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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/193

Zeit­druck bei Be­trieb­s­än­de­run­gen

LAG Mün­chen schränkt Recht des Be­triebs­ra­tes auf ex­ter­ne Be­ra­tung ein: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Be­schluss vom 24.06.2010, 2 TaBV 121/09
Sanduhr mit rotem Sand Recht des Be­triebs­ra­tes auf ex­ter­ne Be­ra­tung
04.10.2010. Be­trieb­s­än­de­run­gen kön­nen ein­schnei­den­de Ver­än­de­run­gen für al­le Be­schäf­tig­ten ei­nes Un­ter­neh­mens mit sich brin­gen. Ab ei­ner ge­wis­sen Grö­ße sieht das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz vor, dass der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat in­for­miert und sich mit ihm be­rät, be­vor er sei­ne Pla­nung um­setzt.

Da­bei kön­nen un­ter er­leich­ter­ten Be­din­gun­gen ex­ter­ne Be­ra­ter hin­zu­ge­zo­gen wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen hat die­se Mög­lich­keit mit we­nig über­zeu­gen­der Be­grün­dung zeit­lich be­grenzt: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Be­schluss vom 24.06.2010, 2 TaBV 121/09.

Dürfen Be­triebsräte bei Be­triebsände­run­gen in je­der Pha­se Be­ra­ter hin­zu­zie­hen?

In größeren Un­ter­neh­men müssen Un­ter­neh­mer den Be­triebs­rat über ge­plan­te Be­triebsände­run­gen, die we­sent­li­che Nach­tei­le für die Be­leg­schaft oder er­heb­li­che Tei­le der Be­leg­schaft zur Fol­ge ha­ben können, recht­zei­tig und um­fas­send zu un­ter­rich­ten und die ge­plan­ten Be­triebsände­run­gen mit dem Be­triebs­rat zu be­ra­ten (§ 111 Satz 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz - Be­trVG). Bei­spiels­wei­se bei größeren Kündi­gungs­wel­len oder gar ei­ner (Teil-)Still­le­gung hat be­steht die­se In­for­ma­ti­ons- und Be­ra­tungs­pflicht da­mit schon vor Ab­schluss der Pla­nun­gen.

In die­ser Si­tua­ti­on muss der Ar­beit­ge­ber mit dem Be­triebs­rat mit dem Ziel ei­ner Verständi­gung, dem so ge­nann­ten In­ter­es­sen­aus­gleich, über al­le Fra­gen der an­ste­hen­den Be­triebsände­rung ver­han­deln. An­ders als ein So­zi­al­plan ist die­ser In­ter­es­sen­aus­gleich je­doch recht­lich nicht er­zwing­bar. Ge­setz­lich wird hier nur der Ar­beit­ge­ber ge­maßre­gelt, der die ge­plan­te Be­triebsände­rung oh­ne aus­rei­chen­de vor­he­ri­ge Ver­hand­lun­gen um­setzt. In die­sem Fall muss er gemäß § 113 Be­trVG den Ar­beit­ge­bern, die durch die Be­triebsände­rung wirt­schaft­li­che Nach­tei­le er­lei­den, Ab­fin­dun­gen oder an­de­re Va­ri­an­ten ei­nes "Nach­teils­aus­gleichs" zah­len.

Aus­rei­chend ist über den In­ter­es­sen­aus­gleich erst ver­han­delt, wenn der Ar­beit­ge­ber nach In­for­ma­ti­on des Be­triebs­rats und ge­mein­sa­men Be­ra­tun­gen ver­geb­lich die Ei­ni­gungs­stel­le an­ruft. Die Ei­ni­gungs­stel­le ist für wei­te­re Ver­hand­lun­gen des­halb be­son­ders ge­eig­net, weil sich durch ei­nen neu­tra­len Vor­sit­zen­den ge­lei­tet wird.

Da die Zeit­span­ne zwi­schen In­for­ma­ti­on, Be­ra­tung und Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le zu­meist sehr kurz be­mes­sen ist, müssen Be­triebsräte sich bei we­sent­li­chen Be­triebsände­run­gen möglichst rasch und gut über die Pla­nung und (zu­meist wirt­schaft­li­che) Mo­ti­va­ti­on des Ar­beit­ge­bers in­for­mie­ren. In größeren Be­trie­ben kann das schnell zu ei­ner ex­trem an­spruchs­vol­len Auf­ga­be wer­den. In Un­ter­neh­men mit mehr als 300 Ar­beit­neh­mern können Be­triebsräte da­her zu ih­rer Un­terstützung ei­nen Be­ra­ter hin­zu­zie­hen (§ 111 Satz 2 Halb­satz 1 Be­trVG). In die­sem Zu­sam­men­hang wird nicht ein­mal ei­ne Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers oder ei­ne Ver­ein­ba­rung mit ihm benötigt.

Zu der Fra­ge, ob die­ses Recht auf ex­ter­ne Be­ra­tung zeit­lich be­grenzt ist, hat kürz­lich das (LAG) München Stel­lung ge­nom­men (Be­schluss vom 24.06.2010, 2 TaBV 121/09).

