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BAG, Be­schluss vom 20.05.2010, 6 AZR 148/09 (A)

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Lebensaltersstufen, BAT, Tarif
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 148/09 (A)
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 20.05.2010
   
Leitsätze:

1. Ob eine tarifliche Entgeltregelung, die wie § 27 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT die Grundvergütungen in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen bemisst, deshalb keine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des aus dem Primärrecht der Europäischen Union abgeleiteten Verbots der Altersdiskriminierung in seiner Konkretisierung durch die RL 2000/78/EG beinhaltet, weil sie bei generalisierender Betrachtung Berufserfahrung honoriert, hängt von der Auslegung des Rechts der Europäischen Union ab. Diese Auslegung ist dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorbehalten.

2. Soweit es bei der Beantwortung dieser Frage auf das ebenfalls im europäischen Primärrecht gewährleistete Recht auf Kollektivverhandlungen und die dabei den Tarifvertragsparteien zustehende Tarifautonomie ankommt, kann die Auflösung einer Kollision mit dem allgemeinen Gleichheitssatz bzw. dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ebenfalls nur durch den Gerichtshof der Europäischen Union erfolgen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.08.2007, 86 Ca 1696/07
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2008, 20 Sa 2244/07
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


6 AZR 148/09 (A)
20 Sa 2244/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet am

20. Mai 2010

BESCHLUSS

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

be­klag­tes, be­ru­fungs­be­klag­tes und re­vi­si­ons­kla­gen­des Land,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Mai 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Oye und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Schipp be­schlos­sen:
 


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I. Dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wird gemäß Art. 267 des Ver­trags über die Ar­beits­wei­se der Eu­ropäischen Uni­on (AEUV) fol­gen­de Fra­ge vor­ge­legt:


Verstößt ei­ne ta­rif­li­che Ent­gelt­re­ge­lung für die An­ge­stell­ten im öffent­li­chen Dienst, die wie § 27 Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) in Ver­bin­dung mit dem Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT die Grund­vergütun­gen in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen nach Le­bens­al­ters­stu­fen be­misst, auch un­ter Berück­sich­ti­gung des primärrecht­lich gewähr­leis­te­ten Rechts der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auf Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen (jetzt Art. 28 GRC) ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters (jetzt Art. 21 Abs. 1 GRC) in sei­ner Kon­kre­ti­sie­rung durch die Richt­li­nie 2000/78/EG?


II. Das Ver­fah­ren wird aus­ge­setzt.

Gründe


A. Ge­gen­stand des Aus­gangs­ver­fah­rens


Das Aus­gangs­ver­fah­ren be­trifft die Fra­ge, ob ei­ne Vergütungs­re­ge­lung im Ta­rif­recht des öffent­li­chen Diens­tes für die An­ge­stell­ten ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters (jetzt Art. 21 Abs. 1 der Char­ta der Grund­rech­te [GRC] vom 12. De­zem­ber 2007 [ABl. EU Nr. C 303 vom 14. De­zem­ber 2007 S. 1]) in sei­ner Kon­kre­ti­sie­rung durch die Richt­li­nie des Ra­tes zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (RL 2000/78/EG) vom 27. No­vem­ber 2000 (ABl. EG Nr. L 303 vom 2. De­zem­ber 2000 S.16) ver­s­toßen hat.


B. Recht­li­cher Rah­men


In der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land re­geln nicht nur Ge­set­ze die Rech­te und Pflich­ten der im öffent­li­chen Dienst Beschäftig­ten. An­ders als bei den Be­am­ten wer­den die Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich der Höhe der Vergütung der An­ge­stell­ten von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (Ge­werk­schaf­ten, Ver-



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bände bzw. Ta­rif­ge­mein­schaf­ten öffent­li­cher Ar­beit­ge­ber oder ein­zel­ne öffent­li­che Ar­beit­ge­ber) in Ta­rif­verträgen fest­ge­legt. Ge­werk­schaf­ten und ta­rif­sch­ließen­de Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gun­gen wer­den auch als Ko­ali­tio­nen be­zeich­net. Die Nor­men ei­nes Ta­rif­ver­trags gel­ten für die Mit­glie­der der Ko­ali­tio­nen un­mit­tel­bar und zwin­gend.


Art. 9 Abs. 3 des Grund­ge­set­zes (GG) (BGBl. 1949 S. 1) gewähr­leis­tet das Recht, zur Wah­rung und Förde­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen Ver­ei­ni­gun­gen zu bil­den. We­gen die­ser Ver­fas­sungs­ga­ran­tie hat der Staat nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (zu­letzt 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08 - Rn. 29) die Re­ge­lung der Ar­beits­be­din­gun­gen grundsätz­lich den Ko­ali­tio­nen in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung und im We­sent­li­chen oh­ne staat­li­che Ein­fluss­nah­me zu über­las­sen (vgl. BVerfG 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93 - und - 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271).


