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BAG, Beschluss vom 06.06.2007, 4 AZN 487/06
Schlagworte: | Whistleblowing, Anzeige gegen Arbeitgeber | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 4 AZN 487/06 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 06.06.2007 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 3.08.2005, 39 Ca 4775/05 Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.03.2006, 7 Sa 1884/05 |
|
BUNDESARBEITSGERICHT
4 AZN 487/06
7 Sa 1884/05
Landesarbeitsgericht
Berlin
BESCHLUSS
In Sachen
pp.
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 6. Juni 2007 beschlossen:
1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. März 2006 - 7 Sa 1884/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.100,00 Euro festgesetzt.
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Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung. Die Klägerin trat am 16. September 2000 als Altenpflegerin in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Seit 2002 war sie in einem Wohnpflegezentrum für Senioren beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 9. Februar 2005 fristlos, hilfsweise frist-gerecht. Der Streit der Parteien geht - soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse - zum einen darum, ob eine von der Klägerin gegen die Beklagte mit anwaltlicher Hilfe erstattete Strafanzeige, in der die Klägerin der Beklagten ua. Abrechnungsbetrug und Betrug zu Lasten von Bewohnern und Angehörigen vorwarf und den „in Rede“ stehenden Schaden unter Einbeziehung anderer Einrichtungen der Beklagten als solchen „in Millionenhöhe“ bezeichnete, als wichtiger Grund die außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Zum anderen streiten sie darum, ob darauf die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung gestützt werden kann, weil die Beklagte dieses Verhalten im ersten Rechtszug überhaupt nicht oder nicht deutlich als Kündigungsgrund angeführt hat. Schließlich ist die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung streitig.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer auf Divergenz, grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Als Grundsatzbeschwerde entspricht ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dies gilt auch für die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Unter dem Gesichtspunkt der Divergenz ist die Beschwerde unbegründet.
1. Die Beschwerde hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt.
a) Nach § 72a Abs. 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserheb-
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liche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das ist dann der Fall, wenn die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - BAGE 95, 372, zu II 2 der Gründe; 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - NJW 2007, 1165; Senat 9. Mai 2007 - 4 AZN 1144/06 -). Entscheidungserheblich ist die Rechtsfrage, wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts von ihr abhing (zB Senat 23. August 2006 - 4 AZN 244/06 -; 21. Februar 2007 - 4 AZN 534/06 -). Dies ist der Fall, wenn sich das Landesarbeitsgericht mit der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde formulier-ten Rechtsfrage befasst, sie beantwortet hat. Es genügt nicht, dass das Landesarbeitsgericht sich nach der Auffassung des Beschwerdeführers mit der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung hätte befassen müssen (vgl. BAG 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 65 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 109; Senat 21. Februar 2007 - 4 AZN 534/06 -).
b) Diese Voraussetzungen sind von der Beschwerde nicht dargelegt. Die Beschwerde bezeichnet zwar die von ihr angeführte „Rechtsfrage“ - „Kann der Arbeitgeber die Erstattung einer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber als Kündigungsgrund in der Berufung nachschieben, wenn er in der ersten Instanz seine Kündigung auf die Verteilung eines Flugblattes gegen den Arbeitgeber gestützt und ausdrücklich erklärt hat, dass er die Kündigung nicht auf die Strafanzeige stützt?“ - einleitend als solche von „grundlegender Bedeutung“, lässt aber die fallbezogene Darlegung der Erfüllung dieser Voraussetzung vermissen. Zudem behauptet sie nicht die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage in dem vorstehend dargestellten Sinne, also die Befassung des Landesarbeitsgerichts mit dieser Rechtsfrage, und dies mit Recht: Denn das Landesarbeitsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte „ausdrücklich erklärt“ hat, die Kündigung nicht auf die Strafanzeige zu stützen. Es hat vielmehr ausgeführt, die Beklagte habe „sich in der ersten Instanz nicht hinreichend deutlich auf diesen Kündigungsgrund gestützt“.
