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Die Neufassung der Pendlerpauschale ist verfassungswidrig.
15.12.2008. Vor einigen Tagen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Neuregelung der Penderpauschale verfassungswidrig ist.
Denn § 9 Abs.2 Satz 1 und Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Gesetzesfassung, die das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19.07.2006 gebracht hat (BGBl I, S.1652), ist mit dem im Grundgesetz (GG) festgeschriebenen Gleichheitssatz unvereinbar.
Der in Artikel 3 Abs.1 GG festgeschriebene Gleichheitssatz verlangt nämlich eine folgerichtige Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts und damit des bisher dort geltenden Nettoprinzips, d.h. des Prinzips, dass nur das Nettoeinkommen nach Abzug aller einkommensbedingten Kosten Grundlage der Besteuerung ist: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08.
- Ist es verfassungsgemäß, dass Arbeitnehmer ihre Wegekosten erst ab dem 21. Kilometer steuerlich geltend machen können?
- Die Streitfälle: Eheleute müssen in verschiedene Richtungen pendeln, ein Arbeitnehmer muss täglich 150 Kilometer zurücklegen
- Bundesverfassungsgericht: Die Neuregelung der Pendlerpauschale verstößt gegen das steuerrechtliche Nettoprinzip und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz
Ist es verfassungsgemäß, dass Arbeitnehmer ihre Wegekosten erst ab dem 21. Kilometer steuerlich geltend machen können?
§ 9 Abs.2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.07.2006 (BGBl I S.1652, BStBl I S.432) ändert ab Anfang 2007 die sog. Pendlerpauschale, d.h. die pro Kilometer pauschalisierte steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen von Arbeitnehmern für Fahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte.
Während diese Fahrtkosten bis Ende 2006 noch ab dem ersten Kilometer abzugsfähig waren, sollen gemäß der zum 01.01.2007 wirksamen Gesetzesänderung nur noch Aufwendungen ab dem 21. Kilometer steuerlich berücksichtigt sein.
Im Ergebnis führt dies zu einer drastischen Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung von Mobilitätskosten, die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Erwerbsarbeit tragen müssen: Diese fallen ihnen nach der Neuregelung steuerlich im Wesentlichen als „Privatvergnügen“ zur Last, d.h. dem Staat ist bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens die mehr oder weniger große Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gleichgültig. Mag der steuerpflichtige Arbeitnehmer, so die dahinter stehende politische Devise, doch vor dem Fabriktor kampieren („Werkstorprinzip“).
Diese Neuregelung war von Anfang an politisch heiß umstritten und führte auch bald zu der juristischen Frage, ob die Neuregelung nicht möglicherweise verfassungswidrig sei.
In diesem Sinne hatten sich insbesondere der Bundesfinanzhof (BFH) und einige Finanzgerichte geäußert (wir berichteten darüber in: Arbeitsrecht aktuell: 07/52 Bundesfinanzhof zweifelt an Kürzung der Pendlerpauschale). Daher legte der BFH Anfang 2008 mit Vorlagebeschluss vom 10.01.2008 (VI R 17/07) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vor, ob die Neuregelung bzw. weitgehende Abschaffung der Pendlerpauschale gemäß § 9 Abs.2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 verfassungsgemäß sei.
Die verfassungsrechtliche Kritik stütze sich dabei vor allem auf den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 Grundgesetz - GG): Da die weitgehende Abschaffung der Pendlerpauschale keinen grundlegenden Systemwandel im Einkommensteuerrecht herbeiführen will, das vielmehr nach wie vor auf der nach Abzug aller Kosten verbleibenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen basiert, ging es der Politik bei der Abschaffung letztlich nur um eine Erhöhung des Steueraufkommens durch eine punktuelle Mehrbelastung pendelnder Arbeitnehmer. Diese Mehrbelastung ist daher dem Vorwurf der Willkür bzw. eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ausgesetzt.
Über diese Streitfrage hat das BVerfG nunmehr mit Beschluss vom 09.12.2008 (2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08) entschieden.
Die Streitfälle: Eheleute müssen in verschiedene Richtungen pendeln, ein Arbeitnehmer muss täglich 150 Kilometer zurücklegen
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft verschiedene Ausgangsverfahren, über die gemeinsam entschieden wurde.
Ein Ausgangsverfahren (2 BvL 1/07) betraf Eheleute, die jeweils an zwei, von der Ehewohnung aus in verschiedener Richtung liegende Arbeitsstätten zur Arbeit gehen. Die Arbeitsstelle des Ehemanns liegt 41 km, die der Ehefrau in der Gegenrichtung 54 km vom gemeinsamen Wohnort der Ehegatten entfernt.
In dem hierüber entstandenen Streit zwischen dem Ehepaar und der Finanzverwaltung setzte das Niedersächsische Finanzgericht das Verfahren aus und legte dem BVerfG gemäß Art.100 Abs.1 GG die Frage vor, ob die Neuregelung der Pendlerpauschale verfassungsgemäß sei (Beschluss vom 27.02.2007, 8 K 549/06).