I. Das bis zum 31. März 2010 maßgeb­li­che Ta­rif­recht


Die Ar­beits­verhält­nis­se der An­ge­stell­ten im öffent­li­chen Dienst be­ru­hen auf ei­nem pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­ver­trag. Für die An­ge­stell­ten der im Ta­rif­be­reich als „Bund“ be­zeich­ne­ten Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wur­de der Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) ab­ge­schlos­sen. Der BAT galt auch für die An­ge­stell­ten der Bun­desländer und der Ge­mein­den. Im öffent­li­chen Dienst wird in den Ar­beits­verträgen grundsätz­lich ver­ein­bart, dass die für den Ar­beit­ge­ber gel­ten­den Ta­rif­verträge An­wen­dung fin­den. So wird die Gleich­be­hand­lung der Beschäftig­ten er­reicht, auch wenn die­se kei­ner Ko­ali­ti­on an­gehören.


Der BAT re­gel­te, dass sich die Vergütung der An­ge­stell­ten aus der Grund­vergütung und dem Orts­zu­schlag zu­sam­men­setzt (§ 26 BAT). Die Grund­vergütung be­maß sich nach Vergütungs­grup­pen, von de­nen die Grup­pe X die nied­rigs­te und die Grup­pe I die höchs­te war. Die Ein­grup­pie­rung ei­nes An­ge­stell­ten in ei­ne der Vergütungs­grup­pen I bis II a setz­te grundsätz­lich ei­ne ab­ge­schlos­se­ne wis­sen­schaft­li­che Hoch­schul­bil­dung und ei­ne ent­spre­chen­de Tätig­keit vor­aus. In den ins­ge­samt 18 Vergütungs­grup­pen wur­den die An-
 


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ge­stell­ten sog. Le­bens­al­ters­stu­fen zu­ge­ord­net. Die Höhe der Grund­vergütung stieg al­le zwei Jah­re mit Er­rei­chen ei­ner höhe­ren Le­bens­al­ters­stu­fe an, bis die End­grund­vergütung er­reicht war. Das war in den Vergütungs­grup­pen I bis I b mit der Le­bens­al­ters­stu­fe 47, in den Vergütungs­grup­pen II a bis V b mit der Stu­fe 45, in der Vergütungs­grup­pe V c mit der Stu­fe 41, in der Vergütungs-grup­pe VI a mit der Stu­fe 49, in den Vergütungs­grup­pen VI b und VII mit der Stu­fe 43, in der Vergütungs­grup­pe VIII mit der Stu­fe 39 und in den Vergütungs­grup­pen IX a bis X mit der Stu­fe 37 der Fall. Im Re­gel­fall wur­den die Le­bens­al­ters­stu­fen mit der Voll­endung des Le­bens­jah­res er­reicht, das der Be­nen­nung der Stu­fe ent­sprach, al­so zB die Le­bens­al­ters­stu­fe 35 mit dem 35. Ge­burts­tag.


Die Zu­ord­nung zu den Le­bens­al­ters­stu­fen re­gel­te für den Zuständig­keits­be­reich des Bun­des und der Länder § 27 Ab­schn. A BAT wie folgt:

„(1) Im Vergütungs­ta­rif­ver­trag sind die Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen nach Le­bens­al­ters­stu­fen zu be­mes­sen. Die Grund­vergütung der ers­ten Le­bens­al­ters­stu­fe (An­fangs­grund­vergütung) wird vom Be­ginn des Mo­nats an ge­zahlt, in dem der An­ge­stell­te in den Vergütungs­grup­pen III bis X das 21. Le­bens­jahr, in den Vergütungs­grup­pen I bis II b das 23. Le­bens­jahr voll­endet. Nach je zwei Jah­ren erhält der An­ge­stell­te bis zum Er-rei­chen der Grund­vergütung der letz­ten Le­bens­al­ters­stu­fe (End­grund­vergütung) die Grund­vergütung der fol­gen­den Le­bens­al­ters­stu­fe.

(2) Wird der An­ge­stell­te in den Vergütungs­grup­pen III bis X spätes­tens am En­de des Mo­nats ein­ge­stellt, in dem er das 31. Le­bens­jahr voll­endet, erhält er die Grund­vergütung sei­ner Le­bens­al­ters­stu­fe. Wird der An­ge­stell­te zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt ein­ge­stellt, erhält er die Grund­vergütung der Le­bens­al­ters­stu­fe, die sich er­gibt, wenn das bei der Ein­stel­lung voll­ende­te Le­bens­al­ter um die Hälf­te der Le­bens­jah­re ver­min­dert wird, die der An­ge­stell­te seit Voll­endung des 31. Le­bens­jah­res zurück­ge­legt hat. Je­weils mit Be­ginn des Mo­nats, in dem der An­ge­stell­te ein Le­bens­jahr mit un­ge­ra­der Zahl voll­endet, erhält er bis zum Er­rei­chen der End­grund­vergütung die Grund­vergütung der fol­gen­den Le­bens­al­ters­stu­fe. Für An­ge­stell­te der Vergütungs­grup­pen I bis II b gel­ten die Sätze 1 bis 3 ent­spre­chend mit der Maßga­be, daß an die Stel­le des 31. Le­bens­jah­res das 35. Le­bens­jahr tritt.
...“



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Die An­la­ge 1c zum Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT wies ab dem 1. Mai 2004 für die An­ge­stell­ten der Vergütungs­grup­pen I bis X für den Be­reich des Bun­des und der Länder aus­zugs­wei­se in Eu­ro fol­gen­de An­fangs- und End­grund­vergütun­gen aus, wo­bei die Vergütungs­grup­pe I a für den Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens maßgeb­lich war:

Vergütungs­grup­pe  An­fangs­grund­vergütung  End­grund­vergütung 
I 3.011,68 4.971,06 
I a 2.775,96 4.293,34
I b 2.467,85 3.931,31
II a 2.187,49 3.419,91
...    
IV a 1.762,31 2.809,85
...    
VI a 1.275,43 1.850,13
...    
X 944,99 1.151,21


Für die An­ge­stell­ten der Ge­mein­den galt nach dem BAT ein et­was an­de­res, im Grund­satz aber eben­falls vom Le­bens­al­ter abhängi­ges Vergütungs­sys­tem.


