HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

VG Frank­furt am Main, Be­schluss vom 06.08.2009, 9 L 1887/09.F

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Altersdiskriminierung
   
Gericht: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen: 9 L 1887/09.F
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 06.08.2009
   
Leitsätze:

1. Ein Beamter kann im Wege einer Sicherungsanordnung erreichen, dass der Dienstherr ihn trotz des gesetzlich wegen Erreichens der Altersgrenze vorgesehen Übertritts in den Ruhestand im aktiven Dienst belässt und entsprechend behandelt.

2. § 25 BeamtStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG enthalten eine Entlassungsbedingungen i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bzw. Art. 3 Abs. 1 lit. c RL 2000/78/EG.

3. Beamtenrechtliche Altersgrenzen für den Übertritt in den Ruhestand nach dem Erreichen eines bestimmten Lebenalters - hier des 65. Lebensjahres - enthalten eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters.

4. Berufliche Anforderungen rechtfertigen die beamtenrechtliche Altersgrenzenregelung nicht.

5. Eine Rechtfertigung der Altersgrenzenregelung kommt auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht in Betracht, weil den beamtenrechtlichen Regelungen keine hinreichend nachvollziehbaren Ziele des Allgemeinwohl zugrunde liegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH können nur im Allgemeininteresse liegende Ziele die Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters nach der genannten Ausnahmebestimmung rechtfertigen. Dazu gehören nicht diejenigen Belange, die lediglich der Situation einzelner Arbeitgeber, Dienstherren Rechnung tragen.

Vorinstanzen:
   

Ver­wal­tungs­ge­richt Frank­furt am Main

Be­schl. v. 06.08.2009, Az.: 9 L 1887/09.F

 

Te­nor:

Dem An­trags­geg­ner wird im We­ge der einst­wei­li­gen An­ord­nung auf­ge­ge­ben, den An­trag­stel­ler über den ##. Au­gust ## hin­aus als Ober­staats­an­walt in ei­nem ak­ti­ven Be­am­ten­verhält­nis zu be­han­deln, längs­tens bis zum ##. Ju­li ##, so­fern nicht da­vor der Be­scheid des Hes­si­schen Mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz, für In­te­gra­ti­on und Eu­ro­pa in Be­stands­kraft erwächst.

Die Kos­ten des Ver­fah­rens hat der An­trags­geg­ner zu tra­gen.

Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird auf 36848,11 € fest­ge­setzt.

 

Gründe

I.

Der am ##. Au­gust 19## ge­bo­re­ne An­trag­stel­ler wur­de am ##. Sep­tem­ber 19## zum Rich­ter auf Pro­be und mit Wir­kung zum ##. Sep­tem­ber 19## un­ter Be­ru­fung in das Be­am­ten­verhält­nis auf Le­bens­zeit zum Staats­an­walt er­nannt. Am ##. April 19## wur­de er un­ter Über­tra­gung ei­ner Stel­le als Ab­tei­lungs­lei­ter bei der Staats­an­walt­schaft bei ei­nem Land­ge­richt zum Ober­staats­an­walt er­nannt und lei­tet seit­dem ei­ne Ab­tei­lung bei der Staats­an­walt­schaft beim Land­ge­richt Frank­furt am Main. Sei­ne Ab­tei­lung ist der­zeit zuständig für Straf­ta­ten aus dem Be­reich der or­ga­ni­sier­ten Kri­mi­na­lität ein­sch­ließlich Geldwäsche nach § 129 StGB aus­ge­nom­men Ver­fah­ren mit po­li­ti­schem Hin­ter­grund, Wirt­schafts­straf­sa­chen, Um­welt­straf­sa­chen und Ver­fah­ren, bei de­nen das Schwer­ge­wicht bei Rausch­gift- oder Falsch­geld­de­lik­ten liegt.

Mit Schrei­ben vom 7. April 2009 be­an­trag­te der Kläger über den Dienst­weg un­ter Be­zug auf § 50 Abs. 3 HBG, den Ein­tritt in den Ru­he­stand über das 65. Le­bens­jahr hin­aus um ein Jahr bis zum 31. Au­gust 2010 hin­aus­zu­schie­ben. Zur Be­gründung gab er an, in­ner­halb der von ihm ge­lei­te­ten Ab­tei­lung be­ste­he das Bedürf­nis nach ei­ner kon­ti­nu­ier­li­chen und rei­bungs­lo­sen Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben im Hin­blick auf die De­zer­nats­be­ar­bei­tung der Son­der­ver­fah­ren (be­auf­trag­te bun­des­wei­te Er­mitt­lung des BKA in der Ope­ra­ti­on „Geis­ter­wald“ - Bekämp­fung der or­ga­ni­sier­ten Kin­der­por­no­gra­fie und Er­mitt­lun­gen beim Ver­dacht des schwe­ren se­xu­el­len Miss­brauchs). Fer­ner ver­wies er auf sei­ne Auf­ga­ben als sog. Fußball­staats­an­walt und Ta­gungs­lei­ter so­wie An­sprech­part­ner in Ju­gend­me­di­en­schutz­ver­fah­ren ein­sch­ließlich der Bekämp­fung der Kin­der­por­no­gra­fie, sei­ne um­fang­rei­che Tätig­keit in der Aus­bil­dung von Rechts­re­fe­ren­da­rin­nen und -re­fe­ren­da­ren, die er­wor­be­ne Rou­ti­ne und Sou­veränität, sei­ne ho­he Be­last­bar­keit. Fer­ner sei die Auf­recht­er­hal­tung der bis­he­ri­gen Al­ters­gren­zen durch die Ände­run­gen im BBG frag­lich ge­wor­den, da sich der Weg zu mehr Fle­xi­bi­lität ab­zeich­ne. Im Übri­gen ent­hal­te ei­ne star­re Al­ters­gren­ze ei­ne mit der RL 2000/78/EG un­ver­ein­ba­re Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung.

Der Ge­ne­ral­staats­an­walt beim Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt am Main äußer­te sich in ei­nem Ver­merk vom 17. April 2009 da­hin, er vermöge auch in die­sem Fall den An­trag auf Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts nicht zu befürwor­ten. Oh­ne Zwei­fel han­de­le es sich um übe­r­aus ver­dien­ten

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Ab­tei­lungs­lei­ter, der sich ei­nen her­vor­ra­gen­den Ruf er­wor­ben ha­be. Gleich­wohl be­ste­he kein dienst­li­ches In­ter­es­se für das Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts. Zwar ge­he dem Dienst­herrn ei­ne be­son­ders er­fah­re­ne und kom­pe­ten­te Kraft ver­lo­ren. Die vom An­trag­stel­ler vor­ge­tra­ge­nen Gründe rich­te­ten sich bei nähe­rer Be­trach­tung je­doch nicht al­lein auf den kon­kre­ten Fall, son­dern viel­mehr in der über­wie­gen­den Zahl der For­mu­lie­run­gen je­den­falls im höhe­ren Jus­tiz­dienst ge­gen die be­am­ten­recht­li­che Al­ters­gren­ze als sol­che. Auch wenn mögli­cher­wei­se im künf­ti­gen hes­si­schen Lan­des­recht der de­mo­gra­fi­schen Ent­wick­lung Rech­nung ge­tra­gen wer­den soll­te und ent­spre­chen­de Ände­run­gen zu er­war­ten sei­en, so sei es nicht Auf­ga­be der Ver­wal­tung, ei­ne sol­che Ent­wick­lung beim Voll­zug des gel­ten­den Rechts zu kor­ri­gie­ren.

Nach wie vor sei­en Pro­ble­me bei der Re­kru­tie­rung von Nach­wuchs­kräften im staats­an­walt­li­chen Dienst nicht er­kenn­bar. Dies gel­te auch für die Be­set­zung von Beförde­rungs­stel­len. Dass der Wech­sel im Amt Ein­ar­bei­tung, Neu­ori­en­tie­rung und ggf. den vorüber­ge­hen­den Ver­lust von Rou­ti­ne mit sich brin­ge, wer­de - und zwar bei je­der Fest­le­gung der Al­ters­gren­ze - hin­zu­neh­men sein und be­gründe als sol­ches kein dienst­li­ches In­ter­es­se für ein Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts.

Mit Schrei­ben und E-Mail vom 2. Ju­li 2009 er­in­ner­te der An­trag­stel­ler an die Be­schei­dung sei­nes An­trags und ver­wies auf § 75 Vw­GO .

Am 15. Ju­li 2009 hat der An­trag­stel­ler um einst­wei­li­gen Rechts­schutz nach­ge­sucht und rügt in ers­ter Li­nie die nicht ge­recht­fer­tig­te Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung, müss­te er mit Ab­lauf des 31. Au­gust 2009 ge­gen sei­nen Wil­len in den Ru­he­stand tre­ten.

Mit dem auf den 15. Ju­li 2009 da­tier­ten, vom Staats­se­kretär am 21. Ju­li 2009 zu­stim­mend zur Kennt­nis ge­nom­me­nen Be­scheid lehn­te das Hes­si­sche Mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz, für In­te­gra­ti­on und Eu­ro­pa den An­trag des An­trag­stel­lers ab (Bl. 30-32 d. A.). Ein dienst­li­ches In­ter­es­se für das Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts be­ste­he nicht. Es sei ins­be­son­de­re dann an­zu­neh­men, wenn sich die Pen­sio­nie­rung des Be­am­ten zum vor­ge­se­he­nen Zeit­punkt in be­son­de­rer Wei­se ne­ga­tiv auf den Geschäfts­ab­lauf der Ver­wal­tung aus­wir­ken würde und an­der­wei­ti­ge Maßnah­men zur Ab­wen­dung die­ser Ent­wick­lung nicht bestünden. Zu den­ken sei an Pro­jekt­ar­beit, an­ste­hen­der Weg­fall ei­nes bis­her vom Be­am­ten be­treu­ten Zuständig­keits­be­reichs, der die Ein­ar­bei­tung ei­nes Nach­fol­gers nicht sinn­voll er­schei­nen las­se, fer­ner der Man­gel ge­eig­ne­ter Be­wer­ber, vorüber­ge­hen­de or­ga­ni­sa­to­ri­sche Engpässe und Be­las­tun­gen. Die vom An­trag­stel­ler dar­ge­leg­ten Gründe könn­ten die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllen. An­ge­sichts der kla­ren ge­setz­li­chen Re­ge­lung sei zu­dem ein Fall der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung nicht ge­ge­ben.

Der An­trag­stel­ler hat ge­gen die­sen Be­scheid mit Schrei­ben vom 22. Ju­li 2009 Wi­der­spruch ein­ge­legt und hält un­ge­ach­tet der Ausführun­gen des Be­schei­des an sei­nem Eil­an­trag fest.

Der An­trag­stel­ler be­an­tragt,

den An­trags­geg­ner im We­ge der einst­wei­li­gen An­ord­nung zu ver­pflich­ten, den Ein­tritt des Ru­he­stands des An­trag­stel­lers über den 31. Au­gust 2009 hin­aus bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den An­trag des An­trag­stel­lers nach § 50 Abs. 3 HBG vom 7. April 2009 hin­aus­zu­schie­ben.

Der An­trags­geg­ner be­an­tragt,

den An­trag zurück­zu­wei­sen.