Der Fall: Ge­samt­be­triebs­rat be­auf­tragt Be­ra­ter, nach­dem Ei­ni­gungs­stel­le ein­ge­setzt wur­de

Die Lei­tung ei­nes Un­ter­neh­mens mit mehr als 300 Ar­beit­neh­mern un­ter­rich­te­te den Wirt­schafts­aus­schuss En­de Mai 2008 über ei­ne für Ok­to­ber ge­plan­te Be­triebsände­rung. An­fang Ju­ni stell­te der Geschäftsführer dem für die Ver­hand­lun­gen zuständi­gen Ge­samt­be­triebs­rat (GBR) mit ei­ner 70seitigen Power-Point-Präsen­ta­ti­on Um­fang und Fol­gen der ge­plan­ten Be­triebsände­rung vor. Der GBR mach­te Gespräche von der Über­mitt­lung ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs­ent­wurfs abhängig. Den leg­te der Ar­beit­ge­ber Mit­te Ju­li vor.

We­ni­ge Ta­ge später fass­te der GBR den Be­schluss, ei­ne Kölner Be­ra­tungs­ge­sell­schaft als Be­ra­ter gemäß § 111 und § 92a Be­trVG zur Un­terstützung hin­zu­zu­zie­hen, und zwar zur Er­ar­bei­tung al­ter­na­ti­ver Vor­schläge zur Kos­ten­ein­spa­rung und Ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung im Zu­sam­men­hang mit der ge­plan­ten Be­triebsände­rung. Die Be­ra­tungs­ge­sell­schaft mach­te An­fang Au­gust ein Kos­ten­an­ge­bot. Der Ar­beit­ge­ber lehn­te ei­ne Kos­tenüber­nah­me ab.

Mit­te Sep­tem­ber wur­de die Ei­ni­gungs­stel­le durch Ge­richts­be­schluss auf Be­trei­ben des Ar­beit­ge­bers ein­ge­rich­tet. Zwei Ta­ge da­nach be­auf­trag­te der GBR die Be­ra­tungs­ge­sell­schaft. Die­se führ­te vom 29.10. bis zum 04.11.2008 In­ter­views mit ver­schie­de­nen Gesprächs­part­nern und be­riet den GBR. Dafür stell­te sie 70.687,69 EUR brut­to in Rech­nung. Der Ar­beit­ge­ber zahl­te nicht, so dass der Be­triebs­rat vor dem Ar­beits­ge­richt München auf Kos­tenüber­nah­me klag­te, al­ler­dings oh­ne Er­folg (Ar­beits­ge­richt München, Be­schluss vom 11.11.2009, 34 BV 53/09).

LAG München: Zu spät! Be­ra­ter können oh­ne Zu­stim­mung nur vor­her hin­zu­ge­zo­gen wer­den.

Auch in der zwei­ten In­stanz hat­te der Ge­samt­be­triebs­rat kei­nen Er­folg.

Das LAG war der Auf­fas­sung, aus dem Zweck der §§ 111 Satz 2, 112 Be­trVG er­ge­be sich, dass ei­nen Be­ra­ter nach § 111 Satz 2 Be­trVG vom Be­triebs­rat nur bis zur Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le hin­zu­ge­zo­gen wer­den könne. Da­nach sei die vom Ge­setz gewünsch­te schnel­le und un­abhängi­ge Be­ra­tung nicht mehr er­for­der­lich. We­gen der "in­ten­si­ven Kom­mu­ni­ka­ti­on" der Be­triebs­part­nern in der Ei­ni­gungs­stel­le sei es aus­rei­chend, dem Be­triebs­rat ei­nen Be­ra­ter auf Grund­la­ge von § 80 Abs.3 Be­trVG zur Sei­te zu stel­len, d.h. nur wenn der Ar­beit­ge­ber zu­stimmt. Die­ses Ver­fah­ren könne zwar zeit­auf­wen­dig sein und bie­te kei­ne Gewähr, dass es vor Ab­schluss der In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen tatsächlich zu ei­ner Be­ra­tung des Be­triebs­rats kommt. Häufig wer­de al­ler­dings der Ar­beit­ge­ber ei­ner Ver­ein­ba­rung über die Hin­zu­zie­hung ei­nes Sach­verständi­gen schon des­halb auf­ge­schlos­sen ge­genüber­ste­hen, weil er selbst ein In­ter­es­se an ei­nem bal­di­gen Ab­schluss der Ver­hand­lun­gen über den In­ter­es­sen­aus­gleich ha­be.

Die­se Auf­fas­sung des LAG München ist nicht über­zeu­gend. Das Ge­setz sieht ei­ne Zeit­gren­ze schlicht nicht vor.

Zwar wur­de die Rechts­be­schwer­de zum Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen. So­weit er­sicht­lich wur­de sie aber nicht ein­ge­legt. Das heißt aber nicht, dass an­de­re Ar­beits­ge­rich­te der Auf­fas­sung des LAG München fol­gen, ins­bes­in­de­re weil die­see auch in der ar­beits­recht­li­chen Li­te­ra­tur kaum ver­tre­ten wird. Wer als Be­triebsräte den­noch "auf Num­mer si­cher ge­hen" will, soll­te ex­ter­ne Be­ra­ter bei an­ste­hen­den Be­triebsände­run­gen vor der Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le be­auf­tra­gen. In dem hierfür zu fas­sen­den Be­schluss soll­te ge­nau be­nannt wer­den, wer wel­che Be­ra­tungs­leis­tun­gen zu wel­chen Prei­sen er­brin­gen soll. Ein Kos­ten­an­ge­bot mit St­un­den- oder Ta­gessätzen und ei­ner sum­menmäßigen Ober­gren­ze bie­tet hier ei­ne gu­te Ori­en­tie­rung.

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Letzte Überarbeitung: 18. Januar 2014

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