2. Einen Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG hat die Beschwerde ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargelegt.
a) Zur Begründung einer Beschwerde wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG), der sich auf einen fehlenden Hinweis des
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Landesarbeitsgerichts im Berufungsverfahren stützt, hat der Beschwerdeführer nicht nur vorzutragen, welche konkreten Hinweise das Landesarbeitsgericht ihm aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen und welche weiteren erheblichen Tatsachen er dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte (BAG 1. März 2005 - 9 AZN 29/05 - BAGE 114, 57, 59). Darüber hinaus gehört zur Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei der Rüge eines unterlassenen Hinweises nach § 139 Abs. 2 ZPO der Vortrag, dass mit der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbevollmächtigter auch unter Beachtung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Denn nicht jeder einfachrechtliche Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO stellt zugleich eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar (BVerfG 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524; 8. Januar 2004 - 1 BvR 864/03 - NJW 2004, 1371; BAG 31. August 2005 - 5 AZN 187/05 - AP ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 104; Senat 14. Februar 2007 - 4 AZN 802/06 -).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nichtgerecht. Die Beschwerde rügt, das Landesarbeitsgericht habe es unter Verstoß gegen § 139 ZPO versäumt, ihr folgenden richterlichen Hinweis zu geben: „Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen zu den Ausführungen der Beklagten in deren Schriftsatz vom 23. März 2006, die Strafanzeige der Klägerin enthalte bewusst wahrheitswidrige, jedenfalls aber leichtfertige Angaben und die Klägerin werfe der Beklagten in der Strafanzeige ohne eine annähernd hinreichende Tatsachengrundlage ‚ins Blaue hinein’ einen Abrechnungsbetrug und eine Gesundheitsgefährdung der Bewohner vor.“ Mit diesem Vortrag ist eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf die Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG nicht hinreichend dargelegt. Insoweit ist von Bedeutung, dass das Landesarbeitsgericht in der ersten Berufungsverhandlung am 14. Februar 2006 der Klägerin folgende Auflage erteilt hat: „Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Anlass und Gründe für die von ihr gestellte Strafanzeige gegen die Geschäftsführung der Beklagten wegen Betruges und Nötigung darzulegen. Dabei ist auch vorzutragen, welche innerbetrieblichen Mittel gewählt wurden, um die behaupteten Missstände zu beseitigen.“ Angesichts dessen bedurfte es der Darlegung in der Beschwerde, auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbevollmächtigter hätte nicht erkennen können, dass es der Klägerin damit oblag, die „Tatsachengrundlage“ für die der Beklagten vorgeworfenen Straftaten im Einzelnen darzulegen, sondern dass ein solcher Prozess-
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bevollmächtigter noch des Hinweises bedurfte, dieser Vortrag sei auch für die Frage von Bedeutung, ob die Klägerin in ihrer Strafanzeige leichtfertig falsche Angaben gemacht habe. Diese Darlegung hat die Beschwerde versäumt. Davon abgesehen verweist das Landesarbeitsgericht bei seiner Wertung, die Klägerin habe in ihrer Strafanzeige leichtfertig falsche Angaben gemacht, darauf, die Klägerin habe „trotz entsprechender Auflage“ die Nachvollziehbarkeit ihrer Vorwürfe nicht dargelegt. Es stützt sich also nicht auf Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 23. März 2006. Die Klägerin lässt somit auch die Darlegung vermissen, dass erst in diesem Schriftsatz enthaltener über den Inhalt der ihr erteilten Auflage vom 14. Februar 2006 hinausgehender Vortrag entscheidungserheblich war, ihr also diesbezüglich Gelegenheit zur Erwiderung hätte gegeben werden müssen.
Soweit die Klägerin dem Landesarbeitsgericht einen Verstoß gegen die Darlegungs- und Beweislast vorwirft, weil sie als Erste zum Gesichtspunkt der Leichtfertigkeit habe vortragen sollen, fehlt es auf Grund der vorstehenden Ausführungen an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit dieses Verfahrensverstoßes.