Zusätz­lich zur Grund­vergütung wur­de nach dem BAT den An­ge­stell­ten ein sog. „Orts­zu­schlag“ ge­zahlt. Die­ser glich ent­ge­gen sei­nem Wort­laut nicht die un­ter­schied­lich ho­hen Le­bens­hal­tungs­kos­ten an ver­schie­de­nen Ein­satz-or­ten aus. Er soll­te viel­mehr die mit ei­nem be­stimm­ten Fa­mi­li­en­stand ver­bun­de­nen fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen des An­ge­stell­ten min­dern. Der Orts­zu­schlag der Stu­fe 1 als So­ckel­be­trag von zu­letzt ca. 500,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich wur­de über­wie­gend an le­di­ge und ge­schie­de­ne An­ge­stell­te ge­zahlt. Vor al­lem ver­hei­ra­te­te und ver­wit­we­te An­ge­stell­te er­hiel­ten den Orts­zu­schlag der Stu­fe 2, der zu­letzt um et­wa 100,00 Eu­ro brut­to höher war als der Orts­zu­schlag der Stu­fe 1. Den Orts­zu­schlag der Stu­fe 3 er­hiel­ten schließlich die An­ge­stell­ten, die Kin­der



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zu un­ter­hal­ten hat­ten. Die­ser Teil des Orts­zu­schlags be­trug je Kind zu­letzt noch rund 90,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich. Die Ein­zel­hei­ten er­ga­ben sich aus § 29 BAT.


Das be­klag­te Land schloss am 31. Ju­li 2003 mit meh­re­ren Ge­werk­schaf­ten den Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung von Ta­rif­verträgen des öffent­li­chen Diens­tes (An­wen­dungs-TV). Die­ser Ta­rif­ver­trag re­gel­te ua., dass sich die Ar­beits­verhält­nis­se der beim be­klag­ten Land beschäftig­ten An­ge­stell­ten mit be­stimm­ten Maßga­ben nach den Vor­schrif­ten des BAT in der Fas­sung vom 31. Ja­nu­ar 2003 und den An­la­gen zum Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT für den Be­reich des Bun­des und für den Be­reich der Ta­rif­ge­mein­schaft deut­scher Länder (TdL) rich­ten. § 4 Ab­schn. A Abs. 1 An­wen­dungs-TV be­stimm­te ua., dass die Höhe der Grund­vergütung für An­ge­stell­te in den Vergütungs-grup­pen II b und höher 88 vH der in den An­la­gen zum Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT aus­ge­wie­sen Vergütun­gen beträgt.


II. Das ak­tu­el­le Ta­rif­recht


Der BAT und der Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT sind für den Be­reich des Bun­des und der Ge­mein­den mit Wir­kung ab 1. Ok­to­ber 2005, für den Be­reich der Länder mit Aus­nah­me des Lan­des Hes­sen und des be­klag­ten Lan­des mit Wir­kung ab 1. No­vem­ber 2006 durch an­de­re ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen er­setzt wor­den. Am 12. März 2010 hat das be­klag­te Land mit ver­schie­de­nen Ge­werk­schaf­ten ei­ne Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen. In Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 die­ser Ver­ein­ba­rung ist ge­re­gelt, dass das Vergütungs­sys­tem des BAT er­setzt wird und grundsätz­lich das Ta­rif­recht der an­de­ren Länder in dy­na­mi­scher Form mit Wir­kung ab 1. April 2010 über­nom­men wird. Das neue Ent­gelt­sys­tem des be­klag­ten Lan­des sieht da­mit kei­ne Le­bens­al­ters­stu­fen mehr vor, son­dern stellt für die Höhe des Ent­gelts auf Tätig­keit, Be­rufs­er­fah­rung und Leis­tung ab.


III. Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz


Am 18. Au­gust 2006 ist zur Um­set­zung der RL 2000/78/EG das All-ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) vom 14. Au­gust 2006 (BGBl. I S. 1897) in Kraft ge­tre­ten. Die­ses ver­bie­tet in § 3 in Ver­bin­dung mit § 1 und § 2
 


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Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Al­ters beim Ar­beits­ent­gelt. In § 10 heißt es ua.:

„§ 10 Zulässi­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters.

Un­ge­ach­tet des § 8 ist ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters auch zulässig, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels müssen an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein. Der­ar­ti­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lun­gen können ins­be­son­de­re Fol­gen­des ein­sch­ließen:

1. ...