Er hält den An­trag im Hin­blick auf § 75 S. 4 Vw­GO für er­le­digt. Im Übri­gen ver­tieft er die Ausführun­gen im an­ge­foch­te­nen Be­scheid. Die Stel­le des An­trag­stel­lers sei be­reits im JMBl. vom 1. April 2009 aus­ge­schrie­ben wor­den. Es lägen 17 Be­wer­bun­gen von hoch qua­li­fi­zier­ten Staats­anwältin­nen und Staats­anwälten vor. Die Re­ge­lung in § 50 Abs. 1 HBG sei mit dem AGG und der RL 2000/78/EG ver­ein­bar. Sie die­ne dem Ziel, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur un­ter den Beschäftig­ten zu gewähr­leis­ten und durch frei wer­den­de Beförde­rungs­stel­len Leis­tungs- und

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Mo­ti­va­ti­ons­an­rei­ze un­ter den jünge­ren Beschäftig­ten zu er­zie­len. Ei­ne sol­che Po­li­tik lie­ge im wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­se der All­ge­mein­heit als auch der Staats­an­walt­schaf­ten. Im Übri­gen sei das nach § 50 Abs. 3 HBG zu betäti­gen­de Er­mes­sen nicht auf Null re­du­ziert, so­dass schon des­halb die be­an­trag­te einst­wei­li­ge An­ord­nung nicht er­ge­hen könne.

Ein Band Per­so­nal­ak­ten des An­trags­geg­ners, be­tref­fend den An­trag­stel­ler hat vor­ge­le­gen. Auf sei­nen In­halt und den der Ge­richts­ak­te wird zur Ergänzung des Sach- und Streit­stan­des Be­zug ge­nom­men.

II.

Das Be­geh­ren des An­trag­stel­lers ist zulässig. Die zwi­schen­zeit­lich er­folg­te Be­schei­dung des An­trags vom 7. April 2009 durch den auf den 15. Ju­li 2009 da­tier­ten Be­scheid des An­trags­geg­ners hat nicht zur Er­le­di­gung des Ver­fah­rens geführt. Das wäre auch im Hin­blick auf § 75 Vw­GO nur dann der Fall, wenn der An­trags­geg­ner dem An­trag vom 7. April 2009 ent­spro­chen hätte. Ent­spre­chen­des hätte für ei­ne Kla­ge zu gel­ten, die we­gen man­geln­der Be­schei­dung in­ner­halb der ge­setz­li­chen Drei­mo­nats­frist er­ho­ben wor­den wäre, da auch in die­sem Fall Streit­ge­gen­stand nicht die bloße Be­schei­dung ei­nes im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren ge­stell­ten An­trags oder ei­nes er­ho­be­nen Wi­der­spruchs, son­dern das da­hin­ter ste­hen­de ma­te­ri­ell­recht­li­che Be­geh­ren ist. Nur wenn ihm durch ei­nen nach der Kla­ge­er­he­bung er­las­se­nen Be­scheid ent­spro­chen wird, kann sich da­durch die Kla­ge er­le­di­gen.

Nach § 123 Abs. 1 S. 1 Vw­GO ist das Be­geh­ren als An­trag auf Er­lass ei­ner Si­che­rungs­an­ord­nung statt­haft und hat Er­folg, da der An­trag­stel­ler so­wohl ei­nen An­ord­nungs­grund wie auch ei­nen An­ord­nungs­an­spruch ent­spre­chend den Er­for­der­nis­sen des § 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 Vw­GO glaub­haft ge­macht hat.

Das Be­geh­ren des An­trag­stel­lers ist un­ge­ach­tet des Wort­lauts sei­nes An­trags gemäß § 88 Vw­GO da­hin aus­zu­le­gen, dass der An­trag­stel­ler die dro­hen­de Verände­rung sei­nes bis­he­ri­gen Sta­tus als Be­am­ter im Dienst des An­trags­geg­ners ver­hin­dern will, die ihm auf­grund des § 50 Abs. 1 HBG mit Ab­lauf des Mo­nats Au­gust 2009 droht. Bei An­wen­dung die­ser Be­stim­mung würde der An­trag­stel­ler nämlich kraft Ge­set­zes zum an­ge­ge­be­nen Zeit­punkt in den Ru­he­stand tre­ten, oh­ne dass es da­zu ei­ner auf die­se Rechts­fol­ge ge­rich­te­ten Maßnah­me des An­trags­geg­ners bedürf­te. Die­ses Rechts­schutz­ziel ist der An­trags­schrift und dem wei­te­ren Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren wie be­reits sei­nem An­trag vom 7. April 2009 zu ent­neh­men. Der An­trag­stel­ler macht nämlich un­ter an­de­rem gel­tend, die Re­ge­lung in § 50 Abs. 1 HBG be­wir­ke ei­ne mit dem AGG und der RL 2000/78/EG un­ver­ein­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen sei­nes Al­ters und könne des­halb nicht zu sei­nen Las­ten an­ge­wandt wer­den.

So­weit der An­trag­stel­ler gleich­zei­tig ei­nen An­trag nach § 50 Abs. 3 HBG auf Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts ge­stellt hat, stellt die­ses Be­geh­ren le­dig­lich ei­nen mögli­chen Weg dar, den Ein­tritt der auf­grund des § 50 Abs. 1 HBG dro­hen­den Rechts­fol­ge ei­ner Be­en­di­gung sei­nes Be­am­ten­verhält­nis­ses oh­ne sei­ne Zu­stim­mung ab­zu­wen­den.

Das Ge­richt ist für das einst­wei­li­ge An­ord­nungs­ver­fah­ren im Hin­blick auf § 938 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 Vw­GO le­dig­lich an das vom An­trag­stel­ler geäußer­te Rechts­schutz­ziel ge­bun­den (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietz­ner § 123 Vw­GO Rn. 104), nicht je­doch an den vom An­trag­stel­ler kon­kret gewähl­ten Weg, die­ses Ziel zu er­rei­chen. § 938 Abs. 1 ZPO belässt dem Ge­richt die Wahl der zur Er­rei­chung des Rechts­schutz­ziels ge­eig­ne­ten Mit­tel nach Maßga­be des ge­richt­lich zu betäti­gen­den Er­mes­sens (vgl. Kopp/Schen­ke § 123 Vw­GO Rn. 28).

Das Be­geh­ren des An­trag­stel­lers ist als An­trag auf Er­lass ei­ner Si­che­rungs­an­ord­nung statt­haft. Es geht, wie be­reits aus­geführt, um die Si­che­rung des bis­he­ri­gen Sta­tus des An­trag­stel­lers als ak­ti­ver Be­am­ter im Amt ei­nes Ober­staats­an­walts. Der wei­te­re Zeit­ab­lauf al­lein wäre zwar nicht als dro­hen­de Verände­rung der bis­he­ri­gen La­ge und des Rechts­stan­des des An­trag­stel­lers auf­zu­fas­sen. Die dro­hen­de Verände­rung er­gibt sich aber aus der mit Ab­lauf des 31. Au­gust 2009 in An­wen­dung

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des § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG ein­tre­ten­den Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses durch den ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Über­tritt in den Ru­he­stand nach dem Er­rei­chen der auf die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res fest­ge­setz­ten Al­ters­gren­ze, die der An­trag­stel­ler am 10. Au­gust 2009 er­reicht.

Die Si­che­rungs­an­ord­nung zielt auf die Er­hal­tung des sta­tus quo vor den­je­ni­gen Verände­run­gen, de­ren Ein­tritt die späte­re Ver­wirk­li­chung des je­weils ver­folg­ten Rechts ver­ei­teln oder we­sent­lich gefähr­den würde (vgl. Kopp/Schen­ke a.a.O. Rn. 6 f.). Je nach Art der Ver­ei­te­lung oder des Gra­des der Gefähr­dung sind al­le Maßnah­men zulässig, die zur Si­che­rung des Rechts er­for­der­lich sind. Des­halb steht dem Be­geh­ren des An­trag­stel­lers nicht ent­ge­gen, dass ein Er­folg sei­nes Eil­an­trags in der vom Ge­richt vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung die Haupt­sa­che zu­min­dest zeit­wei­se vor­weg­nimmt (vgl. all­ge­mein zu al­len Ar­ten der einst­wei­li­gen An­ord­nung Schoch a.a.O. Rn. 147 ff. m.w.N.). Das ist je­den­falls in den Fällen der Si­che­rungs­an­ord­nung je nach Art der dro­hen­den Verände­rung und des zu si­chern­den Rechts die zwin­gen­de Fol­ge ei­ner je­den Si­che­rungs­an­ord­nung, da an­dern­falls kei­ne ef­fek­ti­ve Si­che­rung er­fol­gen könn­te.

Un­terstützt wird die­se Aus­le­gung durch das Recht des An­trag­stel­lers auf Gewährung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 2 Abs. 3 HV. Kann aus­rei­chen­der Rechts­schutz im Rah­men ei­nes Haupt­sa­che­ver­fah­rens nicht er­langt wer­den, muss dem An­trag­stel­ler zur ge­richt­li­chen Gewähr­leis­tung sei­nes je­wei­li­gen Rechts durch den einst­wei­li­gen Rechts­schutz der er­for­der­li­che Schutz zu teil wer­den (vgl. Kopp/Schen­ke a.a.O. Rn. 14 m.w.N.).

Das zu si­chern­de Recht des An­trag­stel­lers er­gibt sich vor­ran­gig aus sei­nem Sta­tus als be­am­te­ter Ober­staats­an­walt im Dienst des An­trags­geg­ners. Die­ser Sta­tus ver­mit­telt dem An­trag­stel­ler das Recht, Ein­grif­fe in die­sen Sta­tus nur in­so­weit hin­neh­men zu müssen, wie dafür ei­ne Recht­fer­ti­gung be­steht. Un­ge­recht­fer­tig­te Ein­grif­fe kann der An­trag­stel­ler als Be­am­ter zurück­wei­sen und ggf. über den Ver­wal­tungs­rechts­weg an­grei­fen. Das gilt auch für ab­seh­bar be­vor­ste­hen­de Ein­grif­fe in die­sen Sta­tus wie den hier dro­hen­den Über­tritt in den Ru­he­stand. Ei­nem Be­am­ten steht auf­grund sei­nes Dienst­verhält­nis­ses das grundsätz­li­che Recht auf Bei­be­hal­tung sei­nes Sta­tus als Be­am­ter zu, nicht not­wen­dig auf Bei­be­hal­tung des abs­trakt- oder kon­kret-funk­tio­nel­len Amts. Letz­te­res ist hier je­doch nicht Streit­ge­gen­stand. Die­ser Sta­tus schließt das Recht auf - wei­te­re - Amtsführung ein (vgl. BVerfG B. v. 10.12.1985 - 2 BvL 18/83 - E 71, 255, 275). Der An­trag­stel­ler hat sich dar­auf auch be­ru­fen, weil er aus­weis­lich sei­nes An­trags vom 7. April 2009 sein bis­he­ri­ges Amt als Ober­staats­an­walt über den 31. Au­gust 2009 hin­aus oh­ne Un­ter­bre­chung wei­ter ausüben will. Dies setzt den Fort­be­stand des Be­am­ten­verhält­nis­ses, d. h. des Grund­sta­tus vor­aus.

