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LAG Nürnberg, Beschluss vom 02.08.2011, 7 TaBV 66/10
Schlagworte: | Betriebsratswahl, Betriebsratswahl: Wahlanfechtung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Nürnberg | |
Aktenzeichen: | 7 TaBV 66/10 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 02.08.2011 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 04.11.2010, 8 BV 81/10 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.03.2013, 7 ABR 69/11 |
|
Beschluss:
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 04.11.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligten zu 16 und 17 bilden einen gemeinsamen Betrieb. Am 29.03.2010 und am 30.03.2010 fand im gemeinsamen Betrieb eine Betriebsratswahl statt. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens waren im Betrieb der Beteiligten zu 16 und 17 insgesamt 879 Stammarbeitnehmer und 292 Leiharbeitnehmer regelmäßig beschäftigt.
Es wurde ein 13-köpfiger Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 07.04.2010 bekanntgegeben.
Die Antragsteller 1 bis 14 leiteten am 21.04.2010 das vorliegende Anfechtungsverfahren beim Arbeitsgericht Nürnberg ein.
Das Arbeitsgericht Nürnberg wies mit Beschluss vom 04.11.2010 den Antrag ab.
Der Beschluss wurde den Antragstellern am 09.11.2010 zugestellt.
Die Antragsteller legten gegen den Beschluss am 09.12.2010 Beschwerde ein und begründeten sie am 09.02.2011. Bis dahin war die Beschwerdebegründungsfrist verlängert worden.
Die Antragsteller machen geltend, die Betriebsratswahl sei unwirksam. Es sei nicht ein Gremium von 13, sondern von 15 Betriebsratsmitgliedern zu wählen gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass die Leiharbeitnehmer im Rahmen des § 9 BetrVG mitzuzählen seien. Die Antragsteller tragen vor, im Betrieb der Beteiligten zu 16 und 17 würden seit 2002 durchgehend mindestens 250 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Eine große Anzahl Leiharbeitnehmer würden über Zeiträume von mehr als zwei Jahre eingesetzt. Leiharbeitnehmer und Stammbelegschaft seien in wesentlichen Aspekten einander gleichgestellt. Dies reiche von der Urlaubsplanung und der Zeiterfassung über die Teilnahme an betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen und dem Anteil an Weihnachtsgeschenken bis zu Ar-beitnehmerbefragungen durch den Arbeitgeber.
Die Antragsteller führen unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Hans-Jürgen Dörner („Der Leiharbeitnehmer in der Betriebsverfassung“) aus, es gebe keinen Grund, Leihar-beitnehmer und die Stammbelegschaft unterschiedlich zu behandeln, wenn Leiharbeit-nehmer über lange Zeit, etwa mehr als die ehemalige Maximaleinsatzdauer von zwei Jahren, in einem Betrieb zum Einsatz kämen. Eine rechtliche Veränderung sei dadurch eingetreten, dass seit 2004 der Einsatz von Leiharbeitnehmer zeitlich unbeschränkt möglich sei. Auch in tatsächlicher Hinsicht habe es Veränderungen gegeben. Leiharbeitnehmer würden in immer größerem Umfang statt regulärer Beschäftigter eingesetzt. Die Leiharbeitnehmer dienten nicht mehr nur zur Abdeckung eines besonders hohen Arbeitskräftebedarfs bei Auftragsspitzen. Die Zeitarbeit habe sich zu einem eigenständigen Segment auf dem Arbeitsmarkt entwickelt.
Diese Veränderungen müssten berücksichtigt werden, wenn die Zahl der Betriebsratsmitglieder ermittelt werde.
Die Antragsteller machen geltend, dem Wortlaut des § 9 BetrVG lasse sich nicht entneh-men, dass an dieser Stelle zwischen den beiden Teilgruppen der wahlberechtigten Arbeitnehmer differenziert werden solle.
Auch Sinn und Zweck des § 9 BetrVG sprächen dafür, die gemäß § 7 Satz 2 BetrVG wahlberechtigten Arbeitnehmer bei der Berechnung der Betriebsratsgröße mit zu berücksichtigen. Die Größe des Betriebsrats solle an den Arbeitsaufwand angepasst werden, der sich aus der zahlenmäßigen Stärke der repräsentierten Beschäftigten ergebe.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer stellen im Beschwerdeverfahren folgende Anträge:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 04.11.2010, AZ: 8 BV 81/10 wird abgeändert.
