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Fahrt zur Arbeit kann Arbeitszeit sein
22.02.2016. Laut einer aktuellen Studie der DGB arbeitet etwa die Hälfte aller Beschäftigten nicht an ihrem Wohnort. Deutlich gestiegen ist in den vergangenen Jahren der Studie zufolge vor allem die Zahl der Fernpendler, die mehr als 150 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt arbeiten. Sie kletterte um 200 000 auf gut 1,2 Millionen Menschen.
Aus gutem Grund fragen sich daher viele Arbeitnehmer, ob die Fahrzeiten zur Betriebsstätte hin und zurück als Arbeitszeit anzusehen sind. Dabei geht es nicht nur um die Vergütung dieser Zeiten als Arbeitszeit, sondern auch um das Einhalten der Höchstarbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun festgestellt, dass die Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, Arbeitszeit darstellen. Er wies darauf hin, dass es dem unionsrechtlichen Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zuwiderlaufen würde, wenn diese Fahrten keine Arbeitszeit wären: EuGH, Urteil vom 10.09.2015, C-266/14.
- Wann ist eine Arbeitsfahrt als Arbeitszeit anzusehen?
- Der zugrundeliegende Streitfall: Spanisches Unternehmen stuft Fahrzeit zwischen Wohnort des Außendienstmitarbeiters und erstem und letztem Kundenstandort als Ruhezeit ein
- EuGH: Die Zeit, die ein Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort für den Weg zum ersten Kunden braucht, ist Arbeitszeit
Wann ist eine Arbeitsfahrt als Arbeitszeit anzusehen?
Ob der Arbeitsweg als Arbeitszeit einzustufen ist, kann aus zwei Gründen relevant werden:
Der Arbeitnehmer ist zunächst einmal natürlich interessiert daran zu wissen, ob der Arbeitsweg auch als vollständige Arbeitszeit vergütet wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) grundsätzlich nicht der Fall (BAG, Urteil vom 14.12.2010, 9 AZR 686/09). Etwas anderes gilt jedoch für Außendienstmitarbeiter, die ohne festen Arbeitsort tätig werden. Der 5. Senat hatte in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Anfahrt von der Wohnung zum ersten Kunden und die Abfahrt vom letzten Kunden bis nach Hause als Arbeitszeit zu vergüten sind (Urteil vom 22.04.2009, 5 AZR 292/08).
Neben der Klärung der Vergütung stellt sich Frage, ob der Arbeitsweg zur Arbeitszeit zählt, auch aus Gründen des Arbeitsschutzes. Denn das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt fest, wie lange und wann der Arbeitnehmer aus Sicht des Gesetzgebers höchstens arbeiten darf, um seine Sicherheit und Gesundheit nicht zu gefährden (§ 1 ArbZG). In § 3 ArbZG hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, dass eine werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden noch gesundheitsverträglich ist. Unter bestimmten Umständen kann die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden verlängert werden. Diese Obergrenze von zehn Stunden darf grundsätzlich nicht überschritten werden. Falls der Arbeitsweg stets als Arbeitszeit einzuordnen ist, kommt man mit Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstätte schon mal schnell auf mehr als zehn Stunden. Fraglich ist daher, was unter "Arbeitszeit" nach dem ArbZG zu verstehen ist.
Nach § 2 ArbZG ist die Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit ohne Ruhepausen Arbeitszeit. Die Arbeitszeit beginnt und endet daher mit der Aufnahme bzw. Beendigung der Arbeitsleistung. Ob auch die An- und Abfahrt zur Arbeitsleistung und damit zur Arbeitszeit zählt, ist hingegen nicht gesetzlich geregelt. Möglicherweise kann ein Rückgriff auf die dem ArbZG zugrundeliegende Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) etwas Licht ins Dunkle bringen. Die Arbeitszeitrichtlinie sieht in ihrem Art. 2 vor, dass unter Arbeitszeit "jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt" zu verstehen ist. "Ruhezeit" bezeichnet hingegen "jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“.
Daraus ergibt sich unterm Strich, dass der Weg zur Arbeit - zumindest wenn der Arbeitnehmer währenddessen keine Tätigkeiten für den Arbeitgeber ausüben muss - grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu werten ist. Da der Arbeitnehmer selbst entscheiden kann, ob er sich eine Wohnung nah an der Betriebsstätte oder doch lieber außerhalb der Stadt im Grünen suchen möchte, sind die Zeiten für die An- und Abfahrt des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zum Betrieb des Arbeitgebers vielmehr seiner privaten Lebensführung zuzuordnen. Hinzu kommt, dass er während dieser Fahrten von der Wohnung zur Betriebsstätte und zurück (zumindest eingeschränkt) eigenen Interessen (bspw. Lesen) nachgehen kann. Hierbei spielt es keine Rolle, welches Verkehrsmittel der Arbeitnehmer für seine An- bzw. Abreise nutzt.
Bei Dienstreisen ist zu differenzieren. Sie sind als Arbeitszeit einzustufen, wenn der Arbeitnehmer die Dienstreise in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Erledigung seiner Arbeitsaufgaben (bspw. Bearbeitung von Akten, E-Mails usw.) nutzen muss. Umstritten ist die Einordnung, wenn der Arbeitnehmer auf der Dienstreise selbst ein Fahrzeug lenken muss. Diejenigen, die solche Dienstreisen als Arbeitszeit einstufen, begründen dies damit, dass die Reisezeit für den Arbeitnehmer dann mit einer zusätzlichen Belastung verbunden ist. Klar ist die Rechtslage hingegen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine entsprechenden Aufgaben zuweist, sodass der Arbeitnehmer einfach in den Zug hüpfen und "entspannt" zum Kunden fahren kann. Diese Zeit ist grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu werten. Der gleiche Maßstab ist bei Fahrten von dem Betrieb zu einer außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstätte (bspw. bei einem Kundenbesuch) anzulegen.