Da­ne­ben steht dem An­trag­stel­ler das durch § 7 Abs. 1 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG so­wie Art. 1 RL 2000/78/EG ver­mit­tel­te Recht zu, vor - un­ge­recht­fer­tig­ten - Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen sei­nes Al­ters be­wahrt zu wer­den, ins­be­son­de­re so­weit die Be­nach­tei­li­gung noch nicht ein­ge­tre­ten ist. In­so­weit er­ge­ben sich aus den ge­nann­ten Be­stim­mun­gen auch Ansprüche auf vor­beu­gen­den Rechts­schutz, da die in § 15 Abs. 1 , 2 AGG ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen le­dig­lich der Sank­tio­nie­rung be­reits ein­ge­tre­te­ner Dis­kri­mi­nie­rung die­nen. Da­durch wird die Ver­hin­de­rung er­kenn­bar be­vor­ste­hen­der Dis­kri­mi­nie­rung ggf. un­ter In­an­spruch­nah­me vor­beu­gen­den Rechts­schut­zes je­doch nicht aus­ge­schlos­sen, wie sich auch aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG , Art. 3 HV und Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG er­gibt.

Der An­trag­stel­ler hat ei­nen Si­che­rungs­grund (An­ord­nungs­grund) glaub­haft ge­macht. Die dro­hen­de Verände­rung des be­am­ten­recht­li­chen Sta­tus steht zwi­schen den Be­tei­lig­ten außer Streit. Sie würde ei­ne künf­ti­ge Durch­set­zung der Rech­te des An­trag­stel­lers in Be­zug auf sei­nen Sta­tus in we­sent­li­chen Punk­ten ver­ei­teln. Zwar könn­te die Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses durch ei­ne Ent­schei­dung zu­guns­ten des An­trag­stel­lers in ei­nem Haupt­sa­che­ver­fah­ren als un­wirk­sam fest­ge­stellt wer­den, so­dass vom un­un­ter­bro­che­nen Fort­be­stand des Be­am­ten­verhält­nis­ses über den 31. Au­gust 2009 hin­aus aus­ge­gan­gen wer­den müss­te. Auch könn­ten auf die­sem We­ge die Be­sol­dungs­ansprüche des An­trag­stel­lers wie wei­te­re Vermögens­rech­te aus dem Dienst­verhält­nis nachträglich be­rich­tigt wer­den. Den Ver­lust des Amtsführungs­rechts kann ei­ne späte­re Haupt­sa­che­ent­schei­dung je­doch nicht mehr aus­glei­chen. In­so­weit würde der An­trag­stel­ler ei­nen endgülti­gen Rechts­ver­lust er­lei­den, der sich mit zu­neh­men­der Dau­er auch zu sei­nen Las­ten

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ver­fes­ti­gen würde. Zu­dem wären er­heb­li­che Schwie­rig­kei­ten zu befürch­ten, würde der An­trag­stel­ler erst in Mo­na­ten oder Jah­ren in den ak­ti­ven Dienst zurück­keh­ren, da er dann nicht mehr un­mit­tel­bar an den er­wor­be­nen be­ruf­li­chen Er­fah­rungs­schatz, die durch lan­ge Diens­ter­fah­rung ak­ku­mu­lier­te Qua­li­fi­ka­ti­on und Re­pu­ta­ti­on an­knüpfen könn­te, son­dern gleich­sam von vorn an­zu­fan­gen hätte. Da­bei han­delt es sich um un­zu­mut­ba­re Nach­tei­le, ge­ra­de weil sie ei­nem späte­ren Aus­gleich al­len­falls durch Be­mes­sung ei­ner Entschädi­gung zugäng­lich wären, de­ren Zah­lung je­doch die er­lit­te­nen Nach­tei­le im Be­rufs­le­ben nur un­vollständig kom­pen­sie­ren kann. Im Übri­gen die­nen die in § 15 Abs. 1 , 2 AGG vor­ge­se­he­nen Leis­tun­gen nur ei­ner Er­satzlösung. Ein Ver­weis auf die­se Re­ge­lun­gen kann nicht zur An­nah­me führen, des­halb kom­me einst­wei­li­ger Rechts­schutz nicht in Be­tracht. Er zielt dar­auf, es gar nicht erst zur aus­gleichs­pflich­ti­gen Dis­kri­mi­nie­rung kom­men zu las­sen und hat da­mit Vor­rang, auch im Hin­blick auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG , Art. 3 HV und Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG .

Die späte­re Durch­set­zung der Rech­te des An­trag­stel­lers im Rah­men ei­nes Haupt­sa­che­ver­fah­rens ist zu­dem gefähr­det, weil im Fal­le der Ver­wei­ge­rung einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes auf­grund des zunächst ein­tre­ten­den Ru­he­standsüber­tritts die ho­he Wahr­schein­lich­keit dafür be­steht, dass die Plan­stel­le des An­trag­stel­lers mit ei­ner an­de­ren Per­son be­setzt wird. Der An­trags­geg­ner hat die vom An­trag­stel­ler be­klei­de­te Stel­le be­reits An­fang April 2009 aus­ge­schrie­ben. Es lie­gen 17 Be­wer­bun­gen vor, de­nen der An­trags­geg­ner ei­ne ho­he Qua­li­fi­ka­ti­on be­schei­nigt, oh­ne dass die­se Be­wer­tung sei­tens des Ge­richts nach­voll­zo­gen wer­den kann. Dar­auf kommt es je­doch nicht an, da er­kenn­bar ist, dass der An­trags­geg­ner als­bald nach dem von ihm er­war­te­ten Über­tritt des An­trag­stel­lers in den Ru­he­stand die Plan­stel­le durch ei­ne Beförde­rung endgültig be­set­zen und so ei­ner mögli­chen späte­ren Rück­kehr ein ho­hes Hin­der­nis ent­ge­gen­set­zen wird. Auch wenn die­ses haus­halts­recht­li­che Hin­der­nis über­wind­bar sein mag, stellt es doch ei­ne er­heb­li­che Gefähr­dung der späte­ren Rechts­durch­set­zung dar, schon weil der An­trags­geg­ner ver­mut­lich al­les ihm Mögli­che un­ter­neh­men wird, den An­trag­stel­ler an ei­ner Rück­kehr in den Dienst zu hin­dern.

Sch­ließlich bleibt für die Gefähr­dung der Rech­te des An­trag­stel­lers zu berück­sich­ti­gen, dass ei­ne er­neu­te Ein­stel­lung des An­trag­stel­lers in das Be­am­ten­verhält­nis nach sei­nem Über­tritt in den Ru­he­stand auf­grund des § 23 Abs. 1 Nr. 5 Be­am­tStG aus­ge­schlos­sen ist. Der An­trag­stel­ler könn­te in­so­weit nur die glei­chen Einwände er­he­ben, die auch Ge­gen­stand die­ses Ver­fah­rens sind, nämlich die ge­mein­schafts­recht­li­che Un­wirk­sam­keit der ge­genwärti­gen be­am­ten­recht­li­chen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen des Bun­des und des Lan­des. Ein auf Wie­derer­nen­nung ge­rich­te­tes Ver­fah­ren würde sich zu­dem über meh­re­re Jah­re hin­zie­hen und mit stei­gen­dem Le­bens­al­ter des An­trag­stel­lers ei­nen Er­folg im­mer un­wahr­schein­li­cher ma­chen, weil sich dann auch Krank­hei­ten, an­de­re Al­ters­er­schei­nun­gen etc. ein­stel­len können, von de­nen der­zeit kei­ne Re­de ist. Da­her ist es un­zu­mut­bar, den An­trag­stel­ler auf die­sen Weg zu ver­wei­sen.

Der An­trag­stel­ler hat auch ei­nen An­ord­nungs­an­spruch glaub­haft ge­macht. Ihm steht nämlich mit ho­her Wahr­schein­lich­keit ein auch im Rah­men ei­nes Haupt­sa­che­ver­fah­rens zu­zu­er­ken­nen­der An­spruch auf die Fort­set­zung des Be­am­ten­verhält­nis­ses im Rah­men des er­reich­ten Sta­tus zu.

Die­ser An­spruch er­gibt sich al­ler­dings nicht un­mit­tel­bar aus § 50 Abs. 3 HBG. Da­nach kann, wenn es im dienst­li­chen In­ter­es­se liegt, der Ein­tritt in den Ru­he­stand auf An­trag des Be­am­ten über das voll­ende­te fünf­und­sech­zigs­te Le­bens­jahr hin­aus um ei­ne be­stimm­te Frist, die je­weils ein Jahr nicht über­stei­gen darf, hin­aus­ge­scho­ben wer­den, je­doch nicht länger als bis zum voll­ende­ten acht­und­sech­zigs­ten Le­bens­jahr. Der An­trag­stel­ler hat in­so­weit nicht glaub­haft ge­macht, dass ihm in An­wen­dung die­ser Re­ge­lung oh­ne Rück­sicht auf vor­ran­gi­ges Ge­mein­schafts­recht oder das AGG ein der­ar­ti­ger An­spruch zu­steht. Da­her kann da­hin­ste­hen, ob die ge­nann­te Re­ge­lung oh­ne Berück­sich­ti­gung vor­ran­gi­gen Bun­des- oder Ge­mein­schafts­rechts über­haupt ein sub­jek­ti­ves Recht ver­mit­telt (be­ja­hend VG Wies­ba­den B. v. 6.4.2006 - 8 G 255/06 - ju­ris Rn. 17; Sum­mer in GKÖD § 41 BBG Rn. 10; im Er­geb­nis auch VG Gießen B. 22.4.2008 - 5 L 729708.GI - ju­ris Rn. 7; VG Mainz B. v. 21.9.2006 - 7 L 683/06.MZ - ju­ris Rn. 3 ff.; Lemhöfer in Plog/Wie­dow § 41 BBG Rn. 4d; wohl auch Bat­tis § 53 BBG Rn. 2; ab­leh­nend BayVGH B. v. 26.1.1993 - 3 CE 93.79 - BayVBl. 1993, 243; 8.2.1993 - 3 CE 93.204 - VG­HE 46, 39; of­fen ge­las­sen von OVG RhlPf B. v. 19.9.2004 - 2 B 11470/04 - NVwZ-RR 2005, 52).

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Dienst­li­che In­ter­es­sen - im en­ge­ren Sinn - lie­gen hier nicht vor, da die vom An­trag­stel­ler an­geführ­ten Gründe für sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung nicht über das hin­aus­ge­hen, was oh­ne­hin als ty­pi­sche Fol­ge des Aus­schei­dens ei­ner Per­son aus ei­nem Lei­tungs­amt zu er­war­ten ist. Die vom An­trags­geg­ner nicht in Zwei­fel ge­zo­ge­ne fort­be­ste­hen­de gu­te persönli­che und fach­li­che Eig­nung des An­trag­stel­lers genügt al­lein noch nicht, um ein dienst­li­ches In­ter­es­se am Ver­bleib im Amt zu be­gründen. Das dienst­li­che In­ter­es­se muss sich dar­auf rich­ten, die zeit­lich un­un­ter­bro­che­ne wei­te­re Amtsführung zu gewähr­leis­ten oder ei­ne be­stimm­te be­son­de­re Qua­li­fi­ka­ti­on für ei­ne Über­g­angs­zeit wei­ter zur Verfügung zu ha­ben. Für die­se Aus­le­gung spricht die Be­gründung der Lan­des­re­gie­rung zur Anfügung des § 194 Abs. 2 HBG (LT-Drucks. 15/3351 S. 5), auf die bei Anfügung von § 50 Abs. 3 HBG Be­zug ge­nom­men wur­de (LT-Drucks. 16/994 S. 5). Da­nach soll­te die Möglich­keit des Hin­aus­schie­bens des Ru­he­stand­s­ein­tritts bei Po­li­zei­voll­zugs­be­am­ten und -be­am­tin­nen dem Dienst­herrn die Möglich­keit ge­ben, auf Va­kan­zen im Be­reich der Po­li­zei und per­so­nel­le Er­for­der­nis­se im Rah­men be­ste­hen­der Si­cher­heits­la­gen fle­xi­bel zu re­agie­ren. Dies setzt auf den all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­be­reich über­tra­gen vor­aus, dass mit dem Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts auf be­ste­hen­de per­so­nel­le Engpässe oder die un­mit­tel­bar nöti­ge Fortführung der Amtstätig­keit an­ge­sichts ei­ner be­son­de­ren An­for­de­rung an die je­wei­li­ge Ver­wal­tung re­agiert wer­den soll.

