 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, 78 S. 2, 72 Abs. 2 Nr.2 ArbGG die Rechts­be­schwer­de zu­ge­las­sen.

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