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ArbG Offenbach, Urteil vom 22.08.2012, 10 BV 6/11
Schlagworte: | Leiharbeit, Aufsichtsratswahl | |
Gericht: | Arbeitsgericht Offenbach | |
Aktenzeichen: | 10 BV 6/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 22.08.2012 | |
Leitsätze: | 1. Wahlberechtigte Leiharbeitnehmer sind bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl nach § 9 MitbestG mitzuzählen. 2. Beschäftigt ein Unternehmen in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmer einschließlich der wahlberechtigten Leiharbeitnehmer, ist die Aufsichtsratswahl als Delegiertenwahl durchzuführen. |
|
Vorinstanzen: | ||
Arbeitsgericht Offenbach
Beschl. v. 22.08.2012, Az.: 10 BV 6/11
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten zu 1 - 14) sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 16). Die Beteiligte zu 16) mit Sitz in H produziert Reifen für die Automobilindustrie. Sie hält 100 % der Geschäftsanteile an den Beteiligten zu 17) und 18). Die Beteiligten streiten darüber, ob die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach dem MitbestG als unmittelbare Wahl oder als Delegiertenwahl durchzuführen ist.
Im März 2002 wurde im Konzern der Beteiligten zu 16) erstmals der Schwellenwert von mehr als 2.000 Arbeitnehmern überschritten. Es wurde ein mitbestimmter Aufsichtsrat mit je 8 Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer gebildet. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wurden jeweils auf Antrag der Gewerkschaft IG BCE durch Beschluss des Amtsgerichts H gemäß § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG bestellt. Auch in der Folgezeit beantragte die IG BCE wiederholt gerichtliche Nachbesetzungen von Aufsichtsratsmitgliedern. Im Jahre 2007 kam es zu Streitigkeiten innerhalb des Betriebsrats über einen Vorschlag zur Nachbesetzung eines Aufsichtsratsmandats (Beschlussverfahren 2 BV 7/07 ArbG H - Hess. LAG 9 TaBV 5/08). Ende 2007 begehrten verschiedene Arbeitnehmer (u. a. auch einige der in diesem Verfahren beteiligten Antragsteller), die Bestellung eines Unternehmenswahlvorstandes zur Durchführung von Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG (Verfahren 1 BV 11/07 des ArbG H - Hess. LAG 7 TaBV 37/08 - BAG: 7 ABN 2/09). Dieser Antrag wurde in allen Instanzen abgewiesen, da eine gerichtliche Ersatzbestellung eines Wahlvorstands im Mitbestimmungsrecht nicht vorgesehen ist. Ein in die gleiche Richtung zielender Antrag verschiedener Arbeitnehmer wurde vom ArbG H mit Beschluss vom 09. Dezember 2009 zurückgewiesen (Az.: 1 BV 8/08). Auf die Beschwerde der in diesem Verfahren Beteiligten zu 12), 11), 5) und 13) wurde der Beschluss vom Hess. LAG (9 TaBV 4/10) am 29. Juli 2010 teilweise abgeändert und der Gesamtbetriebsrat verpflichtet, einen aus drei Mitgliedern bestehenden Hauptwahlvorstand zur Durchführung der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG im Unternehmen der Beteiligten zu 16) zu bestellen (zu den insoweit ergangenen Entscheidungen vgl. Bl. 81 - 117 der beigezogenen Akte 1 BV 9/10 des ArbG H). In einem weiteren Verfahren (ArbG H 1 BV 9/10) beantragten verschiedene Arbeitnehmer einen Hauptwahlvorstand zur Durchführung der Aufsichtsratswahl nach dem MitbestG 1976 bei der Beteiligten zu 16) zu bestellen Dieses Verfahren wurde am 10. Mai 2011 gem. § 83a Abs. 2 , 3 ArbGG eingestellt, nachdem der Gesamtbetriebsrat den Hauptwahlvorstand zur Einleitung der Aufsichtsratswahlen bestellt hatte. In einem am 09. August 2011 eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren beantragten die jetzigen Beteiligten zu 1) - 14) dem Beteiligten zu 15) aufzugeben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über die Durchführung der Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat der Beteiligten zu 16)
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es zu unterlassen, die Aufsichtsratswahl als Delegiertenwahl einzuleiten (ArbG H 1 BVGa 5/11). Gegen den zurückweisenden Beschluss des ArbG H vom 31. August 2011 (Bl. 74 - 80 der beigezogenen Akte 1 BVGa 5/11) hat das Hess. LAG mit Beschluss vom 22. September 2011 den Beschluss des Arbeitsgerichts H vom 31. August 2011 abgeändert und dem Beteiligten zu 15) aufgegeben, es bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über die Durchführung der Wahlen der Arbeitnehmervertreter zu den bei der Beteiligten zu 16) bestehenden Aufsichtsrat zu unterlassen, die Wahl als Delegiertenwahl durchzuführen. Hinsichtlich des Inhalts des Beschlusses des Hessischen LAG wird auf Blatt 156 - 160 der beigezogenen Akte 1 BVGa 5/11 des ArbG H verwiesen.