3. Unter dem Gesichtspunkt der Divergenz ist die Beschwerde unbegründet. Die von ihr behaupteten Divergenzen liegen sämtlich nicht vor.
a) Die Divergenzbeschwerde (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) ist begründet, wenn sich der anzufechtenden und der herangezogenen Entscheidung die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtssätze entnehmen lassen, die dieselbe Rechtsfrage betreffenden Rechtssätze voneinander abweichen und die anzufechtende Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
b) Dies ist nicht der Fall. Die von der Beschwerde angeführten angeblich divergierenden Rechtssätze, deren teilweise zweifelhafter Rechtssatzcharakter zugunsten der Beschwerde unterstellt werden kann, betreffen zum Teil nicht dieselbe Rechtsfrage; zum Teil sind sie vom Landesarbeitsgericht nicht aufgestellt worden. Für die erste Divergenzrüge wird dies nachfolgend im Einzelnen begründet. Angesichts der Zahl der behaupteten Divergenzen und des Umfangs der Beschwerdebegründung, die insgesamt 55 Seiten umfasst, wird von der vollständigen Darstellung der angeblich divergierenden Rechtssätze bei den nachfolgenden Divergenzen abgesehen und nur schwerpunktmäßig begründet, warum der angesprochene Vortrag eine nachträgliche Revisionszulassung nicht rechtfertigt.
1. Divergenzrüge (S. 1 ff. der Beschwerdebegründung)
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aa) Die Beschwerde behauptet folgenden Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung: „Eine Arbeitnehmerin macht leichtfertig falsche Angaben, wenn sie die in einer Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber erhobenen Vorwürfe jedenfalls nicht in einer anschließenden Kündigungsschutzklage nachvollziehbar auf einen Sachverhalt gründet, der erwiderungsfähig und einem Beweis zugänglich ist. Dann ist eine solche Strafanzeige ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung.“
Damit - so die Beschwerde - weiche das Landesarbeitsgericht sowohl von dem Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 2. Juli 2001 (- 1 BvR 2049/00 - AP BGB § 626 Nr. 170 = EzA BGB § 626 nF Nr. 188) ab, der laute: „Auch die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren kann - soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden - im Regelfall aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen, daraus einen Grund für eine fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abzuleiten“, als auch von demjenigen „Rechtssatz“ des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 3. Juli 2003 (- 2 AZR 235/02 - BAGE 107, 36): „Zeigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber ‚freiwillig’ bei der Strafverfolgungsbehörde an, so kann die darin liegende Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren regelmäßig nicht zu einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten führen und eine deswegen erklärte Kündigung sozial rechtfertigen ... Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist es regelmäßig unvereinbar, wenn eine Anzeige und Aussage im Ermittlungsverfahren zu zivilrechtlichen Nachteilen für den anzeigenden Arbeitnehmer bzw. Zeugen führen würde, es sei denn, er hat wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht ...“. Außerdem stehe der Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung „in Widerspruch“ zu „weiteren Rechtssätzen“ des Bundesarbeitsgerichts in derselben Entscheidung, worunter die Beschwerde einen aus insgesamt sechs Sätzen bestehenden, eine halbe Druckseite ausfüllenden Teil der Entscheidungsgründe versteht.
bb) Die von der Beschwerde behauptete Divergenz liegt nicht vor. Denn die angeblich divergierenden Rechtssätze der anzufechtenden und die oben im Wortlaut wiedergegebenen Rechtssätze der herangezogenen Entscheidungen betreffen nicht dieselbe Rechtsfrage. Der angeblich vom Landesarbeitsgericht aufgestellte Rechtssatz befasst sich vorrangig mit der Rechtsfrage, ob aus dem Prozessvortrag des Arbeitnehmers der Schluss gezogen werden kann, in einer Strafanzeige leichtfertig falsche Angaben gemacht zu haben. Darum geht es in den zitierten Rechtssätzen der heran-gezogenen Entscheidungen nicht. Diese befassen sich mit der Kündigungsrelevanz
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einer Strafanzeige des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber und differenzieren dabei ua. danach, ob der Arbeitnehmer in der Strafanzeige leichtfertig falsche Angaben gemacht hat oder ihm dies nicht vorzuwerfen ist.
