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Keine Altersgrenzen für Einstellung in den Justizvollzugsdienst als Angestellter
27.10.2008. Der Staat ist wie andere Arbeitgeber auch an die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gebunden.
Daher ist ein Einstellungshöchstalter, das ältere Stellenbewerber von vornherein von der Arbeitsplatzvergabe ausschließt, eine verbotene Diskriminierung von Bewerbern wegen ihres Alters, falls es für eine solche Altersgrenze keine triftigen Sachgründe gibt.
Die gibt es nicht, wenn Arbeitnehmer im Justizvollzugsdienst nur bis zu einem Höchstalter von 25 bzw. 27 Jahre eingestellt werden sollen. Denn Sachgründe für eine solche altersbedingte Benachteiligung älterer Stelleninteressenten sind nicht gegeben: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 07.08.2008, 11 Sa 284/08.
- Welche Höchstaltersgrenzen kann der öffentliche Dienst für die Einstellung von Arbeitnehmern festlegen?
- Der Streitfall: 29jähriger Bewerber für eine Arbeitnehmer-Stelle im Justizvollzugsdienst wird wegen seines zu hohen Alters abgelehnt
- LAG Hamm: Eine Altershöchstgrenze von 25 oder 27 Jahren für ein Arbeitsverhältnis im Justizvollzugsdienst ist eine Diskriminierung wegen des Alters
Welche Höchstaltersgrenzen kann der öffentliche Dienst für die Einstellung von Arbeitnehmern festlegen?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet in seinen §1, § 2 Abs.1 Nr.1 und in § 3 Abs.2 Benachteiligungen von Stellenbewerbern wegen ihres (jungen oder fortgeschrittenen) Alters. Die Angabe von Mindest- wie von Höchstaltersgrenzen bei Stellenausschreibungen ist daher seit Inkrafttreten des AGG am 18.08.2006 im Allgemeinen verboten, d.h. vorbehaltlich rechtfertigender Gründe, die das AGG in seinem § 10 definiert, als Diskriminierung im Erwerbsleben rechtlich unzulässig.
Eine der in § 10 AGG genannten Ausnahmen erlaubt die Festsetzung eines Höchstalters allerdings im Einzelfall doch, nämlich
„auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand“. (§ 10 Nr.3 AGG)
Unter Berufung auf diese Ausnahmevorschrift ist derzeit heftig umstritten, ob der Staat bei der Begründung von Beamtenverhältnissen ein Einstellungshöchstalter mit der Begründung festsetzen kann, dass ein (zu) spät zum Beamten ernannter Bewerber die Kosten, die mit seiner auf Lebenszeit zu beanspruchenden Versorgung verbundenen sind, nicht durch seine beruflich aktive Zeit „hereinspielen“ könnte. Zu dieser Frage hat sich zuletzt das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 21.04.2008 (9 E 3856/07) geäußert (wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 08/074 Mit 31 Jahren zu alt für die Feuerwehr?).
Fraglich ist, ob der Staat auch bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen Höchstaltersgrenzen mit dem Argument festsetzen kann, die spätere Übernahme der eingestellten Arbeitnehmer in das Beamtenverhältnis sei geplant. Die bei der Ernennung von Beamten bereits umstrittene Festlegung von Höchstaltersgrenzen unter Berufung auf § 10 Nr.3 AGG hätte dann eine Vorwirkung auf die - einer späteren (eventuellen) Beamtenernennung vorgeschaltete - Einstellung als Arbeitnehmer.
Mit der Frage, ob ein vom öffentlichen Arbeitgeber festgelegtes Einstellungshöchstalter für Arbeitnehmer mit dieser Begründung rechtens ist oder eine verbotene Altersdiskriminierung darstellt, hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm mit Urteil vom 07.08.2008 (11 Sa 284/08) auseinandergesetzt.
Der Streitfall: 29jähriger Bewerber für eine Arbeitnehmer-Stelle im Justizvollzugsdienst wird wegen seines zu hohen Alters abgelehnt
Ende 2006 veröffentlichte das Ministerium der Justiz Nordrhein-Westfalen mehrere Stellenausschreibungen. Es wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den allgemeinen Justizvollzugsdienst, d.h. für eine Tätigkeit in Gefängnissen bei der Bewachung und Betreuung der Gefangenen gesucht. Neben anderen Anforderungen wurde dabei auch eine Altershöchstgrenze für die Bewerber/innen angegeben, die je nach Stellenausschreibung zwischen 25 und 27 Jahren lag. Ferner enthielten einige der Ausschreibungen den Hinweis, dass eine spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis „vorgesehen“ sei.