Der­ar­ti­ges liegt hier nicht vor, da die vom An­trag­stel­ler ge­lei­te­te Ab­tei­lung auch mit ei­ner neu­en Lei­tung ih­re Ar­beit wird er­le­di­gen können, zu­mal da­von aus­zu­ge­hen ist, dass in der Ab­tei­lung be­reits ent­spre­chend fach­kun­di­ge und mit der Art der an­zu­stel­len­den Er­mitt­lun­gen ver­trau­te Mit­ar­bei­ter/in­nen in hin­rei­chen­der Zahl tätig sind. Ei­ne be­son­de­re Si­cher­heits­la­ge, in der der An­trag­stel­ler noch für ei­ni­ge Zeit benötigt würde, ist nicht er­sicht­lich. Der Ein­satz des An­trag­stel­lers als Re­fe­rent, in der Fort­bil­dung ist nicht we­sent­lich für das Haupt­amt und durf­te vom An­trags­geg­ner im Rah­men der von ihm an­zu­stel­len­den ver­wal­tungs­po­li­ti­schen Erwägun­gen auch des­halb un­berück­sich­tigt blei­ben, weil ei­ne ent­spre­chen­de Tätig­keit des An­trag­stel­lers künf­tig in Tei­len auch oh­ne ei­ne fort­dau­ern­de Zu­gehörig­keit zur Staats­an­walt­schaft wahr­ge­nom­men wer­den kann, wenn den Auf­trag­ge­bern dar­an liegt.

Würde man un­ge­ach­tet des­sen ein dienst­li­ches In­ter­es­se für ei­nen Ver­bleib im Amt un­ter­stel­len, wäre der An­trags­geg­ner noch be­rech­tigt, sein Er­mes­sen aus­zuüben. Da­bei steht ihm ein nicht un­er­heb­li­cher Spiel­raum zu, in den auch das In­ter­es­se an der Eröff­nung von Auf­stiegsmöglich­kei­ten für be­reits vor­han­de­ne Staats­anwälte und Staats­anwältin­nen ein­fließen darf (vgl. Lemhöfer a.a.O. Rn. 4c), die man­geln­de Be­acht­lich­keit vor­ran­gi­gen Bun­des- und Ge­mein­schafts­rechts eben­falls un­ter­stellt. Die­ser Er­mes­sens­spiel­raum ist ent­ge­gen der Dar­stel­lung des An­trag­stel­lers be­am­ten­recht­lich nicht auf Null zu sei­nen Guns­ten re­du­ziert, so­dass schon aus die­sem Grun­de kei­ne einst­wei­li­ge An­ord­nung für den An­trag­stel­ler in Be­tracht käme. In ei­nem Haupt­sa­che­ver­fah­ren könn­te al­len­falls auf Neu­be­schei­dung er­kannt wer­den. Das genügt nicht für den Er­lass der be­an­trag­ten einst­wei­li­gen An­ord­nung.

Der An­ord­nungs­an­spruch des An­trag­stel­lers folgt auch nicht un­mit­tel­bar aus dem AGG. Zwar fin­det es nach § 24 Nr. 1 AGG in den ar­beits­recht­li­chen Be­stim­mun­gen der §§ 6 ff. AGG auf Be­am­te ent­spre­chen­de An­wen­dung, ge­tra­gen von der bis zum 31. Au­gust 2006 noch be­ste­hen­den Rah­men­kom­pe­tenz des Bun­des nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F., so­dass die Be­stim­mun­gen des AGG teil­wei­se im Hin­blick auf die sta­tus­recht­li­che Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Bun­des in Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG als Bun­des­recht wei­ter gel­ten, teil­wei­se im Hin­blick auf Art. 125a Abs. 1 GG bis zur Er­set­zung durch Lan­des­recht als Bun­des­recht fort­gel­ten. Die Rechts­fol­ge des ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Über­tritts in den Ru­he­stand nach Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze fin­det je­doch in § 25 Be­am­tStG un­mit­tel­bar ei­ne ei­genständi­ge Rechts­grund­la­ge. Die­se bun­des­recht­li­che Be­stim­mung wur­de nach Er­lass des AGG in Kraft ge­setzt, so­dass - oh­ne Berück­sich­ti­gung vor­ran­gi­gen Ge­mein­schafts­rechts - da­von aus­zu­ge­hen ist, dass die Re­ge­lung im Be­am­tStG als späte­re Re­ge­lung der älte­ren Be­stim­mung im AGG vor­geht und des­sen An­wen­dungs­be­reich in­so­weit ein­schränkt. Das AGG enthält kei­ne all­ge­mei­ne Kol­li­si­ons­re­ge­lung des In­halts, dass sei­ne Be­stim­mun­gen im Übri­gen gleich­ran­gi­gen Bun­des­ge­set­zen stets vor­ge­hen. Ein sol­cher Vor­rang kann sich nur aus dem Ge­mein­schafts­recht er­ge­ben, ins­be­son­de­re den RL, de­ren Um­set­zung das AGG nach sei­ner amt­li­chen Fußno­te dient.

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Dem steht nicht ent­ge­gen, dass § 25 Be­am­tStG selbst die Al­ters­gren­ze nicht fest­legt, son­dern de­ren Be­stim­mung dem Lan­des­recht überlässt. In­so­weit hat der Bund zwar auf die Ausübung sei­ner Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG ver­zich­tet, sie al­so nicht vollständig aus­geschöpft. Da­zu be­steht auf­grund des Art. 72 GG auch kein Zwang. Das Lan­des­recht in Ge­stalt des § 50 HBG füllt den bun­des­recht­li­chen Spiel­raum aus, kann des­halb aber im Hin­blick auf die in § 25 Be­am­tStG ge­trof­fe­ne und für die Länder ver­bind­li­che Grund­satz­aus­sa­ge zum ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Über­tritt von Be­am­tin­nen und Be­am­ten in den Ru­he­stand nicht un­mit­tel­bar an den Be­stim­mun­gen des AGG ge­mes­sen wer­den. Dies folgt auch aus § 21 Abs. 1 Nr. 5 Be­am­tStG .

Für die Be­ur­tei­lung des An­ord­nungs­an­spruchs kann es da­her nur auf die sich aus der RL 2000/78/EG er­ge­ben­den Rech­te auf Nicht­dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters an­kom­men. Die RL enthält in­so­weit ein un­be­ding­tes Recht der Be­trof­fe­nen, das folg­lich auch vor den Ge­rich­ten der Mit­glied­staa­ten in An­spruch ge­nom­men wer­den kann, nicht zu­letzt des­halb, weil es sich zu­gleich um ei­nen all­ge­mei­nen Grund­satz des Ge­mein­schafts­rechts han­delt ( EuGH U. v. 22.11.2005 - Rs. C-144/04 - NJW 2005, 3695, 3698 Rn. 74 ff. = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 1 - „Man­gold“; zur un­mit­tel­ba­ren An­wend­bar­keit des in der frühe­ren RL 76/207/EG in Art. 5 Abs. 1 ent­hal­te­nen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots je­den­falls ge­genüber ei­ner öffent­li­chen Stel­le EuGH U. v. 12.7.1990 - Rs. C-188/89 - NJW 1991, 3086 f. Rn. 16 ff. - „Fos­ter“; 26.2.1986 - Rs. 152/84 - NJW 1986, 2178, 2180 Rn. 46 ff.). Das er­ken­nen­de Ge­richt hat des­halb die vol­le Wirk­sam­keit des Ge­mein­schafts­rechts hin­sicht­lich des Ver­bo­tes der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung si­cher­zu­stel­len, wie sich auch aus Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG er­gibt.

Die Frist für die Um­set­zung der RL 2000/78/EG ist hin­sicht­lich der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung am 2.12.2006 ab­ge­lau­fen, nach­dem die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zunächst ei­ne Frist­verlänge­rung über den 2.12.2003 hin­aus in An­spruch ge­nom­men hat­te. Ei­ne wei­te­re Verlänge­rung der Um­set­zungs­frist kommt nach Art. 18 RL 2000/78/EG nicht in Be­tracht.

Der An­trag­stel­ler un­terfällt dem per­so­nel­len Gel­tungs­be­reich der RL 2000/78/EG . Die­se zielt nach ih­rem Art. 1 auf die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung von Dis­kri­mi­nie­run­gen un­ter an­de­rem we­gen des Al­ters in Beschäfti­gung und Be­ruf. Art. 3 Abs. 1 RL 2000/78/EG er­fasst in­so­weit al­le be­ruf­lich täti­gen Per­so­nen, gleich ob sie im pri­va­ten oder im öffent­li­chen Be­reich ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len tätig sind. Das schließt sämt­li­che im öffent­li­chen Dienst täti­gen Per­so­nen un­ge­ach­tet ih­res nach na­tio­na­lem Recht an­zu­neh­men­den Sta­tus ein, wie sich im Um­kehr­schluss aus Art. 3 Abs. 4 RL 2000/78/EG er­gibt, der es den Mit­glied­staa­ten frei­stellt, An­gehöri­ge der Streit­kräfte vom Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung aus­zu­neh­men. Die­ser Re­ge­lung hätte es nicht be­durft, wenn der Per­so­nen­kreis nicht vom An­satz her in per­so­nel­ler Hin­sicht von der RL er­fasst würde. Zu dem in ver­gleich­ba­rer Wei­se fest­ge­leg­ten per­so­nel­len Gel­tungs­be­reich den frühe­ren RL 75/117/EWG und 76/207/EWG ver­tritt der EuGH die Auf­fas­sung, dass auch öffent­lich-recht­li­che Dienst­verhält­nis­se in vol­lem Um­fang dem ge­mein­schafts­recht­li­chen Ver­bot ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts un­ter­lie­gen ( EuGH U. v. 21.5.1985 - Rs. 248/83 - NJW 1985, 2076, 2078 Rn. 16 = BGleiG-ES E.III.3.2 Art. 2 RL 76/207/EWG Nr. 2 Rn. 16 = HGlG-ES E.III.3.2 Art. 2 RL 76/207/EWG Nr. 2 - „Kom­mis­si­on/Deutsch­land“; U. v. 2.10.1997 - Rs. C-1/95 - NVwZ 1998, 721, 722 Rn. 18, 26 ff. = BGleiG-ES E.III.3.2 Art. 3 RL 76/207/EWG Nr. 1 = HGlG-ES E.III.3.2 Art. 3 RL 76/207/EWG Nr. 1 - „Gers­ter“). Für die Aus­le­gung der RL 2000/78/EG kann nichts an­de­res gel­ten. Fol­ge­rich­tig ist der Bun­des­ge­setz­ge­ber mit Er­lass des § 24 Nr. 1, 2 AGG da­von aus­ge­gan­gen, dass Be­am­ten- und Rich­ter­verhält­nis­se dem Gel­tungs­be­reich der ge­mein­schafts­recht­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te un­ter­fal­len (BT-Drucks. 16/1780 S. 49; 15/4538 S. 47). Die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des BVerwG ist eben­falls da­von aus­ge­gan­gen, dass die RL 2000/78/EG auf Be­am­ten­verhält­nis­se An­wen­dung fin­det ( BVerwG U. v. 19.2.2009 - 2 C 18.07 - ZTR 2009, 391 f.; 15.11.2007 - 2 C 33.06 - NJW 2008, 868, 869 Rn. 20 ff.). Glei­ches gilt für die Recht­spre­chung der Kam­mer (vgl. u. a. B. v. 21.4.2008 - 9 E 3856/07 - ju­ris).

