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LAG Hamm, Urteil vom 07.08.2008, 11 Sa 284/08
Schlagworte: | Diskriminierung: Alter | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 11 Sa 284/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.08.2008 | |
Leitsätze: |
|
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Bielefeld | |
11 Sa 284/08
2 Ca 542/07 Arbeitsgericht Bielefeld
Verkündet am 07.08.2008
Jeske Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 07.08.2008
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Limberg
sowie die ehrenamtlichen Richter Basler und Voßeler
für Recht erkannt:
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Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.08.2007 - 2 Ca 542/07 - wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND :
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung nach § 15 AGG wegen altersbedingter Benachteiligung in Anspruch, nachdem das beklagte Land seine Bewerbung um eine Einstellung als Mitarbeiter für den allgemeinen Vollzugsdienst am 08.01.2007 unter Hinweis auf die beabsichtigte spätere Übernahme in ein Beamtenverhältnis wegen seines zu weit fortgeschrittenen Alters von 28 Lebensjahren zurückgewiesen hat.
Der Kläger ist am 04.01.1979 geboren. Er absolvierte die Grundschule, die Gesamtschule mit dem Abschluss Sekundarstufe I1 / Fachoberschulreife und die Kaufmannschule I1 in H1 – Berufsschule – mit dem Abschluss der Sekundarstufe II. Wegen weiterer Einzelheiten des beruflichen Werdegangs des Klägers wird auf den vorgelegten Lebenslauf verwiesen (Blatt 3, 4 Beiakte).
In der zweiten Dezemberhälfte 2006 inserierten die B6 Justizvollzugsanstalten wie folgt in der Zeitung:
„ . . .
Die B6 Justizvollzugsanstalten
suchen mehrere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
für den allgemeinen Vollzugsdienst
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Wir erwarten:
> mind. Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung oder Realschulabschluss/Abitur
> 20 bis 25 Jahre alt
> körperliche Fitness
> sicheres Auftreten
> Verantwortungsbewusstsein
> Gute PC-Kenntnisse (Word, Excel)
> Bereitschaft zum Einsatz in allen ostwestfälischen
Justizvollzugsanstalten
Wir bieten:
> einen sicheren, nicht alltäglichen Arbeitsplatz
> ein vielseitiges interessantes und herausforderndes Aufgabengebiet
> ein gutes Arbeitsklima und die gezielte Förderung Ihrer beruflichen Entwicklung
> leistungsgerechte Bezahlung
> eine spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis ist vorgesehen
. . . "
Stellenausschreibungen für den allgemeinen Vollzugsdienst (mittlerer Dienst) fanden sich auch im Internetportal des Justizministeriums NRW. Ausweislich eines von dem Kläger vorgelegten Ausdrucks vom 26.12.2006 suchten u. a. die Justizvollzugsanstalt B4-B5 I1, die Justizvollzugsanstalt B4-S2, die Justizvollzugsanstalt H2 und die Justizvollzugsanstalt W2 I1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den allgemeinen Vollzugsdienst (mittlerer Dienst). Zum Stichwort „Bewerberkreis" wird dort angegeben „Bewerber/innen von 20 bis 26 Jahren", „Bewerberinnen/Bewerber von 20 bis 25 Jahren", „Bewerber/innen im Alter von 20 bis 26 Jahren" und „Bewerber/innen von 20 bis 27 Jahren".
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Kopien der Zeitungsanzeige und der Stellenausschreibungen laut „NRW-Justizportal: Justiz-online" Bezug genommen (Bl. 19 GA, Bl. 41 GA). Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 03.01.2007 bei der Justizvollzugsanstalt B4-B5 I1. Auf die vorgelegte Kopie des Bewerbungsschreibens wird Bezug genommen (Bl. 1 Beiakte). Mit Schreiben vom 08.01.2007 sandte der Leiter der JVA B4-B5 I1 die Bewerbungsunterlagen an den Kläger zurück. Im Anschreiben heißt es auszugsweise (vollständiger Text: Kopie Bl. 20 GA):
„ . . .
für Ihr Interesse an einer Einstellung bedanke ich mich.
Aufgrund der geplanten späteren Übernahme in der Beamtenverhältnis bin ich leider an die angegebene Altersgrenze gebunden, so dass ich Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen kann. . . ."