Mit dem vorliegenden Verfahren verfolgen die Beteiligten zu 1) - 14) im Hauptsacheverfahren ihr Begehren, dem Beteiligten zu 15) aufzugeben, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl durchzuführen.
Die Beteiligte zu 16) hatte zunächst in einem Aushang vom 12. Mai 2011 (Bl. 12 - 14 d. A.) bekanntgegeben, dass bei ihr 7.500 Arbeitnehmer, bei der Beteiligten zu 17) 175 Arbeitnehmer und bei der Beteiligten zu 18) 3 Arbeitnehmer, insgesamt somit in allen drei Unternehmen 7.678 Arbeitnehmer beschäftigt seien. In der Sitzung des Hauptwahlvorstandes vom 05. Juli 2011 stellte dieser für den 01.07.2011 eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 8.341 Personen fest (7.875 Arbeitnehmer, 22 leitende Angestellte und 444 Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen) und beschloss die Durchführung einer Delegiertenwahl (vgl. das Protokoll Bl. 35 - 37 d. A.). Am 11. Juli 2011 erließ der Beteiligte zu 15) eine Bekanntmachung über die Art der Wahl gemäß § 13 Abs. 2 der 3. Wahlordnung zum MitbestG (Bl. 38 d. A.). Eine Antrag auf Durchführung der Aufsichtsratswahl als unmittelbarer Wahl innerhalb Zwei-Wochenfrist wurde nicht gestellt (vgl. das Protokoll des Beteiligten zu 15) vom 26. Juli 2011 (Bl. 39 - 41 d. A).
Die Antragsteller und Beteiligten zu 1) - 14) sind der Auffassung, es habe eine unmittelbare Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer stattzufinden, da die Beteiligten zu 16) - 18) in der Regel weniger als 8.000 Arbeitnehmer beschäftigten. Leiharbeitnehmer seien nicht mitzuzählen, da sie nicht zu den regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern gehörten. Es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher tatsächlicher Feststellungen die Zahl der ständig beschäftigten Arbeitnehmern vom Beteiligten zu 15) seiner Beurteilung zugrunde gelegt worden seien. Diese dem Beteiligten zu 15) vorliegenden tatsächlichen Angaben zu den ständig Beschäftigten variierten mehrfach. Im Aushang vom 12. Mai 2011 gehe man einmal von 2.253 regelmäßigen Beschäftigten in H aus, während diese Zahl im Protokoll vom 26. Juli 2011 mit 2.293 Arbeitnehmern angegeben werde (Bl. 42 d. A.). 2010 habe die Beteiligte zu 16) in H überhaupt keine Leiharbeitnehmer beschäftigt; für 2011 habe man einen Personalbedarf in der Produktion mit 33 - 73 Leiharbeitnehmern geplant. Die Hinzurechnung der Leiharbeitnehmer sei nur deshalb erfolgt, weil man keine konkurrierende Liste bei den Aufsichtsratswahlen wolle. Leiharbeitnehmer stellten bei den Beteiligten zu 16) - 18) lediglich Konjunkturpuffer dar. Zum 31. März 2012 sei die Leiharbeit wieder auf ein Niveau vor dem Boom-Ende 2010 zurückgefahren worden, so dass Ende des ersten Vierteljahres 2012 nur noch 168 Leiharbeitnehmer im Konzern angesetzt seien. Mit einer Beschäftigtenzahl von 444 Leiharbeitnehmern werde von den Beteiligten zu 16) - 18) weder geplant noch gearbeitet.
Die Beteiligten zu 1) - 14) beantragen:
Der Beteiligten zu 15) wird aufgegeben, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zu dem bei der Beteiligten zu 16) bestehenden Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl nach § 9 Abs. 2 MitbestG durchzuführen.
