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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/327

Frist­lo­se Kün­di­gung we­gen Dro­gen­kon­sums

Be­rufs­kraft­fah­rer, die ih­re Fahr­tüch­tig­keit durch Dro­gen wie Crys­tal Meth ge­fähr­den, kön­nen frist­los ge­kün­digt wer­den: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 20.10.2016, 6 AZR 471/15
Spritze Dro­gen im Stra­ßen­ver­kehr - das geht gar nicht

21.10.2016. Wer als Ar­beit­neh­mer im Dienst Al­ko­hol oder Dro­gen kon­su­miert, ver­stößt da­mit im All­ge­mei­nen ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten und muss da­her mit ar­beits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen rech­nen.

Das gilt erst recht für Be­rufs­kraft­fah­rer, Bau­ma­schi­nen­füh­rer und an­de­re Per­so­nen, die für Fahr­zeu­ge ver­ant­wort­lich sind, denn von ih­rer Tä­tig­keit ge­hen er­heb­li­che Ge­fah­ren für an­de­re Ver­kehrs­teil­neh­mer aus.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die Kün­di­gungs­schutz­kla­ge ei­nes LKW-Fah­rers ab­ge­wie­sen, der meh­re­re dienst­li­che Fahr­ten un­ter dem Ein­fluss der Dro­ge "Crys­tal Meth" durch­ge­führt hat­te und dar­auf­hin die frist­lo­se Kün­di­gung be­kam: BAG, Ur­teil vom 20.10.2016, 6 AZR 471/15 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

Können Be­rufs­kraft­fah­rer we­gen ei­ner Fahrt un­ter Dro­gen­ein­fluss frist­los gekündigt wer­den?

Gemäß § 626 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) können Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich und frist­los kündi­gen, wenn sie dafür ei­nen wich­ti­gen Grund ha­ben. Das sind Tat­sa­chen, die es dem kündi­gen­den Ver­trags­part­ner "un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le" un­zu­mut­bar ma­chen, das Ar­beits­verhält­nis auch nur vorüber­ge­hend bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist fort­zu­set­zen.

Bei der Kon­trol­le, ob ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te frist­lo­se Kündi­gung gemäß § 626 Abs.1 BGB rech­tens war, über­prüfen die Ge­rich­te in ei­nem ers­ten Schritt, ob der gekündig­te Ver­trags­part­ner so mas­siv ge­gen sei­ne ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen hat, dass er im Nor­mal­fall mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung rech­nen muss. In ei­nem zwei­ten Schritt wird ei­ne um­fas­sen­de Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen vor­ge­nom­men. Hier kommt es z.B. auf die Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses oder das Ver­hal­ten des Gekündig­ten nach dem Pflicht­ver­s­toß an (hat er sich z.B. ent­schul­digt?).

Wer als an­ge­stell­ter Kraft­fah­rer ei­ne dienst­li­che Fahrt mit ei­nem Fahr­zeug sei­nes Ar­beit­ge­bers un­ter­nimmt und da­bei un­ter dem Ein­fluss von Al­ko­hol oder Dro­gen steht, be­geht ei­nen er­heb­li­chen Pflicht­ver­s­toß, der ei­nen Ar­beit­ge­ber im All­ge­mei­nen ("an sich") zu ei­ner außer­or­dent­li­chen und frist­lo­sen Kündi­gung be­rech­tigt.

Da es sich hier um ein sog. steu­er­ba­res Ver­hal­ten han­delt, muss der Ar­beit­ge­ber im Nor­mal­fall aber da­von aus­ge­hen, dass ei­ne Ab­mah­nung als Warn­schuss aus­rei­chen wird, da­mit der Ar­beit­neh­mer künf­ti­ge Fahr­ten un­ter Al­ko­hol- bzw. Dro­gen­ein­fluss un­terlässt.

Das heißt zwar nicht, dass ei­ne frist­lo­se Kündi­gung we­gen ei­ner dienst­li­chen Trun­ken­heits- bzw. Dro­gen­fahrt oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ge­ne­rell un­zulässig bzw. un­verhält­nismäßig wäre, doch müssen für dafür er­schwe­ren­de Umstände hin­zu­kom­men wie z.B. ei­ne sehr ho­he Al­ko­hol­kon­zen­tra­ti­on im Blut und/oder be­son­ders gefähr­li­che Umstände und/oder ein wie­der­hol­tes und "be­harr­li­ches" Fehl­ver­hal­ten.

