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Beleidigung eines unerkannten Kunden
Doch diese Idealvorstellung ist angesichts des mit Leistungsdruck, Existenzängsten oder schlicht schwierigen Mitmenschen verbundenen Stresses nicht immer realistisch.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied vor diesem Hintergrund kürzlich darüber, ob es einen Arbeitnehmer schon den Job kosten kann, wenn er ausnahmsweise einmal "die Nerven verliert": Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.04.2010, 4 Sa 474/09.
- Kann man immer gekündigt werden, wenn man einen Kunden beleidigt?
- Der Fall: Ein Kraftfahrer will nur in Ruhe arbeiten und reagiert über
- LAG Schleswig-Holstein: Eine Abmahnung hätte hier genügt
Kann man immer gekündigt werden, wenn man einen Kunden beleidigt?
Gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann das Arbeitsverhältnis von beiden Parteien aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der Rechtsprechung gibt es dabei keine „absoluten Kündigungsgründe“, d.h. Gründe, die in jedem Fall zur außerordentlichen Kündigung berechtigen. Vielmehr setzt jede außerordentliche Kündigung stets eine umfassende Interessenabwägung voraus. Es sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dies geschieht durch eine zweistufige Prüfung: Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt im allgemeinen („an sich“) geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine konkrete Kündigung gerechtfertigt ist („Interessenabwägung“).
Beleidigt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, einen Vorgesetzten oder einen Arbeitskollegen, so ist dies nach der Rechtsprechung ein im allgemeinen bzw. „an sich“ ausreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dies gilt auch für die Beleidigung eines Kunden bzw. Auftraggebers. Arbeitnehmer mit Kontakt zu Kunden ihres Arbeitgebers müssen daher auch in Stress- und Konfliktsituationen in der Lage sein, sich zu beherrschen. Denn werden Kunden beleidigt und damit verprellt, vermindern sich möglicherweise die Umsätze des Arbeitgebers, was in letzter Konsequenz den Bestand von Arbeitsplätzen gefährden kann.
Fraglich ist im Einzelfall allerdings, ob die gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden Begleitumstände eine Kundenbeleidigung eher in einem milden Licht erscheinen lassen oder den Vorfall sogar noch erschweren. Worauf es in Fällen dieser Art ankommen kann, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 08.04.2010, 4 Sa 474/09).
Der Fall: Ein Kraftfahrer will nur in Ruhe arbeiten und reagiert über
Der Kläger ist seit sieben Jahren als Kraftfahrer bei einem Speditionsunternehmen beschäftigt und mit der Auslieferung von Waren an Kunden des Unternehmens betraut. Am 24.03.2009 lieferte er Waren zu einer ihm seit langem bekannten Lieferadresse. Dort war die Einfahrt zum Parkdeck recht eng und die Durchfahrtshöhe knapp bemessen. Als er dort auf das Parkdeck fahren wollte, wurde er von einem ihm unbekannten Passanten angesprochen, der ihn aufforderte, nicht weiterzufahren. Bei diesem handelte es sich um einen Mitarbeiter bzw. Vertreter des Kunden der Spedition, was der Kläger in dieser Situation allerdings nicht wusste, da sich der Mann ihm gegenüber nicht vorgestellt hatte. Der Kläger beantwortete die Aufforderung, nicht weiter zu fahren, mit der rüden Bemerkung „Ich liefere hier seit Jahren und jetzt aus dem Weg, du Arsch.“ Anschließend bezeichnete er den Kundenmitarbeiter mehrfach als „Arschloch“. Dies hatte er zwar in Abrede gestellt, doch ergab eine vom Arbeitsgericht durchgeführte Zeugenbefragung, dass er sich in dieser - beleidigenden - Weise geäußert hatte.
Aufgrund dieses Vorfalls kündigte der Arbeitgeber dem Kraftfahrer nach Anhörung des Betriebsrates aus wichtigem Grunde fristlos. Der gekündigte Arbeitnehmer zog vor das Arbeitsgericht Neumünster und erhob Kündigungsschutzklage. Diese entschied das Arbeitsgericht zu seinen Gunsten (Arbeitsgericht Neumünster, Urteil vom 28.10.2009, 1 Ca 511 b/09).
