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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/208

Frist­lo­se Kün­di­gung von Chef­arzt Hup­pertz un­wirk­sam

Die frist­lo­se Ent­las­sung des Chef­arz­tes der Bre­mer Pro­fes­sor-Hess-Kin­der­kli­nik war un­ver­hält­nis­mä­ßig: Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven, Ur­teil vom 23.05.2012, 2 Ca 2565/11
Mundschutz In Deutsch­land wird zu we­nig ge­gen mul­ti­re­sis­ten­te Kei­me in Kran­ken­häu­sern ge­tan

24.05.2012. Im No­vem­ber 2011 sorg­te der Hy­gie­ne­skan­dal in ei­ner Bre­mer Kin­der­kli­nik für bun­des­wei­tes Auf­se­hen. Der ge­gen nor­ma­le An­ti­bio­ti­ka wi­der­stands­fä­hi­ge ("mul­ti­sis­ten­te") Keim kleb­si­el­la pneu­mo­niae hat­te den Tod drei­er Früh­ge­bo­re­ner in der Pro­fes­sor-Hess-Kin­der­kli­nik ver­ur­sacht. Wie die­ser Darm­keim, der für ge­sun­de Men­schen un­ge­fähr­lich ist, den Weg in die Or­ga­nis­men der Früh­chen ge­fun­den hat, ist bis heu­te un­ge­klärt.

Ob­wohl die Ver­ur­sa­chungs­fra­ge of­fen ist, sprach die Kli­nik­lei­tung dem Chef­arzt der Kin­der­kli­nik, Pro­fes­sor Hans-Iko Hup­pertz, die frist­lo­se Kün­di­gung aus. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Kün­di­gungs­schutz­kla­ge des Chef­arz­tes hat­te ges­tern vor dem Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven Er­folg: Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven, Ur­teil vom 23.05.2012, 2 Ca 2565/11.

Tod drei­er Frühchen we­gen Hy­gie­nemängeln in ei­ner Kin­der­kli­nik als Grund für die frist­lo­se Kündi­gung des Chef­arz­tes?

Der Chef­arzt ei­ner Kli­nik trägt die me­di­zi­ni­sche Ver­ant­wor­tung für al­le As­pek­te der Pa­ti­en­ten­ver­sor­gung, ein­sch­ließlich der Hy­gie­ne. Kommt es zu gra­vie­ren­den Hy­gie­nemängeln wie in der Bre­mer Pro­fes­sor-Hess-Kin­der­kli­nik, muss die Kli­nik­lei­tung re­agie­ren al­les tun, um die Ur­sa­chen der Hy­gie­nemängel auf­zuklären, al­lein schon des­halb, um wei­te­re In­fek­tio­nen zu ver­hin­dern.

Aber genügt der durch mul­ti­re­sis­ten­te Darm­kei­me ver­ur­sach­te Tod drei Frühge­bo­re­ner, um den Chef­arzt ei­ner Kin­der­kli­nik frist­los aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen zu kündi­gen? Dann wäre al­lein die ein­ge­tre­te­ne Fol­ge von Hy­gie­nemängeln Grund ge­nug, um dem Chef­arzt vor­zu­hal­ten, er hätte ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen.

An die­ser Stel­le muss sich je­de Kli­nik­lei­tung klar­ma­chen, dass Chefärz­te Ar­beit­neh­mer sind und als sol­che Kündi­gungs­schutz in An­spruch neh­men können. Da­her muss die Kli­nik für die frist­lo­se außer­or­dent­li­che Kündi­gung ei­nes Chef­arz­tes ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) vor­wei­sen können. Dass un­geklärte To­desfälle als sol­che noch kein sol­cher wich­ti­ger Grund sind, zeigt der Fall von Pro­fes­sor Hans-Iko Hup­pertz, der ge­gen sei­ne frist­lo­se Kündi­gung er­folg­reich Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben hat.

Pro­fes­sor Hans-Iko Hup­pertz kann wie­der als Chef­arzt der Bre­mer Kin­der­kli­nik ar­bei­ten

In dem Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven ging es um die Fra­ge, ob und - falls ja in wel­cher Wei­se der gekündig­te Chef­arzt Hup­pertz den Kei­maus­bruch (mit-)ver­ur­sacht hat­te, der auf der mitt­ler­wei­le ge­schlos­se­nen Frühge­bo­ren­sta­ti­on der Pro­fes­sor-Hess-Kin­der­kli­nik zum Tod drei­er Frühchen geführt hat­te. Da Prof. Hup­pertz zu­gleich auch Hy­gie­ne­be­auf­trag­ter und Lei­ter der Frühge­bo­re­nen­sta­ti­on war, muss er sich vie­le Fra­gen ge­fal­len las­sen. Aber erst de­ren Be­ant­wor­tung kann Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung sein.

Denn für ei­ne außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung müssen dem gekündig­ten Chef­arzt kon­kre­te Pflicht­verstöße nach­zu­wei­sen sein. Und die­se Schnit­zer müssen so gra­vie­rend sein, dass der Kli­nik die Fortz­set­zung des Ar­beits­verhält­nis nicht mehr zu­zu­mu­ten ist - noch nicht ein­mal bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist. Sol­che schwer­wie­gen­den Feh­ler konn­te die Kli­nik vor Ge­richt nicht be­le­gen.

Außer­dem stellt sich bei je­der frist­lo­sen Kündi­gung die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber auch mit we­ni­ger gra­vie­ren­den Maßnah­men re­agie­ren könn­te, um den Ar­beit­neh­mer "aus der Schuss­li­nie" zu neh­men. Sol­che Maßnah­men wären hier möglich ge­we­sen, so das Ar­beits­ge­richt Bre­men-Bre­mer­ha­ven. So hätte man dem Chef­arzt die Auf­ga­ben als stell­ver­tre­ten­der Geschäftsführer und als Hy­gie­ne­be­auf­trag­ter ent­zie­hen können oder man hätte mit ei­ner Ände­rungskündi­gung re­agie­ren und Prof. Hup­pertz auf die­sem We­ge die Lei­tung der Frühge­bo­re­nen­sta­ti­on ent­zie­hen können.

Fa­zit: Kann der Ar­beit­ge­ber an­statt mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung auch mit mil­de­ren Mit­teln wie der Ent­zie­hung ein­zel­ner Ar­beits­auf­ga­ben oder mit ei­ner Ände­rungskündi­gung re­agie­ren, ist ei­ne frist­lo­se Kündi­gung un­verhält­nismäßig und da­her un­wirk­sam. Das gilt auch zu­guns­ten von Ar­beit­neh­mern in lei­ten­der Funk­ti­on wie für Chefärz­te. An­statt Prof. Hup­pertz bei nach wie vor un­kla­rer Ver­ur­sa­chungs­fra­ge frist­los zu ent­las­sen, soll­te die Kli­nik ihn bes­ser in die wei­te­re Ur­sa­chen­aufklärung ein­bin­den.

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Letzte Überarbeitung: 8. November 2016

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