2. Die Wahl des Antragsgegners wird für unwirksam erklärt.
Der Beteiligte zu 15 und Beschwerdegegner beantragt:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 04.11.2010, Az. 8 BV 81/10 wird abgeändert.
2. Die Wahl des Antragsgegners wird für unwirksam erklärt.
Die Beteiligten zu 16) und 17 beantragen,
den Antrag der Beschwerdeführer zurückzuweisen.
Der Antragsgegner führt aus, das klassische Leiharbeitsverhältnis, das dem Leitbild des § 14 AÜG zugrunde liege, sehe vor, dass die Arbeitnehmer nur vorübergehend beim Entleiherbetrieb tätig seien und häufig den Betrieb wechselten. Würden - wie vorliegend - Stammarbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt, seien diese in der Konse-quenz wie Stammarbeitnehmer zu behandeln. Damit der Betriebsrat seinen Rechten und Pflichten nachkommen könne, müsse seine Größe der tatsächlichen betrieblichen Beschäftigungszahl entsprechen.
Die Beteiligten zu 16 und 17 machen geltend, Leiharbeitnehmer seien keine Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs. Die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb begründe nicht die Betriebszugehörigkeit zum Entleiherbetrieb. Der tatsächlichen Eingliederung habe der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass Leiharbeitnehmern nach § 14 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 AÜG einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiherbetrieb zustünden.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 87 Absatz 1 BetrVG, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 87 Absatz 2, 66 ArbGG.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Antrag ist zwar zulässig.
Die Antragsteller sind anfechtungsberechtigt, § 19 Absatz 2 Satz 1 BetrVG, und haben die Anfechtungsfrist gewahrt, § 19 Absatz 2 Satz 2 BetrVG. Das Wahlergebnis wurde am 07.04.2010 bekannt gemacht. Der vorliegende Antrag ist am 21.04.2010 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen.
Der Antrag ist indes unbegründet. Das Erstgericht hat die Betriebsratswahl vom 29.03.2010/30.03.2010 zu Recht nicht für unwirksam erklärt.
Insbesondere entspricht die Betriebsratsgröße mit den gewählten 13 Betriebsratsmitgliedern den gesetzlichen Vorgaben, § 9 BetrVG. Im Betrieb der Beteiligten zu 16 und 17 waren zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens unstreitig 879 Stammarbeitnehmer regel-mäßig beschäftigt. Dies entspricht einer Betriebsratsgröße von 13 Mitgliedern, § 9 Absatz 1 BetrVG.
Allerdings würde die Zahl der Betriebsratsmitglieder auf 15 ansteigen, würden die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer, zum maßgeblichen Zeitpunkt 292, im Rahmen des § 9 BetrVG mitgezählt. Die Anzahl der Mitarbeiter würde dann auf 1.171 steigen.
Die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer sind zu Recht nicht berücksichtigt worden. Sie sind im Betrieb der Beteiligten zu 16 und 17 keine Arbeitnehmer im Sinne des § 9 BetrVG.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, sind Arbeitnehmer iSd § 9 BetrVG betriebsangehörige Arbeitnehmer. Das sind Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und in die Betriebsorganisation eingegliedert sind. Diese Voraussetzungen erfüllen Leiharbeitnehmer nicht. Denn die Arbeitnehmerüberlassung ist gekennzeichnet durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Leiharbeitnehmer. Die tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation allein begründet nicht die Betriebszugehörigkeit zum Entleiherbetrieb. Dies ist § 14 Absatz 1 AÜG zu entnehmen. Danach bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Ange-hörige des entsendenden Betriebs. Der Gesetzgeber misst damit im Falle der bei einem Leiharbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Entleiher eintretenden Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der auf vertraglicher Grundlage beruhenden Rechtsbeziehung zum Verleiher ein größeres Gewicht bei als der tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers. Der tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass Leiharbeitnehmern nach § 14 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 AÜG einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiherbetrieb zustehen. Eine vollständige Betriebszugehörigkeit des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb ist dadurch jedoch nicht begründet (Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 10.03.2004 - 7 ABR 49/03 = BAGE 110/27 und NZA 2004/1340). Dass Leiharbeitnehmer nicht betriebszugehörig sind, hat das Bundesarbeitsgericht auch in seiner späteren Rechtsprechung bestätigt (Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 07.05.2008 - 7 ABR 17/07 = AP Nr. 12 zu § 9 BetrVG 1972 und NZA 2008/1142).
Diese Rechtsprechung entspricht dem Gesetzeswortlaut.