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Hintergrund für die ausgewiesenen Altersgrenzen ist das Ziel des beklagten Landes, im allgemeinen Vollzugsdienst möglichst viele Beschäftigte als Beamte zu beschäftigen. Zugrunde liegt die Einschätzung, dass im allgemeinen Vollzugsdienst fast ausschließlich Tätigkeiten im Bereich der persönlichen Betreuung und Bewachung der Inhaftierten anfallen, die auch die Durchsetzung von gesetzlichen und verwaltungsinternen Vorschriften ggf. unter Einsatz von unmittelbaren Zwang umfassen. Nach § 22 Abs. 1 der Laufbahnverordnung NW (LVO NW) ist eine Übernahme in das Beamtenverhältnis nur möglich, wenn der betreffende Mitarbeiter das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zuvor muss der Mitarbeiter einen zweijährigen Vorbereitungsdienst erfolgreich abgeschlossen haben. Daraus ergibt sich die Anforderung, dass der Mitarbeiter zu Beginn des Vorbereitungsdienstes das 28. Lebensjahr noch nicht vollendet haben darf. Über den Ausbildungsgang verhält sich die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des allgemeinen Vollzugsdienstes bei Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalens (VAPaVollzd) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. September 2000, zuletzt geändert am 03.05.2005 (vollständiger Text: Bl. 153 ff GA).
Im allgemeinen Vollzugsdienst des Landes NRW werden zu ca. 93 % Beamte und zu ca. 7 % Angestellte beschäftigt. Von den rund 430 Angestellten sind ca. 30 älter als 28 Jahre und ca. 400 jünger als 28 Jahre. Soweit bei Angestellten im allgemeinen Justizdienst feststeht, dass diese nicht in den Vorbereitungsdienst bzw. das Beamtenverhältnis übernommen werden, ist das beklagte Land darum bemüht, die Beschäftigungsverhältnisse zu beenden. Soweit die Beschäftigungsverhältnisse befristet sind, wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristung beendet. Handelt es sich um unbefristete Arbeitsverhältnisse, wird von dem beklagten Land versucht, eine einvernehmliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herbeizuführen. In einzelnen Fällen werden auch Kündigungen ausgesprochen. Hintergrund ist die Maßgabe des Landes, dass hoheitliche Aufgaben ausschließlich von Beamten wahrgenommen werden sollen.
Im Anschluss an die Ablehnung seiner Bewerbung unter dem 08.01.2007 hat der Kläger mit Schreiben vom 19.01.2007 gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf Entschädigung wegen altersbedingter Benachteiligung geltend gemacht. Die Klage auf Entschädigungszahlung ist am 27.02.2007 bei dem Arbeitsgericht eingereicht worden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe ihn durch die angewandte Höchstaltersgrenze im Einstellungsverfahren benachteiligt und schulde ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 AGG in Höhe von drei Monatsnettoeinkommen in Höhe von je 1.500,00 €.
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Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 4.500,00 € zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die in der Stellenausschreibung vorgegebene Höchstaltersgrenze damit verteidigt, die Altersgrenze sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich, nämlich im Hinblick auf die geplante Übernahme in das Beamtenverhältnis. In der veröffentlichten Stellenausschreibung sei eine Höchstaltersgrenze von 25 Jahren angegeben worden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich für den Beginn des Vorbereitungsdienstes häufig Wartezeiten von 18 bis 24 Monaten ergäben. Dies beruhe darauf, dass nicht unbegrenzt Planstellen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis zur Verfügung stünden und Mitarbeiter nur in dem Umfang als Teilnehmer am Vorbereitungsdienst berufen würden, wie eine Verbeamtung nach Ablauf des Vorbereitungsdienstes in zwei Jahren zu erwarten stehe.
Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land mit Urteil vom 14.08.2007 verurteilt, an den Kläger 3.000,00 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das beklagte Land habe gegenüber dem Kläger gegen das Benachteiligungsverbot nach § 1 AGG verstoßen. Eine Höchstaltersgrenze sei ein anscheinend neutrales Kriterium bei der Bewerberauswahl. Die generelle Anwendung einer Höchstaltersgrenze in einem Bewerbungsverfahren sei eine mittelbare Diskriminierung, wenn sie nicht nach § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt sei. Mit der Auffassung des beklagten Landes sei es generell zutreffend, dass eine Höchstaltersgrenze für die Einstellung von Mitarbeitern im allgemeinen Vollzugsdienst durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei. Indes erweise sich die konkret festgelegte Höchstaltersgrenze von 25 Jahren vorliegend nicht als erforderliches und angemessenes Mittel zur Zielerreichung. Nach den Darlegungen des Landes könne nicht erkannt werden, dass eine generelle Höchstaltersgrenze von 25 Jahren erforderlich sei, um zu sichern, dass im allgemeinen Vollzugsdienst weitestgehend Beamte eingesetzt werden könnten. Selbst wenn man sich an der Höchstaltersgrenze aus § 22 LVO NW von 30 Jahren orientiere, folge
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daraus nicht, dass Bewerber für den zweijährigen Vorbereitungsdienst nicht älter als 25 Jahren sein dürften. Die bestehenden Regelungen enthielten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Landesgesetzgeber über die Höchstaltersgrenze für Beamte (§ 22 LVO NW) und den Vorlauf eines zweijährigen Vorbereitungsdienstes (§§ 20, 21 LVO NW) hieraus eine weitere Anlaufphase und damit eine weitere Herabsetzung der Höchstaltersgrenze für notwendig erachtet hätte. Eine Höchstaltersgrenze von 28 Jahren (oder 27 Jahren) sei vorliegend nicht zu prüfen. Denn der Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung sei nach der vom Land generell angewandten Höchstaltersgrenze von 25 Jahren erfüllt. Die geschuldete Entschädigung sei mit zwei Monatseinkommen angemessen. Der Kläger habe sich bei der Höhe seiner Entschädigungsforderung an der Obergrenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG mit drei Monatseinkommen orientiert. Er habe sich damit selbst als aussichtslosen Bewerber im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eingeschätzt. Der Betrag von zwei Monatseinkommen sei einerseits eine spürbare Entschädigung und erforderlich und gleichzeitig aber auch ausreichend, um das beklagte Land zu veranlassen, bei künftigen Stellenausschreibungen den Anforderungen des AGG Rechnung zu tragen.
Das Urteil ist dem beklagten Land am 23.08.2007 zugestellt worden. Das beklagte Land hat am 06.09.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.11.2007 am 23.11.2007 begründet.
Das beklagte Land wendet ein, entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichtes bestehe ein Anspruch auf Entschädigung nicht. Hilfsweise sei zu beachten, dass die zugesprochene Entschädigung deutlich übersetzt sei.
Hintergrund der Altersanforderung im Bewerbungsverfahren sei, dass die Bewerber zu einem späteren Zeitpunkt in das Beamtenverhältnis übernommen werden sollten, und zwar zunächst während des Vorbereitungsdienstes als Beamter auf Widerruf sowie anschließend als Beamter auf Probe bzw. nach erfolgter Bewährung als Beamter auf Lebenszeit. Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe sei gemäß § 22 Abs. 1 LVO NW nur vor der Vollendung des 30. Lebensjahres möglich. Da der Vorbereitungsdienst zwei Jahre dauere, müsse noch vor Vollendung des 28. Lebensjahres mit dem Vorbereitungsdienst begonnen werden. Der Kläger indes habe bereits am Tag des Eingangs seiner Bewerbung am 04.01.2007 das 28. Lebensjahr vollendet. Die angestrebte Übernahme des Klägers in ein Beamtenverhältnis sei damit von Beginn an ausgeschlossen gewesen. In der Praxis sei es so, dass zwischen der Anstellung eines Mitarbeiters als Angestellter im allgemeinen Vollzugsdienst zur Ausbildung und dem Beginn eines nachfolgenden Vorbereitungsdienstes
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ein Zeitraum von ca. 18 bis 24 Monaten verstreiche. Diese 18 bis 24 Monate dienten u. a. auch der weiteren Erprobung der (angestellten) Mitarbeiter in Bezug auf deren Eignung sowohl für die konkrete Tätigkeit im allgemeinen Vollzugsdienst als auch generell für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Angesichts dessen hätten die zuständigen Mitarbeiterinnen der JVA B4-B5 I1 25 Jahre als Höchstgrenze ermittelt und festgesetzt.
