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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/131

Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung des Be­triebs­ra­tes zu per­so­nel­len Maß­nah­men auch per E-Mail?

Ver­wei­gert der Be­triebs­rat die Zu­stim­mung zu ei­ner per­so­nel­len Maß­nah­me nach § 99 Be­trVG, reicht ei­ne ein­fa­che E-Mail nicht aus: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Be­schluss vom 01.08.2008, 5 TaBV 8/07
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Die Ver­wei­ge­rung der Zu­stim­mung bei § 99 Be­trVG muss "schrift­lich" er­klärt wer­den

11.12.2008. Für ei­ne per­so­nel­le Ein­zel­maß­nah­me wie ei­ne Ein­stel­lung oder Ver­set­zung braucht der Ar­beit­ge­ber ge­mäß § 99 Abs.1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) die vor­he­ri­ge Zu­stim­mung des Be­triebs­rat.

Der wie­der­um kann an­statt zu­zu­stim­men auch die Zu­stim­mung aus­drück­lich ver­wei­gern, doch muss er das in­ner­halb ei­ner Wo­che und un­ter An­ga­be von Grün­den ma­chen und au­ßer­dem schrift­lich (§ 99 Abs.3 Be­trVG).

Frag­lich ist, ob die ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Schrift­form auch dann ein­ge­hal­ten ist, wenn der Be­triebs­rat sei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung dem Ar­beit­ge­ber per E-Mail über­mit­telt. In ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung war das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg der Mei­nung, dass das nicht aus­reicht: LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Be­schluss vom 01.08.2008, 5 TaBV 8/07.

Kann der Be­triebs­rat die Ver­wei­ge­rung sei­ner Zu­stim­mung zu ei­ner per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­me per E-Mail erklären?

In Un­ter­neh­men, in de­nen in der Re­gel mehr als zwan­zig wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer beschäftigt sind, ist der Ar­beit­ge­ber gemäß § 99 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ver­pflich­tet, den Be­triebs­rat vor Ein- und Um­grup­pie­run­gen so­wie vor Ein­stel­lun­gen und Ver­set­zun­gen zu un­ter­rich­ten und sei­ne Zu­stim­mung ein­zu­ho­len.

Da­bei hat er dem Be­triebs­rat die er­for­der­li­chen Be­wer­bungs­un­ter­la­gen vor­zu­le­gen und Aus­kunft über die be­tei­lig­ten Per­so­nen zu ge­ben. Zu­dem ist der Ar­beit­ge­ber ge­genüber dem Be­triebs­rat un­ter Vor­la­ge der er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen zur Aus­kunft über die Aus­wir­kun­gen der ge­plan­ten Maßnah­me ver­pflich­tet.

Nach er­folg­ter Un­ter­rich­tung er­ge­ben sich für den Be­triebs­rat fol­gen­de Hand­lungsmöglich­kei­ten: Er kann der ge­plan­ten Maßnah­me zu­stim­men, ihr wi­der­spre­chen oder ein­fach untätig blei­ben. Bleibt er untätig, gilt sei­ne Zu­stim­mung kraft Ge­set­zes nach Ab­lauf ei­ner Wo­che seit der Un­ter­rich­tung als er­teilt. Zu­stim­mung und Untätig­keit lau­fen da­her für den Ar­beit­ge­ber letzt­lich auf das­sel­be hin­aus, nämlich dar­auf, dass er die ge­plan­te per­so­nel­le Maßnah­me durchführen kann.

Un­an­ge­nehm wird es da­ge­gen im Fal­le ei­nes Wi­der­spruchs bzw. der aus­drück­li­chen Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung, da der Ar­beit­ge­ber dann die feh­len­de Zu­stim­mung des Be­triebs­rats durch ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung er­set­zen las­sen muss (§ 99 Abs.4 Be­trVG).

