HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/115

Kei­ne Haf­tung für Al­ters­teil­zeit­gut­ha­ben bei Be­triebs­über­nah­men aus der In­sol­venz­mas­se

Ge­richt ent­las­tet In­ves­to­ren, die Un­ter­neh­mens­tei­le aus der In­sol­venz er­wer­ben, vor An­sprü­chen auf be­zahl­te Frei­stel­lung von Ar­beit­neh­mern in Al­ters­teil­zeit: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 30.10.2008, 8 AZR 54/07
Be­triebs­er­wer­ber haf­ten nicht für al­le Alt-Schul­den

03.07.2009. En­de letz­ten Jah­res be­rich­te­ten wir über ein Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zum Ar­beits­recht in der In­sol­venz (Ar­beits­recht ak­tu­ell 08/137: Be­triebs­über­gang in der In­sol­venz: Haf­tung für Al­ters­teil­zeit-Wert­gut­ha­ben).

Mit die­sem Ur­teil hat­te das BAG klar­ge­stellt, dass Ar­beit­neh­mer, die sich in der Frei­stel­lungs­pha­se ei­ner Al­ters­teil­zeit be­fin­den, kei­nen An­spruch auf Zah­lung des an­ge­spar­ten Wert­gut­ha­bens durch den Be­triebs­er­wer­ber ha­ben, wenn der „al­te“ Ar­beit­ge­ber wäh­rend der Frei­stel­lungs­pha­se in­sol­vent wird und der Be­trieb im We­ge des Be­triebs­über­gangs von dem Be­triebs­er­wer­ber über­nom­men wird (BAG, Ur­teil vom 30.10.2008, 8 AZR 54/07).

In­zwi­schen hat das BAG die Ent­schei­dungs­grün­de pu­blik ge­macht. Sie sol­len im Fol­gen­den kurz be­spro­chen wer­den.

Der Streit­fall: Chef­se­kretärin er­ar­bei­tet sich während ei­ner Al­ters­teil­zeit im Block­mo­dell Zah­lungs­ansprüche, die we­der der in­sol­ven­te Ar­beit­ge­ber noch der Be­triebs­er­werb­wer erfüllen

In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall hat­te ei­ne Chef­se­kretärin mit ih­rem Ar­beit­ge­ber ei­ne Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung im Block­mo­dell ge­trof­fen.

Während der Frei­stel­lungs­pha­se wur­de der Ar­beit­ge­ber in­sol­vent. Im An­schluss kam es zu ei­nem Be­triebsüber­gang auf ei­nen Er­wer­ber. Die­ser ver­wei­ger­te der Chef­se­kretärin die Fort­zah­lung ih­rer Bezüge.

Die Se­kretärin klag­te des­halb auf Zah­lung der Bezüge vor dem Ar­beits­ge­richt und ver­lor. Das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt gab ihr da­ge­gen recht. Dem folg­te das BAG nicht und hob das Ur­teil des LAG wie­der auf.

BAG: In­ves­to­ren, die Be­trie­be aus der In­sol­venz er­wer­ben, sind aus in­sol­venz­recht­li­chen Gründen vor Lohn­ansprüchen von Al­ters­teil­zeit­ar­beit­neh­mern si­cher

Das BAG stellt zunächst klar, dass auch in der Frei­stel­lungs­pha­se noch ein Ar­beits­verhält­nis zu dem Ar­beit­ge­ber be­steht, das dem­ent­spre­chend bei ei­nem Be­triebsüber­gang gemäß § 613 a Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) auf den Er­wer­ber über­geht.

Al­ler­dings haf­tet der Er­wer­ber nicht für For­de­run­gen aus Al­ters­teil­zeit­gut­ha­ben, die vor Eröff­nung der In­sol­venz er­ar­bei­tet wor­den sind.