Die in § 18, 22 LVO NW enthaltene Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung sei keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters sondern eine nach § 10 Satz 3 Ziffer 3 AGG zulässige Festlegung einer Höchstaltersgrenze für die Übernahme von Beschäftigten. Es werde das legitime Ziel verfolgt, dass Beamte unter Berücksichtigung der spezifischen beamtenrechtlichen Regelungen zur Altersversorgung vor dem Eintritt in den Ruhestand eine angemessene Dienstzeit zurücklegten.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei die Festlegung einer Höchstaltersgrenze von 25 Jahren nicht zu beanstanden. Die über die rein mathematische Berechnung hinaus vorgenommene weitere Reduzierung der Höchstgrenze des Lebensalters auf 25 Jahre sei durch das legitime Ziel gerechtfertigt, dass hinsichtlich sämtlicher neu einzustellender Mitarbeiter die Möglichkeit bestehe, diese in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen. Die Festlegung der Höchstaltersgrenze auf 25 Lebensjahre sei nicht unvernünftig. Zu berücksichtigen sei, dass zwischen dem Eingang der Bewerbung und der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit unter Berücksichtigung von Auswahlverfahren und Eignungsprüfung ein Zeitraum von mindestens drei Monaten und in der Regel sogar von sechs Monaten einzukalkulieren sei. Es sei daher geboten, die Höchstaltersgrenze der Bewerber auf mindestens maximal 26 Jahre abzusenken. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die theoretische Ausbildung der Teilnehmer am Vorbereitungsdienst für den allgemeinen Vollzugsdienst jährlich nur einmal, nämlich am 01.07. des Jahres, beginne. Auch daraus resultiere u. U. eine längere Wartezeit für die Teilnahme an dem Vorbereitungsdienst. Die Festlegung der Höchstaltersgrenze liege daneben auch im eigenen Interesse der Bewerber, da diese unter Berücksichtigung des Inhaltes der Stellenausschreibung darauf vertrauen dürften, dass sie bei erfolgreicher Absolvierung des Vorbereitungsdienstes in ein Beamtenverhältnis übernommen würden.
Die Höhe der vom Arbeitsgericht festgelegten Entschädigung von 3.000,00 € sei in keiner Weise angemessen. Zwar habe das Arbeitsgericht zutreffend eingeräumt, dass der Kläger sich selbst als aussichtslosen Bewerber im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG einschätze. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Übernahme in ein Beamtenverhältnis nur dann in Frage komme, wenn der Bewerber zu Beginn des Vorbereitungsdienstes das 28. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Vorliegend habe der Kläger jedoch bereits am 04.01.2007 das 28. Lebensjahr vollendet. Im Hinblick darauf habe der Kläger keine nach Art und Schwere nennenswerte Benachteiligung erfahren. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger
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offensichtlich gar nicht ernsthaft das Ziel verfolgt habe, die ausgeschriebene Tätigkeit im allgemeinen Vollzugsdienst anzutreten. Der Kläger habe im Anschluss an das erstinstanzliche Verfahren durch seinen Prozessbevollmächtigten gegenüber der Presse erklären lassen, er wolle überhaupt nicht Beamter werden. Offensichtlich habe der Kläger es allein darauf angelegt, eine Entschädigung gemäß § 15 AGG einzufordern. Soweit der Kläger bereits in der Klageschrift vom Februar 2007 dem Vorwurf des „AGG-Hoppens" widerspreche, sei dies wenig glaubhaft. Die unmittelbar nach Erhalt der Ablehnung von dem Kläger eingelegte Beschwerde nebst ausführlicher Darlegung seiner Rechtsauffassung verdeutliche, dass der Kläger bereits bei Versendung der Bewerbung davon ausgegangen sei, keine Berücksichtigung zu finden, und dass er es auch genau hierauf angelegt habe. Das sei bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen. Schließlich sei zu beachten, dass man nicht gedankenlos unter Missachtung des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters die Höchstaltersgrenze von 25 Jahren festgesetzt habe. Im Interesse der Bewerber sei das Höchstalter so beziffert worden, dass sämtliche Bewerber eine realistische Aussicht gehabt hätten, zu einem späteren Zeitpunkt in ein Beamtenverhältnis übernommen zu werden. Eine fahrlässige oder gar vorsätzliche Missachtung des Verbots der Altersdiskriminierung habe nicht stattgefunden.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.08.2007 – 2 Ca 542/07 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Das beklagte Land habe ihn durch die angewandte Höchstaltersgrenze im Einstellungsverfahren benachteiligt. Trotz individueller Fähigkeiten würden bei der von dem beklagten Land praktizierten Auswahl ältere Bewerber außen vorgelassen. Die generelle und abstrakte Anwendung einer Höchstaltersgrenze im Bewerbungsverfahren sei eine Diskriminierung im Sinne des § 3 AGG. Die zur Begründung der Höchstaltersgrenze angeführte Perspektive der späteren Begründung eines Beamtenverhältnisses sei kein maßgebliches Kriterium. Es könnten auch normale
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Anstellungsverhältnisse begründet werden. Eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis sei nicht zwingend und auch im öffentlichen Dienst nicht an der Tagesordnung. Entgegen der Darlegung des beklagten Landes könne der Vorbereitungsdienst auch bereits nach 1 1/2 Jahren abgeschlossen sein. Im Anschluss an den erstinstanzlichen Gerichtstermin sei von ihm lediglich klargestellt worden, dass ihm natürlich an einem Beamtenverhältnis liege, er allerdings genauso gut als normaler Arbeiter bzw. Angestellter seine Tätigkeit aufnehmen wolle.