Die Beteiligten zu 15) und zu 16) - 18) beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 15) behauptet, bei den 444 berücksichtigten Leiharbeitnehmern handele es sich um solche, die Stammplätze belegen, also nicht um Aushilfen oder studentische Hilfskräfte. Es
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handele sich um solche Leiharbeitnehmer, die in der Produktion feste Maschinenarbeitsplätze besetzen oder im Service feste Instandhaltungsarbeiten ausführten. Sämtliche Leiharbeitnehmer hätten eine Ausbildung im jeweiligen Betrieb genossen, die sie zur Bedienung der jeweiligen Maschinen befähige. Es handele sich nicht um kurzfristige Aushilfen, ungelernte Arbeiter oder kurzfristig beschäftigte Leiharbeitnehmer im Rahmen von Erkrankungen von Mitarbeitern. Da Leiharbeiter wahlberechtigt seien, müssten sie bei der Entscheidung, ob eine Urwahl oder eine Delegiertenwahl durchgeführt werden müssen, mitgezählt werden.
Am 05. Juli 2011 sei eine Beschäftigtenzahl von 8.341 Mitarbeitern einschließlich 444 Leiharbeitern festgestellt worden. Dies habe eine Zahl der Wahlberechtigten von 8176 Mitarbeitern ergeben. Zum Beweis bezieht sich der Beteiligte zu 15) auf die Liste der Wahlberechtigten und regelmäßig in den Unternehmen der Beteiligten zu 16), 17) und 18) beschäftigten Arbeitnehmer (CD-ROM in Bl. 83 d. A.). Da Leiharbeitnehmer auch dauerhaft beschäftigt sein könnten, müssten sie bei der Erreichung des Schwellenwertes mitgezählt werden.
Die Beteiligten zu 16) - 18) sind der Ansicht, dass Leiharbeitnehmer hinsichtlich der Beurteilung, ob der Schwellenwert des § 9 Abs. 1 MitbestG überschritten sei oder nicht, mitzuzählen seien. Zumindest solche Leiharbeitnehmer, die beim Entleiher auf regelmäßig zu besetzenden Arbeitsplätzen beschäftigt würden, seien seit der Abschaffung der Höchstüberlassungsdauer für Leiharbeitnehmer mitzuzählen. Wenn Leiharbeitnehmer wahlberechtigt seien und auch über die Art der Wahl abstimmen könnten, müssten sie auch bei der Schwellenwertberechnung mitgezählt werden. Dieser Auffassung entspreche auch der neueren Rechtsprechung des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen des § 111 Satz 1 BetrVG .
Für die Bestimmung der in der Regel Beschäftigten dürfe nicht wie bei der Entscheidung, ob ein Aufsichtsrat überhaupt nach dem Mitbestimmungsgesetz zu wählen sei, auf einen Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahren im Rückblick und in der Prognose abgestellt werden, sondern auf einen wesentlich geringeren Zeitraum, maximal 6 Monate. Dies gelte insbesondere bei einem Unternehmen wie ihr, bei der die Belegschaftsstärke typischerweise sehr schwanke. Aufgrund der Konjunktur der Autoproduktion schwanke auch die Produktion der Reifen. Dementsprechend habe die Arbeitnehmerzahl im Konzern im 3. Quartal 2009 ihren Tiefststand mit 7.484 Arbeitnehmern erreicht, ihren Höchststand am Ende des 3. Quartals 2011 mit 8.298 Arbeitnehmern. Die Arbeitnehmerzahl habe sich zum Ende des Jahres 2010 auf 8.013 Arbeitnehmer erhöht und sei bis zum September 2011 kontinuierlich auf einem Stand über 8.000 Arbeitnehmern geblieben. Die Beteiligte zu 16) verweist insoweit auf die Entwicklung der Arbeitnehmerzahlen von Januar 2010 bis September 2011 (Bl. 180 - 184 d. A.). Es sei im Juli 2011 noch nicht absehbar gewesen, dass die Zahl der Leiharbeitnehmer abgebaut würde. Leiharbeitnehmer würden im Konzern generell für einen längeren Zeitraum als drei Monate eingesetzt, da diese an den Produktionsmaschinen intensiv eingelernt und geschult werden müssten. Im ersten Halbjahr 2011 seien stets mehr als 428 Leiharbeitnehmer im Konzern eingesetzt worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2012 hat die Arbeitsdirektorin der Beteiligten zu 16) erklärt, dass zur Zeit nur ca. 200 Leiharbeitnehmer bei der Beteiligten zu 16) beschäftigt seien; dies sei jedoch zum Zeitpunkt der Einleitung des Beschlussverfahrens nicht absehbar gewesen.