Die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen stellt ei­ne Ent­las­sungs­be­din­gung i. S. d. Art. 3 lit. c RL 2000/78/EG dar und un­terfällt da­mit un­ge­ach­tet des der RL vor­an­ge­stell­ten Erwägungs­grun­des Nr. 14 in vol­lem Um­fang dem sach­li­chen Gel­tungs­be­reich der RL ( EuGH U. v. 16.10.2007 - Rs. C-411/05 - NJW 2007, 3339, 3340 Rn. 46 f. = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 2 - „Pa­la­ci­os de la Vil­la“; 5.3.2009 - Rs. C-388/07 - NZA 2009, 305, 306 f. Rn. 24 ff. - „Age Con­cern

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Eng­land“: so be­reits früher v. Ro­et­te­ken in v. Ro­et­te­ken/Rothländer Hes­si­sches Be­diens­te­ten­recht Teil IV vor §§ 49a-61 HBG Rn. 61 m.w.N.). Dem ge­nann­ten Erwägungs­grund kommt da­nach nur die Be­deu­tung zu, die Zuständig­keit der Mit­glied­staa­ten im Verhält­nis zur EU da­hin klar­zu­stel­len, dass die Mit­glied­staa­ten be­fugt sind, Re­ge­lung zu den Al­ters­gren­zen zu tref­fen (EuGH a.a.O.). Er­las­sen sie der­ar­ti­ge Re­ge­lun­gen, müssen sie da­bei die sich aus der RL er­ge­ben­den An­for­de­run­gen an das Ver­bot ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung be­ach­ten und dürfen die sich dar­aus er­ge­ben­den Gren­zen nicht über­schrei­ten (EuGH a.a.O.).

Da­mit ha­ben sich die ge­gen­tei­li­gen Erwägun­gen ei­ni­ger deut­scher Ge­rich­te er­le­digt. Sie hat­ten an­ge­nom­men, der Erwägungs­grund Nr. 14 der RL 2000/78/EG las­se Re­ge­lun­gen, wie sie in § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG ent­hal­ten sind, aus dem sach­li­chen Gel­tungs­be­reich der RL her­aus­fal­len (vgl. OVG RhlPf B. v. 20.9.2006 - 2 B 10951/06 - NJW 2006, 3658, 3659; VG Mainz a.a.O.). Dem ist schon auf­grund der nach Art. 234 Abs. 1 , 2 EG ver­bind­li­chen ge­gen­tei­li­gen Aus­le­gung der RL durch den EuGH nicht zu fol­gen (zur Ver­bind­lich­keit der Recht­spre­chung des EuGH für die Mit­glied­staa­ten bei der An­wen­dung eu­ropäischen Ge­mein­schafts­rechts v. Ro­et­te­ken NZA 2001, 414, 416 m.w.N.).

Die­se Recht­spre­chung hat der Bun­des­ge­setz­ge­ber im Übri­gen bei Er­lass des AGG vor­weg­ge­nom­men. Die Re­ge­lung in § 10 S. 3 Nr. 5 AGG gibt klar zu er­ken­nen, dass die Ver­ein­ba­rung von Al­ters­gren­zen für Ar­beit­neh­mer/in­nen, nach de­ren Er­rei­chen das Ar­beits­verhält­nis au­to­ma­tisch en­det, als recht­fer­ti­gungs­bedürf­ti­ge Ent­las­sungs­be­din­gung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ein­ge­stuft wur­den.

§ 25 Be­am­tStG enthält i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung der von der Re­ge­lung be­trof­fe­nen Be­am­ten und Be­am­tin­nen i. S. d. Art. 2 Abs. 2 lit. a RL 2000/78/EG ( § 3 Abs. 1 AGG ), da die kraft Ge­set­zes ein­tre­ten­de Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses un­mit­tel­bar an das je­wei­li­ge Le­bens­al­ter an­knüpft (EuGH U. v. 17.10.2007, a.a.O. Rn. 51; 5.3.2009, a.a.O. Rn. 34; vgl. BAG B. v. 18.6.2008 - 7 AZR 116/07 - NZA 2008, 1302, 1305 Rn. 28).

Für die Re­ge­lun­gen schei­det ei­ne Recht­fer­ti­gung nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG ( § 8 Abs. 1 AGG ) aus. Die be­am­ten­recht­li­chen Al­ters­gren­zen brin­gen nichts zum Aus­druck, was sich auf­grund der Art ei­ner be­stimm­ten be­ruf­li­chen Tätig­keit oder der Be­din­gun­gen ih­rer Ausübung als ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de An­for­de­rung dar­stel­len kann. In­so­weit un­ter­schei­det sich die La­ge des An­trag­stel­lers und der wei­te­ren oh­ne Rück­sicht auf ih­re kon­kre­te Tätig­keit so­wie da­mit ver­bun­de­nen An­for­de­run­gen von der ge­nann­ten Al­ters­gren­zen­re­ge­lung er­fass­ten Be­am­ten, Be­am­tin­nen von der Beschäfti­gung des Cock­pit­per­so­nals in Ver­kehrs­flug­zeu­gen, für die im Hin­blick auf die er­heb­li­chen ge­sund­heit­li­chen An­for­de­run­gen für die Ausübung des je­wei­li­gen Be­rufs und die be­son­de­ren Fol­gen ei­nes al­ters­be­dingt stei­gen­den Ri­si­kos ei­nes Fehl­ver­hal­tens womöglich ei­ne pau­scha­lie­ren­de - durch ent­spre­chen­de Sach­ver­halts­fest­stel­lun­gen ab­zu­si­chern­de - An­nah­me in Be­tracht kom­men mag, wo­nach die Über­schrei­tung ei­nes be­stimm­ten höhe­ren Le­bens­al­ters die nöti­ge Eig­nung für die kon­kre­te be­ruf­li­che Tätig­keit ent­fal­len lässt (vgl. zur ver­tragsärzt­li­chen Tätig­keit Hess­LSG U. v. 15.3.2006 - L 4 KA 32/05 - ju­ris Rn. 39; an­ders da­ge­gen Hess­LAG U. v. 13.10.2008 - 17 Sa 532/08 - ju­ris 39 ff.; LAG Köln U. v. 28.2.2008 - 10 Sa 663/07 - ju­ris Rn. 43, die übe­rein­stim­mend aus­sch­ließlich § 10 AGG her­an­zie­hen; eben­so LSG Bre­men B. v. 9.11.2007 - L 3 KA 69/07 ER - ju­ris Rn. 37 ff.). Den all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen zur Al­ters­gren­ze liegt an­ders als den Son­der­re­ge­lun­gen für die Voll­zugs­diens­te schon vom An­satz her kein be­son­de­rer Be­zug zu be­stimm­ten dienst­li­chen An­for­de­run­gen zu­grun­de, da die Re­ge­lun­gen pau­schal die Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses oh­ne Rück­sicht auf Be­son­der­hei­ten der kon­kret aus­zuüben­den Tätig­keit an­ord­nen.

Für die­se Aus­le­gung spricht auch die be­son­de­re Al­ters­gren­ze für die un­mit­tel­bar gewähl­ten Wahl­be­am­ten und -be­am­tin­nen in § 211 Abs. 5 S. 4 HBG. Sie er­rei­chen ih­re Al­ters­gren­ze erst mit Voll­endung des 71. Le­bens­jah­res, ob­wohl die Amtsführung kei­ne ge­rin­ge­ren ge­sund­heit­li­chen An­for­de­run­gen stellt als die der all­ge­mein in der Ver­wal­tung täti­gen Be­am­ten und Be­am­tin­nen.

Dem steht nicht ent­ge­gen, dass nach ver­brei­te­ter be­am­ten­recht­li­cher Auf­fas­sung die dort

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ge­re­gel­ten Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen die un­wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung der Dienst­unfähig­keit be­inhal­ten (BVerfG B. v. 10.12.1985, a.a.O. S. 268; BVerwG U. v. 25.1.2007 - 2 C 28.05 - NVwZ 2007, 1192, 1193 Rn. 21; bestätigt durch Nicht­an­nah­me­be­schluss des BVerfG 2. Kam­mer 2. Se­nat v. 23.5.2008 - 2 BvR 1081/07 - NVwZ 2008, 1233 Rn. 25; zurück­ge­hend auf RG U. v. 14.3.1922 - III 689/21 - RGZ 104, 58, 61 f.; BT-Drucks. 11/5372 S. 33 - amt­li­che Be­gründung der Bun­des­re­gie­rung zu § 25 BRRG i.d.F. ab 1992; eben­so die Be­gründung des frak­ti­onsüberg­rei­fen­den Ge­setz­ent­wurfs in BT-Drucks. 15/5136 S. 32). Da­mit wird ge­ra­de nicht be­stimm­ten be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen in we­sent­li­cher und ent­schei­den­der Wei­se Rech­nung ge­tra­gen. Viel­mehr liegt der Er­lass der­ar­ti­ger Re­ge­lun­gen zur Un­ter­stel­lung der Dienst­unfähig­keit im re­la­tiv wei­ten Er­mes­sen des Ge­setz­ge­bers (BVerwG a.a.O.; BVerfG B. v. 23.5.2008, a.a.O. Rn. 28; vgl. BVerfG B. v. 10.12.1985, a.a.O. S. 270 f.). Ei­ne der­ar­ti­ge An­nah­me wi­der­spricht zu­dem den neue­ren Er­kennt­nis­sen der ge­ron­to­lo­gi­schen For­schung, wir­ken sich die Fol­gen ei­ner Al­te­rung doch in­di­vi­du­ell höchst un­ter­schied­lich aus und sind des­halb ei­ner Ver­all­ge­mei­ne­rung in der Form der be­am­ten­recht­li­chen Un­ter­stel­lung un­zugäng­lich (Nuss­ber­ger JZ 2002,524, 532; Boecken Gut­ach­ten zum 62. Deut­schen Ju­ris­ten­tag B 36, 40, 57 ff., je­weils m.w.N.; früher be­reits Si­mi­tis RdA 1994, 257, 260; ders. NJW 1994, 1453). Die vom RG (a.a.O. S. 62) bemühte all­ge­mei­ne Le­bens­er­fah­rung kann des­halb die An­wen­dung der Aus­nah­me­re­ge­lung des Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht tra­gen, zu­mal der Bun­des­ge­setz­ge­ber jetzt so­wohl im So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht wie im Recht der Bun­des­be­am­ten und -be­am­tin­nen Re­ge­lun­gen er­las­sen hat, nach de­nen die Al­ters­gren­ze ab 2012 schritt­wei­se auf die Voll­endung des 67. Le­bens­jah­res her­auf­ge­setzt wird (vgl. § 52 BBG ). Dem lie­gen na­he­zu aus­sch­ließlich Erwägun­gen zur künf­ti­gen Fi­nan­zier­bar­keit der Al­ters­si­che­rungs­sys­te­me und der Gleich­be­hand­lung von So­zi­al­rent­nern, -rent­ne­rin­nen mit Ru­he­stands­be­am­ten, -be­am­tin­nen zu­grun­de (BT-Drucks. 16/3794 S. 1 f., 27; 16/7076 S. 113).