Wegen weiterer Einzelheiten des wechselseitigen Sachvortrages und wegen weiterer Einzelheiten der jeweiligen rechtlichen Argumentation wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien ergänzend Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
I.
Die Berufung ist statthaft und zulässig gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG. Die Berufung ist entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form-und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verurteilt. Das beklagte Land hat den Kläger bei der Ablehnung seiner Bewerbung unzulässig wegen seines Alters benachteiligt.
1. Die gesetzlichen Fristen für die Realisierung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG hat der Kläger eingehalten. Er hat noch im Januar 2007, also im Monat der
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Ablehnung seiner Bewerbung, den Anspruch schriftlich geltend gemacht und bereits im Februar 2007 die Klage anhängig gemacht. Damit sind die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG und die Drei-Monats-Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
2. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG sind erfüllt. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ein Beschäftigter bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach dem AGG von dem Arbeitgeber für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
a) Als Einstellungsbewerber ist der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG Beschäftigter. Er gehört damit zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 15 Abs. 2 AGG.
b) Das beklagte Land hat das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verletzt. Es hat die Bewerbung des Klägers ausweislich des Ablehnungsschreibens vom 08.01.2007 unstreitig deshalb nicht berücksichtigt, weil der Kläger das in der Stellenanzeige aus Dezember 2007 geforderte Höchstalter überschritten hatte. Damit hat das beklagte Land den Kläger wegen des in § 1 AGG genannten Merkmals des Alters weniger günstig behandelt, als es einen Bewerber jüngeren Alters behandelt hätte. Der Kläger ist wegen seines auf 28 Lebensjahre vorangeschrittenen Lebensalters unmittelbar benachteiligt worden im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG.
c) Die Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters ist nicht nach § 8 Abs. 1 AG zulässig. Ein Lebensalter von weniger als 28 Jahren ist weder wegen der Art der im Vollzugsdienst auszuübenden Tätigkeit noch wegen der Bedingungen ihrer Ausübung eine notwendige berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG. Die Tätigkeit im allgemeinen Vollzugsdienst kann vielmehr in gleicher Weise von Beschäftigten eines Lebensalters von 20 bis 25 Jahren wie auch von deutlich älteren Mitarbeitern verrichtet werden. Tatsächlich gibt es im Vollzugsdienst des beklagten Landes auch rund 30 Mitarbeiter, die älter als 28 Jahre sind und auf arbeitsvertraglicher Grundlage beschäftigt werden. Die von dem beklagten Land praktizierte Altersbegrenzung ist deshalb nicht nach § 8 AGG zulässig.
d) Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Alters ist nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (§ 10 Satz 1 AGG). Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen
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angemessen und erforderlich sein (§ 10 Satz 2 AGG). In seinem Satz 3 nennt § 10 AGG beispielhaft sechs Fallgestaltungen einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters.
aa) Die Argumentation des beklagten Landes ist der Fallgestaltung des § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG zuzuordnen. Nach dieser Bestimmung kann eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig sein, wenn ein Höchstalter für die Einstellung festgesetzt wird, um speziellen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes zu genügen oder um der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand gerecht zu werden.
(1) Ob die Anforderung einer Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung nach den beamtenrechtlichen Regeln mit dem AGG vereinbar ist, ist umstritten.