Der EuGH hat nun in seiner Entscheidung vom 10.09.2015 (C-266/14) festgestellt, dass bei Arbeitnehmern, die im Außendienst ohne festen Arbeitsort tätig werden, die Fahrt vom Wohnort zum ersten Kunde und die Fahrt vom letzten Kunden unmittelbar nach Hause auch aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht als Arbeitszeit zu werten ist.
Der zugrundeliegende Streitfall: Spanisches Unternehmen stuft Fahrzeit zwischen Wohnort des Außendienstmitarbeiters und erstem und letztem Kundenstandort als Ruhezeit ein
In dem aus Spanien stammenden Streitfall müssen die bei dem spanischen Unternehmen "Tyco" angestellten Techniker täglich von ihrem Wohnort zu den verschiedenen Kundenstandorten fahren. Eine feste Betriebsstätte gab es für die Techniker seit Schließung der Regionalbüros im Jahr 2011 nicht mehr.
Die Fahrzeit zwischen dem Wohnort der Außendienstmitarbeiter und dem Standort des ersten und des letzten Kunden stufte das Unternehmen nicht als Arbeitszeit sondern als Ruhezeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie an. Als Arbeitszeit wurden nur die Einsatzzeiten an den Kundenstandorten selbst sowie die Fahrzeiten von einem Kunden zum anderen berücksichtigt. Die Entfernung zwischen dem Wohnort der Techniker und ihren Einsatzorten kann dabei beträchtlich variieren und manchmal über 100 Kilometer (aufgrund des Verkehrsaufkommens teilweise bis zu drei Stunden) betragen.
Vor der Schließung seiner Regionalbüros hatte Tyco die tägliche Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer ab der Ankunft im Büro berechnet. Dort wurde den Technikern ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, sowie die Kundenliste und der Fahrplan übergeben. Die Arbeitszeit endete mit der Rückkehr ins Büro am Abend, sobald das Fahrzeug abgegeben wurde.
Das mit der Rechtssache befasste spanische Gericht legte dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vor, ob die Zeiten, die ein Arbeitnehmer, dem kein fester Arbeitsort zugewiesen ist, für die Fahrten zu Kundenstandorten zu Beginn und am Ende eines Arbeitstages aufwendet, Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie ist.
EuGH: Die Zeit, die ein Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort für den Weg zum ersten Kunden braucht, ist Arbeitszeit
Der EuGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Zeit, die ein Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort für den Weg zum ersten Kunden braucht, Arbeitszeit ist. Dies gilt gleichermaßen für den Weg vom letzten Kunden unmittelbar nach Hause. In seiner Begründung prüft der EuGH, ob die Fahrzeit zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück unter die in Art. 2 der Arbeitszeitrichtlinie genannte Definition wonach unter Arbeitszeit "jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt" zu verstehen ist, fällt.
Der EuGH stellt zunächst fest, dass nicht nur die Wartung und Installation der Sicherheitssysteme zu den Arbeitsaufgaben bzw. Tätigkeiten der angestellten Techniker gehören. Vielmehr sind die Fahrten als notwendige Mittel, damit die Techniker diese Leistungen bei den Kunden erbringen können, ebenfalls als solche einzustufen (Rn. 32).
Dafür spricht laut EuGH auch, dass Tyco vor Schließung der Regionalbüros die Fahrten der Techniker zu Beginn und am Ende des Tages zu bzw. von den Kundenstandorten als Arbeitszeit betrachtete (Rn. 33).
Die Luxemburger Richter stellen zudem fest, dass die Techniker ihrem Arbeitgeber während dieser Zeit auch im Sinne des Art. 2 der Arbeitszeitrichtlinie "zur Verfügung" stehen. Dies ergibt sich daraus, dass die Techniker während der Fahrten zu den Kundenstandorten den Anweisungen des Arbeitgebers unterliegen, der die Kundenreihenfolge nach eigenem Belieben ändern oder einen Termin streichen oder hinzufügen kann. Jedenfalls - so der EuGH - haben die Außendienstmitarbeiter während der erforderlichen Fahrzeit nicht die Möglichkeit frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen (Rn. 44).
Fazit: Die Entscheidung des EuGH ist richtig. Bislang gibt es, soweit ersichtlich, noch keine Rechtsprechung des BAG dazu, ob solche Fahrten auch aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht als Arbeitszeit anzusehen sind. Das BAG ordnete die entsprechenden Fragen lediglich aus lohnrechtlicher Perspektive als Arbeitszeit an. Die Entscheidung des EuGH führt damit letztlich zu einem Gleichauf von arbeitsschutzrechtlicher und lohnrechtlicher Bewertung solcher Fahrten von Außendienstmitarbeitern.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10.09.2015, C-266/14 (Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras ./. Tyco)
- Schlussanträge des Generalanwalts vom 11.06.2015, Rs. C-266/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2010, 9 AZR 686/09
- Handbuch: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
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Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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