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BAG, Ur­teil vom 05.09.2002, 9 AZR 202/01

   
Schlagworte: Nachtarbeit, Nachtarbeit: Ausgleich
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 202/01
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.09.2002
   
Leitsätze:

Der Arbeitgeber hat das Wahlrecht, ob er den gesetzlich bestimmten Anspruch des Nachtarbeitnehmers auf Ausgleichsleistungen (§ 6 Abs 5 ArbZG) durch eine angemessene Zahl freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer für die Czustehende Bruttoarbeitsentgelt erfüllt.

Das Wahlrecht erlischt nicht infolge Zeitablaufs, wenn zwischen der Leistung der Nachtarbeit und der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers ein erheblicher zeitlicher Abstand (hier: vier Jahre) liegt.

Bei der Bemessung der Höhe des vom Arbeitgeber geschuldeten "angemessenen" Zuschlags ist nicht ohne weiteres von den Festlegungen in dem einschlägigen Tarifvertrag auszugehen. Diese können als Orientierungshilfe dienen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 27.01.2000, 1 Ca 1421/99
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 29.01.2001, 19 Sa 257/00
   

Bun­des­ar­beits­ge­richt

9 AZR 202/01
19 Sa 257/00
Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
5. Sep­tem­ber 2002

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin, Re­vi­si­onskläge­rin und An­schlußre­vi­si­ons­be­klag­te,

PP.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter, Re­vi­si­ons­be­klag­ter und An­schlußre­vi­si­onskläger,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 5. Sep­tem­ber 2002 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Zwan­zi­ger, die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schwarz und Heil­mann für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 29. Ja­nu­ar 2001 - 19 Sa 257/00 - wird zurück­ge­wie­sen.
 


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Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts teil­wei­se auf­ge­ho­ben.

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 27. Ja­nu­ar 2000 - 1 Ca 1421/99 - teil­wei­se ab­geändert und das Ur­teil zur Klar­stel­lung ins­ge­samt neu ge­faßt.

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, nach ih­rer Wahl dem Kläger 51 be­zahl­te freie Ar­beits­ta­ge zu gewähren oder 13.018,00 Eu­ro nebst 4 % Zin­sen auf den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit 09. No­vem­ber 1999 zu zah­len.


Im übri­gen wer­den die Re­vi­si­on und die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits ers­ter In­stanz hat der Kläger zu tra­gen. Im übri­gen hat der Kläger 82,55 % und die Be­klag­te 17,45 % der Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Zah­lung von Nacht­ar­beits­zu­schlägen.

Der 1960 ge­bo­re­ne Kläger ist seit Sep­tem­ber 1995 bei der Be­klag­ten, ei­nem Un­ter­neh­men der obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie, beschäftigt. In dem schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag heißt es in § 1 ua., dem Ar­beit­neh­mer sei be­kannt, daß das Un­ter­neh­men des Ar­beit­ge­bers nicht ta­rif­ge­bun­den ist und da­her Man­tel- und Ent­gelt­ta­rif­verträge für die Be­ur­tei­lung und Aus­ge­stal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne An­wen­dung fänden. Nach der An­la­ge zum Ar­beits­ver­trag, in dem der Kläger als Ma­schi­nen­hel­fer be­zeich­net wird, ist er für die In­be­trieb­nah­me, Be­die­nung und War­tung von Te­tra-Abfüll­ma­schi­nen, der da­zu­gehören­den Pack­au­to­ma­ten, der Er­hit­zungs­an­la­gen so­wie des an­ge­schlos­se­nen Pa­let­tie­rers ver­ant­wort­lich. Dort sind außer­dem die be­triebsübli­chen Ar­beits­zei­ten auf­geführt. Nach § 3 des Ar­beits­ver­tra­ges erhält der Kläger "für sei­ne Tätig­keit ei­nen Brut­to-St­un­den­lohn in Höhe von DM 18,40".


Bei der Be­klag­ten wird im Mehr-Schicht­sys­tem ge­ar­bei­tet; die je­wei­li­ge Schicht­dau­er beträgt 37,5 Wo­chen­stun­den. Der Kläger wird aus­sch­ließlich in der Nacht­schicht ein­ge­setzt. Er ar­bei­tet von mon­tags bis don­ners­tags je­weils in der Zeit

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von 22.30 Uhr bis 6.00 Uhr und frei­tags von 22.30 Uhr bis 8.30 Uhr. Bei ei­ner tägli­chen Pau­se von 45 Mi­nu­ten beträgt sei­ne re­gelmäßige Wo­chen­ar­beits­zeit dem­ent­spre­chend 36,25 St­un­den, die mit dem im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­ten Satz von 18,40 DM brut­to vergütet wird. Im Ok­to­ber 1999 for­der­te der Kläger die Be­klag­te erst­mals ver­geb­lich schrift­lich auf, Nacht­ar­beits­zu­schläge zu zah­len.


Mit sei­ner im No­vem­ber 1999 er­ho­be­nen Kla­ge hat der Kläger gel­tend ge­macht, die Be­klag­te schul­de nach § 6 Abs. 5 Arb­ZG die Zah­lung ei­nes an­ge­mes­se­nen Zu­schlags. Des­sen Höhe rich­te sich nach dem Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Ar­beit­neh­mer der obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie (MN) und be­tra­ge nach § 5 Nr. 2 b MTV 50 vH des St­un­den­loh­nes. Ein Aus­gleich der Nacht­ar­beit durch be­zahl­te Frei­stel­lung schei­de aus Rechts­gründen aus. Auf Grund des zeit­li­chen Ab­stan­des zwi­schen der ge­leis­te­ten Nacht­ar­beit und der bis­her nicht gewähr­ten Aus­gleichs­leis­tung ha­be ei­ne Frei­stel­lung kei­nen Er­ho­lungs­ef­fekt mehr. Bei ar­beitstäglich 6,5 St­un­den hat der Kläger für die Zeit vom 1. Ja­nu­ar 1997 bis zum 31. Ok­to­ber 1999 738 Ar­beits­ta­ge er­rech­net und ei­nen Be­trag von 42.435,00 DM brut­to ver­langt.