Ein weiteres Ausgangsverfahren (BvL 2/07) war ein Fall, der zu einem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts des Saarlandes vom 22.03.2007 (2 K 2442/06) führte. Auch hier ging es um nichtselbständig tätige, zusammenveranlagte Eheleute, deren Arbeitsstätten in unterschiedlichen Richtungen - und zwar 60 km bzw. 75 km - von ihrem gemeinsamen Wohnort entfernt liegen.
Der dritte Ausgangsfall (2 BvL 1/08) betraf einen ledigen Arbeitnehmer, der 75 km von seiner arbeitstäglich aufgesuchten Arbeitsstätte entfernt wohnt und sich mit der Finanzverwaltung über die Berücksichtigungsfähigkeit seiner Fahrtkosten stritt. Dieser Fall führte zu einem der Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 10.01.2008 (VI R 27/07).
Das vierte Ausgangsverfahren (2 BvL 2/08) ist der Fall, der dem bereits erwähnten Vorlagebeschluss des BFH vom 10.01.2008 zugrunde lag (VI R 17/07). Hier ging es wiederum um Eheleute, die beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielten. Die Arbeitsstätte des Ehemanns liegt 70 km, die der Ehefrau 37 km von ihrem Wohnort entfernt.
Bundesverfassungsgericht: Die Neuregelung der Pendlerpauschale verstößt gegen das steuerrechtliche Nettoprinzip und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz
Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass § 9 Abs.2 Satz 1 und Satz 2 EStG in der seit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.07.2006 geltenden Fassung (BGBl I, S.1652) mit Artikel 3 Abs.1 GG unvereinbar ist.
Darüber hinaus gilt bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht etwa die als verfassungswidrig beanstandete Neuregelung. Vielmehr ist § 9 Absatz 2 Satz 2 EStG im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 Abgabenordnung) sowie entsprechend im Lohnsteuerverfahren, hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen und in sonstigen Verfahren, in denen das zu versteuernde Einkommen zu bestimmen ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatbestandliche Beschränkung auf „erhöhte“ Aufwendungen „ab dem 21. Entfernungskilometer“ entfällt.
Zur Begründung seiner Entscheidung bezieht sich das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen auf folgende Überlegungen:
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) verlange vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Einkommensteuer eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtete Ausgestaltung seiner „Belastungsentscheidungen“. Außerdem müssen diese Entscheidungen - sprich: das Einkommensteuerrecht - „hinreichend folgerichtig“ sein. Nach geltendem Einkommensteuerrecht wird dies durch das sog. Nettoprinzip umgesetzt, nach dem die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (und damit seine Steuerlast) nach der Höhe seines jährlichen Nettoeinkommens bemessen wird.
Hierbei wird das Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der beruflich bzw. betrieblich veranlassten Aufwendungen ermittelt.
Vor dem Hintergrund dieser Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts stellt das in der Neuregelung enthaltene Werkstorprinzip bzw. die allein auf der kilometermäßigen Entfernung beruhende Abzugsfähigkeit (bzw. Nichtabzugsfähigkeit) von Fahrtkosten „eine singuläre Ausnahme innerhalb des geltenden Einkommens-teuerrechts dar“.
Aufgrund ihrer fehlenden systematischen Verbindung mit anderen Prinzipien des geltenden Einkommensteuerrechts braucht der Gesetzgeber außergewöhnlich gute Gründe, um dem Steuerpflichtigen eine solche systemwidrige Ausnahme zumuten zu dürfen.
Als denkbare Rechtfertigungen diskutiert das BVerfG mögliche Typisierungs- und Vereinfachungszwecke sowie einen - von der Bundesregierung in Anspruch genommenen - politischen bzw. rechtlichen „Systemwechsel“, kommt aber beide Mal zu dem Ergebnis, dass solche Gründe hier nicht vorhanden bzw. ausreichend tragfähig seien.
Den darüber hinaus von der Bundesregierung reklamierten Grund der Haushaltskonsolidierung allein lässt das BVerfG nicht gelten. Denn bei der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von steuergesetzlichen Mehrbelastungen könne das Ziel einer staatlichen Einnahmenvermehrung „kein Richtmaß“ bieten, da diesem Ziel letztlich jede, d.h. auch eine willkürliche Mehrbelastung diene.
Im Ergebnis bzw. in der Substanz bleibt daher der verfassungsrechtliche Vorwurf einer willkürlichen Belastung von berufspendelnden Arbeitnehmern.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08
- Arbeitsrecht aktuell: 09/013 Top 10 der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen 2008
- Arbeitsrecht aktuell: 07/52 Bundesfinanzhof zweifelt an Kürzung der Pendlerpauschale
Letzte Überarbeitung: 21. März 2020
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