Nach dem Arbeitnehmerbegriff in § 5 BetrVG sind Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Dabei enthält das Betriebsverfassungsgesetz keine eigene Begriffsbestimmung, sondern geht nach allgemeiner Meinung vom allgemeinen Arbeitnehmerbegriff aus. Dieser wiederum setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten ein Arbeitsverhältnis vorliegt. An einem Arbeitsverhältnis fehlt es im Verhältnis Entleiher/Leiharbeitnehmer. Das der tatsächlichen Beschäftigung zugrunde liegende Arbeitsverhältnis besteht vielmehr zwischen dem Leiharbeitnehmer/Verleiher. Der Entleiher übt nur eingeschränkt Arbeitgeberfunktionen aus.
Nachdem § 9 BetrVG keinen von § 5 BetrVG abweichenden Arbeitnehmerbegriff enthält, kann Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang nur sein, wer mit dem Entleiher, in dessen Betrieb gewählt wird, in einem Arbeitsverhältnis steht.
Dies ergibt sich auch aus § 7 BetrVG. Wären Leiharbeitnehmer Arbeitnehmer, bedurfte es der Regelung in § 7 Satz 2 nicht, es sei denn, der Gesetzgeber hätte das Wahlrecht der Leiharbeitnehmer beschränken wollen. Dies ist indes nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat vielmehr den Leiharbeitnehmern losgelöst von der Betriebszugehörigkeit ein Mehr an Rechten, nämlich ein aktives Wahlrecht einräumen wollen. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es dazu (BT – Drucksache 14/5741; III 3; Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 02.04.2001):
„Nicht mehr alle Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit dem Inhaber des Betriebs abgeschlossen haben, arbeiten in dessen Betrieb, sondern beispielsweise als Telearbeiter in häuslicher Umgebung oder für längere Dauer im Betrieb eines Kunden. Andererseits arbeiten neben Arbeitnehmern, die per Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber verbunden sind, Leiharbeitnehmer oder andere Arbeitnehmer eines fremden Betriebs oft sogar im Dauereinsatz. Neben der Stammbelegschaft mit Arbeitsvertrag zum Betriebsinhaber hat sich eine Randbelegschaft mit Arbeitsverträgen zu Dritten herausgebildet.“
Es wird dann ausgeführt, dass mit einer Neudefinition des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs für die betriebsverfassungsrechtliche Situation nicht viel gewonnen wäre. Stattdessen solle durch verschiedene Neuregelungen behutsam dort eingegriffen werden, wo Arbeitnehmern des eigenen Betriebs an externen Arbeitsplätzen der Schutz der betrieblichen Mitbestimmung gewährleistet werden müsse und wo externe Arbeitnehmer der Weisungsbefugnis des Inhabers des Einsatzbetriebs unterlägen.
In Konsequenz dieser Überlegungen erfolgte u.a. die Regelung, dass den Leiharbeitnehmern das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat des Entleiherbetriebs eingeräumt wurde, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt werden. Sie sollten auf diese Weise betriebsverfassungsrechtlich aus der Randbelegschaft an die Stammbelegschaft herangeführt werden, ohne sie, wie es in der Begründung heißt, in rechtlich unzutreffender Weise als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs einzustufen. Ihre betriebsverfassungsrechtliche Stellung im Verleiherbetrieb sollte ausdrücklich unberührt bleiben.
Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber zum einen die veränderten betrieblichen Strukturen kannte und daraus Handlungsbedarf ableitete. Zum anderen ist klar ersichtlich, dass der Gesetzgeber insbesondere den Arbeitnehmerbegriff nicht geändert wissen wollte.
Es mag zutreffen, dass die gesetzgeberischen Bemühungen nicht weit genug gegangen sind. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber durch das Betriebsverfassungsreformgesetz vom Juli 2001 ab einer Betriebsgröße von 101 Arbeitnehmern die für die Größe des Betriebsrats maßgebliche Arbeitnehmerzahl herabgesetzt hat, was zu einer Erhöhung der Betriebsratsmandate führt. Ziel des Gesetzgebers war es, die in den letzten Jahren an Umfang und Schwierigkeit zugenommene Betriebsratsarbeit „auf mehr Schultern“ zu verteilen. Die in § 9 BetrVG festgesetzte Anzahl der Betriebsratsmitglieder berücksichtigt aber nach wie vor nicht den erhöhten Arbeitsumfang des Betriebsrats dort, wo die Leiharbeitnehmer einen erheblichen Anteil an den im Betrieb insgesamt Beschäftigten ausmachen. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass die Kapazitäten des Betriebsrats dort nicht ausreichen.