Das Ar­beits­ge­richt hat der aus­sch­ließlich auf Zah­lung ge­rich­te­ten Kla­ge statt-ge­ge­ben. Vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kläger sei­ne Kla­ge (hilfs­wei­se) auf die Gewährung be­zahl­ter Frei­stel­lung an 51 Ar­beits­ta­gen er­wei­tert. Für die Höhe hat er auf ei­nen im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren geäußer­ten Vor­schlag zurück­ge­grif­fen, wo­nach für je 90 ge­leis­te­te Nacht­ar­beits­stun­den ein zusätz­li­cher frei­er Tag zu gewähren sei.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 42.435,00 DM brut­to nebst 4 vH Zin­sen auf den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit 9. No­vem­ber 1999 zu zah­len,

hilfs­wei­se,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, nach ih­rer Wahl dem Kläger 51 be­zahl­te freie Ar­beits­ta­ge zu gewähren.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat im we­sent­li­chen gel­tend ge­macht, der ver­ein­bar­te St­un­den­lohn ent­hal­te be­reits ei­nen an­ge­mes­se­nen Zu­schlag für Nacht­ar­beit; ein Zu­schlag von 50 vH sei je­den­falls un­an­ge­mes­sen hoch.

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Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te auf den Hilfs­an­trag des Klägers ver­ur­teilt, dem Kläger nach ih­rer Wahl 51 be­zahl­te freie Ar­beits­ta­ge zu gewähren oder an ihn 42.435,00 DM brut­to nebst 4 vH Zin­sen auf den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit dem 9. No­vem­ber 1999 zu zah­len. Hier­ge­gen wen­den sich bei­de Par­tei­en mit den vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­sio­nen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist un­be­gründet. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten hat da­ge­gen teil­wei­se Er­folg. Sie führt zur Auf­he­bung des Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts, so­weit es die Be­klag­te zur Zah­lung ei­nes höhe­ren Zu­schlags als 30 vH des St­un­den­lohns von 18,40 DM ver­ur­teilt hat. Im übri­gen ist die Re­vi­si­on un­be­gründet.

A. I. Die Re­vi­si­on des Klägers ist zulässig. Sein Haupt­an­trag war auf die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung ei­nes Nacht­ar­beits­zu­schlags auf den ver­ein­bar­ten St­un­den­lohn ge­rich­tet. Die­ses Ziel hat er nicht er­reicht, so daß er durch die wahl­wei­se Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Ent­gelt­zah­lung oder zur be­zahl­ten Frei­stel­lung be­schwert ist.


II. Die Re­vi­si­on des Klägers hat kei­nen Er­folg. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht den Haupt­an­trag ab­ge­wie­sen und die Be­klag­te nach ih­rer Wahl zur Zah­lung des Zu­schlags oder zur Gewährung be­zahl­ter Frei­stel­lung ver­ur­teilt.


1. Auf das mit der Be­klag­ten be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis ist man­gels bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung (§ 3 Abs. 1 TVG) oder In­be­zug­nah­me kein Ta­rif­ver­trag an­zu­wen­den. Die Par­tei­en ha­ben auch kei­ne ei­genständi­ge ver­trag­li­che Re­ge­lung ge­trof­fen. Als An­spruchs­grund­la­ge kommt des­halb al­lein § 6 Abs. 5 Arb­ZG in Be­tracht. Nach die­ser Vor­schrift hat der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer bei feh­len ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung für die während der Nacht­zeit ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den ei­ne an­ge­mes­se­ne Zahl be­zahl­ter frei­er Ta­ge oder ei­nen an­ge­mes­se­nen Zu­schlag auf das ihm hierfür zu­ste­hen­de Brut­to­ar­beits­ent­gelt zu gewähren. Zwi­schen den Al­ter­na­ti­ven des Be­las­tungs­aus­gleichs be­steht nach dem Wort­laut des Ge­set­zes kein Rang­verhält­nis. Der Ar­beit­ge­ber kann wählen, ob er den An­spruch des Ar­beit­neh­mers durch Zah­lung von Geld, durch be­zahl­te Frei­stel­lung oder auch durch ei­ne Kom­bi­na­ti­on von bei­dem erfüllt (BAG 26. Au­gust 1997 - 1 ABR 16/97 - BA­GE 86, 249; 24. Fe­bru­ar 1999 - 4 AZR 62/98 -
 


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BA­GE 91, 63). Die ge­setz­lich be­gründe­te Wahl­schuld (§ 263 BGB) kon­kre­ti­siert sich auf ei­ne der ge­schul­de­ten Leis­tun­gen erst dann, wenn der Schuld­ner das ihm zu­ste­hen­de Wahl­recht nach Maßga­be der ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen ausübt. Ei­ne sol­che Wahl hat die Be­klag­te bis­her nicht ge­trof­fen.


2. Das Wahl­recht der Be­klag­ten ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers in­fol­ge Zeit­ab­laufs nicht er­lo­schen. Un­er­heb­lich ist, daß die Nacht­ar­beit be­reits in den Jah­ren 1997 bis 1999 ge­leis­tet wor­den ist und die Be­klag­te den An­spruch auf Aus­gleichs­leis­tun­gen bis­her nicht erfüllt hat.

a) Die Ausübung des Wahl­rechts ist noch möglich. Das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en be­steht fort. Die Be­klag­te kann da­her den Kläger noch zum Aus-gleich der Nacht­ar­beit be­zahlt von sei­ner Ar­beits­pflicht frei­stel­len (vgl. BAG 24. Fe­bru­ar 1999 - 4 AZR 62/98 - aaO).

b) Der Kläger macht gel­tend, der mit dem Be­las­tungs­aus­gleich be­zweck­te Ge­sund­heits­schutz wer­de ver­fehlt, wenn die Frei­stel­lung sich nicht zeit­nah an die Nacht­ar­beit an­sch­ließe. Auch die­ser Ein­wand recht­fer­tigt nicht, das Wahl­recht des Ar­beit­ge­bers als er­lo­schen an­zu­se­hen.