Ein für die ausgeschriebenen Stellen hinreichend qualifizierter Mann im Alter von 29 Jahren bewarb sich im Januar 2007 um eine dieser Stellen. Eine Woche später bekam er seine Bewerbungsunterlagen mitsamt einem Ablehnungsschreiben zurück. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass man aufgrund der geplanten späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis leider an die in der Ausschreibung angegebene Altersgrenze gebunden sei.
Der Kläger machte daraufhin knapp zwei Wochen später gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen unter Berufung auf den gesetzlichen Entschädigungsanspruch für Opfer von Diskriminierungen im Erwerbsleben (§ 15 Abs.2 AGG) einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen altersbedingter Benachteiligung geltend. Etwa einen Monat später klagte er vor dem Arbeitsgericht Bielefeld auf Zahlung einer Entschädigung im Umfang von drei Monatsnettolöhnen à jeweils 1.500,00 EUR, d.h. auf 4.500,00 EUR.
Das Arbeitsgericht Bielefeld gab der Klage im Umfang von zwei Monatslöhnen statt, d.h. es verurteilte das beklagte Land zur Zahlung von zwei Monatsnettolöhnen bzw. von 3.000,00 EUR (Urteil vom 14.08.2007, 2 Ca 542/07). Bemerkenswert ist dabei die Begründung des Arbeitsgerichts für die Reduzierung der Klageforderung auf zwei Monatsgehälter Entschädigung: Immerhin sieht § 15 Abs.2 Satz 2 AGG eine Obergrenze - von drei Monatsgehältern als Entschädigung - nur für den Fall vor, dass der oder die Beschäftigte „auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre“. Da diese Obergrenze vom Gesetz als Ausnahmefall konzipiert ist, heißt dies für den Normalfall einer bei der Einstellung verübten Diskriminierung, dass eine für den Arbeitgeber spürbare bzw. „empfindliche“ Entschädigung in der Regel deutlich mehr als drei Monatsgehälter betragen sollte. Daraus wiederum folgt die Empfehlung für klagende Diskriminierungsbetroffene, zunächst einmal deutlich mehr als drei Monatsgehälter, also etwa sechs oder neun Monatsgehälter, als Entschädigung einzuklagen.
Der Kläger, der von vornherein „bescheiden“ auf Zahlung von nur drei Gehältern geklagt hatte, wurde damit teilweise abgewiesen, obwohl der dafür eigentlich nötige Nachweis des Arbeitgebers, dass er den Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt hätte, nicht geführt worden war. Die überraschende Begründung des Arbeitsgerichts Bielefeld für die Teilabweisung lautet: Der Kläger habe sich bei der Berechnung seiner Entschädigungsforderung an der Obergrenze des § 15 Abs.2 Satz 2 AGG orientiert. Damit habe er sich selbst (!) als aussichtslosen Bewerber im Sinne dieser gesetzlichen Obergrenze „eingeschätzt“.
Gegen dieses Urteil legte das Land Nordhein-Westfalen Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm ein. Der Kläger hingegen ließ das Urteil auf sich beruhen, d.h. er gab sich mit einem teilweisen Erfolg seiner Klage zufrieden.
LAG Hamm: Eine Altershöchstgrenze von 25 oder 27 Jahren für ein Arbeitsverhältnis im Justizvollzugsdienst ist eine Diskriminierung wegen des Alters
Das LAG Hamm bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld, d.h. die Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG.
Zur Begründung wird ausführlich dargelegt, dass die - unstreitig vorliegende - unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters, d.h. der Verstoß gegen § 7 Abs.1 AGG in Verbindung mit §§ 1, 3 Abs.1 S.1 AGG, von der Ausnahmevorschrift des § 10 Nr.3 AGG nicht gedeckt und damit unzulässig ist.