Es ist indes nicht Sache der Arbeitsgerichte, hier regelnd einzugreifen. Insbesondere würde es nach Auffassung des erkennenden Gerichts die Grenzen der zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung überschreiten, § 9 BetrVG entgegen seinem Wortlaut dahingehend zu interpretieren, dass Leiharbeitnehmer Arbeitnehmer im Sinne der zitierten Norm sind.
Art. 20 Abs. 2 GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet worden ist, schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Der Aufgabe und Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung" sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG – Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/10 = NJW 2011/836 mwN).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine Interpretation des § 9 BetrVG in der von den Antragstellern und dem Antragsgegner gewünschten Weise nicht in Betracht.
Wie oben dargestellt, hat der Gesetzgeber die geänderten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt und im Arbeitsleben zum Anlass genommen, u.a. die Stellung des Leiharbeitnehmers im Betrieb zu stärken. Dies ist dadurch erfolgt, dass er dem Leiharbeitnehmer in § 7 Satz 2 BetrVG das ihm bis dahin verwehrte aktive Wahlrecht zu den Betriebsratswahlen beim Entleiher eingeräumt hat. Dagegen wurde den Leiharbeitnehmern weder das passive Wahlrecht gegeben noch finden sich im Betriebsverfassungsgesetz oder im gleichzeitig geänderten § 14 AÜG Hinweise darauf, der Leiharbeitnehmer solle in sonstiger Weise Berücksichtigung finden.
Allerdings hat der Gesetzgeber, wie sich aus der Begründung zum Gesetzesentwurf ergibt, bei der Neuregelung des Betriebsverfassungsgesetzes dem besonderen Problem der Mehrbelastung des Betriebsrats durch eine im Verhältnis zur Stammbelegschaft hohen Anzahl von Leiharbeitnehmern offenkundig keinen Raum gegeben, obwohl die ausdrückliche Zuweisung von Aufgaben an den Betriebsrat in § 14 AÜG bereits vor der Rechtsänderung in Kraft war. Auch dies führt indes nicht dazu, die Leiharbeitnehmer bei der Anwendung des § 9 BetrVG zu berücksichtigen und sie im Wege der Analogie als Arbeitnehmer des Betriebs zu behandeln.
Richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie darf nur einsetzen, wenn das Gericht aufgrund einer Betrachtung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerfG – Beschluss vom 09.03.1995 - 2 BvR 1437/93, 2 BvR 1757/93, 2 BvR 861/94 = FamRZ 1995/1052; juris).
Eine Gesetzeslücke in diesem Sinne ist nicht feststellbar. Die Erhöhung der Zahl der Betriebsratsmitglieder stellt nicht die einzige Möglichkeit dar, dem Betriebsrat hinsichtlich der Betreuung der Leiharbeitnehmer den erforderlichen zeitlichen und inhaltlichen Raum zu geben, um diese Aufgaben zu erfüllen. Das Betriebsverfassungsrecht bietet hierzu unabhängig von der Größe des Gremiums eine Reihe von Möglichkeiten an.
Die Betriebsratsmitglieder können sich zum einen für die Aufgaben nach § 37 Absatz 4 BetrVG schulen lassen und sich mit den besonderen Gegebenheiten der Leiharbeit vertraut machen. Damit erreichen sie die erforderliche inhaltliche Kompetenz.
Darüber hinaus steht es den Betriebsparteien gemäß § 38 Absatz 1 Satz 5 BetrVG frei, in einer Betriebsvereinbarung die Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder zu erhöhen.
Schließlich sind die Betriebsratsmitglieder gemäß § 37 Absatz 2 BetrVG im erforderlichen Umfang von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit. Eine erhöhte Aufgabendichte kann daher auch auf diesem Weg ausgeglichen werden.
Wegen des Fehlens einer Regelungslücke kommt daher eine Veränderung des Arbeitnehmerbegriffs in § 9 BetrVG bzw. eine analoge Erstreckung des Begriffs des Arbeitnehmers auf Leiharbeitnehmer nicht in Betracht.
Die Betriebsratswahl ist, da andere potentielle Mängel nicht ersichtlich sind, insbesondere von keinem Beteiligten geltend gemacht wurden, ohne Fehler erfolgt und damit rechtswirksam.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, §§ 92 Absatz 1 Satz 2, 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG.
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