2. die Fest­le­gung von Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter, die Be­rufs­er­fah­rung oder das Dienst­al­ter für den Zu­gang zur Beschäfti­gung oder für be­stimm­te mit der Beschäfti­gung ver­bun­de­ne Vor­tei­le,
...“

C. Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens

Der 1967 ge­bo­re­ne Kläger war vom 16. März 1998 bis zum 31. März 2009 beim be­klag­ten Land als An­ge­stell­ter beschäftigt. Im Ar­beits­ver­trag war ver­ein­bart, dass auf das Ar­beits­verhält­nis die für das be­klag­te Land gel­ten­den Ta­rif­verträge An­wen­dung fin­den. Das be­klag­te Land zahl­te dem als Geschäftsführer ei­nes Pfle­ge­heim­be­trie­bes in der Vergütungs­grup­pe I a der An­la­ge 1a zum BAT ein­grup­pier­ten Kläger nach Voll­endung sei­nes 39. Le­bens­jah­res Grund­vergütung in Höhe von mo­nat­lich 3.336,09 Eu­ro brut­to. Die Grund­vergütung der Le­bens­al­ters­stu­fe 47 be­trug in der Vergütungs­grup­pe I a bei Berück­sich­ti­gung der im An­wen­dungs-TV ge­re­gel­ten Ab­sen­kung 3.787,14 Eu­ro brut­to und war da­mit um 451,05 Eu­ro höher.


Der Kläger ist der An­sicht, ihm ste­he die Vergütung der höchs­ten Le­bens­al­ters­stu­fe der Vergütungs­grup­pe I a BAT zu. Die Staf­fe­lung der Grund­vergütung nach Le­bens­al­ters­stu­fen stel­le ei­ne nicht zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung jünge­rer An­ge­stell­ter we­gen des Al­ters dar.
 


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Der Kläger hat, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Be­deu­tung, be­an­tragt fest­zu­stel­len,

dass das be­klag­te Land ver­pflich­tet ist, ihn vom 1. Sep­tem­ber 2006 bis zum 31. März 2009 gemäß der Vergütungs­grup­pe I a BAT in Ver­bin­dung mit dem An-wen­dungs-TV ent­spre­chend der Le­bens­al­ters­stu­fe 47 zu vergüten.

Das be­klag­te Land hat ge­meint, die Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen stel­le kei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung des Klägers we­gen des Al­ters dar. Die Grund­vergütung knüpfe nicht in ers­ter Li­nie an das Le­bens­al­ter, son­dern an die Be­rufs­er­fah­rung an.


D. Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit und Erläute­rung der Vor­la­ge­fra­ge


I. Der An­spruch des Klägers auf Grund­vergütung nach der Le­bens­al­ters­stu­fe 47 für die Mo­na­te Sep­tem­ber 2006 bis März 2009 setzt vor­aus, dass das be­klag­te Land dem Kläger nicht die Grund­vergütung der nach der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung je­weils zu­tref­fen­den Le­bens­al­ters­stu­fe der Vergütungs­grup­pe I a der An­la­ge 1a zum BAT zu zah­len hat­te. Die­se Vor­aus­set­zung ist nur dann erfüllt, wenn die in § 27 Ab­schn. A BAT an­ge­ord­ne­te Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen im Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen un­wirk­sam war. Dies ist dann der Fall, wenn das nach dem Al­ter ge­staf­fel­te Ent­gelt­sys­tem des BAT, auf das der An­wen­dungs-TV grundsätz­lich ver­weist, ge­gen das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ver­stieß. Die­ses Ver­bot ist als ein all­ge­mei­ner Grund­satz des Uni­ons­rechts an­zu­se­hen, jetzt in Art. 21 Abs. 1 GRC aus­drück­lich ge­nannt und wird durch die RL 2000/78/EG kon­kre­ti­siert. Der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt zu ent­schei­den­de Sach­ver­halt fällt in den sach­li­chen und zeit­li­chen An­wen­dungs­be­reich die­ser Richt­li­nie. Der Kläger macht gel­tend, die Be­mes­sung sei­ner Grund­vergütung nach Le­bens­al­ters­stu­fen in den Mo­na­ten Sep­tem­ber 2006 bis März 2009 ha­be


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ge­gen das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung ver­s­toßen. Im über­wie­gen­den Teil des Kla­ge­zeit­raums war die für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ua. hin­sicht­lich des Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mals „Al­ter“ bis zum 2. De­zem­ber 2006 verlänger­te Um­set­zungs­frist ab­ge­lau­fen (vgl. EuGH 19. Ja­nu­ar 2010 - C-555/07 - [Kücükde­ve­ci] Rn. 21 f., 24 f., NZA 2010, 85). Das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung er­fasst als Kon­kre­ti­sie­rung des primärrecht­li­chen all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes (jetzt Art. 20 GRC) auch Ta­rif­verträge (vgl. für das Ge­bot der Ent­gelt­gleich­heit EuGH 8. April 1976 - Rs. 43/75 - [De­fren­ne] Rn. 39, Slg. 1976, 455). Die Vor­la­ge­fra­ge be­trifft die vom Kläger gel­tend ge­mach­te Ver­let­zung des Ver­bots der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung durch das ta­rif­li­che Ent­gelt­sys­tem des BAT und da­mit die Aus­le­gung von Uni­ons­recht, die dem Ge­richts­hof vor­be­hal­ten ist.


II. Die recht­li­che Zulässig­keit der Be­mes­sung der Grund­vergütung nach Le­bens­al­ters­stu­fen im Ent­gelt­sys­tem des BAT wird kon­tro­vers dis­ku­tiert.


