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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.09.2015, 8 Sa 677/15
Schlagworte: | Entgeltsenkung, Mindestlohn | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 677/15 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 25.09.2015 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin 54 Ca 14420/14 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 25. September 2015
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
8 Sa 677/15
54 Ca 14420/14
Arbeitsgericht Berlin
K, JHS
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 8. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2015
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht A. als Vorsitzende
sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn B. und Herrn W.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. März 2015 - 54 Ca 14420/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
A.
B.
W.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung der Beklagten vom 30. September 2014 (Bl. 13 d. A.), mit der sie das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die neben mehr als 10 Arbeitnehmern bis Ende 2014 zu einem Bruttostundenlohn von 6,44 €, sowie ausweislich der Vereinbarung in § 4 des Arbeitsvertrags vom 28. September 2000 (Bl. 8 f. d. A.) einer Urlaubsvergütung von 50 % eines Stundendurchschnittsverdiensts für die Zeit des Erholungsurlaubs sowie einer nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelten „Sonderzahlung am Jahresende“ in Höhe von bis zu 50 % eines Stundendurchschnittsverdiensts beschäftigt war, unter Wegfall der Leistungszulage, der zusätzlichen Urlaubsvergütung oder Jahressonderzahlung ab dem 1. März 2015 zu einer Vergütung von 8,50 € brutto pro Stunde unter Beibehaltung der Schichtzulage fortsetzen will. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.
Durch das Urteil vom 4. März 2015 hat das Arbeitsgericht Berlin unter Abweisung eines allgemeinen Feststellungsantrags festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 30. September 2014 sozial ungerechtfertigt und unwirksam sei, die Kosten des Rechtstreits der Beklagten auferlegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Änderungskündigung sei wegen fehlender Anrechenbarkeit des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch bereits unzulässig, jedenfalls sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte zu den betriebsbedingten Gründen für eine Kündigung zur Entgeltsenkung nicht ausreichend vorgetragen habe. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 63-72 d. A.) verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 23. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. April 2015 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung, die die Beklagte mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. Juni 2015 am 22. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte und Berufungsklägerin rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin bei Umsetzung der Änderungskündigung einen höheren Jahresbruttolohn als bisher erhalten werde und sie, so trägt die Beklagte vor, mit der Änderungskündigung nur die Umlage der außerhalb des Monatsrhythmus geleisteten Zahlung von Urlaubs- und
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Jahressonderzahlung auf den Stundenlohn erreichen wolle. Überdies seien entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung bereits auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Mindestlohngesetzes. Schließlich lägen auch dringende betriebliche Gründe für die Änderungskündigung vor.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. März 2015 zum Aktenzeichen 54 Ca 14420/14 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 22. Juni 2015 (Bl. 96-103 d. A.) und der Berufungsbeantwortung vom 31. August 2015 (Bl. 130-132 d. A.) nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.
II.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Arbeitsgericht auf die rechtzeitig erhobene Klage festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die streitgegenständliche Kündigung, die die Klägerin nach § 2 KSchG unter Vorbehalt angenommen hat, gemäß § 2, § 1 Abs. 1, 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist. Dabei hat das Arbeitsgericht es zu Recht abgelehnt, die Kündigung als sogenannte überflüssige Änderungskündigung anzusehen (1.) und die dringenden betrieblichen Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen für nicht schlüssig dargelegt erachtet (2.). Das Berufungsgericht schließt sich insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil an und sieht von einer Wiederholung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.
1. Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Klage nicht bereits deshalb unbegründet, weil es sich um eine sogenannte überflüssige Änderungskündigung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. dazu nur BAG, Urteil vom 26.01.2012 - 2 AZR 102/11 – NZA 2012, 856) handelt, bei der die Änderung der Arbeitsbedingungen schon auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags ohne Einverständnis des Arbeitnehmers durchsetzbar ist, die also keiner Vertragsänderung und deshalb keiner Kündigung bedarf.