Dem ent­spricht die ge­nann­te Recht­spre­chung des EuGH. Er hat ei­ne An­wen­dung des Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG hin­sicht­lich der ihm vor­ge­leg­ten ta­rif­li­chen oder durch ei­ne Ver­ord­nung fest­ge­leg­ten Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen nicht ein­mal an­satz­wei­se in Erwägung ge­zo­gen, son­dern die Prüfung der Recht­fer­ti­gung der da­mit be­wirk­ten Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung aus­sch­ließlich am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG vor­ge­nom­men. Die Kam­mer folgt die­ser Me­tho­de.

Die be­am­ten­recht­li­che Al­ters­gren­zen­re­ge­lung kann da­her nur mit dem ge­mein­schafts­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­ein­bar sein, wenn sie nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ge­recht­fer­tigt ist, da wei­te­re Recht­fer­ti­gungsmöglich­kei­ten aus­schei­den. Die ge­nann­te Be­stim­mung er­laubt es in Un­terabs. 1 den Mit­glied­staa­ten un­be­scha­det des Art. 2 Abs. 2 der RL, Un­gleich­be­hand­lun­gen des Al­ters vor­zu­neh­men, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt sind und zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind. Un­ter le­gi­ti­men Zie­len sind nach der RL ins­be­son­de­re Zie­le aus den Be­rei­chen der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes oder der be­ruf­li­chen Bil­dung zu ver­ste­hen. Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 2 RL 2000/78/EG kon­kre­ti­siert die­se Vor­ga­ben und schränkt sie zu­gleich auch für ei­ni­ge Fälle wie z. B. der Ein­stel­lungshöchst­al­ters­gren­ze ein (VG Frank­furt a. M. a.a.O.). Die in Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 RL 2000/78/EG ge­nann­ten Be­rei­che, de­nen die Zie­le zu­ge­ord­net wer­den können, wer­den le­dig­lich bei­spiel­haft be­zeich­net, sind al­so nicht ab­sch­ließen­der Na­tur (EuGH U. v. 5.3.2009, a.a.O. S. 307 Rn. 35).

In der Recht­spre­chung des EuGH ist geklärt, dass die Re­ge­lun­gen des na­tio­na­len Rechts nicht un­mit­tel­bar das kon­kret ver­folg­te Ziel be­nen­nen müssen, um den An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG zu genügen (EuGH a.a.O. S. 308 Rn. 44; 16.10.2007, a.a.O. S. 3340 Rn. 56). Da­her kann die Un­ver­ein­bar­keit der Re­ge­lun­gen in § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG nicht schon des­halb an­ge­nom­men wer­den, weil bei­de Ge­set­ze wie auch die frühe­re Re­ge­lung in § 25 Abs. 1 BRRG nicht an­ge­ben, wel­ches Ziel oder wel­che Zie­le mit der auf die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res fest­ge­leg­ten Al­ters­gren­ze als Grund für die Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses ver­folgt wird bzw. wer­den.

Aus den ge­nann­ten Ur­tei­len des EuGH er­gibt sich je­doch, dass beim Feh­len ei­ner nor­ma­ti­ven Fest­le­gung der mit ei­ner al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­den Re­ge­lung ver­folg­ten Zie­le an­de­re - aus dem all­ge­mei­nen Kon­text der be­tref­fen­den Maßnah­me ab­ge­lei­te­te - An­halts­punk­te die Fest­stel­lung des

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hin­ter die­ser Maßnah­me ste­hen­den Ziels ermögli­chen, da­mit des­sen Rechtmäßig­keit so­wie die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der zu sei­ner Er­rei­chung ein­ge­setz­ten Mit­tel ge­richt­lich über­prüft wer­den können (EuGH U. v. 5.3.2009, a.a.O. Rn. 45; 16.10.2007, a.a.O. Rn. 57). Da­bei ist zu be­ach­ten, dass Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung enthält, die Prüfung der Aus­nah­me­vor­aus­set­zun­gen da­her stren­gen Maßstäben un­ter­wor­fen ist und ei­ne er­wei­tern­de Aus­le­gung der Norm nicht zulässig ist (vgl. EuGH 5.3.2009, a.a.O. S. 308 Rn. 46, S. 310 Rn. 63). Zwar verfügen die Mit­glied­staa­ten bei der Wahl der Mit­tel zur Er­rei­chung der Zie­le ih­rer So­zi­al­po­li­tik über ei­nen wei­ten Wer­tungs­spiel­raum. Die­ser Wer­tungs­spiel­raum darf je­doch nicht da­zu führen, dass der Grund­satz des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen des Al­ters aus­gehöhlt wird. All­ge­mei­ne Be­haup­tun­gen, dass ei­ne be­stimm­te Maßnah­me ge­eig­net sei, der Beschäfti­gungs­po­li­tik, dem Ar­beits­markt und der be­ruf­li­chen Bil­dung zu die­nen, genügen nicht, um dar­zu­tun, dass das Ziel die­ser Maßnah­me ei­ne Aus­nah­me von die­sem Grund­satz recht­fer­ti­gen könne, und las­sen nicht den Schluss zu, dass die gewähl­ten Mit­tel zur Ver­wirk­li­chung die­ses Ziels ge­eig­net sei­en (EuGH U. v. 5.3.2009, a.a.O. S. 308 Rn. 51 m.w.N.).

Art. 6 Abs. 1 RL 200/78/EG kon­kre­ti­siert den Erwägungs­grund Nr. 25 der RL (EuGH a.a.O. S. 309 Rn. 60). Da­nach stellt das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ein we­sent­li­ches Ele­ment zur Er­rei­chung der Zie­le der beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en und zur Förde­rung der Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung dar. Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters können un­ter be­stimm­ten Umständen je­doch ge­recht­fer­tigt sein und er­for­dern da­her be­son­de­re Be­stim­mun­gen, die je nach der Si­tua­ti­on der Mit­glied­staa­ten un­ter­schied­lich sein können. Es ist da­her un­be­dingt zu un­ter­schei­den zwi­schen ei­ner Un­gleich­be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht­fer­tigt ist, und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung, die zu ver­bie­ten ist.

Aus Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG er­gibt sich nach Auf­fas­sung des EuGH, dass die Zie­le, die als „rechtmäßig“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung und da­mit als ge­eig­net an­ge­se­hen wer­den können, ei­ne Aus­nah­me vom Grund­satz des Ver­bots von Dis­kri­mi­nie­run­gen aus Gründen des Al­ters zu recht­fer­ti­gen, so­zi­al­po­li­ti­sche Zie­le wie sol­che aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt oder be­ruf­li­che Bil­dung sind. Die­se Zie­le un­ter­schei­den sich in­so­weit, als sie im All­ge­mein­in­ter­es­se ste­hen, von rein in­di­vi­du­el­len Be­weg­gründen, die der Si­tua­ti­on des Ar­beit­ge­bers ei­gen sind, wie Kos­ten­re­du­zie­rung oder Ver­bes­se­rung der Wett­be­werbsfähig­keit, oh­ne dass al­ler­dings aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass ei­ne na­tio­na­le Rechts­vor­schrift bei der Ver­fol­gung der ge­nann­ten rechtmäßigen Zie­le den Ar­beit­ge­bern ei­nen ge­wis­sen Grad an Fle­xi­bi­lität einräumt (EuGH a.a.O. Rn. 46). So­weit an­de­re als die in Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 RL 2000/78/EG bei­spiel­haft ge­nann­te Zie­le in Be­tracht ge­zo­gen wer­den, müssen des­halb auch sol­che Zie­le in ver­gleich­ba­rer Wei­se im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen (EuGH a.a.O.).

Da­her kom­men für ei­ne Recht­fer­ti­gung von vorn­her­ein nur Zie­le des All­ge­mein­wohls in Be­tracht, wie dies in der Li­te­ra­tur auch schon dem Be­kannt­wer­den des Ur­teils des EuGH v. 5.3.2009 zu­tref­fend ver­tre­ten wur­de (v. Ro­et­te­ken ZTR 2008, 350, 352 [EuGH 16.10.2007 - C 411/05] m.w.N.). Pri­vat­au­to­no­me Zie­le, die nur die Pro­ble­me ei­nes ein­zel­nen Ar­beit­ge­bers oder ei­ner be­stimm­ten Bran­che wi­der­spie­geln, können des­halb von vorn­her­ein nicht als rechtmäßiges Ziel an­er­kannt wer­den. Das gilt auch für öffent­li­che Ar­beit­ge­ber und Dienst­her­ren. Sie be­fin­den sich auf­grund ih­rer öffent­li­chen Stel­lung nicht von vorn­her­ein in ei­ner an­de­ren Si­tua­ti­on als pri­va­te Ar­beit­ge­ber. Die Zie­le öffent­li­cher Ar­beit­ge­ber und Dienst­her­ren müssen eben­falls da­nach un­ter­schie­den wer­den, ob sie in ei­ner der La­ge pri­va­ter Ar­beit­ge­ber ver­gleich­ba­ren Wei­se ei­ner in­di­vi­du­el­len oder bran­chen­be­zo­ge­nen Pro­ble­ma­tik Rech­nung tra­gen sol­len, oder ob da­mit ein darüber hin­aus ge­hen­des Ziel des All­ge­mein­wohls, ins­be­son­de­re der So­zi­al-, Ar­beits­markt- oder Beschäfti­gungs­po­li­tik ver­folgt wird. Dies er­gibt sich aus dem Ur­teil des EuGH vom 9.9.1999 (Rs. C-281/97 - NZA 1999, 1151 = BGleiG-ES E.III.1 Art. 119 EGV Nr. 64 = HGlG-ES E.III.1.1 Art. 119 EGV Nr. 64 - „Krüger“). Dort hat­te es er der EuGH ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber ver­wehrt, sich durch die Mit­wir­kung an der ta­rif­li­chen Ge­stal­tung von Ent­gelt­be­din­gun­gen auf wei­ten so­zi­al­po­li­ti­schen Spiel­raum zu be­ru­fen, wie er für die so­zi­al- und ar­beits­markt­po­li­ti­sche Ge­setz­ge­bungstätig­keit der Mit­glied­staa­ten an­er­kannt ist (EuGH U. v. 9.9.1999, NZA 1999, 1151, 1152 [EuGH 09.09.1999 - 6 C 281/97] Rn. 29). Die­se ge­mein­schafts­recht­lich vor­ge­ge­be­ne

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Dif­fe­ren­zie­rung ist auch hier zu be­ach­ten. Des­halb kann für die Re­ge­lun­gen in § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG im Hin­blick auf de­ren Ge­set­zes­form nicht von vorn­her­ein un­ter­stellt wer­den, die hin­ter die­sen Re­ge­lun­gen ste­hen­den Zie­le sei­en sol­che so­zi­al- oder ar­beits­markt­po­li­ti­scher Art i. S. d. An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG .

Die kon­kre­te Be­ur­tei­lung der na­tio­na­len Maßnah­me im Hin­blick auf ih­re Ver­ein­bar­keit ist nach Auf­fas­sung des EuGH zwar Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts (EuGH a.a.O. Rn. 47). Es hat da­bei je­doch die vom EuGH in Aus­le­gung der RL vor­ge­ge­be­nen ge­mein­schafts­recht­li­chen Maßstäbe strikt zu be­ach­ten (EuGH a.a.O. S. 310 Rn. 63).