1. Der ganz über­wie­gen­de Teil des Schrift­tums und ein Teil der In­stanz­ge­rich­te neh­men ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters an. Ei­ne le­bens­al­ters­abhängi­ge Ent­gelt­staf­fe­lung be­nach­tei­ligt nach die­ser An­sicht jünge­re An­ge­stell­te da­durch, dass sie im Ver­gleich zu den älte­ren An­ge­stell­ten ei­ne ge­rin­ge­re Vergütung er­hal­ten. Maßge­bend für die An­nah­me ei­ner nicht ge­recht­fer­tig­ten Be­nach­tei­li­gung ist da­bei, dass sich die Grund­vergütung in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen nicht nach dem Dienst­al­ter oder der Be­rufs­er­fah­rung, son­dern aus­drück­lich nach dem Le­bens­al­ter des An­ge­stell­ten be­misst. Dies be­wir­ke, so die Ver­tre­ter die­ser An­sicht, dass ein An­ge­stell­ter, der bei sei­ner Ein­stel­lung das 31. bzw. 35. Le­bens­jahr voll­endet ha­be, im Ver­gleich zu ei­nem jünge­ren An­ge­stell­ten auch dann ei­ne höhe­re Grund­vergütung er­hal­te, wenn er über kei­ne ein­schlägi­ge Be­rufs­er­fah­rung verfüge, die ihn befähi­ge, sei­ne Ar­beit bes­ser zu ver­rich­ten. Dies sei selbst dann der Fall, wenn der jünge­re An­ge­stell­te größere Be­rufs­er­fah­rung ha­be. Auch dar­aus, dass bei ei­ner Ein­stel­lung des An­ge­stell­ten nach Voll­endung des 31. bzw. 35. Le­bens­jah­res sein Al­ter für die Zu­ord­nung zu ei­ner Le­bens­al­ters­stu­fe gemäß § 27 Ab­schn. A Abs. 2 BAT zwar nicht mehr vollständig berück­sich­tigt wer­de, die Jah­re nach der Voll­endung des 31. bzw. 35. Le­bens­jah­res aber noch
 


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zur Hälf­te zähl­ten, wer­de deut­lich, dass älte­re An­ge­stell­te un­abhängig von ei­ner ein­schlägi­gen Be­rufs­er­fah­rung im Ver­gleich zu jünge­ren An­ge­stell­ten ei­ne höhe­re Grund­vergütung er­hiel­ten. Po­ten­ti­el­le späte­re Vor­tei­le könn­ten schon des­halb nicht berück­sich­tigt wer­den, weil ei­ne sol­che Kom­pen­sa­ti­on oft nicht ein­tre­te, zB bei ei­nem Aus­schei­den des An­ge­stell­ten aus dem öffent­li­chen Dienst oder bei Ablösung des bis­he­ri­gen Ent­gelt­sys­tems durch Ent­gelt­re­ge­lun­gen, die nicht mehr auf das Le­bens­al­ter des An­ge­stell­ten ab­stell­ten.

2. Ein klei­ne­rer Teil des Schrift­tums und der In­stanz­ge­rich­te hal­ten die Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen bei ge­ne­ra­li­sie­ren­der Be­trach­tung durch le­gi­ti­me Zie­le im Sin­ne von § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG für ge­recht­fer­tigt. Die höhe­re Grund­vergütung älte­rer An­ge­stell­ter glei­che de­ren höhe­ren fi­nan­zi­el­len Be­darf aus dem so­zia­len Um­feld aus. Sie sei auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ho­no­rie­rung größerer Le­bens- und Be­rufs­er­fah­rung ge­recht­fer­tigt. Bei der ge­bo­te­nen ge­ne­ra­li­sie­ren­den Be­trach­tung be­ste­he ein Zu­sam­men­hang zwi­schen Le­bens­al­ter ei­ner­seits und Beschäfti­gungs­dau­er und Be­rufs­er­fah­rung an­de­rer­seits. Ein jünge­rer An­ge­stell­ter verfüge ty­pi­scher­wei­se im Ge­gen­satz zu ei­nem älte­ren An­ge­stell­ten nicht über ei­ne lan­ge Beschäfti­gungs­dau­er und wei­se kei­ne langjähri­ge Be­rufs­er­fah­rung auf. Auch ein Ent­gelt­sys­tem, das auf die Be­triebs­treue des An­ge­stell­ten oder sei­ne Be­rufs­er­fah­rung bei der Be­mes­sung des Ent­gelts ab­stel­le, dif­fe­ren­zie­re zwar nicht un­mit­tel­bar nach dem Al­ter, je­doch mit­tel­bar nach Merk­ma­len, die bei ge­ne­ra­li­sie­ren­der Be­trach­tung bei älte­ren An­ge­stell­ten eher erfüllt sei­en als bei jünge­ren An­ge­stell­ten.


III. Die Ge­set­zes­be­gründung zu § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG geht da­von aus, dass hin­sicht­lich des Ent­gelts ei­ne An­knüpfung an die Be­rufs­er­fah­rung eher zu recht­fer­ti­gen sein kann als ei­ne An­knüpfung an das bloße Le­bens­al­ter (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).


