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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/105

Be­triebs­ver­ein­ba­rung - zu lan­ge Kün­di­gungs­frist ist un­wirk­sam

Ein Be­triebs­rat kann nicht kurz vor sei­ner Ab­wahl die Kün­di­gungs­fris­ten für be­ste­hen­de Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen schran­ken­los ver­län­gern und den neu­en Be­triebs­rat da­mit lahm­le­gen: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 03.03.2011, 9 TaBV 168/10
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09.03.2012. Der Be­triebs­rat kann wäh­rend sei­ner vier­jäh­ri­gen Amts­zeit (§§ 13, 21 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz - Be­trVG) Ein­fluss im Be­trieb neh­men. Das gilt vor al­lem bei der Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten.

Hier hat der Be­triebs­rat z.B. ein Mit­be­stim­mungs­recht in be­zug auf das Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb (§ 87 Abs.1 Nr.1 Be­trVG) und kann über die Ei­ni­gungs­stel­le ei­ne ver­bind­li­che Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­zwin­gen (§ 87 Abs.2 Be­trVG). Ei­ne sol­che Be­triebs­ver­ein­ba­rung wirkt im Be­trieb wie ein Ge­setz, d.h. "un­mit­tel­bar und zwin­gend" (§ 77 Abs.4 Satz 1 Be­trVG).

Nor­ma­ler­wei­se gilt für ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­ne Kün­di­gungs­frist von drei Mo­na­ten (§ 77 Abs. 5 Be­trVG), doch kön­nen Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber auch län­ge­re Kün­di­gungs­fris­ten ver­ein­ba­ren. Das geht aber nicht so weit, dass Kün­di­gungs­fris­ten kurz vor der Be­triebs­rats­wahl ziel­ge­rich­tet so ex­trem ver­län­gert wer­den, dass der neue Be­triebs­rat da­mit lahm­ge­legt wird. Das hat das hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) in ei­nem ak­tu­el­len Be­schluss klar­ge­stellt: Hes­si­sches LAG, Be­schluss vom 03.03.2011, 9 TaBV 168/10.

Darf ein Be­triebs­rat kurz vor sei­ner Ab­wahl die Künd­bar­keit sei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen be­schränken?

Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen gel­ten nicht nur für die Amts­pe­ri­ode des Be­triebs­rats, der die Be­triebs­ver­ein­ba­rung aus­ge­han­delt hat, son­dern auch darüber hin­aus. Neu gewähl­te Be­triebsräte müssen da­her mit den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ih­rer Vorgänger le­ben.

Da die für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen vom Ge­setz an­ge­ord­ne­te drei­mo­na­ti­ge Kündi­gungs­frist in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung verkürzt oder verlängert wer­den kann, könn­ten fin­di­ge Be­triebsräte, die "ih­ren" Ar­beit­ge­ber vor all­zu ra­di­ka­len For­de­run­gen künf­ti­ger Be­triebsräte schützen wol­len, auf die Idee kom­men, ih­ren Be­triebs­rats-Nach­fol­ger durch ex­trem lan­ge Kündi­gungs­fris­ten lahm­zu­le­gen.

Im Prin­zip funk­tio­niert so et­was, da das Mit­be­stim­mungs­recht in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten nach § 87 Be­trVG vom Be­triebs­rat nur in An­spruch ge­nom­men wer­den kann, wenn es nicht be­reits ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu dem The­ma gibt, das der Be­triebs­rat ger­ne re­geln möch­te. Der An­spruch des Be­triebs­rats auf Mit­be­stim­mung ist dann be­reits erfüllt.

Aber ziel­ge­rich­te­te Kündi­gungs­fris­ten-Verlänge­rungs­ak­tio­nen können rechts­miss­bräuch­lich und da­mit un­wirk­sam sein, so das Hes­si­sche LAG.

Hes­si­sches LAG: Ziel­ge­rich­te­te Verlänge­rung vie­ler Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen kurz vor ei­ner Neu­wahl können un­wirk­sam sein

Ein Che­mie­un­ter­neh­men hat­te mit ei­nem sei­ner Be­triebsräte ei­ne Rei­he von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ab­ge­schlos­sen, die mit der nor­ma­len Drei­mo­nats­frist künd­bar wa­ren, al­ler­dings je­weils nur zum En­de ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res. Kurz vor den Be­triebs­rats­wah­len En­de 2009 änder­te der noch am­tie­ren­de Be­triebs­rat zu­sam­men mit dem Ar­beit­ge­ber auf ei­nen Schlag 16 Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, al­ler­dings nur in be­zug auf die Kündi­gungs­frist. Die geänder­ten Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen soll­ten nun frühes­tens zum En­de 2012 (!) mit ei­ner sechs­mo­na­ti­gen Frist künd­bar sein.

Der neue Be­triebs­rat zog vor Ge­richt und woll­te fest­stel­len las­sen, dass die­se Ände­run­gen un­wirk­sam sind. Vor dem Ar­beits­ge­richt Darm­stadt hat­te er zwar kei­nen Er­folg (Be­schluss vom 23.09.2011, 9 BV 7/10), aber dafür vor dem LAG. Da die al­ten Be­triebs­par­tei­en auf ei­nen Schlag meh­re­re Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen geändert hat­ten, hier aber nur die Kündi­gungs­fris­ten, be­wer­te­te das LAG die­se Ak­ti­on als Rechts­miss­brauch. Die Verlänge­rung der Kündi­gungs­frist, d.h. der auf drei Jah­re hin­aus­ge­scho­be­ne frühestmögli­che End­ter­min (31.12.2012), war da­mit vom Tisch.

Fa­zit: Für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen können lan­ge Kündi­gungs­fris­ten ver­ein­bart wer­den, im Ex­trem­fall so­gar ei­ne Frist von meh­re­ren Jah­ren. So lan­ge Fris­ten müssen aber sach­lich be­gründet sein, d.h. ei­ne lan­ge Frist muss durch den Re­ge­lungs­ge­gen­stand der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­recht­fer­tigt sein. Auf ei­nen Schlag "al­le mögli­chen" Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen mit der­sel­ben, ex­trem lan­gen Kündi­gungs­frist zu ver­se­hen, und das auch noch kurz vor ei­ner Be­triebs­rats­wahl - so et­was geht nicht.

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Letzte Überarbeitung: 15. Dezember 2017

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