Ei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung ist nur wirk­sam, wenn sie bin­nen Wo­chen­frist nach Un­ter­rich­tung un­ter An­ga­be von Gründen so­wie schrift­lich er­folgt (§ 99 Abs.3 Satz 1 Be­trVG). „Schrift­lich“ ist ei­ne Erklärung ab­ge­ge­ben, wenn sie vom Erklären­den ei­genhändig durch Na­mens­un­ter­schrift un­ter­zeich­net ist , § 126 Abs. 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Das Ge­setz ge­stat­tet es seit ei­ni­gen Jah­ren auch, die Schrift­form durch die „elek­tro­ni­sche Form“ zu er­set­zen (§ 126 Abs.3 BGB), was al­ler­dings bei Ver­sen­dung ei­ner E-Mail vor­aus­setzt, dass die­se mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Si­gna­tur nach dem Si­gna­tur­ge­setz ver­se­hen ist (§ 126a BGB). Da die Schrift­form­klau­sel des § 99 Abs.3 Satz 1 Be­trVG die elek­tro­ni­sche Form nicht aus­drück­lich un­ter­sagt, kann dem­nach die Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung, wenn die­se mit ei­ner elek­tro­ni­schen Si­gna­tur ver­se­hen ist, per E-Mail erklärt wer­den.

Frag­lich ist, ob ein per E-Mail erklärter Wi­der­spruch des Be­triebs­rats zu ei­ner zu­stim­mungs­bedürf­ti­gen per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­me un­be­acht­lich ist, wenn der Wi­der­spruch bzw. die Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung per E-Mail oh­ne elek­tro­ni­sche Si­gna­tur erklärt wird. Zu die­ser Fra­ge hat sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg mit ei­nem ak­tu­el­len Be­schluss geäußert (LAG Ba­den Würt­tem­berg, Be­schluss vom 01.08.2008, 5 TaBV 8/07).

Der Streit­fall: Der Be­triebs­rat ei­ner Luft­han­sa-Toch­ter ver­wei­gert sei­ne Zu­stim­mung zu ge­plan­ten Ein­grup­pie­run­gen frist­gemäß, aber per E-Mail

Die Ar­beit­ge­be­rin, ein Lo­gis­tik-Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men und Teil des Kon­zerns der Deut­schen Luft­han­sa, woll­te zum Jah­res­wech­sel 2006/2007 ein neu­es Vergütungs­sys­tem einführen. We­gen der in die­sem Zu­sam­men­hang er­for­der­li­chen Ein- bzw. Um­grup­pie­run­gen von Ar­beit­neh­mern lei­te­te sie am 01.12.2006 das Be­tei­li­gungs­ver­fah­ren nach § 99 Be­trVG ein, überg­ab am Stand­ort S. dem dor­ti­gen – einköpfi­gen - Be­triebs­rat al­le aus ih­rer Sicht re­le­van­ten Un­ter­la­gen und verlänger­te auf Bit­ten des Be­triebs­rats die Stel­lung­nah­me­frist (§ 99 Abs.3 Be­trVG) bis zum 21.12.2006.

Der Be­triebs­rat bat um Ar­beits­platz­be­schrei­bun­gen, die er am 08.12.2006 auch er­hielt, während wei­te­re For­de­run­gen nach „übe­r­ar­bei­te­ten Ar­beits­platz­be­schrei­bun­gen“ er­folg­los blie­ben. Dar­auf­hin wi­der­sprach der Be­triebs­rat dem Zu­stim­mungs­ver­lan­gen mit E-Mail vom 18.12.2006. Das Wi­der­spruchs­schrei­ben selbst war da­bei als ein­fa­che Text­da­tei aus­ge­stal­tet und als An­hang der Mail mit­ge­schickt wor­den.

Erst am 27.12.2006 ging der Ar­beit­ge­be­rin der Wi­der­spruch schrift­li­cher Form zu. Sie stell­te mein­te, ei­ne im Sin­ne des § 99 Abs.3 S.2 Be­trVG "schrift­li­che" Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung sei nicht bzw. nicht frist­ge­recht ein­ge­gan­gen. Da­her gel­te die Zu­stim­mung als er­teilt.

Dar­auf­hin zog die Ar­beit­ge­be­rin im April 2007 vor das Ar­beits­ge­richt (ArbG) Stutt­gart und be­an­trag­te, die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur Um­grup­pie­rung bzw. Ein­grup­pie­rung zwei­er na­ment­lich ge­nann­ter Ar­beit­neh­mer zu er­set­zen. Die­sem An­trag gab das Ar­beits­ge­richt En­de No­vem­ber 2007 statt (ArbG Stutt­gart, Be­schluss vom 28.11.2007, 29 BV 94/07), wor­auf­hin der un­ter­le­ge­ne Be­triebs­rat Be­schwer­de zum LAG Ba­den-Würt­tem­berg er­hob.