B.
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Hauptwahlvorstand hat die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zu dem bei der Beteiligten zu 16) bestehenden Aufsichtsrat nicht im Wege der unmittelbaren Wahl gem. § 9 Abs. 2 MitbestG durchzuführen, sondern durch Delegiertenwahl gem. § 9 Abs. 1 MitbestG .
I.
Der Antrag ist zulässig. Bereits während des laufenden Wahlverfahrens zur Aufsichtsratswahl nach dem Mitbestimmungsgesetz können einzelne Elemente des Wahlverfahrens der gerichtlichen
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Kontrolle unterzogen werden ( BAG 25.08.1981 - 1 ABR 61/79 , AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979). Durch derartige Entscheidungen sollen spätere Wahlanfechtungen erübrigt werden. Insbesondere kann auch die Entscheidung des Hauptwahlvorstandes, die Aufsichtsratswahl als unmittelbare Wahl oder als Delegiertenwahl durchzuführen bereits vorab zur Überprüfung gestellt werden.
Zur Überprüfung steht die Bekanntmachung des Hauptwahlvorstands (Beteiligter zu 15) vom 11.07.2011, die Wahl als Delegiertenwahl durchzuführen. Da es sich um eine gerichtliche Prüfung während des laufenden Wahlverfahrens handelt, kann nur auf die durch den Antrag angegriffene Entscheidung abgestellt werden.
II.
Die Wahl ist gem. § 9 Abs. 1 MitbestG als Delegiertenwahl durchzuführen, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen ( § 9 Abs. 1 MitbestG ).
1. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vermag die Kammer nicht der Auffassung des Hess. LAG im einstweiligen Verfügungsverfahren (Beschluss vom 22.09.2011, 9 Ta BVGa 166/11) zu folgen, die den Beteiligten zu 16) - 18) überlassenen Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen nach § 9 MitbestG nicht zu berücksichtigen.
a) Bereits das Hess. LAG hat in seiner Entscheidung betont, dass es vor allen Dingen wegen des Charakters des Eilverfahrens keinen Anlass sieht, von der bisherigen Rechtsprechung des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Arbeitnehmerzahl zur Betriebsratswahl abzuweichen. Hinsichtlich der Begründung seiner Auffassung, warum Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen nach § 9 MitbestG nicht zu berücksichtigen sind, kann auf die den Beteiligten bekannten Argumente des LAG einschließlich der im Beschluss vom 22. September 2011 aufgeführten Nachweise verwiesen werden. Wichtigstes Argument waren die fehlenden arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer; die tatsächliche Eingliederung führe noch nicht zu einer mitbestimmungsrelevanten Interessenbetroffenheit. Die mittel- und langfristig im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung zu treffenden Entscheidungen des Aufsichtsrats seien kaum von Interesse für die kurzfristig im Unternehmen eingesetzten Leiharbeitnehmer. Durch das aktive Wahlrecht für Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb werde deren betriebsverfassungsrechtliche Stellung im Übrigen nicht verändert.
b) Diese Auffassung bedarf vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG vom 18. Oktober 2011 (1 AZR 335/10 , NZA 2012, 221) einer Neubewertung und im Ergebnis für diesen Fall einer von der Rechtsprechung des LAG und der bisherigen Rechtsprechung des BAG abweichenden Entscheidung.
Der 1. Senat des BAG differenziert hinsichtlich der Einbeziehung von Leiharbeitnehmer nach dem jeweiligen Zweck der Norm. Während § 9 BetrVG den Zweck verfolge, sicherzustellen, dass die Zahl der Betriebsratsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betriebsangehörigen Arbeitnehmer stehe, deren Interessen und Rechte der Betriebsrat zu wahren habe, bezwecke der Schwellenwert in § 111 Satz 1 BetrVG , kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung durch Sozialpläne zu schützen. Da die Wirtschaftskraft von Unternehmen auch durch die im Entleiherbetrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer bestimmt werde, seien wahlberechtigte Leiharbeitnehmer (also solche, die länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt sind) bei der Bestimmung des Schwellenwerts in § 111 BetrVG mit zu berücksichtigen.