Das OVG NRW hat in mehreren Urteilen der Jahre 2007 und 2008 entschieden, dass die Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bei Lehrern gemäß §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NW mit dem AGG sowie mit der Richtlinie 2000/78/EG (EGRL 78/2000) vereinbar ist. Mit der Höchstaltersregelung verfolgt der Verordnungsgeber des Landes, so das OVG, ein legitimes Ziel. Die Höchstaltersregelung dient dem Zweck, ein angemessenes Verhältnis zwischen der Beschäftigungszeit als Beamter und dem Anspruch auf Versorgung im Ruhestand herzustellen, sowie eine ausgewogene Altersstruktur in den jeweiligen Laufbahnen zu gewährleisten. Die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und dem Versorgungsanspruch im Ruhestand ist wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems. Dem Interesse des Laufbahnbewerbers, auch noch im fortgeschrittenen Alter in das Beamtenverhältnis eintreten zu können, steht das öffentliche Interesse gegenüber, mit einer niedrigen Altersgrenze eine möglichst lange aktive Dienstzeit der Beamten sicherzustellen. Daran gemessen ist die Festlegung der Altersgrenze auf 35 Jahre nach Auffassung des OVG NRW nicht zu beanstanden (OVG NRW 30.05.2008 – 6 A 3734/05 –; OVG NRW 15.03.2007 – 6 A 2007/04 –; OVG NRW 15.03.2007 – 6 A 942/05 –; OVG NRW 18.07.2007 – 6 A 2008/04 –; ebenso OVG Rh-Pf. 10.08.2007 – 2 A 10294/07 – DÖD 2008, 66).
Gegen die Auffassung des OVG NRW argumentiert das VG Frankfurt mit seinem Urteil vom 21.04.2008. Nach dieser Entscheidung stellt das Höchstalter für die Einstellung in den mittleren feuertechnischen Dienst von 30 Jahren eine unmittelbare Benachteiligung älterer Bewerber aufgrund ihres Alters im Sinne von §§ 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 1 AGG dar. Das Ziel, durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 Feuerwehrlaufbahnverordnung eine ausgeglichene Altersstruktur
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herzustellen, stelle – so das VG Frankfurt – kein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG dar. Die Zielsetzung, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Beschäftigungszeit und dem Anspruch auf Versorgung herzustellen, sei zwar legitim und grundsätzlich mit der Vorgabe in § 10 Satz 1 AGG vereinbar. Die konkret festgesetzte Höchstaltersgrenze für den mittleren feuertechnischen Dienst von 30 Jahren sei aber als Mittel zur Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver Beschäftigungszeit und dem Anspruch auf Versorgung weder angemessen noch notwendig im Sinne von § 10 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 AGG. Eine Mindestzeit von mehr als 19,5 Jahren (§§ 4, 14 Beamtenversorgungsgesetz) sei nicht mehr angemessen und notwendig im Sinne von § 10 AGG, weil innerhalb dieser Zeit die Mindestversorgung regelmäßig durch tatsächliche Dienstleistung erdient werde (VG Frankfurt 21.04.2008 – 9 E 3856/07 –: Verfahrensaussetzung und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung von Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG; ebenso von Roetteken, Anm. zu OVG Münster 15.03.2007 – 6 A 4625/04 – jurisPR-ArbR 26/2007 Anm. 3 –).
Demgegenüber vertritt Bertelsmann die Auffassung, dass eine Altersgrenze von (höchstens) 35 Jahren beim Vorbereitungsdienst zu einer Laufbahn des einfachen öffentlichen Dienstes nicht gerechtfertigt werden könne. Allenfalls eine deutlich höhere Altersschwelle könne gerechtfertigt sein, wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet werde. Eventuell entstehende Ruhegeldprobleme müssten mit einer Anpassung der Ruhegeldregelungen gelöst werden (Rust/Falke - Bertelsmann, AGG 2007, § 10 AGG Rn. 185 – 188).
Nach Brors kann nicht pauschal argumentiert werden, Höchstaltersgrenzen rechtfertigten sich aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Diese könnten ebenso diskriminierend sein. Eine Rechtfertigung aus § 10 Satz Nr. 3 AGG scheide auch bezüglich des Hinweises aus, die Altersstufenregelungen seien im Hinblick auf das beamtenrechtliche Versorgungssystem erforderlich. Das Bestehen eines bestimmten Versorgungssystems sei keine Rechtfertigung. Vielmehr beruhe das System auf einer Entscheidung des Arbeitgebers, die selbst diskriminierend sein könne. Der Arbeitgeber könne Versorgungssysteme umstellen. Höchstaltersgrenzen seien daher mit Ausnahme tätigkeitsbezogener Rechtfertigungen nicht mehr haltbar (Däubler/Bertzbach - Brors, AGG, 2007, § 10 AGG Rn. 79 explizit gegen OVG Münster 18.07.2007 – 6 A 4770/04 –).