IV. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat zur Rechts­la­ge vor dem In­kraft­tre­ten des AGG und vor Be­kannt­wer­den der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zum primärrecht­li­chen Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung die Be­mes­sung der Grund-
 


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vergütung in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen nach Le­bens­al­ters­stu­fen grundsätz­lich für recht­lich zulässig ge­hal­ten. Es hat an­ge­nom­men, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten mit der Staf­fe­lung der ta­rif­li­chen Vergütung nach dem Al­ter die Gren­zen ih­rer au­to­no­men Re­ge­lungs­be­fug­nis nicht über­schrit­ten. In sei­ner Ent­schei­dung vom 19. Ok­to­ber 2000 (- 6 AZR 244/99 - zu II 2 a der Gründe, ZTR 2001, 362) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus­geführt, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten da­mit zum Aus­druck ge­bracht, dass sie ei­ner größeren Le­bens­er­fah­rung bei der Ein­stel­lung und ei­ner da­nach hin­zu­kom­men­den Be­rufs­er­fah­rung ei­ne höhe­re Grund­vergütung zu­bil­li­gen. Sie hätten den Zu­wachs an Le­bens­er­fah­rung mit zu­neh­men­dem Al­ter bis zum voll­ende­ten 31. bzw. 35. Le­bens­jahr im glei­chen Maße wie ei­ne Be­rufs­er­fah­rung ge­wer­tet. Da die Le­bens­er­fah­rung mit zu­neh­men­dem Al­ter stei­ge, sei es nicht sach­fremd, die Vergütung je­weils am Ge­burts­tag des Beschäftig­ten zu erhöhen.


V. Art. 2 Abs. 2 RL 2000/78/EG un­ter­schei­det zwi­schen Dis­kri­mi­nie­run­gen, die un­mit­tel­bar auf den in Art. 1 RL 2000/78/EG an­geführ­ten Merk­ma­len be­ru­hen, und mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­run­gen.


1. Während die­je­ni­gen Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren, die mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­run­gen be­wir­ken können, nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG schon der Qua­li­fi­ka­ti­on als Dis­kri­mi­nie­rung ent­ge­hen, so­fern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind, sieht Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG für Un­gleich­be­hand­lun­gen, die un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­run­gen dar­stel­len, kei­ne Aus­nah­me vor (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 59, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 9). Ei­ne le­bens­al­ters­abhängi­ge Ent­gelt­staf­fe­lung knüpft un­mit­tel­bar an das Merk­mal des Al­ters an.

2. Al­ler­dings wur­de mit Art. 6 RL 2000/78/EG we­gen der Be­son­der­hei­ten des Al­ters­kri­te­ri­ums ei­ne Aus­nah­me­re­ge­lung spe­zi­ell für Un­gleich­be­hand­lun­gen aus Gründen des Al­ters ein­geführt. Nach dem 25. Erwägungs­grund der Richt­li­nie ist nämlich „un­be­dingt zu un­ter­schei­den zwi­schen ei­ner Un­gleich-


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be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht-fer­tigt ist, und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung, die zu ver­bie­ten ist“ (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 60, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 9). Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters stel­len nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG dann kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b RL 2000/78/EG er­laubt aus­drück­lich die Fest­le­gung von Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter, die Be­rufs­er­fah­rung oder das Dienst­al­ter für be­stimm­te mit der Beschäfti­gung ver­bun­de­ne Vor­tei­le. Die Be­mes­sung der Grund­vergütung in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen könn­te nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b RL 2000/78/EG des­halb ge­recht­fer­tigt sein, weil die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des An­wen­dungs-TV mit dem Ver­weis auf die le­bens­al­ters­abhängi­ge Ent­gelt­staf­fe­lung des BAT ei­ne größere Le­bens­er­fah­rung bei der Ein­stel­lung und ei­ne da­nach hin­zu­kom­men­de Be­rufs­er­fah­rung ho­no­rie­ren woll­ten und mit der Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen nach Le­bens­al­ters­stu­fen die Gren­zen ih­rer aus Art. 28 GRC ab­zu­lei­ten­den au­to­no­men Re­ge­lungs­be­fug­nis nicht über­schrit­ten.

VI. In der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist grundsätz­lich an­er­kannt, dass Be­rufs­er­fah­rung ho­no­riert wer­den darf, wenn sie den Ar­beit­neh­mer befähigt, sei­ne Ar­beit bes­ser zu ver­rich­ten. Ist dies der Fall, be­darf die Un­gleich­heit des Ent­gelts auf­grund der An­wen­dung des Dienst­al­ter­kri­te­ri­ums (An­ci­en­ni-tät) grundsätz­lich kei­ner be­son­de­ren Recht­fer­ti­gung (vgl. EuGH 3. Ok­to­ber 2006 - C-17/05 - [Cad­man] Rn. 34 bis 36, Slg. 2006, I-9583; 7. Fe­bru­ar 1991 - C-184/89 - [Nimz] Slg. 1991, I-297; 17. Ok­to­ber 1989 - Rs. 109/88 - [Dan­foss] Rn. 24 bis 25, Slg. 1989, 3199). Die Le­bens­al­ters­stu­fen des BAT könn­ten bei ge­ne­ra­li­sie­ren­der Be­trach­tung Be­rufs­er­fah­rung ho­no­rie­ren, die den An­ge­stell­ten befähigt, sei­ne Ar­beit bes­ser zu ver­rich­ten. Die Un­gleich­heit des Ent­gelts bedürf­te dann trotz der er­heb­li­chen Dif­fe­ren­zen zwi­schen der An­fangs-