Dabei kann dahin stehen, ob die als Leistungszulage auf den nach Stundenlohn zu bemessenden Mindestlohn angerechnet werden kann, jedenfalls konnte die Beklagte die „Urlaubsvergütung“ nicht ohne Änderung des Arbeitsvertrags der Parteien auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Bei der im Arbeitsvertrag als „Urlaubsvergütung“ bezeichneten Leistung der Beklagten handelt es sich um ein zusätzliches Urlaubsgeld, da die Beklagte nach §§ 1, 11 BUrlG für die – bezahlte – Freistellung während des Urlaubs eine Urlaubsvergütung - auszuzahlen vor Antritt des Urlaubs - schuldet, die sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst des Arbeitsnehmers in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs bemisst und nicht abdingbar ist (§ 13 BUrlG). Da die Parteien eine „Urlaubsvergütung“ in Höhe von 50 % eines Stundendurchschnittsverdiensts für die Zeit des Erholungsurlaubs vereinbart haben, kann darin nur die Vereinbarung eines zusätzlichen Urlaubsgelds gesehen werden, das der Arbeitgeber gewährt, um die zusätzlichen Kosten des Arbeitnehmers während des Erholungsurlaubs zu kompensieren und die nicht als eine Vergütung der Normalleistung angesehen werden kann. Dass das zusätzliche Urlaubsgeld - auch -
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Vergütungscharakter hat, schließt die Bewertung als zusätzliche Leistung nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 21. Januar 2014 – 9 AZR134/12 – zitiert nach juris, Rz. 18).
2. Die somit erforderliche Änderungskündigung erweist sich, wie das Arbeitsgericht bereits mit zutreffender Begründung festgestellt hat, als rechtsunwirksam.
2.1. Dabei ist das Arbeitsgericht zu Recht von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Prüfung einer Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung ausgegangen, denn die Klägerin erhält zwar unter den geänderten Vertragsbedingungen ein höheres als das bisherige Jahresentgelt. Dies ist allerdings allein die Folge der Regelungen im Gesetz zur Regelung des allgemeinen Mindestlohns (MiLoG), das die von der Beklagten gewünschte Anrechnungsregelung nicht enthält und damit die Rechtsprechung des EuGH (vom 14. April 2005 - C - 341/02 - NZA 2005, 573) zugrunde legt, wonach der Arbeitnehmer den Mindestlohn jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt tatsächlich und unwiderruflich erhalten muss.
2.2. Der Beklagten ist es in beiden Instanzen nicht gelungen, einen dringenden betrieblichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG für die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin schlüssig darzulegen.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BAG, Urteil vom 26.06.2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182, m.w.N.), der sich das Berufungsgericht anschließt, kann die Unrentabilität eines Betriebes der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegen stehen, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann. Wegen des nachhaltigen Eingriffs in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durch die Entgeltsenkung bedarf es im Fall der Unrentabilität des Betriebes eines vom Arbeitgeber im Prozess substantiiert darzulegenden, umfassenden Sanierungskonzepts, das erkennbar alle gegenüber der beabsichtigten Änderung der Arbeitsbedingungen milderen Mittel ausschöpft.
Diesen Anforderungen genügt die Darlegung der Beklagten nicht. Selbst wenn man ihr zugibt, dass die von ihr angenommene Mehrbelastung zu einer nur geringen Gewinnerwartung für das Jahr 2015 führt, so ist aber auch zu berücksichtigen, dass sich
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die Rahmenbedingungen durch die Einführung des Mindestlohns auch für die Mitbewerber geändert haben und sich dies – zumindest bei den im Jahr 2015 auslaufenden Rahmenaufträgen – für die Preisgestaltung der Beklagten positiv auswirken kann.
Hinzu kommt, dass die Beklagte ein umfassendes Sanierungskonzept, das erkennbar auch alle anderen Mittel ausschöpft, nicht dargelegt hat. Dabei fällt ins Auge, dass die Beklagte ausweislich der eingereichten Tabelle (Bl. 51 d. A.) nur die Gruppe der Arbeitnehmer, die nunmehr den Mindestlohn beanspruchen können, für die Sanierung des Betriebs heranzieht, während die übrigen Arbeitnehmer, die Entgelte oberhalb des Mindestlohns erhalten, Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung weiterhin ungekürzt beziehen sollen.
3. Soweit sich die Beklagte zur Durchsetzung ihres Begehrens auf die Grundsätze der Vertragsanpassung wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beruft, so führt dies zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Das Kündigungsrecht ist gegenüber einer Vertragsanpassung nach § 313 BGB Lex specialis (vgl. BAG, Urteil vom 8.10.2009 – 2 AZR 235/08 – NZA 2010, 465), wobei die Sachverhalte, die für eine Störung der Geschäftsgrundlage herangezogen werden können, im Rahmen der §§ 2, 1 KSchG bei einer kündigungsrechtlichen Prüfung (s.o. 2.) zu würdigen sind.
III.
Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung und ist allein an den Besonderheiten des Einzelfalls orientiert. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.
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