aa) Die dem bio­lo­gi­schen Rhyth­mus des Men­schen wi­der­spre­chen­de Nacht­ar­beit soll ge­sund­heit­lich bes­ser ver­kraf­tet wer­den, wenn sie auf Blöcke von we­ni­gen Ta­gen be­schränkt und dem Ar­beit­neh­mer durch Ar­beits­un­ter­bre­chun­gen Ge­le­gen­heit zur Er­ho­lung ge­ge­ben wird (vgl. Bun­des­an­stalt für Ar­beits­schutz und Ar­beits­me­di­zin Leit­fa­den zur Einführung und Ge­stal­tung von Nacht- und Schicht­ar­beit S 12 ff.). Die­se Er­kennt­nis­se ha­ben in­des­sen in § 6 Abs. 5 Arb­ZG kei­nen Ein­gang ge­fun­den. Frei­zeit­aus­gleich und Geld­zu­schlag wer­den viel­mehr gleich­ran­gig ne­ben­ein­an­der ge­nannt, ob­gleich auf der Hand liegt, daß ein Geld­zu­schlag nicht ge­eig­net ist, die mit Nacht­ar­beit ver­bun­de­ne körper­li­che Be­las­tung aus­zu­glei­chen. Der Geld­zu­schlag dient dem Ge­sund­heits­schutz des­halb nur mit­tel­bar (BAG 26. Au­gust 1997 - 1 ABR 16/97 - aaO). Die Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers wird ver­teu­ert, um auf die­sem Weg Nacht­ar­beit ein­zudämmen; Nacht­ar­beit soll für Ar­beit­ge­ber we­ni­ger at­trak­tiv sein. Die­ser Druck be­steht auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet ist, den Ar­beit­neh­mer zu ei­nem nicht zeit­nah zur Nacht­ar­beit lie­gen­den Zeit­punkt von der Ar­beit be­zahlt frei­zu­stel­len.


bb) Ein Vor­rang des Zah­lungs­an­spruchs läßt sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers auch nicht aus den Be­stim­mun­gen zu den höchst­zulässi­gen Ar­beits- und Aus-
 

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gleichs­zei­ten her­lei­ten. Nach § 3 Satz 2 Arb­ZG sind Über­schrei­tun­gen der höchst­zulässi­gen werktägli­chen Ar­beits­zeit von acht St­un­den im Durch­schnitt von sechs Mo­na­ten oder 24 Wo­chen aus­zu­glei­chen. Bei Nacht­ar­beit verkürzt sich der Aus­gleichs­zeit­raum. Über­schrei­tun­gen der tägli­chen Ar­beits­zeit sind nach § 6 Abs. 2 Arb­ZG in­ner­halb ei­nes Mo­nats oder in­ner­halb von vier Wo­chen aus­zu­glei­chen. Ei­ne der­ar­ti­ge zeit­li­che Be­schränkung für die Gewährung des Nacht­aus­gleichs enthält § 6 Abs. 5 Arb­ZG je­doch nicht.


cc) Die hier vor­lie­gen­den Umstände des Ein­zel­falls recht­fer­ti­gen in­so­weit kein an­de­res Er­geb­nis.


Nach den auf je­des Rechts­verhält­nis an­zu­wen­den­den Grundsätzen von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) können be­son­de­re Umstände das ge­setz­li­che Wahl­recht des Ar­beit­ge­bers auf die Geld­schuld be­schränken. Al­ler­dings genügt dafür der bloße zeit­li­che Ab­stand zwi­schen dem Ent­ste­hen des An­spruchs des Ar­beit­neh­mers auf Be­las­tungs­aus­gleich und sei­ner Erfüllung nicht. Es müssen zum zeit­li­chen Ab­lauf noch wei­te­re Umstände hin­zu­tre­ten, die ei­ne späte­re Frei­stel­lung als treu­wid­rig er­schei­nen las­sen. Dar­an fehlt es hier. Der er­heb­li­che Ab­stand zwi­schen der Leis­tung der Nacht­ar­beit und de­ren Aus­gleich ist auch auf den Kläger zurück zu führen, der sei­ne Ansprüche für die Zeit seit 1997 erst­mals im Ok­to­ber 1999 gel­tend ge­macht hat. Die Dau­er des Rechts­streits, die zu ei­ner wei­te­ren Verzöge­rung bei­ge­tra­gen hat, ist der Be­klag­ten nicht an­zu­las­ten.


Im übri­gen kann nicht un­berück­sich­tigt blei­ben, daß es dem Kläger oh­ne wei­te­res möglich ge­we­sen wäre, die Be­klag­te zur Vor­nah­me der Wahl auf­zu­for­dern. Hätte die Be­klag­te dann die Wahl nicht recht­zei­tig vor­ge­nom­men, wäre das Wahl­recht nach § 264 Abs. 2 BGB auf den Kläger über­ge­gan­gen.


dd) Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts wirkt al­ler­dings "per­plex". Der auf der Grund­la­ge des St­un­den­loh­nes von 18,40 DM für den streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum sich bei ei­nem Nacht­ar­beits­zu­schlag von 50 vH er­ge­ben­de Be­trag von mehr als 42.000,00 DM steht wertmäßig in kei­nem Verhält­nis zur al­ter­na­ti­ven Frei­stel­lung an 51 Ar­beits­ta­gen. Dem "un­ge­reim­ten" Er­geb­nis auf Sei­ten des Klägers ent­spricht die un­aus­ge­wo­ge­ne Be­las­tung der Be­klag­ten. Das be­ruht in­des­sen nicht auf dem in § 6 Abs. 5 Arb­ZG be­stimm­ten Wahl­recht des Ar­beit­ge­bers, son­dern dar­auf, daß der Kläger "le­dig­lich" Frei­stel­lung für 51 Ta­ge be­an­tragt hat und mit sei­nem Zah­lungs­an­trag vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt voll ob­siegt hat.
 


