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LAG Schleswig-Holstein nimmt Ende der Tarifeinheit vorweg
Unter dem Eindruck dieser kritischen Stimmen erwog der vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Rechtsprechungsänderung und fragte den zehnten Senat, ob dieser einer Änderung zustimmt. Die Anfrage des vierten Senats sorgte für Furore. Noch bevor der zehnte Senat antwortete, hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein die Gelegenheit, seine Sicht der Dinge in einem seiner Urteile darzustellen, LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.02.2010, 4 Sa 444/09.
- Tarifpluralität und Tarifeinheit im Betrieb
- ver.di-Tarifvertrag versus GdS-Tarifvertrag
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Der Grundsatz der Tarifeinheit ist verfassungswidrig
Tarifpluralität und Tarifeinheit im Betrieb
Ein Tarifvertrag ist ein schriftlicher Vertrag zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband. Gemäß § 1 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) regelt er die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. Diese tariflichen Regelungen gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags, die unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fallen, § 4 Abs. 1 TVG. „Tarifgebunden“ sind dabei nach § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien, also der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie der Arbeitgeber, der selbst mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag geschlossen hat.
Ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern aus verschiedenen Gewerkschaften kann damit in die Situation geraten, dass für die verschiedenen Arbeitsverhältnisse auch verschiedene Tarifverträge anzuwenden sind, obwohl es sich um den gleichen Betrieb handelt. Dieser Zustand wird „Tarifpluralität“ genannt.
Bisher war das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Auffassung, diese Situation sei zu kompliziert und deshalb unpraktisch. Deshalb löste er das Problem durch den so genannten Grundsatz der Tarifeinheit: Von mehreren Tarifverträgen, die im Betrieb angewendet werden könnten, galt nur der (räumlich, fachlich, personell) speziellste Tarifvertrag.
Diese an sich bestechend einfache Lösung war stets umstritten. Gegner der Tarifpluralität begrüßten die Tarifeinheit, da sie das Streikrisiko senke. Den wo nur eine Gewerkschaft sei, bestehe auch nur ein Streikrisiko. Sind jedoch viele Gewerkschaften im Betrieb vertreten, könnte theoretisch jede streiken und damit der Betrieb dauerhaft lahm gelegt werden.
Befürworter der Tarifpluralität lehnen diese Argumentation als übertriebenes Horrorszenario ab und verweisen darauf, dass über arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln und bei Betriebsübergängen auch verschiedene Tarifverträge in einem Betrieb angewendet werden, ohne das Chaos ausbricht. Auch dieses Argument hat jedoch bestimmte Schwächen. Gleichwohl waren die meisten Autoren schon immer der Auffassung, der Grundsatz der Tarifeinheit verletzte die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit und müsse daher aufgegeben werden.
Diese Meinung teilte kürzlich – durchaus überraschend – der vierte Senat des BAG. Er fragte daher den zehnten (ebenfalls für Tariffragen zuständigen) Senat, ob dieser am Grundsatz der Tarifeinheit festhalten wolle (Beschluss vom 27.01.2010, 4 AZR 549/08 (A)).
Während der zehnte Senat noch über seine Antwort beriet, hatte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein die Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern (Urteil vom 11.02.2010, 4 Sa 444/09).
ver.di-Tarifvertrag versus GdS-Tarifvertrag
Die Parteien stritten über die Höhe einer tariflichen Zuwendung.
Die klagende Arbeitnehmerin war Mitglied der vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Diese hatte 2005 mit der Arbeitgebertarifgemeinschaft (TGA), der auch die Beklagte Arbeitgeberin angehörte, einen „Tarifvertrag über Zuwendungen“ geschlossen. Nach diesem stand den tarifgebundenen Beschäftigten unter anderem jährlich eine Zuwendung in Höhe von 95 % der Vergütung zu, die sie erhalten hätten, wenn sie während des gesamten Monats September Urlaub gehabt hätten.