Im Rah­men der Be­gründung setzt sich das BAG mit der Fällig­keit der Vergütung bei ei­ner Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung aus­ein­an­der. Die auf­ge­spar­ten Vergütungs­ansprüche wer­den schon vor der In­sol­venz, nämlich im Lau­fe der Ar­beits­pha­se, vollständig er­ar­bei­tet. Die Fällig­keit die­ser Ansprüche war zwar ei­gent­lich auf die Zeit der Frei­stel­lung hin­aus­ge­scho­ben, doch ändert sich dies durch die In­sol­ven­zeröff­nung. Denn gemäß § 41 Abs. 1 In­sol­venz­ord­nung (In­sO) gel­ten nicht fälli­ge For­de­run­gen dann als fällig.

Das BAG bleibt da­mit bei sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung und stellt ergänzend klar, dass es sich da­bei im Ein­klang mit eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­schrif­ten sieht, nämlich mit den Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len (Richt­li­nie 2001/23/EG).

Denn die Richt­li­nie 2001/23/EG, die den Be­triebsüber­gang re­gelt, lässt im Fal­le ei­ner In­sol­venz Aus­nah­men zu der Re­gel zu, dass die Ansprüche aus dem al­ten Ar­beits­verhält­nis bei ei­nem Be­triebsüber­gang auf den Er­wer­ber über­ge­hen. For­de­run­gen, die be­reits vor Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens fällig wa­ren, dürfen auf­grund der In­sol­venz „ver­fal­len“. Und wann ei­ne For­de­rung fällig wird, ist ei­ne Fra­ge deut­schen Rechts, so das BAG.

Fa­zit: Ar­beit­neh­mer ge­hen bei ei­ner In­sol­venz des Ar­beit­ge­bers in der Frei­stel­lungs­pha­se leer aus, weil der Ar­beit­ge­ber in­sol­venz­be­dingt nicht zah­len kann und der neue Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung recht­lich nicht ver­pflich­tet ist. Die in § 8a Al­ters­zeit­ge­setz 1996 (AltTZG 1996) ent­hal­te­ne Pflicht des Ar­beit­ge­bers, für ei­ne aus­rei­chen­de In­sol­venz­si­che­rung der an­ge­spar­ten Wert­gut­ha­ben zu sor­gen, ist un­zu­rei­chend, da bei Ver­let­zung die­ser Pflicht kein dafür ver­ant­wort­li­cher Ma­na­ger persönlich haf­tet. Ge­setz­lich sind Al­ters­teil­zeit­wert­gut­ha­ben da­her nicht aus­rei­chend ge­gen die Ent­wer­tung im Fal­le ei­ner In­sol­venz geschützt.

Vor die­sem Hin­ter­grund be­steht die ein­zi­ge Chan­ce be­trof­fe­ner Ar­beit­neh­mer, den Be­triebs­er­wer­ber zur Zah­lun­gen zu be­we­gen, dar­in, ihn zur re­gulären Durchführung des (noch fort­be­ste­hen­den) Ar­beits­verhält­nis­ses auf­zu­for­dern. Denn durch die In­sol­venz und den dar­aus fol­gen­den fak­ti­schen Weg­fall des Wert­gut­ha­bens ist die Geschäfts­grund­la­ge der Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung ent­fal­len bzw. so gra­vie­rend gestört, dass der Ar­beit­neh­mer vom Er­wer­ber ver­lan­gen kann, ihn wie­der zu den Be­din­gun­gen des vor der Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung gel­ten­den Ar­beits­verhält­nis­ses zu beschäfti­gen:

Wenn schon kei­ne Pflicht be­steht und kei­ne Mit­tel vor­han­den sind, um den Ar­beit­neh­mer während der Frei­stel­lungs­pha­se mit Hil­fe des an­ge­spar­ten Gut­ha­bens zu vergüten, kann der Be­trof­fe­ne zu­min­dest Zu­wei­sung von Ar­beit und re­guläre Be­zah­lung ver­lan­gen, um auf die­se Wei­se sei­nen Le­bens­un­ter­halt ab­zu­si­chern.

Für Be­triebs­er­wer­ber be­steht hier ein Rest­ri­si­ko: Leh­nen sie die ih­nen an­ge­bo­te­ne Beschäfti­gung ab, könn­te dies ge­richt­lich als An­nah­me­ver­zug ge­wer­tet wer­den - mit der Fol­ge ei­ner voll­umfäng­li­chen Lohn­zah­lungs­pflicht.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 18. Dezember 2017

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de