Der Streit­fall: LKW-Fah­rer nimmt am Sams­tag in der Frei­zeit Chrys­tal Meth ein und steht des­halb noch drei Ta­ge später un­ter Dro­gen­ein­fluss

In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall hat­te ein als LKW-Führer beschäftig­ter Be­rufs­kraft­fah­rer an ei­nem Sams­tag während sei­nes frei­en Wo­chen­en­des (am 11.10.2014) im pri­va­ten Um­feld Am­phet­amin und Me­tham­phet­amin ein­ge­nom­men. Ab Mon­tag (13.10.2014) ging er wie­der zur Ar­beit.

Nach Fei­er­abend am Diens­tag­nach­mit­tag (14.10.2014) ge­riet er mit sei­nem pri­va­ten Pkw in ei­ne Po­li­zei­kon­trol­le und es wur­de ein Dro­gen­test durch­geführt. Der Test, ein Dro­gen­wisch­test, er­wies sich als po­si­tiv. Die dar­auf­hin er­folg­te Blut­un­ter­su­chung er­gab, dass der Kraft­fah­rer Am­phet­amin und Me­tham­phet­amin ("Crys­tal Meth") ein­ge­nom­men hat­te.

Dar­auf­hin sprach der Ar­beit­ge­ber ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus. Ei­ne vor­he­ri­ge ein­schlägi­ge Ab­mah­nung gab es nicht. Der Ar­beit­neh­mer er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Da­mit hat­te er vor dem Ar­beits­ge­richt Wei­den (Ur­teil vom 04.02.2015, 4 Ca 699/14) und in der Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg Er­folg. Das LAG stütz­te sich da­bei auf die Über­le­gung, dass ja nur der Dro­gen­kon­sum selbst er­wie­sen sei, nicht aber ei­ne tatsächli­che Fahr­untüch­tig­keit des Klägers am 13. und 14.10.2014 (LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 06.07.2015, 7 Sa 124/15).

BAG: Be­rufs­kraft­fah­rer, die ih­re Fahrtüch­tig­keit durch Dro­gen wie Crys­tal Meth gefähr­den, können frist­los gekündigt wer­den

In der Re­vi­si­on vor dem BAG hat­te der Kraft­fah­rer da­ge­gen kein Glück. Das BAG be­wer­te­te die Kündi­gung ab­sch­ließend als rechtmäßig, hob die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen auf und wies die Kla­ge ab. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung heißt es zu Be­gründung:

Ein Be­rufs­kraft­fah­rer darf sei­ne Fahrtüch­tig­keit nicht durch Am­phet­amin oder Me­tham­phet­amin („Crys­tal Meth“) gefähr­den, so das BAG. Ein Ver­s­toß ge­gen die­se Pflicht kann die außer­or­dent­li­che Kündi­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses recht­fer­ti­gen. Da­bei macht es nach An­sicht der Er­fur­ter Rich­ter kei­nen Un­ter­schied, ob die Dro­ge vor oder während der Ar­beits­zeit kon­su­miert wur­de.

Dem LAG Nürn­berg wirft das BAG vor, dass es bei sei­ner In­ter­es­sen­abwägung die ty­pi­schen Ge­fah­ren nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt hätte, die sich dar­aus er­ge­ben, dass ein Be­rufs­kraft­fah­rer Am­phet­amin und Me­tham­phet­amin ein­nimmt. Da­her spiel­te es hier im Streit­fall, so das BAG, kei­ne Rol­le, ob die Fahrtüch­tig­keit des Klägers bei sei­nen dienst­li­chen Fahr­ten nach dem Par­ty-Wo­chen­en­de (ab dem 13.10.2014) kon­kret be­ein­träch­tigt war und ob des­halb ei­ne erhöhte Ge­fahr im Straßen­ver­kehr be­stand.

Fa­zit: Das Ur­teil des BAG ist auf den ers­ten Blick un­verhält­nismäßig streng, da der Ar­beit­neh­mer zu­vor nie ab­ge­mahnt wur­de und das BAG in sei­ner knap­pen Pres­se­mel­dung kei­ne Gründe dafür nennt, war­um ei­ne Ab­mah­nung hier im Streit­fall (aus­nahms­wei­se) nicht er­for­der­lich ge­we­sen sein soll­te. 

Mögli­cher­wei­se fiel hier ent­schei­dend ins Ge­wicht, dass der Ar­beit­neh­mer noch drei Ta­ge nach sei­nem Dro­gen­kon­sum vom Sams­tag nach­weis­lich un­ter dem Ein­fluss von "Crys­tal Meth" stand, so dass er nicht nur ei­ne, son­dern je­den­falls meh­re­re dienst­li­che Fahr­ten un­ter Dro­gen­ein­fluss durch­geführt hat­te.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2019

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