Die hin­ter den be­am­ten­recht­li­chen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen ste­hen­den Zie­le müssen den Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en und den Zu­sam­menhängen ih­res erst­ma­li­gen Er­las­ses ent­nom­men wer­den. In der Wei­ma­rer Re­pu­blik lässt sich für die Einführung von Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen kei­ne ein­heit­li­che Ziel­set­zung fest­stel­len. Viel­mehr wur­den sehr un­ter­schied­li­che Zie­le ver­folgt, zu­mal es bis 1919 über­wie­gend kei­ne ver­bind­li­chen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen in dem Sin­ne gab, dass nach ih­rem Er­rei­chen die Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses zwin­gend vor­ge­schrie­ben war. In Preußen wur­den Al­ters­gren­zen nach 1919 in der heu­ti­gen Form ein­geführt un­ter an­de­rem zu dem Zweck, das aus der Mon­ar­chie über­nom­me­ne Per­so­nal we­nigs­tens teil­wei­se er­set­zen zu können. Die heu­ti­ge Form der be­am­ten­recht­li­chen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen ver­dankt sich im We­sent­li­chen der wirt­schaft­li­chen Kri­se des Jah­res 1923, die aus der Sicht der Po­li­tik ei­nen er­heb­li­chen Per­so­nal­ab­bau im öffent­li­chen Dienst er­for­der­lich mach­te (v. Ro­et­te­ken in v. Ro­et­te­ken/Rothländer HBR IV § 25 Be­am­tStG Rn. 10 f.). Die­ses Ziel wird mit den heu­ti­gen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen je­den­falls all­ge­mein nicht ver­folgt, ob­wohl in be­stimm­ten Zwei­gen der Ver­wal­tung die „schlei­chen­de“ Möglich­keit ei­nes allmähli­chen Per­so­nal­ab­baus ein we­sent­li­ches Kri­te­ri­um für die An­wen­dung und Bei­be­hal­tung der Al­ters­gren­zen­re­ge­lung dar­stellt.

Dem Ziel ei­nes Per­so­nal­ab­baus im Hin­blick auf die Ein­spa­rung fi­nan­zi­el­ler Auf­wen­dun­gen fehlt al­ler­dings nach der ver­bind­li­chen Aus­le­gung der RL durch den EuGH schon die er­for­der­li­che Le­gi­ti­mität i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG (EuGH U. v. 5.3.2009, a.a.O. Rn. 46). Die glei­che Auf­fas­sung hat­te der EuGH früher be­reits in Be­zug auf die man­geln­de Recht­fer­ti­gungsfähig­keit ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts ver­tre­ten (zur Un­maßgeb­lich­keit von Haus­halts­erwägun­gen EuGH U. v. 23.10.2003 - Rs. C-4/02 u. 5/02 - DVBl. 2004, 188 = BGleiG-ES E.III.1.2 Art. 141 EG Nr. 4 Rn. 85 m.w.N. = HGlG-ES E.III.1.2 Art. 141 EG Nr. 4 - „Schönheit u. Be­cker“).

Da­ne­ben kann den in der Wei­ma­rer Re­pu­blik eta­blier­ten und im We­sent­li­chen bis heu­te un­veränder­ten Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen das Ziel ent­nom­men wer­den, sich von älte­ren Be­am­ten und Be­am­tin­nen leich­ter tren­nen zu können, weil der Über­gang in den Ru­he­stand oh­ne den Nach­weis der in­di­vi­du­el­len Dienst­unfähig­keit ermöglicht wur­de (Sum­mer in GKÖD § 41 BBG Rn. 4; zu den frühe­ren Be­stim­mun­gen v. Ro­et­te­ken in HBR IV § 25 Be­am­tStG Rn. 5-12 m.w.N.). Die­se Ten­denz war in ei­ni­gen Bun­des­staa­ten des Deut­schen Reichs auch schon vor 1918 er­kenn­bar (v. Ro­et­te­ken a.a.O. Rn. 5). Mit die­ser Be­gründung ver­fol­gen Re­ge­lun­gen zu Al­ters­gren­zen das Ziel ei­ner Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung. Dar­in liegt kein le­gi­ti­mes Ziel der in Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG bei­spiel­haft ge­nann­ten Po­li­tik­fel­der, da nur Zie­le in Be­tracht kom­men, die den Be­rei­chen Ar­beits­markt, Beschäfti­gung oder be­ruf­li­che Bil­dung so­wie in ih­rer Be­deu­tung für das All­ge­mein­wohl ver­gleich­ba­ren Po­li­tik­fel­dern ent­nom­men sind. So­weit Sum­mer (a.a.O.) in die­sem Zu­sam­men­hang da­von spricht, die Al­ters­gren­zen­re­ge­lung erfülle auch ein per­so­nal­po­li­ti­sches Bedürf­nis, bleibt of­fen, wor­in die­ses ge­nau lie­gen soll. Zwar schafft sie ei­ne ge­wis­se Pla­nungs­si­cher­heit für den Dienst­herrn. Dar­in al­lein liegt je­doch kein Be­lang des All­ge­mein­wohls, des­sen Ver­fol­gung als le­gi­ti­mes Ziel i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ein­ge­stuft wer­den könn­te. Viel­mehr dient die ge­nann­te Art von Pla­nungs­si­cher­heit le­dig­lich dem in­di­vi­du­el­len Bedürf­nis des je­wei­li­gen Ar­beit­ge­bers bzw. Dienst­herrn, die für die­se Un­ter­schei­dung maßgeb­li­che Recht­spre­chung des EuGH zu­grun­de ge­legt.

Würde man das per­so­nal­po­li­ti­sche Bedürf­nis da­hin ver­ste­hen, grundsätz­lich kei­ne Men­schen mit ei­nem Al­ter ober­halb der Al­ters­gren­ze beschäfti­gen zu wol­len, läge dar­in von vorn­her­ein kein ob­jek­ti­ves und an­ge­mes­se­nes Ziel, weil die Maßnah­me un­mit­tel­bar und aus­sch­ließlich auf das

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Her­aus­drängen älte­rer Men­schen aus der Beschäfti­gung ge­rich­tet wäre, oh­ne hauptsächlich ei­nen da­von zu un­ter­schei­den­den Zweck zu ver­fol­gen. Ge­nau das ist je­doch Vor­aus­set­zung für die Le­gi­ti­mität der nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ver­folg­ba­ren Zie­le (v. Ro­et­te­ken AGG § 10 Rn. 21 ff.).

Zur Fest­le­gung der Al­ters­gren­ze auf das 65. Le­bens­jahr im BBG 1953 hat­te die Bun­des­re­gie­rung in der Ent­wurfs­be­gründung aus­geführt, die Re­ge­lung ent­spre­che dem bis­he­ri­gen Recht. Ei­ne Erhöhung der all­ge­mei­nen Al­ters­gren­ze über die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res hin­aus, die an sich we­gen der ge­stie­ge­nen Le­bens­er­war­tun­gen ge­recht­fer­tigt wäre und zu ei­ner er­heb­li­chen Ver­min­de­rung der Ver­sor­gungs­last führen würde, sei im Hin­blick auf die Not­wen­dig­keit der Un­ter­brin­gung ver­dräng­ter Be­am­ter, der Spätheim­keh­rer und der Nach­wuchs­kräfte einst­wei­len nicht möglich (BT-Drucks. I/2846 S. 41). Die­se Be­gründung hat sich zwi­schen­zeit­lich mit Aus­nah­me des As­pekts, ei­ne Ein­stel­lung jünge­rer Men­schen zu ermögli­chen, er­le­digt.

Als ar­beits­markt­po­li­ti­sches In­stru­ment zur Er­leich­te­rung von Ein­stel­lun­gen jünge­rer Men­schen können die Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen je­doch schon seit den Zei­ten der Voll­beschäfti­gung in den 60er Jah­ren nicht mehr an­ge­se­hen wer­den, wur­den aber gleich­wohl bei­be­hal­ten. Als in § 25 Abs. 1 BRRG durch Art. 6 Nr. 2 des Ge­set­zes zur Ände­rung des Be­amt­VG und sons­ti­ger dienst- und ver­sor­gungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2218) die für die Länder ver­bind­li­che Al­ters­gren­ze in Ge­stalt der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res ein­geführt wur­de, war die­se Maßnah­me von der gleich­zei­ti­gen Eröff­nung der Möglich­kei­ten ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung über die Al­ters­gren­ze hin­aus be­glei­tet. Die Fest­le­gung der Al­ters­gren­ze selbst wur­de mit der The­se be­gründet, da­mit wer­de ge­setz­lich die un­wi­der­leg­li­che Ver­mu­tung der Dienst­unfähig­keit auf­ge­stellt, was ins­be­son­de­re an die be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen vor 1918, aber auch die oben dar­stell­te Recht­spre­chung des RG an­knüpft. Da­mit gibt die sei­ner­zei­ti­ge Ge­set­zes­be­gründung ei­ne in sich stim­mi­ge Be­gründung nur in­so­weit her, wie es um die Pau­scha­lie­rung der Dienst­unfähig­keit und de­ren Auf­lo­cke­rung durch ei­ne in­di­vi­du­el­le Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit geht. Ein all­ge­mei­nes ar­beits­markt- oder so­zi­al­po­li­ti­sches Ziel lässt sich den so for­mu­lier­ten Ziel­set­zun­gen nicht ent­neh­men.

Nimmt man gleich­wohl den während der 50er Jah­re geäußer­ten Ge­dan­ken der er­leich­ter­ten Ein­stel­lung von Nach­wuchs­kräften hin­zu, so stel­len sich die Zie­le - ge­mes­sen an den nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG zu stel­len­den An­for­de­run­gen - als in sich nicht stim­mig, als in­kohärent und in sich wi­dersprüchlich dar. Ei­ner­seits soll ei­ne ge­ne­rel­le Al­ters­gren­ze gel­ten, an­de­rer­seits soll un­ge­ach­tet der an sich un­wi­der­leg­li­chen Ver­mu­tung der Dienst­unfähig­keit ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung auf ent­spre­chen­den An­trag hin möglich sein, ein­ge­schränkt durch das Er­for­der­nis ei­nes dienst­li­chen In­ter­es­ses, das wie­der­um kei­ner­lei Be­zug zu all­ge­mei­nen ar­beits­markt- oder so­zi­al­po­li­ti­schen Zie­len hat, son­dern aus­sch­ließlich die be­son­de­re Be­darfs­la­ge ei­nes ein­zel­nen Dienst­herrn wi­der­spie­gelt. Für ei­ne der­art in sich wi­dersprüchli­che Ziel­set­zungs­la­ge nimmt der EuGH an, dass in die­sem Fall der dar­auf be­ru­hen­den Maßnah­me die nach der RL er­for­der­li­che An­ge­mes­sen­heit fehlt ( EuGH U. v. 18.6.2009 - Rs. C-88/08 - Ju­ris Rn. 46-50 - „Hütter“; ähn­lich be­reits v. Ro­et­te­ken ZTR 2008, 350, 353 f. [EuGH 16.10.2007 - C 411/05] ).