Soweit die Beschwerde eine Divergenz des von ihr angeführten Rechtssatzes der anzufechtenden Entscheidung zu „weiteren Rechtssätzen“ des Bundesarbeitsgerichts in der herangezogenen Entscheidung rügt, fehlt schon die konkrete Darlegung eines Rechtssatzes. Im Übrigen betrifft der von der Beschwerde zitierte Teil der Entscheidungsgründe des herangezogenen Urteils ebenfalls nicht die Rechtsfrage, welche Bedeutung der Prozessvortrag des Arbeitnehmers für die Frage leichtfertigen Verhaltens bei der Strafanzeige hat.
2. Divergenzrüge (S. 9 ff. der Beschwerdebegründung)
aa) Behaupteter Rechtssatz der herangezogenen Entscheidung: „Eine Arbeitnehmerin macht selbst dann leichtfertig falsche Angaben in einer Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber und reagiert unverhältnismäßig, wenn sie Personalmangel und die daraus resultierenden Konsequenzen für Personal und Bewohner als Anlass für ihre Anzeige angibt und das Arbeitsgericht in der 1. Instanz diesen Personalmangel in gewissem Umfang als objektiv gegeben einschätzt.“
bb) Die behauptete Divergenz zu denselben herangezogenen Rechtssätzen wie bei der ersten Divergenzrüge besteht ebenfalls deshalb nicht, weil diese Rechtssätze nicht die in dem Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung behandelte Rechtsfrage betreffen. In keinem der beiden Fälle, zu denen die herangezogenen Entscheidungen ergangen sind, waren „Personalmangel und die daraus resultierenden Konsequenzen für Personal und Bewohner Anlass für“ die „Anzeige“.
3. Divergenzrüge (S. 13 ff. der Beschwerdebegründung)
aa) Der angeblich vom Landesarbeitsgericht aufgestellte Rechtssatz betrifft die Frage des Vorrangs der innerbetrieblichen Aufklärung vor der Strafanzeige.
bb) Damit befasst sich der schon für die erste und zweite Divergenzrüge von der Klägerin herangezogene Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts nicht. Zu dem Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 3. Juli 2003 (- 2 AZR 235/02 - aaO): „Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung ... gebührt der innerbetrieblichen Klärung nicht generell der Vorrang“, den die Beschwerde als „Leitlinie“ einem von ihr zitierten aus elf Sätzen bestehenden Textabschnitt der Entscheidungs-
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gründe entnimmt, besteht keine Divergenz. Denn auch das Landesarbeitsgericht, welches die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2003 (- 2 AZR 235/02 - aaO) mehrfach zitiert, führt zur innerbetrieblichen Klärung aus: „Ihr gebührt nicht generell der Vorrang.“ Das unterschlägt die Beschwerde.
4. Divergenzrüge (S. 23 ff. der Beschwerdebegründung)
aa) Der behauptete „Rechtssatz“ der herangezogenen Entscheidung befasst sich im Wesentlichen mit der Rechtsfrage, ob „eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber ... dann leichtfertig und eine unverhältnismäßige Reaktion der Arbeitnehmerin“ ist, „wenn die Arbeitnehmerin gegen den Arbeitgeber Strafanzeige erstattet, obwohl der Arbeitgeber einer außerbetrieblichen Kontrolle unterliegt, diese Kontrolleinrichtungen“ - richtig: Kontrolleinrichtung - „mit der Prüfung der Vorwürfe befasst ist und schon einmal zu einem früheren Zeitpunkt Konsequenzen angedroht hat.“
bb) Mit dieser Rechtsfrage befassen sich die bereits zu den vorbehandelten Divergenzrügen von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts nicht. Dies erkennt letztlich auch die Beschwerde, meint aber, dem Sinne nach liegt eine Abweichung vor. Damit behauptet sie der Sache nach eine nur im Revisionsverfahren überprüfbare fehlerhafte Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts, auch wenn sie dies ausdrücklich in Abrede stellt.