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c) Erwägun­gen zu § 315 Abs. 1 BGB, wo­nach ei­ne Leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen zu be­stim­men ist, führen zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Da­bei ist nicht zu ent­schei­den, ob die Vor­schrift auf die Ausübung des Wahl­rechts durch den Ar­beit­ge­ber un­mit­tel­bar oder je­den­falls ih­rem Rechts­ge­dan­ken nach an­zu­wen­den ist. Gründe, die zu ei­ner Re­du­zie­rung des Er­mes­sens des Be­klag­ten auf "Null" führ­ten und der An­spruch des Klägers des­halb aus­sch­ließlich durch Ent­gelt erfüllt wer­den könn­te, sind nicht er­sicht­lich.


B. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist über­wie­gend un­be­gründet. Der Kläger hat An­spruch auf die in § 6 Abs. 5 Arb­ZG be­stimm­ten Aus­gleichs­leis­tun­gen. Der von der Be­klag­ten al­ter­na­tiv ge­schul­de­te an­ge­mes­se­ne Geld­zu­schlag beträgt je­doch nicht 50 vH des kläge­ri­schen St­un­den­loh­nes son­dern nur 30 vH. Den Zu­schlag kann die Be­klag­te durch be­zahl­te Frei­stel­lung des Klägers an 51 Ar­beits­ta­gen ablösen.


I. Der An­spruch des Klägers folgt aus § 6 Abs. 5 Arb­ZG.

1. Der An­spruch ist ent­stan­den. Der Kläger ist Nacht­ar­beit­neh­mer iSd. Arb­ZG. Er leis­tet, wie in § 2 Abs. 5 Nr. 2 Arb­ZG de­fi­niert ist, im Ka­len­der­jahr an min­des­tens 48 Ta­gen Nacht­ar­beit. Nacht­ar­beit ist nach § 2 Abs. 4 Arb­ZG je­de Ar­beit, die mehr als zwei St­un­den der Nacht­zeit iSv. § 2 Abs. 3 Arb­ZG, nämlich die Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr, um­faßt. Nach den nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts (§ 561 ZPO aF) hat der Kläger im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum Nacht­ar­beit an 738 Ar­beits­ta­gen mit durch­schnitt­lich ar­beitstäglich 6,25 St­un­den ge­leis­tet. Ihm steht des­halb der in § 6 Abs. 5 Arb­ZG ge­setz­lich be­stimm­te Be­las­tungs­aus­gleich zu. Die Be­klag­te hat ihm ent­we­der ei­ne an­ge­mes­se­ne Zahl frei­er Ta­ge zu gewähren oder ei­nen an­ge­mes­se­nen Zu­schlag auf die ihm für sei­ne Tätig­keit zu­ste­hen­de Vergütung zu zah­len.


2. Die­sen An­spruch hat die Be­klag­te bis­her nicht erfüllt. Der ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te und ge­zahl­te St­un­den­lohn von 18,40 DM enthält kei­nen Zu­schlag für die vom Kläger ge­leis­te­te Nacht­ar­beit.

a) Für die Be­ur­tei­lung, ob ein Ent­gelt be­reits ei­nen an­ge­mes­se­nen Zu­schlag iSv. § 6 Abs. 5 Arb­ZG enthält, kommt es ent­ge­gen der Be­klag­ten nicht dar­auf an, daß die Zah­lungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers im Ar­beits­zeit­ge­setz ge­re­gelt ist. Der vom Ar­beit­ge­ber wahl­wei­se zu gewähren­de Nacht­ar­beits­zu­schlag steht nicht als "rein" öffent­lich-recht­li­cher An­spruch außer­halb der ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen der Ar­beits­ver­trags-
 


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par­tei­en, wie sie an­nimmt. Auch auf ge­setz­lich be­stimm­te Ansprüche hat der Ar­beit­neh­mer auf der Grund­la­ge des ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trags ei­nen schuld­recht­li­chen An­spruch.


b) In wel­cher Wei­se die Aus­gleichs­leis­tung In­halt des Ar­beits­ver­trags wird, ist dem Ar­beit­ge­ber über­las­sen. Das Ge­setz enthält in­so­weit kei­ne Vor­ga­ben. Re­gelmäßig wer­den Art und Höhe der Aus­gleichs­leis­tung im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bart. Da­bei ist nicht aus­ge­schlos­sen, daß die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en auf ei­ne ge­son­der­te Zu­schlags­re­ge­lung ver­zich­ten und statt des­sen den Grund­lohn we­gen der ver­ein­bar­ten Nacht­ar­beit ent­spre­chend erhöhen (vgl. BAG 24. Fe­bru­ar 1999 - 4 AZR 62/98 - aaO). Von ei­ner der­ar­ti­gen pau­scha­len Ab­gel­tung des Nacht­ar­beits­zu­schlags kann je­doch nur aus-ge­gan­gen wer­den, wenn der Ar­beits­ver­trag kon­kre­te An­hal­te für ei­ne Pau­scha­lie­rung enthält (zur ta­rif­li­chen Aus­gleichs­leis­tung BAG 26. Au­gust 1997 - 1 ABR 16/97 - aaO). Hierfür ist re­gelmäßig er­for­der­lich, daß in dem Ar­beits­ver­trag zwi­schen der Grund­vergütung und dem (zusätz­li­chen) Nacht­ar­beits­zu­schlag un­ter­schie­den wird; je­den­falls muß ein Be­zug zwi­schen der zu leis­ten­den Nacht­ar­beit und der Lohnhöhe her­ge­stellt sein. Die­se An­for­de­rung er­gibt sich schon aus dem Wort­laut des § 6 Abs. 5 Arb­ZG. Der für ge­leis­te­te Nacht­ar­beit ge­schul­de­te an­ge­mes­se­ne Zu­schlag ist da­nach "auf" das dem Ar­beit­neh­mer hierfür zu­ste­hen­de Brut­to­ar­beits­ent­gelt zu gewähren.

c) An­hal­te, die Be­klag­te ha­be dem Kläger be­reits ei­nen an­ge­mes­se­nen Geld­zu­schlag gewährt, feh­len.