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg: Für ei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung nach § 99 Be­trVG reicht ei­ne ein­fa­che E-Mail nicht aus

Das LAG stimm­te im Er­geb­nis der Rechts­auf­fas­sung der Ar­beit­ge­be­rin und der ers­ten In­stanz zu, d.h. es wies die Be­schwer­de des Be­triebs­ra­tes zurück, ließ al­ler­dings die Rechts­be­schwer­de zum Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu. Die Ar­beit­ge­be­rin hat­te, so das LAG, das Anhörungs­ver­fah­ren spätes­tens am 08.12.2006 ord­nungs­gemäß und da­mit die Frist für die Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung in Gang ge­setzt.

In­ner­halb die­ser Frist er­reich­te die Ar­beit­ge­be­rin le­dig­lich die un­si­gnier­te E-Mail, so dass das LAG zu der Fra­ge Stel­lung neh­men muss­te, ob ei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung per un­si­gnier­ter E-Mail mögli­cher­wei­se die Schrift­form des § 99 Abs.3 Satz 1 Be­trVG wahrt oder, falls nicht, un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände des Ein­zel­falls mögli­cher­wei­se trotz­dem rechts­wirk­sam ist.

Hier folg­te das Ge­richt dem Wort­laut des Ge­set­zes und kam zu dem Er­geb­nis, dass der Be­triebs­rat sei­nen Wi­der­spruch zwar per E-Mail ver­sen­den konn­te, da­bei aber zur Wah­rung der (die Schrift­form wah­ren­den) elek­tro­ni­schen Form ei­ne elek­tro­ni­sche Si­gna­tur hätte ver­wen­den müssen. Da­bei ließ das LAG al­ler­dings of­fen, ob es an­ders ent­schie­den hätte, wenn statt ei­ner sim­plen Text­da­tei ein Scan als An­la­ge der E-Mail bei­gefügt wor­den wäre. Zu­recht hebt es da­bei die Par­al­le­le zum Te­le­fax her­vor und legt da­mit für die­sen Fall ei­ne an­de­re recht­li­che Be­hand­lung na­he.

An­halts­punk­te für dafür, dass die Be­ru­fung der Ar­beit­ge­be­rin auf den Form­m­an­gel aus­nahms­wei­se rechts­miss­bräuch­lich und da­her un­zulässig sein könn­te, sah das LAG im vor­lie­gen­den Fall nicht. Ein sol­cher Aus­nah­me­fall kann bei­spiels­wei­se ge­ge­ben sein, wenn der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat zur Miss­ach­tung der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Form „ver­lei­tet“ und/oder si­gna­li­siert, dass ihm an der Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Form nicht ge­le­gen sei.

Sie könn­te man et­wa ei­nen Fall be­ur­tei­len, bei dem der Ar­beit­ge­ber kurz vor Mo­nats­en­de um Zu­stim­mung zur Ein­stel­lung neu­er Ar­beit­neh­mer zum kom­men­den Mo­nats­an­fang bit­tet, und zwar „möglichst noch bis mor­gen abend“, wenn er die­se Bit­te nebst sämt­li­chen Un­ter­la­gen dem Be­triebs­rat per un­si­gnier­ter E-Mail über­sen­det und zu­gleich an­regt, dass auch der Be­triebs­rat we­gen der be­ste­hen­den Zeit­not per E-Mail ant­wor­tet.

Fa­zit: Ob ei­ne nicht elek­tro­nisch si­gnier­te E-Mail für ei­nen Wi­der­spruch des Be­triebs­rats ge­gen ei­ne per­so­nel­le Ein­zel­maßnah­me genügt oder nicht, ist der­zeit um­strit­ten. Mögli­cher­wei­se wird demnächst das Bun­des­ar­beits­ge­richt über die­se Fra­ge ent­schei­den. Ob es dann der Auf­fas­sung des LAG folgt, ist un­ge­wiss. In je­dem Fall soll­ten Be­triebsräte bis auf wei­te­res Wi­dersprüche schrift­lich, d.h. mit Un­ter­schrift des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den, beim Ar­beit­ge­ber ein­rei­chen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier: 

Letzte Überarbeitung: 9. Juni 2014

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