(2) Die soeben dargestellte Kontroverse zur Zulässigkeit beamtenrechtlicher Höchstaltersgrenzen muss hier nicht entschieden werden. Hier geht es nicht um eine Differenzierung nach dem Alter bei der Begründung eines Beamtenverhältnisses. Die Stellenanzeige des beklagten Landes und die Bewerbung des Klägers zielten auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages. Der entscheidende Gesichtspunkt, der für die Rechtfertigung der Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung angeführt wird, die
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Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und der Zeit der beamtenrechtlichen Versorgung im Ruhestand, trifft auf das hier zu begründende Rechtsverhältnis nicht zu. Der auf arbeitsvertraglicher Grundlage tätige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nimmt an dem beamtenrechtlichen Versorgungssystem nicht teil. Das Bedürfnis der Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses von Beschäftigungszeit zur Ruhestandszeit stellt sich in einem Arbeitsverhältnis nicht in der Weise wie bei einem Beamtenverhältnis. Im Arbeitsverhältnis werden monatlich Sozialversicherungsbeiträge u. a. für die Altersversorgung entrichtet. Hinzu kommen Aufwendungen für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen einer Höchstaltersgrenze für Einstellungen damit völlig anders. Ein Erfordernis einer angemessenen Mindestbeschäftigungszeit kann hier nicht in Bezug auf die späteren Rentenzahlungen angenommen werden (von Roetteken, jurisPR-ArbR 26/2007 Anm. 3 unter D).
(3) Der Hinweis des beklagten Landes, es sei beabsichtigt, die geeigneten Bewerber noch vor Erreichen des 28. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen, ist keine objektives und angemessenes und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigtes Kriterium i.S.d. § 10 AGG für eine altersbedingte schlechtere Behandlung des Klägers. Die rechtlichen Vorschriften sehen nicht vor, dass einem Beamtenverhältnis ein Arbeitsverhältnis vorauszugehen hat. Nach § 5 Abs.1 LVO NW erwerben Laufbahnbewerber die Befähigung für ihre Laufbahn durch Ableisten des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf oder in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 LVO NW. Lediglich andere Bewerber müssen die Befähigung für die Laufbahn, in der sie verwendet werden sollen, durch Lebens- und Berufserfahrung innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes erworben haben, § 15 Abs.2 LVO NW. Arbeitsverhältnis und Beamtenverhältnis werden als alternative Beschäftigungsformen im öffentlichen Dienst gesehen und – unter Beachtung der institutionellen Vorgaben des Art. 33 GG - realisiert. Der Anteil der Beamten am gesamten öffentlichen Dienst beträgt derzeit rund ein Drittel. Die Wahl zwischen Beamten- und Angestelltenstatus richtet sich vielfach nach Opportunitätsgesichtspunkten (v.Mangoldt-Klein, Bonner Grundgesetz Kommentar, Bd.2, 4.Auflage 2000, Art. 33 Abs.4 GG Rn.38). Auch der § 1 „Einstellungsvoraussetzungen" der VAPaVollzd sieht ein vorgeschaltetes Arbeitsverhältnis für Bewerber mit dem schulischen und beruflichen Hintergrund des Klägers nicht vor (158/159 GA). Will das beklagte Land den Kläger auf arbeitsvertraglicher Grundlage beschäftigen, ohne ihm die Rechtsposition eines Beamten einzuräumen, so kann es keine Altersdifferenzierungen vornehmen, die sich allein aus den beamtenrechtlichen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstherrn rechtfertigen lassen. Angesichts der zu Gebote stehenden Handlungsalternativen des beklagten Landes ist es nicht notwendig, den Kläger bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen des
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vorangeschrittenen Alters zu benachteiligen. Es ist nicht angemessen, den Kläger wegen seines Lebensalters von 28 Jahren von jeglicher Tätigkeit im Vollzugsdienst des beklagten Landes auszuschließen, obwohl das beklagte Land unstreitig landesweit etwa 400 Beschäftigte auf arbeitsvertraglicher Grundlage im Vollzugsdienst beschäftigt und davon wiederum etwa 30 Angestellte trotz Überschreitens der hier reklamierten Altersgrenze.