Zwar war das Verhalten des Kraftfahrers nach Ansicht des Gerichts grob unangemessen. Er hatte aber den beleidigten Passanten nicht für einen Repräsentanten des Kunden, sondern für einen „Wichtigtuer“ gehalten. Außerdem ging es hier um einen einmaligen Vorfall, so dass auch aus diesem Grund eine Abmahnung ausgereicht hätte, so das Arbeitsgericht Neumünster. Die Spedition wollte dieses Urteil nicht hinnehmen und legte Berufung zum LAG Schleswig-Holstein ein.
LAG Schleswig-Holstein: Eine Abmahnung hätte hier genügt
Das LAG Schleswig-Holstein schloss sich im Ergebnis und auch in der Begründung der Meinung des Arbeitsgerichts an, d.h. es hielt die Kündigung für unwirksam.
Die ausführliche Entscheidungsbegründung erweckt über weite Strecken den Eindruck, als wolle sich das LAG beim Arbeitgeber für das Urteil entschuldigen. So betont LAG ausdrücklich, dass das Verhalten des Klägers nicht zu rechtfertigen sei, und hin und bestätigt es dem Arbeitgeber, dass sein Rechtsausführungen richtig seien.
Dass das Berufungsverfahren trotzdem zu Ungunsten des Arbeitgebers ausging, hatte seinen Grund darin, dass der Arbeitnehmer in der streitigen Situation nicht sicher wusste, dass die von ihm beleidigte Person einen Kunden der Spedition repräsentierte. Trotz einiger in diese Richtung weisenden Anhaltspunkte, die der Kraftfahrer möglicherweise „nicht sehen wollte“, stand für das Gericht aufgrund der Aussagen des beleidigten Kundenmitarbeiters nicht fest, dass der Kläger wissentlich einen Kunden seines Arbeitgebers beleidigen wollte. Vielmehr ging das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Kraftfahrer in erster Linie seine Arbeit erledigen wollte und überreagierte, als er hieran gehindert wurde. Diese Unkenntnis der wahren Situation hielt das LAG dem Kraftfahrer bei der Interessenabwägung zugute. Da der Kläger bisher nicht einschlägig aufgefallen war, handelte es sich um ein einmaliges Augenblicksversagen, so das LAG.
Auf dieser Grundlage wäre eine Abmahnung als Reaktion des Arbeitgebers ausreichend gewesen, d.h. das Speditionsunternehmen hätte anstelle der fristlosen Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zunächst eine Abmahnung erteilen müssen.
Fazit: Berufskraftfahrer sind heutzutage oft extremen Belastungen ausgesetzt, vor allem wenn sie mit der Auslieferung von Waren betraut sind. Das macht Regelverstöße wie die hier streitige Beleidigung eines Passanten, der sich als eine Art „Lieferungshindernis“ betätigte, menschlich verständlich. Damit sind solche Beleidigungen natürlich nicht gerechtfertigt, doch tragen zu hoher Termindruck und personelle Unterbesetzung im Fahrzeug, d.h. das häufige Fehlen eines Beifahrers, erheblich zu der Belastung bei, die dann in Stress-Situationen wie der hier streitigen eskalieren kann. Anstatt einem langjährig beschäftigten Kraftfahrer wegen derartiger Vorfälle zu kündigen, sollte man als Arbeitgeber eher die Durchführung eines Lehrgangs zur Stressbewältigung im Straßenverkehr in Betracht ziehen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein nicht nur kündigungsschutzrechtlich vertretbar, sondern auch sachlich angemessen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.04.2010, 4 Sa 474/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/086 Aufwendungsersatz für das häusliche Arbeitszimmer eines Lehrers?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/180 Vorgesetzte beleidigt man nicht
Letzte Überarbeitung: 24. August 2016
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