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und End­grund­vergütung in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen auf­grund der An­wen­dung des Dienst­al­ter­kri­te­ri­ums mögli­cher­wei­se kei­ner darüber hin­aus-ge­hen­den be­son­de­ren Recht­fer­ti­gung (vgl. EuGH 18. Ju­ni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 47, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 11; 3. Ok­to­ber 2006 - C-17/05 - [Cad­man] aaO; 17. Ok­to­ber 1989 - Rs. 109/88 - [Dan­foss] aaO). In die­sem Fall hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des An­wen­dungs-TV den ih­nen nach Art. 28 GRC zu­kom­men­den Re­ge­lungs­spiel­raum nicht über­schrit­ten und die Vor­la­ge­fra­ge wäre zu ver­nei­nen.


VII. Der ob­jek­ti­ve Cha­rak­ter des Kri­te­ri­ums des Dienst­al­ters hängt al­ler­dings von den Umständen des Ein­zel­falls ab und ins­be­son­de­re da­von, wel­che Be­zie­hung zwi­schen der aus­geübten Tätig­keit und der Be­rufs­er­fah­rung be­steht. Ob Min­dest­an­for­de­run­gen an das Dienst­al­ter oder die Be­rufs­er­fah­rung dem le­gi­ti­men Ziel der Ho­no­rie­rung der Stei­ge­rung der Qua­li­fi­ka­ti­on die­nen, könn­te des­halb stets ei­ne Fra­ge des Ein­zel­falls sein. Es gibt Be­ru­fe, in de­nen die Be­rufs­er­fah­rung fortwährend die Qua­li­fi­ka­ti­on erhöht, während in an­de­ren Tätig­kei­ten nach ei­ner anfäng­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­ons­stei­ge­rung ei­ne Sta­gna­ti­on folgt. Dies könn­te ei­ner ge­ne­ra­li­sie­ren­den Be­trach­tung und pau­scha­len Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen ent­ge­gen­ste­hen und ei­nen Ver­s­toß ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Al­ters be­gründen.


Al­ler­dings läge kein Ver­s­toß ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Al­ters vor, wenn je­den­falls Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, hier die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des An­wen­dungs-TV bzw. des BAT, auf­grund ih­rer Sachnähe und im In­ter­es­se der Prak­ti­ka­bi­lität des ta­rif­li­chen Ent­gelt­sys­tems im Rah­men ei­ner pau­scha­li­sie­ren­den Be­trach­tung zu der An­nah­me be­fugt wären, dass mit ei­nem höhe­ren Le­bens­al­ter ty­pi­scher­wei­se auch ei­ne größere Be­rufs­er­fah­rung ver­bun­den ist. Auch dann wäre die Vor­la­ge­fra­ge zu ver­nei­nen.

1. Das Recht auf Durchführung kol­lek­ti­ver Maßnah­men ist in der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs als Grund­recht an­er­kannt (EuGH 18. De­zem­ber 2007 - C-341/05 - [La­val un Part­ne­ri] Rn. 90 f., Slg. 2007, I-11767). Vor­stu­fe kol­lek­ti­ver Maßnah­men sind Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen. Zum Recht auf Kol­lek­tiv-


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ver­hand­lun­gen gehört un­trenn­bar die Ta­rif­au­to­no­mie. Sie stellt si­cher, dass die Ko­ali­tio­nen in gebühren­der Un­abhängig­keit un­ter Be­ach­tung be­stimm­ter Gren­zen die Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen aus­han­deln können (Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin Trs­ten­jak vom 14. April 2010 in der Rechts­sa­che - C-271/08 - Rn. 77 - 80, 205). Auch der Gleich­heits­satz, aus dem sich ua. das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung (Art. 21 Abs. 1 GRC) ab­lei­tet, ist seit lan­gem als Ge­mein­schafts­grund­recht an­er­kannt (EuGH 19. Ok­to­ber 1977 - Rs. 117/76 - und - Rs. 16/77 - [Ruck­de­schel] Rn. 7, Slg. 1977, 1753) und in­zwi­schen in Art. 20 der GRC ver­an­kert.


2. Der Ge­richts­hof hat bis­her le­dig­lich zur Kol­li­si­on von Grund­frei­hei­ten und Grund­rech­ten Stel­lung ge­nom­men (EuGH 12. Ju­ni 2003 - C-112/00 - [Schmid­ber­ger] Rn. 81, Slg. 2003, I-5659; 11. De­zem­ber 2007 - C-438/05 - [In­ter­na­tio­nal Trans­port Workers’ Fe­de­ra­ti­on und Fin­nish Sea­men’s Uni­on („Vi­king Li­ne“)] Rn. 77 ff., Slg. 2007, I-10779; 18. De­zem­ber 2007 - C-341/05 - [La­val un Part­ne­ri] Rn. 101, Slg. 2007, I-11767). Außer Zwei­fel steht al­ler­dings, dass die Ko­ali­tio­nen trotz Ta­rif­au­to­no­mie nicht zwin­gen­de uni­ons­recht­li­che Vor­ga­ben um­ge­hen und Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te aus­he­beln dürfen (vgl. Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin Trs­ten­jak vom 14. April 2010 in der Rechts­sa­che - C-271/08 - Rn. 225; Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts Dar­mon vom 13. No­vem­ber 1990 in der Rechts­sa­che - C-184/89 - [Nimz], Rn. 20, Slg. 1991, I-297; vgl. auch KOM [1999] 565 endg., S. 15). Nicht geklärt ist je­doch, wel­che Be­deu­tung und wel­ches Ge­wicht der Ta­rif­au­to­no­mie bei der Prüfung der Ver­ein­bar­keit von ta­rif­li­chen Ent­gelt­re­ge­lun­gen mit dem Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung als Aus­prägung des Gleich­heits­sat­zes zu­kommt.