bb) Weitere der in § 10 AGG genannten Rechtfertigungsgesichtspunkte sind im hier zu entscheidenden Fall nicht einschlägig. Dass das Lebensalter von 28 Jahren unter dem Gesichtspunkt einer ausgewogenen Altersstruktur ein legitimes Einstellungshindernis darstellt, kann nach dem unterbreiteten Sachverhalt nicht festgestellt werden und wird von dem beklagten Land auch nicht geltend gemacht. Die Altersdifferenzierung erfolgt auch nicht im Interesse der beruflichen Eingliederung von besonders fürsorgebedürftigen Personen (§ 10 Satz 3 Nr. 1 AGG). § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG ist tatbestandlich nicht einschlägig, weil es dort um Mindestanforderungen an das Alter und nicht um Höchstaltersgrenzen für die Einstellung geht. Die Nummern 4, 5, 6 des Satzes 3 des § 10 AGG betreffen nicht Altersdifferenzierungen bei der Einstellung sondern verhalten sich zu Regeln für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, zu Vereinbarungen über die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen und zu Differenzierungen bei Leistungen in Sozialplänen.
e) Das beklagte Land kann seiner Inanspruchnahme nicht mit dem Einwand des Rechtsmissbrauches begegnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich nicht subjektiv ernsthaft beworben hat, bestehen nicht. Die vergleichsweise schnelle Geltendmachung des Anspruches nach § 15 Abs.2 AGG trägt eine solche Schlussfolgerung nicht, zumal die Ablehnung den Kläger angesichts der Stellenausschreibung nicht unerwartet getroffen haben wird. Die Bewerbung des Klägers ist sorgfältig erstellt, aussagekräftig und enthält umfangreiche Angaben zum schulischen und beruflichen Werdegang. Nach Lebensweg und Qualifikation „passt" die Bewerbung des Klägers zur Stellenausschreibung. Der Kläger genügt auch objektiv dem Anforderungsprofil – abgesehen von dem gewünschten Alter. Er ist ein objektiv geeigneter Bewerber.
f) Wegen der unstreitig geschehenen unzulässigen Benachteiligung steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Der Bestand dieses Anspruches Anspruch hängt nicht davon ab, ob dem Arbeitgeber ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 32; Henssler/Willemsen/Kalb-Annuß/Rupp, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 7).
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3. Das beklagte Land schuldet die Entschädigung auch in der von dem Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe von 3.000,00 €.
Das Gesetz sieht in § 15 Abs.2 AGG zum Ausgleich des bewirkten Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vor. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf bei einer Nichteinstellung die Entschädigung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Bei der Frage der Angemessenheit haben die Gerichte einen weiten Beurteilungsspielraum. Im Vordergrund steht der Ersatz des immateriellen Schadens, daneben sind bei der Bemessung der Entschädigungshöhe aber auch Aspekte zur Verhaltenslenkung zu berücksichtigen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dazu zählen etwa Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und ihre Folgen und der Grad des Verschuldens. Zusätzlich ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen. Die Höhe ist auch danach zu bemessen, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. (Henssler/Willemsen/Kalb-Annuß/Rupp, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 8).
Die von dem Arbeitsgericht ausgeurteilte und von dem beklagten Land für zu hoch erachtete Entschädigung bewegt sich nach Auffassung der Kammer mit dem Betrag von (nur) zwei Monatsnettoentgelten im unteren Bereich des Angemessenen. Der Kläger ist in seiner persönlichkeitsrechtlichen Position verletzt worden, indem seine Bewerbung ohne jede weitere sachliche Prüfung und ohne auch nur ansatzweise die vom Kläger gebotenen Qualifikationen zu berücksichtigen, aussortiert worden ist. Andere Gesichtspunkte als das (unzulässige) Differenzierungskriterium des Alters haben dabei keinerlei Rolle gespielt. Unter Berücksichtigung dessen und unter Berücksichtigung des Aspektes der Verhaltenslenkung ist der Betrag von 3.000,00 € keinesfalls zu hoch veranschlagt.
III.
Da das beklagte Land mit seiner Berufung unterlegen ist, hat es gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Revision eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Fax: (0361) 2636 - 2000
eingelegt werden.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Limberg
Basler
Voßeler
/je
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