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LAG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2012, 15 Sa 485/12
Schlagworte: | ||
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 15 Sa 485/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 05.07.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 03.02.2012, 3 Ca 1016/11 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2013, 2 AZR 808/12 |
|
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
M. e. M. C. T., X. straße 33, X.,
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
g e g e n
E. & Co. Verbandstoff-Fabrik Dr. X. & Co., vertreten durch die Dr. X. Verwaltungs- u. Beteiligungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer H. X. und V. X., O. haus 27, X.,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 05.07.2012 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Stoltenberg als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Dültgen und den ehrenamtlichen Richter Foitlinski
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 03.02.2012 – 3 Ca 1016/11 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
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I.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Die am 27.03.1952 geborene Klägerin wurde 1973 in Portugal angeworben und war sodann aufgrund des Arbeitsvertrages vom 03.05.1973 (Kopie Bl. 8 ff. d. A.) ununterbrochen als Konfektioniererin für die Beklagte tätig. Sie verdiente zuletzt monatlich 2.400,00 € brutto. Die Beklagte stellt Verbandsstoffe her, die in Tschechien produziert werden. Die Endfertigung, Verpackung und dergleichen erfolgte im Betrieb X.. Diese Produktion in X. sollte nach Angabe der Beklagten ab dem 01.02.2012 in die Tschechische Republik verlagert werden.
Einen Betriebsrat gibt es in dem Betrieb der Beklagten nicht.
Die Beklagte hat entsprechend einem Gesellschafterbeschluss vom 13.06.2011 (Kopie der Niederschrift Bl. 44 d. A.) den Produktionsbetrieb in X. zum 31.01.2012 stillgelegt. Die Produktionsmaschinen werden in die seit 15 Jahren existierenden Produktionsstätte in Jaromer (Tschechische Republik) verbracht.
Bis zum 30.06.2012 wird in den Abteilungen Großversand, Warenannahme, Kleinversand, Lager und Qualitätssicherung noch gearbeitet. Die dort beschäftigten Angestellten C. und T. werden zum 30.06.2012 wegen Eintritt in die Altersrente ausscheiden.
Unberührt von der Maßnahme bleibt der kaufmännische Bürobereich (Finanzbuchhaltung, Lohnabrechnung, Einkauf, Verkauf).
Im Hinblick auf die Stilllegung des Produktionsbetriebes hat die Beklagte die Arbeitsverhältnisse aller in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer zum
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31.01.2012 gekündigt. Unter dem 27.06.2011 erfolgte die Anzeige gemäß § 17 KSchG (Kopien Bl. 52 ff. d. A.). Ausweislich des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 14.07.2011 (Kopie Bl. 57 d. A.) ist die Anzeige am 27.06.2011 bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangen.
Die Kündigung der Klägerin erfolgte mit Schreiben vom 28.06.2011 (Kopie Bl. 12 d. A.) zum 31.01.2012.
Gegen die Kündigung wehrt sich die Klägerin mit ihrer am 18.07.2011 eingereichten Kündigungsschutzklage.
Die Klägerin, die die Stilllegung nicht bestreitet und auch einräumt, dass das Stilllegungskonzept der Beklagten für eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG keinen Raum lässt, hält das Verhalten der Beklagten in hohem Maße für unsozial. Sie hat darauf verwiesen, dass sie knapp 40 Jahre für die Beklagte gearbeitet habe. Es gehe nicht an, dass sie jetzt ohne jede Entschädigung den Betrieb der Beklagten verlassen müsse. Nach wie vor werde der Betrieb der Beklagten aufrechterhalten. Das operative Geschäft werde fortgeführt. Die Beklagte erwarte Gewinne und sei offenkundig nicht bereit, die Klägerin an den zu erwartenden Gewinnen teilnehmen zu lassen und ihr eine Entschädigung zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2011, zugegangen am selben Tage, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Angesichts der finanziellen Situation der Beklagten sei auch die Zahlung einer Abfindung nicht möglich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der diesbezüglichen Gründe wird auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil (Bl. 81 d. A.) Bezug genommen.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügt die Klägerin im Wesentlichen, dass die Beklagte auf die jahrzehntelang bei ihr beschäftigten Betriebsangehörigen hätte Rücksicht nehmen müssen. Sie hätte Überlegungen anstellen müssen, jedenfalls für die langjährig Beschäftigten vorübergehend eine Situation zu schaffen, die es erlaubt hätte, bis zu ihrem Eintritt in das Rentenalter beschäftigt zu bleiben. Die Beklagte sei zu keiner Zeit an die Klägerin herangetreten mit der Frage, ob ihr auch eine Übersiedlung nach Jaromer (Tschechische Republik) möglich sei. Zumindest hätte sie damit der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, über einen Umzug nachzudenken.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2011, zugegangen am selben Tage, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 03.02.2012 – 3 Ca 1016/11 – kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 05.05.2011 – 5 Sa 220/11, soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, die Beklagte hätte ihr gegenüber eine Änderungskündigung für die Betriebsstätte in Jaromer aussprechen müssen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erachte eine Änderungskündigung als nicht zumut-
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bar. Dies im Übrigen für beide Parteien. Weiter führe das Landesarbeitsgericht aus, dass der Betriebsbegriff des Kündigungsschutzgesetzes im Ausland gelegene Betriebe nicht erfasse. Im Übrigen wäre ein entsprechendes Änderungsangebot an die Klägerin für diese nicht zumutbar gewesen. Die Beklagte habe deshalb zweifelsfrei davon ausgehen können, dass die Klägerin nicht bereit sei, an den Standort der Betriebsstätte in Jaromer zu wechseln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zwecks Vermeidung überflüssiger Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung mit Ablauf des 31.01.2012 aufgelöst worden ist.
1. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen und Feststellungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil wendet sich die Klägerin im Rahmen ihrer Berufung nicht. Gleichwohl hält sie die vorliegende Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nach wie vor für sozial nicht gerechtfertigt. Die diesbezüglich von der Klägerin angeführten Gründe sind - bis auf einen - allesamt rechtlich irrelevant, da für die eingeforderte arbeitgeberseitige Rücksichtnahme oder die klägerseits angestellten Überlegungen zu Alternativmaßnahmen, die sozialer gewesen wären, keine Rechtsgrundlage besteht, auf-
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grund derer solcher Art Gesichtspunkte bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Kündigung eine Rolle hätten spielen können.
2. Einzig die Rüge der Klägerin, dass die Beklagte zu keiner Zeit an sie herangetreten sei mit der Frage, ob ihr auch eine Übersiedlung nach Jaromer möglich sei und ihr damit zumindest die Möglichkeit eingeräumt gewesen wäre, über einen Umzug nachzudenken, ist von rechtlicher Relevanz.
a) Mit dieser Rüge angesprochen ist die Frage, ob die Beklagte vorrangig eine Änderungskündigung hätte aussprechen und der Klägerin eine Weiterbeschäftigung in Jaromer hätte anbieten müssen. Diese Möglichkeit scheitert vorliegend nicht daran, dass es sich bei der Betriebsstätte in Jaromer um eine rechtlich selbständige Firma handeln würde. Dass dies nicht der Fall ist und es sich dabei um eine reine Betriebsstätte der Beklagten handelt, ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus dem beklagtenseits vorgelegten Umsetzungsbeschluss vom 20.06.2011.
Desweiteren scheitert die klägerseits angesprochene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Jaromer auch nicht daran, dass diese nicht hinreichend genau geltend gemacht worden wäre. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der zuvor im Betrieb der Beklagten in X. wahrgenommene Aufgabenbereich der „Endfertigung“ nach Jaromer verlagert worden ist (u. a. aus Gründen der Lohnkostensenkung). Der vormals in X. angesiedelte Arbeitsbedarf, der dort bislang einen Beschäftigungsbedarf u. a. für die Klägerin bedingte, ist mithin nicht fortgefallen, sondern besteht nunmehr in Jaromer.
Dieser hinreichend spezifizierten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat die Beklagte lediglich den vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg angesprochenen Gesichtspunkt der beiderseitigen Unzumutbarkeit entgegengesetzt. Insoweit wird bereits nicht hinreichend deutlich, ob sie eine wechselseitige Unzumutbarkeit auch im vorliegenden Fall hat behaupten wollen. Auch hat sie weder für sich noch für die Klägerin insoweit irgendwelche konkreten Gründe genannt. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass und warum es sich bei
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einer Weiterbeschäftigung in Jaromer um einen Extremfall handeln sollte, bei dem nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04, BAG vom 21.09.2006 – 2 AZR 607/05) ausnahmsweise eine an sich gegebene Weiterbeschäftigung nicht angeboten werden muss. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer nämlich selbst zu entscheiden, ob er eine Weiterbeschäftigung unter möglicherweise erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar hält oder nicht. Solches hat die Klägerin ausdrücklich für sich im Rahmen der Berufungsbegründung in Anspruch genommen, wenn sie darauf verweist, dass ihr zumindest die Möglichkeit hätte eingeräumt werden müssen, über einen Umzug nachzudenken.
Auch soweit die Beklagte im Rahmen der Berufung weiterhin darauf verweist, dass sie zweifelsfrei davon habe ausgehen können, dass die Klägerin nicht bereit sei, an den Standort der Betriebsstätte in Jaromer zu wechseln, fehlt es an jedweder näherer Begründung. Zwar ist es einem Arbeitnehmer verwehrt, den Arbeitgeber bei einer ausgesprochenen Beendigungskündigung auf eine mögliche Änderungskündigung mit dem abgelehnten Inhalt zu verweisen, wenn er das Änderungsangebot zuvor vorbehaltlos und endgültig abgelehnt hat, d. h. wenn er hat erkennen lassen, dass er das Änderungsangebot in keinem Fall annehmen werde (BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04, Rdn. 49 - zitiert nach juris). Dass ein solcher Fall vorliegend gegeben ist, hat die Beklagte nicht ansatzweise dargetan.
b) Die somit an sich beachtliche Rüge der Klägerin im Hinblick auf das fehlende Angebot einer Weiterbeschäftigung in Jaromer scheitert letztlich jedoch daran, dass nach Auffassung der Kammer mit einer Weiterbeschäftigung in Jaromer keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 KSchG angesprochen ist, da als „Betrieb“ im Sinne des § 1 KSchG nur die in der Bundesrepublik Deutschland liegenden organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens angesehen werden können, nicht aber auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegene organisatorische Einheiten bzw. Betriebe. Insoweit schließt sich die Kammer der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (vom 05.05.2011 – 5 Sa 220/11) an,
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welches (im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 22.03.2011 – 1 Sa 2/11) in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.2009 – 2 AZR 883/07 – die Ansicht vertreten hat, dass der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anzuwenden ist.
Von daher konnte der Berufung der Klägerin kein Erfolg beschieden sein.
III.
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat die Klägerin zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war wegen Vorliegens der Voraussetzung nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ArbGG zuzulassen.
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