aa) Der mit 18,40 DM ver­ein­bar­te St­un­den­lohn des Klägers gilt nach der An­la­ge zum Ar­beits­ver­trag für al­le Ar­beits­zeit­mo­del­le, die im Be­trieb der Be­klag­ten ge­fah­ren wer­den. Er ist oh­ne Rück­sicht auf ei­nen Ein­satz im 1-Schicht-, 2-Schicht- oder 3-Schicht­be­trieb und un­ge­ach­tet der Ein­tei­lung zur Tag- oder Nacht­ar­beit stets gleich hoch. Da­mit läßt sich die Be­haup­tung der Be­klag­ten nicht ver­ein­ba­ren, bei der Lohn­fin­dung sei­en die be­son­de­ren Be­las­tun­gen der Nacht­ar­beit berück­sich­tigt wor­den.


bb) Ob der mit dem Kläger ver­ein­bar­te Grund­lohn der ta­rif­li­chen Ein­grup­pie­rung ent­spricht, ist oh­ne Be­deu­tung. Der Ta­rif­ver­trag fin­det kei­ne An­wen­dung. Wäre der Ta­rif­ver­trag an­zu­wen­den, hätte der Kläger nicht nur An­spruch auf den St­un­den­lohn nach Maßga­be der ta­rif­li­chen Ein­grup­pie­rungs­vor­schrif­ten. Zur Fest­stel­lung, ob der St­un­den­lohn den ge­schul­de­ten Auf­schlag enthält, sind al­le im Ta­rif­ver­trag be­stimm­ten Leis­tun­gen und da­mit auch der ta­rif­li­che Nacht­ar­beits­zu­schlag von 50 vH zu berück­sich­ti­gen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat des­halb auch kei­ne Aufklärungs­pflich­ten ver-
 


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letzt, wie die Be­klag­te meint. Es war nicht ge­hal­ten, die Ein­grup­pie­rung des Klägers zu über­prüfen. Die Be­klag­te hätte viel­mehr die Tat­sa­chen vor­tra­gen müssen, die ih­re Be­haup­tung von ei­ner we­gen der Nacht­ar­beit ge­zahl­ten über­durch­schnitt­li­chen Vergütung stützen. Dar­an fehlt es. Sie macht nicht ein­mal gel­tend, die Fra­ge der zusätz­li­chen Vergütung von Nacht­ar­beit über­haupt an­ge­spro­chen zu ha­ben. In der Re­vi­si­on ver­weist sie le­dig­lich auf ei­ne auf die Ablösung der Nacht­ar­beits­zu­schläge ge­rich­te­te "In­ten­ti­on". Das genügt nicht.

3. Die Be­klag­te wen­det sich al­ler­dings zu Recht ge­gen die Höhe des vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­er­kann­ten Zu­schlags von 50 vH des ver­trag­lich ver­ein­bar­ten St­un­den­lohns.


a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, das Merk­mal "an­ge­mes­sen" eröff­ne ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum, der meh­re­re Lösun­gen zu­las­se. Nach dem Ge­set­zes­zweck sei zwi­schen den Be­lan­gen des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers, na­ment­lich dem Um­fang und der In­ten­sität der Be­las­tung durch Nacht­ar­beit, und den be­trieb­li­chen Not­wen­dig­kei­ten so­wie den wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ab­zuwägen. Ta­rif­ni­veau brau­che nicht er­reicht zu wer­den. Feh­le es an Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls sei auf die Re­ge­lun­gen im ein­schlägi­gen Bran­chen­ta­rif­ver­trag zurück­zu­grei­fen. Man könne da­von aus­ge­hen, daß die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Kennt­nis der Be­son­der­hei­ten ih­res In­dus­trie­zwei­ges so­wohl die Be­lan­ge der von Nacht­ar­beit be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer als auch die be­trieb­li­chen Not­wen­dig­kei­ten be­ach­tet und bei der Fest­le­gung der Höhe des Nacht­ar­beits­zu­schlags die wirt­schaft­li­chen Be­las­tun­gen für die Ar­beit­ge­ber berück­sich­tigt hätten. Auch bei der Kon­kre­ti­sie­rung des Be­griffs "an­ge­mes­se­ne Vergütung" in § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG wer­de die ta­rif­li­che Vergütung her­an­ge­zo­gen. Der Nacht­ar­beits­zu­schlag von 50 vH auf den St­un­den­lohn (§ 5 Nr. 2 b) MTV) be­we­ge sich im all­ge­mei­nen Ta­rif­ni­veau.


b) Dem stimmt der Se­nat nicht zu.

aa) Bei dem Merk­mal "an­ge­mes­sen" han­delt es sich um ei­nen un­be­stimm­ten Rechts­be­griff, bei des­sen Rechts­an­wen­dung dem Tat­sa­chen­ge­richt ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu­kommt. Die Ent­schei­dung ist durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt nur be­schränkt über­prüfbar. Ei­ne Rechts­ver­let­zung liegt vor, wenn der Rechts­be­griff selbst ver­kannt wor­den ist oder wenn bei der Un­ter­ord­nung des fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts un­ter die­sen Rechts­be­griff Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt wor­den sind oder wenn bei der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­abwägung nicht al­le we­sent­li­chen
 


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Umstände berück­sich­tigt oder das Er­geb­nis wi­dersprüchlich ist (ständi­ge Rspr. BAG vgl. Se­nat 17. No­vem­ber 1998 - 9 AZR 503/97 - AP Bil­dungs­ur­laubsG NRW § 1 Nr. 26 = EzA AWbG § 7 Nr. 29 mwN).


bb) Trotz die­ser ein­ge­schränk­ter Rechts­kon­trol­le hält die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts dem An­griff der Be­klag­ten nicht stand.


(1) Zu Un­recht macht die Be­klag­te al­ler­dings gel­tend, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ana­lo­gie ver­kannt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat kei­ne Vor­schrif­ten "ana­log" an­ge­wen­det. Es hat auch nicht, wie die Be­klag­te gel­tend macht, auf § 612 Abs. 2 BGB zurück ge­grif­fen. Der Be­griff "übli­che" Vergütung fin­det sich in dem Ur­teil nicht.