Einen inhaltsgleichen Tarifvertrag schloss die TGA auch mit der ebenfalls im Betrieb der Beklagten vertretenen Gewerkschaft der Sozialversicherungen (GdS). Bereits 2001 hatte sie zudem sowohl mit der GdS als auch mit den Vorgängergewerkschaften von ver.di „Rahmentarifverträge zur Beschäftigungssicherung“ geschlossen, in denen den einzelnen Arbeitgebern der TGA ermöglicht wurde, mit den Gewerkschaften im Bedarfsfall auf die betriebliche Situation abgestimmte „Anwendungsvereinbarungen“ bezüglich der geltenden Tarifverträge zu schließen.
Im Jahre 2007 verhandelte dann die Beklagte Arbeitgeberin sowohl mit der GdS als auch mit ver.di über einen über eine solche Anwendungsvereinbarung. Nur mit der GdS kam es allerdings zum Abschluss einer solchen, in dem unter anderem eine Absenkung der oben erwähnten Zuwendung auf 65 % für die Jahre 2008 bis 2010 vereinbart wurde. In der Folge zahlte die Beklagte an alle Beschäftigten die verminderte Zuwendung, also auch an solche, die nicht Mitglied der GdS waren.
Hiergegen wandte sich die Klägerin, die vor dem Arbeitsgericht Lübeck erfolgreich Zahlung der unverminderten Zuwendung verlangte.
In ihrer daraufhin eingelegten Berufung beim LAG verwies die Beklagte auf den Grundsatz der Tarifeinheit. Die „Anwendungsvereinbarung“ sei im Verhältnis zum ursprünglichen Zuwendungs-Tarifvertrag der speziellere Tarifvertrag.
Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit komme im Betrieb auf alle Arbeitsverhältnisse von tarifgebundenen Arbeitnehmern einheitlich nur der jeweils speziellste Tarifvertrag zur Anwendung. Obwohl sie nicht Mitglied der GdS sei, gelte deshalb die „Anwendungsvereinbarung“ auch für die Klägerin. Sie könne sich deshalb nicht auf den ursprünglichen - auch von ver.di geschlossenen - Zuwendungs-Tarifvertrag berufen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Der Grundsatz der Tarifeinheit ist verfassungswidrig
Das LAG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.
Das Gericht entschied, dass im Betrieb der beklagten Arbeitgeberin zwei Tarifverträge anwendbar sind und dieses Nebeneinander nicht durch den Grundsatz der Tarifeinheit beendet werden kann. Diesen Grundsatz lehnte das LAG Schleswig-Holstein ab. Er verletzte die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften, deren Tarifverträge verdrängt werden und die Koalitionsfreiheit der Mitglieder dieser Gewerkschaften.
Maßgeblich war damit, an welchen der beiden Tarifverträge die Klägerin gebunden war. Als ver.di-Mitglied war für sie nicht der GdS-Tarifvertrag, sondern der Zuwendungs-Tarifvertrag von ver.di maßgeblich. Sie hatte damit Anspruch auf eine ungekürzte tarifliche Zuwendung.
Das LAG lies die Revision, also die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung seiner Entscheidung durch das BAG auf Antrag der unterlegenen Arbeitgeberin, zu. Erfolgsaussichten hätte das Rechtsmittel nicht, denn wie sich kurz darauf zeigte, lag das LAG Schleswig-Holstein mit seinem Urteil ganz auf der Höhe der Zeit.
Der zehnte Senat des BAG antwortete dem vierten Senat nur fünf Monate später, dass er sich dessen „ausführlich und überzeugend dargelegten Begründung“ anschließe (BAG, Beschlüsse vom 23.06.2010 - 10 AS 2/10 - und - 10 AS 3/10). Die vom LAG getroffene Entscheidung über das Ende der Tarifeinheit fand damit schon außerhalb des Instanzenzuges ihre unangreifbare Bestätigung.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.02.2010, 4 Sa 444/09
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.01.2010, 4 AZR 549/08 (A)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.06.2010, 10 AS 2/10
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.06.2010, 10 AS 3/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifeinheit, Grundsatz der Tarifeinheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 10/134 Abschied vom Grundsatz der Tarifeinheit
Letzte Überarbeitung: 30. Oktober 2020
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