Dem ist zuzustimmen. Eine Auslegung nach dem Zweck der Norm ist vor allen Dingen seit dem Gesetz zur Reform der Betriebsverfassung von 2001 erforderlich geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Leiharbeitnehmer nicht zu den Arbeitnehmern des Entleiherbetriebs gezählt. Dagegen ist durch die Gesetzesänderung vom 23. Juli 2001 in § 7 Satz 2 BetrVG das aktive Wahlrecht von Leiharbeitnehmern im Entleihbetrieb eingeführt worden, soweit sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Auf diese Vorschrift wird in § 10 Abs. 2 Satz 2 MitbestG und § 18 Satz 2 MitbestG verwiesen. Darüber hinaus zählen seit dem 01. Juli 2009 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG
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Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer, wenn sie aus dem öffentlichen Dienst im Wege der Personalgestellung an Betriebe privatrechtlich organisierter Unternehmen verliehen sind. Insofern gebietet die unterschiedliche Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten im BetrVG eine jeweils differenzierte Auslegung. Dabei ist der 7. Senat des BAG für die Beamten, Soldaten und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, inzwischen zu der Auffassung gelangt, dass diese Beschäftigten jedenfalls bei den organisatorischen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes - insbesondere bei der Anzahl der Freistellungen nach § 38 BetrVG - mitzuzählen sind ( BAG 15. Dezember 2011 - 7 ABR 65/10 , NZA 2012, 519). Diese Erkenntnis gewinnt der 7. Senat des BAG aus einer ausführlichen, am Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG orientierten Auslegung.
aa) Der Wortlaut des § 9 MitbestG spricht auf den ersten Blick für die Auffassung, Leiharbeitnehmer nicht mit zu berücksichtigen, weil hier von Arbeitnehmern eines Unternehmens gesprochen wird. Dies sind Leiharbeitnehmer, die in einem Entleihbetrieb tätig sind, nach herkömmlichem Verständnis nicht. Bei der Bestimmung der Arbeitnehmerzahl im Sinne des § 9 MitbestG wird ebenso wie bei der Anzahl der Arbeitnehmer nach § 1 MitbestG nur auf die Arbeitnehmerzahl von 8.000 beziehungsweise 2.000 abgestellt, nicht etwa darauf, ob diese wahlberechtigt sind (Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Auflage, § 9 Rn. 6; ErfK/Oetker, 12. Auflage § 9 MitbestG Rn. 1). Andererseits sprechen die zur Durchführung der Aufsichtsratswahl erlassenen Wahlordnungen nicht den arbeitsvertragliche Beziehungen voraussetzenden Arbeitnehmerbegriff an, sondern, dass „in der Regel insgesamt nicht mehr oder mehr als 8.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind (§ 13 Abs. 1 und Abs. 2 3. WO MitbestG). Das Beschäftigtsein setzt nicht das Bestehen einer arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehung voraus; es ist auch beim Einsatz eines Leiharbeitnehmers in einem Entleihbetrieb gegeben.
bb) Darüber hinaus hat der Vertreter der Beteiligten zu 16) - 18) zu Recht darauf hingewiesen, dass der Normzusammenhang des § 9 MitbestG i. V. m. § 10 Abs. 2 Satz 2 MitbestG und § 18 Satz 2 MitbestG für eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer spricht. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und § 18 Satz 2 MitbestG sind unabhängig von der Art der Durchführung der Wahl Leiharbeitnehmer wie bei der Betriebsratswahl wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Da diese zu den wahlberechtigten Arbeitnehmern gehören, können sie nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG mitentscheiden, ob vom gesetzlichen Regelfall einer Delegiertenwahl bei in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern oder einer unmittelbaren Wahl bei in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern abgewichen werden soll. Sie können sowohl über einen derartigen Antrag, eine Abstimmung über eine Abweichung durchzuführen mitstimmen, als auch bei der Beschlussfassung über eine derartige Abweichung überhaupt. Es wäre widersprüchlich, Leiharbeitnehmer beim Schwellenwert von 8.000 Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen, während bei der Abstimmung darüber, ob eine alternatives Wahlverfahren durchgeführt werden soll, die Leiharbeitnehmer berücksichtigt würden.