5. Divergenzrüge (S. 28 ff. der Beschwerdebegründung)
aa) Die Beschwerde behauptet die Aufstellung „der folgenden abstrakten Rechtssätze“ durch das Landesarbeitsgericht: „Hat der Arbeitgeber in der Anhörung des Betriebsrates als Kündigungsgrund ‚Strafanzeige gegen den Arbeitgeber’ genannt, so ist er selbst dann nicht verpflichtet, hinsichtlich weiterer Tatsachen den Betriebsrat erneut anzuhören, wenn diese weiteren Tatsachen kündigungsrelevant sind oder der Kündigung erheblich mehr Gewicht verleihen und der Arbeitgeber diese weiteren Tatsachen in dem gerichtlichen Verfahren verwerten will.“ Damit - so die Beschwerde - weiche das Landesarbeitsgericht von einem von ihr näher dargestellten Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 18. Dezember 1980 (- 2 AZR 1006/78 - BAGE 34, 309) ab.
bb) Die behauptete Divergenz liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat den behaupteten Rechtssatz weder selbst ausdrücklich aufgestellt, wovon auch die Beschwerde ausgeht, noch ist er dessen fallbezogenen Ausführungen zu entnehmen.
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Das Landesarbeitsgericht geht nicht davon aus, dass die Beklagte im Kündigungsrechtsstreit - verglichen mit dem Inhalt der Betriebsratsanhörung - weitere kündigungs-relevante Tatsachen oder solche Tatsachen „verwerten“ will, die „der Kündigung erheblich mehr Gewicht verleihen“. Vielmehr führt es aus, die Beklagte habe dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren „auch die von der Klägerin gestellte Strafanzeige“ mitgeteilt. Deren Inhalt sei der Beklagten seinerzeit - unstreitig - nicht bekannt gewesen. Dessen nachfolgende Heranziehung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung sei - lediglich - „eine Konkretisierung des Kündigungsgrundes ‚Strafanzeige gegen den Arbeitgeber’, für die es einer erneuten Anhörung des Betriebsrats nicht bedurfte“. Auch insoweit liegt der Sache nach trotz der wiederum ausdrücklich vertretenen gegenteiligen Auffassung der Klägerin allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor, die allein die Zulassung der Revision nicht zu begründen vermag.
6. Divergenzrüge (S. 1 ff. des Ergänzungsschriftsatzes vom 3. Juli 2006)
aa) Die Beschwerde behauptet „folgenden abstrakten Rechtssatz“ des Landesarbeitsgerichts: „Eine Strafanzeige gegen den eigenen Arbeitgeber, die bezweckt, den Arbeitgeber unter öffentlichen unter Druck zu setzen und damit einer angespannten Personalsituation abzuhelfen, berechtigt selbst dann, der Anzeigenden aus wichtigem Grund zu kündigen,
• wenn vorher zahlreiche innerbetriebliche und außerbetriebliche Hinweise den Arbeitgeber auf einen Personalmangel oder doch zumindest eine angespannte Personalsituation hingewiesen haben und das Arbeitsgericht 1. Instanz urteilt, dass ‚ein gewisser Personalmangel objektiv vorzuliegen scheint’ und
• wenn die Anzeigende vorher gewarnt hat, dass durch Personalmangel Bewohner gefährdet werden, und den Arbeitgeber bittet, darzulegen, wie Einleitung von staatsanwaltlichen Ermittlungen vermieden werden können und
• der Arbeitgeber trotzdem den Vorwurf der nicht sichergestellten ausreichenden Pflege entschieden zurückweist.“
Damit weiche das Landesarbeitsgericht wiederum von Rechtssätzen der bereits in den Divergenzrügen 1 bis 4 herangezogenen Entscheidungen ab.
bb) Dies ist nicht der Fall. Es gelten auch hier die Ausführungen zur Divergenzrüge 2.
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III. Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen der Klägerin wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen wäre (§ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
V. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG. Der festgesetzte Streitwert entspricht dem Betrag des dreifachen Monatsverdienstes der Klägerin.
Bepler
Creutzfeldt
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Jürgens
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