a) Nach na­tio­na­lem Rechts­verständ­nis wird die Kol­li­si­on zwi­schen dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und der eben­falls grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Ta­rif­au­to­no­mie als be­son­de­rer Aus­prägung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit des Art. 9 Abs. 3 GG nach dem Grund­satz der prak­ti­schen Kon­kor­danz zum Aus­gleich ge­bracht. Auch die Ko­ali­tio­nen sind an den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz ge­bun­den. Ih­nen wird al­so kei­ne Re­ge­lungs­kom­pe­tenz zu­ge­bil­ligt, sach- oder gleich­heits­wid­ri­ge Grup­pen­bil­dun­gen vor­zu­neh­men. Das Grund-

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ge­setz geht je­doch da­von aus, dass die Ko­ali­tio­nen die je­wei­li­gen In­ter­es­sen von Beschäftig­ten und Ar­beit­ge­bern be­zo­gen auf die ma­te­ri­el­len Ar­beits­be­din­gun­gen an­ge­mes­se­ner zum Aus­gleich brin­gen als der Staat (BVerfG 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93 - und - 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271). Den Ko­ali­tio­nen wird des­halb we­gen ih­rer Sachnähe ein Be­ur­tei­lungs- und Ge­stal­tungs­spiel­raum in Be­zug auf die ih­ren Re­ge­lun­gen zu­grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen und In­ter­es­sen so­wie die Fol­gen ih­rer Norm­set­zung zu­ge­stan­den.


Die­se Einschätzungs­präro­ga­ti­ve führt in der Pra­xis nicht zu ei­nem Vor­rang der Ta­rif­au­to­no­mie ge­genüber dem Gleich­heits­satz. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat wie­der­holt ent­schie­den, dass die Gren­zen der au­to­no­men Re­ge­lungs­be­fug­nis über­schrit­ten sind, und es hat den un­ge­recht­fer­tigt Be­nach­tei­lig­ten An­spruch auf die ver­sag­te Leis­tung gewährt. So hat es den Aus­schluss von ei­ner ta­rif­li­chen Be­sitz­stands­zu­la­ge we­gen der In­an­spruch­nah­me von El­tern­zeit (BAG 18. De­zem­ber 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 19 ff., NZA 2009, 391) oder von ta­rif­li­chem Son­der­ur­laub zur Kin­der­be­treu­ung (BAG 18. De­zem­ber 2008 - 6 AZR 890/07 - Rn. 20 ff., ZTR 2009, 322) eben­so be­an­stan­det wie die Be­nach­tei­li­gung al­lein­er­zie­hen­der El­tern bei der Be­rech­nung des Ver­gleichs­ent­gelts we­gen der Ab­leis­tung von Wehr- oder Zi­vil­dienst ih­rer Söhne (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 -). Den Aus­schluss gleich­ge­schlecht­li­cher ein­ge­tra­ge­ner Le­bens­part­ner von ta­rif­li­chen fa­mi­li­en­stands­be­zo­ge­nen Leis­tun­gen hat es als Ver­s­toß ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG an­ge­se­hen (BAG 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - und - 6 AZR 156/09 -).


b) Die Auflösung ei­ner Kol­li­si­on zwi­schen dem primärrecht­lich gewähr­leis­te­ten Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters und dem eben­falls primärrecht­lich gewähr­leis­te­ten Recht auf Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen kann nicht durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt er­fol­gen. Die Fra­ge, ob die Kon­zep­ti­on des Aus­gleichs kol­li­die­ren­der Grund­rechts­po­si­tio­nen im na­tio­na­len Ver­fas­sungs­recht auf den Aus­gleich kol­li­die­ren­der Grund­rech­te im Uni­ons­recht über­tra­gen wer­den kann oder wie auf an­de­re Wei­se ein Aus­gleich zwi­schen Ta­rif­au­to­no­mie und Gleich­heits­satz zu fin­den ist, hat al­lein der Ge­richts­hof zu ent-
 


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schei­den (vgl. zur grundsätz­li­chen Über­trag­bar­keit von für na­tio­na­le Grund­rechts­ka­ta­lo­ge ent­wi­ckel­ten Rechts­fi­gu­ren auf die Ebe­ne der Eu­ropäischen Uni­on Münch­Kom­mEu­Wett­bR/Skou­ris/Kraus Ein­lei­tung Rn. 355; für ei­nen Aus­gleich am Maßstab des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin Trs­ten­jak vom 14. April 2010 in der Rechts­sa­che - C-271/08 - Rn. 189 ff.).

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