(2) Eben­so­we­nig ist der Auf­fas­sung der Be­klag­ten zu­zu­stim­men, bei feh­len­der ver­trag­li­cher Fest­le­gung des Nacht­zu­schlags sei auf die Grundsätze der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zurück­zu­grei­fen. Zu be­ant­wor­ten sei die Fra­ge, was die Par­tei­en ver­ein­bart hätten, wenn sie die Re­ge­lungslücke er­kannt hätten. Nach der Kon­zep­ti­on des § 6 Abs. 5 Arb­ZG muß der Nacht­ar­beits­zu­schlag nicht zwin­gend Ge­gen­stand der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung sein. Ein Ar­beits­ver­trag, der für Nacht­ar­beit kei­nen Zu-schlag vor­sieht, ist nicht "lücken­haft".


(3) Die auf § 10 BBiG gestütz­te Ar­gu­men­ta­ti­on des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist je-doch für das Verständ­nis des Be­griffs "an­ge­mes­sen" in § 6 Abs. 5 Arb­ZG nicht sach­ge­recht. Ob ei­ne Leis­tung an­ge­mes­sen ist, be­ur­teilt sich nach dem mit ihr ver­folg­ten Zweck, wie er sich aus dem In­halt der Vor­schrift und dem ge­setz­li­chen Zu­sam­men­hang er­sch­ließt. Für die Be­ur­tei­lung der An­ge­mes­sen­heit ei­ner Leis­tung können die für die Aus­le­gung ei­ner an­de­ren Vor­schrift ent­wi­ckel­ten Kri­te­ri­en des­halb nur her­an­ge­zo­gen wer­den, wenn die "Leis­tun­gen", die der Ar­beit­ge­ber "an­ge­mes­sen" zu ent­gel­ten hat, ver­gleich­bar sind. Hier­an fehlt es.


Die nach § 10 BBiG vom Aus­bil­der ge­schul­de­te an­ge­mes­se­ne Vergütung dient dem Un­ter­halt des Aus­zu­bil­den­den. Sie ist ein Bei­trag zur Fi­nan­zie­rung der Be­rufs­aus­bil­dung. Ih­re Höhe wird zusätz­lich durch das In­ter­es­se der Ar­beit­ge­ber­sei­te be­stimmt, ei­nen qua­li­fi­zier­ten Nach­wuchs her­an­zu­bil­den. Sch­ließlich stellt sie ei­ne Ent­loh­nung der Leis­tung des Aus­zu­bil­den­den dar (BAG 30. Sep­tem­ber 1998 - 5 AZR 690/97 - AP BBiG § 10 Nr. 8 = EzA BBiG § 10 Nr. 4 mwN). Kei­ner die­ser Zwe­cke trifft für den Nacht­ar­beits­zu­schlag zu. Er ist zwar Lohn­be­stand­teil iSv. § 611 Abs. 1 BGB und ge­setz­lich bei Ar­beits­aus­fall we­gen Fei­er­tags oder we­gen krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit nach § 4 Abs. 1 EFZG (BAG 13. März 2002 - 5 AZR 648/00 - AP

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Ent­geltFG § 4 Nr. 58 = EzA EFZG § 4 Nr. 6) und während des Ur­laubs nach §§ 1, 11 BUrIG (BAG 12. Ja­nu­ar 1989 - 8 AZR 404/87 - BA­GE 61, 1) zu zah­len. Er dient aber, wenn auch nur mit­tel­bar, vor­ran­gig dem Ge­sund­heits­schutz des Ar­beit­neh­mers.


(4) Auch den Erwägun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts zur "Rich­tig­keits­gewähr" ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen stimmt der Se­nat nicht zu. Die Aus­sa­ge, ei­ne ta­rif­li­che Fest­le­gung des Nacht­ar­beits­zu­schlags sei stets "an­ge­mes­sen", läßt sich auf den nach § 6 Abs. 5 Arb­ZG ge­schul­de­ten Zu­schlag nicht über­tra­gen. Sie be­ruht auf der Ver­mu­tung, daß die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Wahr­neh­mung der Ta­rif­au­to­no­mie (Art. 9 Abs. 3 GG) ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen ins­ge­samt aus­ge­wo­gen sind und die In­ter­es­sen von Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer an­ge­mes­sen berück­sich­ti­gen. Die ein­zel­ne Ta­rif-norm wird hier­von nur als ein Teil des Ge­samt­pa­kets "Ta­rif­ver­trag" er­faßt.


4. Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­weist sich auch nicht aus ei­nem an­de­ren Grund als rich­tig. Der aus­ge­ur­teil­te Zu­schlag von 50 vH ist nicht "an­ge­mes­sen".


a) § 6 Abs. 5 Arb­ZG ist nur an­zu­wen­den, wenn ei­ne ta­rif­li­che Aus­gleichs­re­ge­lung fehlt. Schon nach der Kon­zep­ti­on des Ge­set­zes ist des­halb nicht "im Re­gel­fall" auf die Höhe des im ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag fest­ge­leg­ten Zu­schlags ab­zu­stel­len (aA Busch­mann/Ul­ber Arb­ZG 3. Aufl. § 6 Rn. 30; Za­chert RdA 2000, 107). An­dern­falls würde der Ar­beit­ge­ber über die "An­ge­mes­sen­heit" der Aus­gleichs­leis­tung an ei­nen Ta­rif­ver­trag ge­bun­den, an des­sen Zu­stan­de­kom­men und Gel­tung er we­der durch Mit­glied­schaft in der ta­rif­ver­trag­schließen­den Par­tei (§ 3 Abs. 1 TVG) noch durch ein­zel-ver­trag­li­che Be­zug­nah­me be­tei­ligt ist.