cc) Aus der Gesetzesbegründung zur Einführung des aktiven Wahlrechts von Leiharbeitnehmern (BT-Drs. 14/5741 - zitiert bei BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 AP Nr. 8 zu § 7 BetrVG 1972) ergibt sich dagegen zur Interpretation des § 9 MitbestG nichts Eindeutiges.
dd) Sinn und Zweck des § 9 MitbestG sprechen dagegen deutlich für eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern im Sinne des § 7 Satz 2 BetrVG bei der Bemessung des Schwellenwertes von 8.000 Arbeitnehmer gemäß § 9 MitbestG . Bereits für die Rechtsfrage, ob überhaupt ein mitbestimmender Aufsichtsrat zu wählen ist, wird vertreten, dass wahlberechtigte Leiharbeitnehmer bei der Berechnung des Schwellenwertes von 2.000 bzw. 500 Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind, da die Auswirkungen von Unternehmensentscheidungen die Leiharbeitnehmer ebenso treffen wie die Stammbelegschaft; die arbeitsvertraglichen Beziehungen seien insoweit von untergeordneter Bedeutung (vgl. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestG, § 1 Rn. 35j; dieselben § 1 DrittelbG § 1 Rn. 55; im Ergebnis Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage § 260 Rn 3; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Wißmann, 3. Auflage, § 279 Rn. 5, Fuchs/Köstler, Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 5. Aufl. Rn. 214).
Die gesetzlich vorgesehene Differenzierung zwischen einer Delegiertenwahl in Unternehmen mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern und einer unmittelbaren Wahl in Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern beruht auf der Erwägung, dass in großen und oft auch weit verzweigten Unternehmen oder Konzernen eine Wahl vermittels betrieblich gewählter Delegierter transparenter ist und eher auch den Belegschaften kleiner Betriebe und Unternehmen eine wirksame Einflussnahme ermöglichen kann als die unmittelbare Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, die den Arbeitnehmern oft kaum bekannt seien werden(Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 9 Rn 4 unter Berufung auf den Bericht des Ausschusses für Arbeits- und Sozialordnung zum Regierungsentwurf des MitbestG, BT-Drs. 7/4845, S. 6). Während der Gesetzgeber also in Unternehmen bis zu 8.000 Arbeitnehmern davon ausgeht, dass die Wahlberechtigten die Kandidaten zur Aufsichtsratswahl noch kennen können, oder auch sonst im Rahmen einer unmittelbaren Wahl Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nehmen können, wird ab einer Größenordnung von mehr als 8.000 Arbeitnehmern davon ausgegangen, dass die Wahlberechtigten effektiveren und für sie transparenteren Einfluss über die Wahl von Delegierten auf die Aufsichtsratszusammensetzung nehmen können. Da die Differenzierung damit abstellt auf die Menge der am Wahlprozess beteiligten Wahlberechtigten, ist es konsequent bei der Interpretation des Begriffs des Arbeitnehmers in § 9 MitbestG alle wahlberechtigten Arbeitnehmer mitzuzählen, also auch die wahlberechtigten Leiharbeitnehmer gem. § 7 Satz 2 BetrVG i. V. m. § 10 Abs. 2 Satz 2 MitbestG beziehungsweise § 18 Satz 2 MitbestG .
2. Bei den Beteiligten zu 16) - 18) waren unter Einschluss der wahlberechtigten Leiharbeitnehmer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe über die Art des Wahlverfahrens am 05. Juli 2011 in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmer beschäftigt und damit eine Delegiertenwahl durchzuführen.
a) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Überschreitung des Stellenwertes ist die Bekanntmachung des § 13 Abs. 2 der 3. WO zum MitbestG, damit der 05. Juli 2011. Dies ergibt sich aus dem Streitgegenstand, der eine Entscheidung des Hauptwahlvorstands betrifft. Dass zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder gar bei Durchführung der Aufsichtsratswahl nach rechtskräftiger Entscheidung andere Zahlen für die Wahl maßgeblich sein mögen, ist nicht erheblich. Bekanntlich sind die Wählerlisten fortzuschreiben (§ 8 Abs. 4 3. WO MitbestG), es können unterschiedliche Zeitpunkte für die unterschiedlichen Verfahrensabschnitte der Wahl zu unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungen führen (vgl. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestG § 10 Rn. 27). Unerheblich ist es deshalb, dass die Aufsichtsratswahl bislang nicht durchgeführt ist, und nach dem unbestrittenen Vortrag der Arbeitsdirektorin der Beteiligten zu 16) im Kammertermin gegenwärtig nur 200 Leiharbeitnehmer beschäftigt werden.