Zunächst erwägt das Gericht kurz, ob eine unterschiedliche Behandlung von Bewerbern wegen ihres Alters im vorliegenden Fall möglicherweise wegen der besonderen beruflichen Anforderungen an Juistvollzugskräfte zulässig sein könnte (vgl. § 8 Abs.1 AGG). Diese Möglichkeit wird aber sofort zurecht verworfen. Die Tätigkeit im allgemeinen Vollzugsdienst, so das LAG, könne in gleicher Weise auch von Mitarbeitern verrichtet werden, die deutlich älter als 28 Jahre alt seien. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass tatsächlich viele über 28 Jahre alte Mitarbeiter im Vollzugsdienst des Landes tätig seien.
Im nächsten Schritt erörtert das LAG Hamm die umstrittene Möglichkeit einer Festlegung von Altershöchstgrenzen bei der Einstellung von Beamten unter Berufung auf § 10 Nr.3 AGG und zitiert dazu ausführlich die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten.
Allerdings enthält sich dann einer Stellungnahme zu diesem Streit, und zwar aus einem einleuchtenden Grund: Der Grund für eine Rechtfertigung von Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung sei die Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und beamtenrechtlicher Versorgung im Ruhestand. Dieser Gesichtspunkt greife jedoch im Entscheidungsfall nicht, denn die Stellenausschreibung beziehe sich auf ein Arbeitsverhältnis. Das aber habe mit beamtenrechtlichem Versorgungssystem zunächst nichts zu tun. Auf arbeitgeberseitig definierte Altersgrenzen bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen könnten rechtfertigende Argumente für die Ungleichbehandlung von Bewerbern um Beamtenstellen daher nicht übertragen werden.
Daraufhin überprüft das Gericht die Laufbahnverordnung NW (LVO NW) auf eine mögliche Rechtfertigung für die Position des beklagten Landes. Immerhin ist nach deren § 22 die Übernahme in das Beamtenverhältnis nur möglich, wenn der Mitarbeiter das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Allerdings hat das Land nach der LVO NW die Wahl zwischen den Beschäftigungsformen Arbeitsverhältnis und Beamtenverhältnis. Da es sich hier für ein Arbeitsverhältnis entschieden hatte, konnte sich das Land nach Ansicht des LAG nicht auf Rechtsvorschriften zu Beamtenverhältnissen berufen, um Bewerber wegen ihres Alters unterschiedlich zu behandeln.
Andere in § 10 AGG genannte Rechtfertigungsgesichtspunkte waren nach dem gegebenen Sachverhalt nicht einschlägig, so dass das Gericht nur noch zur Höhe der von der ersten Instanz zugestandenen Entschädigung Stellung nehmen musste. Diesbezüglich meinte es, dass der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Betrag von lediglich zwei Monatsnettoentgelten „im unterem Bereich des Angemessenen“ liege, da der Kläger ohne jede sachliche Prüfung seiner Qualifikation allein wegen seines Alters aussortiert worden war.
Fazit: Die durch das Arbeitsgericht Bielefeld vorgenommene Kürzung des geltend gemachten Anspruchs von nur drei Monatsgehältern in einem recht offensichtlichen und damit „krassen“ Fall der Altersdiskriminierung belegt wieder einmal erneut, wie groß die gerichtlichen Vorbehalte gegenüber Klagen sind, die unter Berufung auf § 15 Abs.2 AGG mit dem Ziel einer Entschädigung für Diskriminierungen bei Einstellungen geführt werden.
Mit seiner wohl nur als abwegig zu bezeichnenden Begründung für die Reduzierung der Klageforderung hat das Arbeitsgericht Bielefeld allerdings - unfreiwillig - diskriminierten Bewerbern ein juristisches Argument für eine deutlich über drei Gehältern liegende Klageforderung an die Hand gegeben: Wenn eine geringere, d.h. bei nur drei Gehältern liegende Klageforderung als „Selbsteinschätzung“ des Klägers im Sinne einer Aussichtslosigkeit der Bewerbung (miss-)verstanden werden kann, ist einem solchen möglichen Missverständnis durch entsprechende Erhöhung der Klageforderung entgegenzuwirken.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 07.08.2008, 11 Sa 284/08
- Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.04.2008, 9 E 3856/07
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Arbeitsrecht aktuell: 08/074 Mit 31 Jahren zu alt für die Feuerwehr?
Letzte Überarbeitung: 14. Juni 2015
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