b) Ge­gen ei­ne un­ge­prüfte Her­an­zie­hung des ta­rif­lich ver­ein­bar­ten Nacht­ar­beits­zu­schlags spricht auch die Band­brei­te der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen. Sie reicht von 15 vH (Che­mi­sche In­dus­trie) bis hin zu 100 vH (Woh­nungs­wirt­schaft). Die Zu­schläge wer­den teils zusätz­lich nach der zeit­li­chen La­ge in­ner­halb der Nacht­ar­beits­stun­den ge­staf­felt; es wird zwi­schen re­gelmäßiger und un­re­gelmäßiger Nacht­ar­beit dif­fe­ren­ziert. Die Zei­ten zu­schlags­pflich­ti­ger Nacht­ar­beit über­stei­gen oft die Zei­ten der Nacht­ar­beit iSv. § 2 Arb­ZG (vgl. die Über­sicht über 43 aus­gewähl­te Ta­rif­be­rei­che im WSI Ta­rif­hand­buch 2000 S 139 ff). Ar­beits­me­di­zi­ni­sche Gründe erklären die­se Viel­falt nicht. Der mit dem Nacht­ar­beits­zu­schlag ver­folg­te Zweck ist stets der­sel­be. Er dient dem Aus­gleich der mit Nacht­ar­beit ver­bun­de­nen ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen. Die von der Ar­beits­wis­sen­schaft emp­foh­le­nen Frei­stel­lungs­ansprüche (s. hier­zu Bun­des­an­stalt für Ar­beits­schutz und Ar­beits­me­di­zin Leit­fa­den zur Einführung und Ge­stal­tung von Nacht-
 


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und Schicht­ar­beit S 12 ff.) sind al­ler­dings eher sel­ten Ge­gen­stand der ta­rif­li­chen Ver­ein­ba­rung. Außer­dem soll der Nacht­ar­beits­zu­schlag in ei­nem ge­wis­sen Um­fang den Ar­beit­neh­mer für die er­schwer­te Teil­ha­be am so­zia­len Le­ben entschädi­gen.


Im Mit­tel be­tra­gen ta­rif­li­che Nacht­ar­beits­zu­schläge et­wa 25 vH. Bei Nacht­ar­beits­zu­schlägen, die die­se Mar­ge über­schrei­ten, ist nicht aus­zu­sch­ließen, daß de­ren Höhe (auch) auf an­de­ren Gründen be­ruht. So können sie his­to­risch zu erklären sein, nämlich be­ein­flußt durch das erst vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (28. Ja­nu­ar 1992 - 1 BvR 1025/82 ua. - BVerfGE 85, 191) für ver­fas­sungs­wid­rig erklärte Nacht­ar­beits­ver­bot für Ar­bei­te­rin­nen (§ 19 AZO). Der Nacht­ar­beits­zu­schlag, den bis da­hin nur männ­li­che Ar­beit­neh­mer er­hal­ten konn­ten, kom­pen­sier­te mögli­cher­wei­se ei­nen verhält­nismäßig nied­ri­gen Grund­lohn.


c) Zu berück­sich­ti­gen ist fer­ner, daß der Ar­beit­neh­mer für sei­ne Ar­beits­leis­tung als sol­che das Ent­gelt erhält, das er mit dem Ar­beit­ge­ber ver­trag­lich ver­ein­bart hat. Ei­ne Stei­ge­rung die­ses Ent­gelts we­gen Nacht­ar­beit um die Hälf­te mißt der mit ihr ver­bun­de­nen Er­schwer­nis ein zu ho­hes Ge­wicht bei. Ein Auf­schlag um die Hälf­te des Grund­loh­nes ver­liert den Cha­rak­ter des Zu­schlags als "zusätz­lich" ge­schul­de­te Leis­tung. Ent­gelt und Zu­schlag sind in sich un­aus­ge­wo­gen.

d) Der Se­nat setzt sich mit sei­ner Ent­schei­dung nicht in Wi­der­spruch zu an­de­ren Se­na­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Auch der Vier­te Se­nat hat ent­schie­den, ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lung sei nicht be­reits des­halb un­an­ge­mes­sen, weil sie hin­ter dem Ta­rif­ni­veau zurück­blei­be (24. Fe­bru­ar 1999 - 4 AZR 62/98 - aaO).


5. Der Se­nat kann in der Sa­che ab­sch­ließend ent­schei­den. Die Be­klag­te schul­det ei­nen Zu­schlag von 30 vH pro ge­leis­te­ter Nacht­ar­beits­stun­de.


a) Nach­dem der Ge­setz­ge­ber da­von ab­ge­se­hen hat, Vor­ga­ben zur Höhe des an­ge­mes­se­nen Zu­schlags auf die ver­ein­bar­te Grund­vergütung zu ma­chen, wäre es für die Pra­xis si­cher­lich hilf­reich, im In­ter­es­se von Rechts­si­cher­heit und Rechts­klar­heit un­abhängig vom Ein­zel­fall ei­nen Pro­zent­satz fest­zu­set­zen, an dem sich Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ori­en­tie­ren können und müssen. Das ist gleich­wohl nicht möglich. Denn ob ei­ne Leis­tung "an­ge­mes­sen" ist, rich­tet sich nach der Ge­gen­leis­tung, für die sie be­stimmt ist. Auch wenn der Zweck des Lohn­zu­schlags stets die mit der Nacht­ar­beit für den Ar­beit­neh­mer ver­bun­de­nen Nach­tei­le aus­glei­chen soll, können die Umstände des Ein­zel­falls nicht außer acht ge­las­sen wer­den.
 