b) Bei der Bestimmung der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer kommt es nicht auf die Anzahl der in einem konkreten Zeitpunkt beschäftigten Arbeitnehmer an. Entscheidend ist die normale Beschäftigtenzahl des Unternehmens, also diejenige Personalstärke, die für das Unternehmen im allgemeinen bei regelmäßigem Gang des Betriebs kennzeichnend ist. Erforderlich ist ein Rückblick auf die bisherige personelle Stärke und eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung, wobei Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls nicht zu berücksichtigen sind (vgl. zu § 17 KSchG BAG 24.02.2005, 2 AZR 207/04 , NZA 2005, 760 = AP Nr. 20 zu § 17 KSchG). Der Wahlvorstand hat wie im Betriebsverfassungsrecht einen gewissen Beurteilungsspielraum. Um eine charakteristische Personalstärke zu beurteilen, hält die Kammer jedenfalls für einzelne Wahlverfahrensschritte eine Einbeziehung eines vergangenen Zeitraums von 6 Monaten für ausreichend. Es kann insoweit auf die Entscheidungen des BAG zu § 111 BetrVG ( 16.11.2004 - 1 AZR 642/03 , AP Nr. zu 58 zu § 111 BetrVG 1972) verwiesen werden.
Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung muss der Hauptwahlvorstand die ihm bekannten Planungen des Arbeitgebers berücksichtigen; die zukünftige Entwicklung muss er nur berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber bereits konkrete Veränderungsentscheidungen getroffen hat ( LAG München, Beschluss vom 24. Juli 2007 - 6 TaBV 3/07 , Juris).
Hier haben die Beteiligten zu 16) - 18) dargestellt, dass ab November 2010 durchgehend bis einschließlich September 2011 bei ihnen mehr als 8.000 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Damit bewegte sich das Niveau der Beschäftigtenzahl von Februar 2011 bis einschließlich September
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2011 beständig auf einem Niveau zwischen 8.100 und 8.300 Arbeitnehmern (einschließlich der Leiharbeitnehmer). Auch die Anzahl der beschäftigten Leiharbeitnehmer lag konstant zwischen 400 und 500 Arbeitnehmern in der Zeit vom November 2010 bis einschließlich September 2011. Soweit bei der Beteiligten zu 16) am Ende des 1. Quartals 2012 nur noch 200 Arbeitnehmer eingesetzt waren, hat die Arbeitsdirektorin der Beteiligten zu 16) unbestritten vorgetragen, dass mit einem derartigen Beschäftigungseinbruch im Sommer 2011 nicht zu rechnen war.
Die Behauptung der Antragsteller, die Leiharbeiternehmer seien allesamt mitgezählt worden, also einschließlich auch derjenigen Leiharbeitnehmer die nicht wahlberechtigt gewesen seien, stellt eine Behauptung ins Blaue hinein dar. Aus den von den Beteiligten zu 15) überreichten Listen der wahlberechtigten Arbeitnehmer ergibt sich, dass der Hauptwahlvorstand jeweils das Eintrittsdatum der Leiharbeitnehmer vermerkt hat, damit er feststellen konnte, wer zum Zeitpunkt der Wahlbekanntmachung weniger als drei Monate beschäftigt war. Ob der Hauptwahlvorstand dies zahlenmäßig korrekt durchgeführt hat, konnten die Beteiligten zu 11) und 12) als Mitglieder des Wahlvorstands selbst überprüfen. Für alle anderen Antragssteller ergab sich die Möglichkeit mindestens, nachdem die CD-ROM mit den Wählerlisten mit Schriftsatz des Beteiligten zu 15) vom
04. Oktober 2011 zur Akte gelangt ist.
Das Gericht muss deshalb mit den Beteiligten zu 15) - 18) mangels substantiierten Bestreitens der Antragsteller davon ausgehen, dass sich die Beschäftigtenzahl bei den Beteiligten zu 16) - 18) am 05. Juli 2011 auf 8.341 (einschließlich Leiharbeitnehmern) belaufen hat und dass in einem 6-Monatszeitraum vor diesem Zeitpunkt sich die Beschäftigtenzahl in einem Rahmen über 8.000 Arbeitnehmern bewegt hat und nicht mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahl zu rechnen war.
III.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG .
Im Übrigen wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.
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