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b) Al­ler­dings hat die Be­klag­te kei­ner­lei Be­lan­ge vor­ge­tra­gen, die aus ih­rer Sicht für die Höhe des Zu­schlags be­stim­mend sein könn­ten. Al­lei­ni­ger Ge­sichts­punkt ist die Ab­wehr von Kos­ten; die Ar­beits­leis­tung des Klägers soll nicht "teu­rer" sein als wenn er tagsüber ge­ar­bei­tet hätte. In ei­nem sol­chen Fall bie­ten die im Wirt­schafts­zweig des Ar­beit­ge­bers be­ste­hen­den Ta­rif­verträge je­den­falls Ori­en­tie­rung. Das ist der hier ein­schlägi­ge Ta­rif­ver­trag für die obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­de In­dus­trie mit dem re­la­tiv ho­hen Satz von 50 vH. Im ge­nos­sen­schaft­li­chen Be­reich (Man­tel­ta­rif­ver­trag Obst- und Gemüse­ver­wer­tungs­ge­nos­sen­schaf­ten Hes­sen und Rhein­land-Pfalz vom 16. April 1997) beträgt der Zu­schlag für Nacht­ar­beit zwi­schen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr im­mer­hin 35 vH.

c) Der fest­ge­setz­te Satz von 30 vH hält auch ei­nen gebühren­dem Ab­stand zum St­un­den­lohn. Die Nacht­ar­beit wird im Verhält­nis zu der vom Kläger er­brach­ten Ar­beits­leis­tung nicht "über­pro­por­tio­nal" be­wer­tet.

d) Die Auf­sto­ckung um 30 vH ent­spricht dem vom Ge­setz­ge­ber mit dem Lohn­zu­schlag ver­folg­ten Zweck, im In­ter­es­se der Ge­sund­heit des Ar­beit­neh­mers den Ar­beit­ge­ber fi­nan­zi­ell zu be­las­ten. Da­mit hat er den Auf­trag des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts um­ge­setzt (BVerfG 28. Ja­nu­ar 1992 - 1 BvR 1025/82 ua. - BVerfGE 85, 191), zu Guns­ten der Nacht­ar­beit­neh­mer Schutz­vor­schrif­ten zu er­las­sen, um die mit Nacht­ar­beit ver­bun­de­nen körper­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen aus­zu­glei­chen. Dem­ge­genüber verfängt der Hin­weis der Be­klag­ten auf das wei­te­re Schutz­ziel des Arb­ZG nicht. Nach § 1 Nr. 1 Arb­ZG ist Zweck des Ge­set­zes zwar auch, die Rah­men­be­din­gun­gen für fle­xi­ble Ar­beits­zei­ten zu ver­bes­sern. Das führt aber nicht zur Schmäle­rung der dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­den ge­setz­li­chen Rech­te und zum An­satz ei­nes Zu­schlags von höchs­tens 10 vH, wie sie meint.


e) Der Se­nat sieht sein Er­geb­nis durch die von der Be­klag­ten, wenn auch zu ei­ge­nen Guns­ten, her­an­ge­zo­ge­nen steu­er­recht­li­chen Be­stim­mun­gen bestätigt. Nach § 3 b Abs. 1 bis 4 EStG ist für Nacht­ar­beit ein Satz von 25 vH und für Nacht­ar­beit von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr ein Satz von 40 vH steu­er­frei, wenn die Ar­beit vor Mit­ter­nacht auf­ge­nom­men wird. Mit der Steu­er­frei­heit von Nacht­ar­beit ist mit­tel­bar de­ren "Wert" ak­zep­tiert. Der Kläger nimmt sei­ne Ar­beit stets vor Mit­ter­nacht auf.


f) Für ei­nen deut­lich nied­ri­ge­ren Satz (et­wa 10 vH) las­sen sich die nicht in das Ge­setz über­nom­me­nen Vor­schläge zum Frei­zeit­aus­gleich her­an­zie­hen. Der Re­fe­ren­ten­ent­wurf sah für je 90 Nacht­ar­beits­stun­den ei­nen Tag Zu­satz­ur­laub vor. Bei Dau­er-
 


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nacht­schicht wären das bis zu zwei Ta­ge/Mo­nat. Rech­ne­risch bei 21 Ar­beits­ta­gen im Mo­nat ver­blie­ben 19 Ar­beits­ta­ge: Vergütung für 19 Ta­ge x 100: 21 = 90,47 vH. Ähn­li­ches er­gibt der Vor­schlag der SPD-Frak­ti­on: für 20 Ar­beits­ta­ge mit mehr als drei Nacht­ar­beits­stun­den (SPD-Ent­wurf) ein zusätz­li­cher frei­er Tag (BT-Drucks. 12/5282 S 5). Ab­ge­se­hen von der feh­len­den Um­set­zung der Vor­schläge in das Ge­setz ist ei­ne Ab­sen­kung auf 10 oder 15 vH, wie sie teils auch im Schrift­tum ver­tre­ten wird (Neu­mann/Bie­bel Arb­ZG 13. Aufl. § 6 Rn. 26) nicht ge­eig­net, den mit dem Geld­aus­gleich be­zweck­ten Druck auf den Ar­beit­ge­ber aus­zuüben.


II. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist un­be­gründet, so­weit sie sich ge­gen die Zu­er­ken­nung der wahl­wei­se zu gewähren­den 51 Frei­stel­lungs­ta­ge wen­det.


Ob der Um­fang des nach § 6 Abs. 5 Arb­ZG vom Ar­beit­ge­ber ge­schul­de­ten an­ge­mes­se­nen Frei­zeit­aus­gleichs dem Geld­zu­schlag wertmäßig zu ent­spre­chen hat, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt zur Fra­ge der Ab­gel­tung von Mehr­ar­beits­zu­schlägen ent­schie­den hat (BAG 25. Ok­to­ber 1961 - 5 AZR 370/60 - AP AZO § 15 Nr. 11), kann hier für da­hin­ste­hen. Das gilt auch für die Erwägun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts, maßgeb­lich sei ein Ver­gleich der Kos­ten, die für den Ar­beit­ge­ber mit dem Lohn­zu­schlag ei­ner­seits und der be­zahl­ten Frei­stel­lung an­de­rer­seits ver­bun­den sei­en. Hier­auf be­ruht die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht, son­dern auf der Bin­dung an den vom Kläger ge­stell­ten An­trag auf Frei­stel­lung an 51 Ar­beits­ta­gen. Hier­ge­gen trägt die Be­klag­te nichts Rechts­er­heb­li­ches vor.


Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 ZPO.


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