Im HBG spie­gelt sich die­ser Wi­der­spruch in­ner­halb des § 50 HBG wi­der. Während § 50 Abs. 1, 2 HBG die Al­ters­gren­ze auf die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res fest­setzt und dif­fe­ren­ziert nach Or­ga­ni­sa­ti­ons­an­for­de­run­gen den nach­fol­gen­den Ein­tritt in den Ru­he­stand fest­legt, er­laubt § 50 Abs. 3 HBG auf An­trag des, der Be­trof­fe­nen das Hin­aus­schie­ben des Ru­he­stand­s­ein­tritts, so­fern ein dienst­li­ches Bedürf­nis vor­liegt. Be­lan­ge des All­ge­mein­wohls i. S. d. An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG wer­den durch § 50 Abs. 3 HBG je­doch we­der un­mit­tel­bar noch mit­tel­bar an­ge­spro­chen. Glei­ches für die ent­spre­chend ge­stal­te­te Re­ge­lung in § 194 HBG. § 211 Abs. 5 HBG ver­zich­tet für die auf die Voll­endung des 68. bzw. 71. Le­bens­jah­res her­auf­ge­setz­ten Al­ters­gren­zen für Wahl­be­am­te- und -be­am­tin­nen so­gar auf das Er­for­der­nis ei­nes dienst­li­chen Bedürf­nis­ses.

Die Hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung führ­te 1962 zur Be­gründung der auf die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res fest­ge­setz­ten Al­ters­gren­ze an, ei­ne An­he­bung die­ser herkömmli­chen Al­ters­gren­ze emp­feh­le sich nicht (LT-Drucks. IV/Abt. I Nr. 940 S. 2636). Den Ein­spa­run­gen an Ver­sor­gungs­leis­tun­gen würde ei­ne ungüns­ti­ge Schich­tung des Al­ters­auf­baus der Be­am­ten

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ge­genüber­ste­hen. Nach den bis­he­ri­gen Er­fah­run­gen mit § 76 Abs. 2 HBG 1954 er­schei­ne es zweckmäßig, von ei­ner all­ge­mei­nen Ände­rung der Al­ters­gren­ze ab­zu­se­hen (LT-Drucks. a.a.O.). In be­wuss­ter Ab­kehr von § 76 Abs. 2 S. 2 HBG 1954 und im Un­ter­schied zu § 41 Abs. 2 BBG in der bis zum 31.12.1991 gel­ten­den Fas­sung (da­nach § 41 Abs. 3 BBG , heu­te § 53 Abs. 2 BBG ) sah man 1962 auch da­von ab, Be­am­te über die Al­ters­gren­ze hin­aus oh­ne ih­re Zu­stim­mung im Amt be­las­sen zu können. Statt­des­sen hielt man bei Un­ver­zicht­bar­keit des Be­am­ten die Möglich­keit sei­ner Wei­ter­beschäfti­gung im An­ge­stell­ten­verhält­nis für aus­rei­chend (LT-Drucks. a.a.O.).

Die­sen Ar­gu­men­ten lässt sich als ein­zi­ges Ziel ent­neh­men das In­ter­es­se an der Ver­mei­dung ei­nes ungüns­ti­gen Al­ters­auf­baus in der Ver­wal­tung. Ei­nem sol­chen Ziel fehlt je­doch schon die hin­rei­chen­de Ob­jek­ti­vität, weil es kei­ne hin­rei­chend nach­voll­zieh­ba­ren und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts (v. Ro­et­te­ken AGG § 10 Rn. 13 ff.) fest­ge­leg­ten Kri­te­ri­en dafür gibt, wann ein Al­ters­auf­bau als güns­tig oder als ungüns­tig ein­zu­stu­fen ist. Dem­ent­spre­chend hat­te die Kam­mer be­reits in ih­rem Be­schluss vom 21.4.2008 (a.a.O.) Erwägun­gen zur Ge­stal­tung der Per­so­nal­struk­tur nach Al­ters­kri­te­ri­en als un­ver­ein­bar mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ein­ge­stuft (vgl. im Ein­zel­nen auch v. Ro­et­te­ken AGG § 10 Rn. 172). Im Übri­gen können Über­le­gun­gen zur Ge­stal­tung ei­nes Al­ters­auf­baus der je­wei­li­gen Be­leg­schaft im­mer nur in­di­vi­du­el­le Erwägun­gen und Zie­le ei­nes Ar­beit­ge­bers bzw. Dienst­herrn dar­stel­len ( BAG U. v. 11.6.1997 - 7 AZR 186/96 - NZA 1997, 1290, 1292). In­di­vi­du­el­len Be­lan­gen ei­nes Ar­beit­ge­bers, Dienst­herrn fehlt je­doch nach der Aus­le­gung der RL durch den EuGH im Ur­teil vom 9.3.2009 (a.a.O. S. 308 Rn. 46) von vorn­her­ein die hin­rei­chen­de Eig­nung für ei­nen Recht­fer­ti­gungs­grund i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG . In­so­weit kommt es auf die ge­gen­tei­li­ge, vor Er­lass des ge­nann­ten EuGH-Ur­teils er­gan­ge­ne Recht­spre­chung des BAG zu § 1 Abs. 3 KSchG nicht an, da die da­zu er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen noch da­von aus­ge­hen, auch in­di­vi­du­el­le Be­lan­ge ei­nes Ar­beit­ge­bers könn­ten ein le­gi­ti­mes Ziel i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG dar­stel­len (vgl. BAG U. v. 6.11.2008 - 12 AZR 523/07 - NZA 2009, 361 [BAG 06.11.2008 - 2 AZR 523/07] . 366 Rn. 53). Ent­spre­chen­des gilt für Erwägun­gen, die das BVerwG in sei­nem Ur­teil vom 19.2.2009 (a.a.O.) an­ge­stellt hat.

Der An­trags­geg­ner hat im Übri­gen nicht ein­mal an­satz­wei­se dar­ge­legt, wel­che Art des Al­ters­auf­baus er ge­ne­rell für den Gel­tungs­be­reich des § 50 Abs. 1HBG oder be­zo­gen auf den staats­an­walt­li­chen Dienst für sach­ge­recht hält und wel­che Über­le­gun­gen im Ein­zel­nen dem zu­grun­de lie­gen könn­ten. Auf ei­ne sol­che Dar­stel­lung kann je­doch nicht ver­zich­tet wer­den, weil sich aus dem Feh­len der Be­nen­nung der mit § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG ver­folg­ten Zie­le die Not­wen­dig­keit er­gibt, der ge­richt­li­chen Über­prüfung der tatsächlich ver­folg­ten Zie­le an­de­re nach­voll­zieh­ba­re Über­le­gun­gen zur Verfügung zu stel­len. An­dern­falls wäre nämlich die ge­richt­li­che Kon­trol­le ( Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG ) zur Gewähr­leis­tung der vol­len An­wen­dung der RL von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen. Dies hat der EuGH in sei­nem Ur­teil vom 9.3.2009 für un­zulässig ge­hal­ten. Die na­tio­na­len Ge­rich­te müssen nicht nur die kon­kret mit ei­ner Maßnah­me ver­folg­ten Zie­le ken­nen, um ih­re Rechtmäßig­keit zu be­ur­tei­len, son­dern auch nach­voll­zie­hen können, mit wel­chen Mit­teln die­se näher zu de­fi­nie­ren­den Zie­le ver­folgt wer­den und ob die­se Mit­tel als ge­eig­net und er­for­der­lich ein­zu­stu­fen sind (EuGH a.a.O. S. 308 Rn. 45 m.w.N.; U. v. 18.6.2009, a.a.O. Rn. 44 ff.). Die­se Über­prüfung setzt zu­min­dest nach­voll­zieh­ba­re An­ga­ben zur ggf. vor­han­de­nen Per­so­nal­pla­nung und die da­bei an­ge­wand­ten Al­ter­sas­pek­te vor­aus (ähn­lich auch BVerwG U. v. 19.2.2009, a.a.O. S. 392). Dar­an fehlt es.

An­ge­merkt sei in die­sem Zu­sam­men­hang noch, dass die vom An­trags­geg­ner für die Staats­an­walt­schaft beim Land­ge­richt mit­ge­teil­ten Zah­len zur Stel­len­be­set­zung den Schluss zu­las­sen, dass in er­heb­li­chem Um­fang jünge­re Per­so­nen mit staats­an­walt­li­chen Auf­ga­ben be­traut sind, wie die Zahl von Rich­tern und Rich­te­rin­nen auf Pro­be mit ent­spre­chen­der Ver­wen­dung zeigt. Es han­delt sich um 27 Per­so­nen von ins­ge­samt 109 im staats­an­walt­li­chen Dienst Täti­gen, von de­nen sich 86 im Ein­gang­s­amt der Be­sol­dungs­grup­pe R1 be­fin­den.

Im Übri­gen müss­te für Be­ur­tei­lung des Recht­fer­ti­gungs­grun­des auf den Gel­tungs­be­reich der ge­sam­ten Norm ab­ge­stellt wer­den, wie sich aus dem zur Be­ur­tei­lung ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts er­gan­ge­nen Ur­teil des EuGH vom 23.10.2003 er­gibt (a.a.O. Rn. 71). Der Be­zug auf ei­nen be­stimm­ten Ver­wal­tungs­be­reich oder auf ei­nen ein­zi­gen Dienst­herrn genügt nicht.

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So­weit der An­trags­geg­ner dem Ur­teil des EuGH vom 16.10.2007 (a.a.O.) die all­ge­mei­ne Aus­sa­ge ent­neh­men will, die Einführung oder Bei­be­hal­tung von Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen zur un­frei­wil­li­gen Be­en­di­gung von Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen sei ge­mein­schafts­recht­lich zulässig, trägt dies zur Be­ur­tei­lung der hier in Re­de ste­hen­den kon­kre­ten Re­ge­lun­gen nichts bei. Dem ge­nann­ten Ur­teil wie dem nach­fol­gen­den Ur­teil vom 9.3.2009 (a.a.O.) ist nämlich zu ent­neh­men, dass je­de ein­zel­ne in­ner­halb des na­tio­na­len Rechts ge­trof­fe­ne Maßnah­me für sich auf ih­re kon­kre­te Ver­ein­bar­keit mit der RL 2000/78/EG zu be­ur­tei­len ist. Es muss für je­de ein­zel­ne Maßnah­me ge­son­dert fest­ge­stellt wer­den, ob tatsächlich in ge­richt­lich über­prüfba­rer und nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se ein Recht­fer­ti­gungs­grund i. S. d. Art. 6 RL 2000/78/EG ein­greift.

Die Ausführun­gen im Ur­teil vom 16.10.2007 zur Recht­fer­ti­gungsfähig­keit ei­nes spa­ni­schen Ge­set­zes zur Ermäch­ti­gung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, ta­rif­li­che Al­ters­gren­zen fest­zu­le­gen, be­le­gen die­se Vor­ge­hens­wei­se. Der EuGH fragt so­wohl nach den Zie­len die­ser im Rah­men ei­nes lan­des­wei­ten Beschäfti­gungs­pakts ein­ge­bet­te­ten ge­setz­li­chen Re­ge­lung und ord­net sie als Teil ei­nes Kon­zepts ein, die sehr ho­he Ar­beits­lo­sig­keit in Spa­ni­en da­durch zu mil­dern, dass mit dem al­ters­be­ding­ten Aus­schei­den von Ar­beits­kräften jünge­re Men­schen ei­ne Ar­beitsmöglich­keit an­stel­le der aus­schei­den­den Per­son er­hal­ten.

Der hier zu be­ur­tei­len­de Sach­ver­halt un­ter­schei­det sich in na­he­zu sämt­li­chen Punk­ten von der für Spa­ni­en zu be­ur­tei­len­den La­ge. Die be­am­ten­recht­li­chen Al­ters­gren­zen be­ste­hen in ih­rer heu­ti­gen Form na­he­zu un­verändert seit den 60er Jah­ren, teil­wei­se noch er­heb­lich länger. Bei Er­lass des HBG im Jahr 1962 herrsch­te Voll­beschäfti­gung. Ein Bei­trag zum Ab­bau der Ar­beits­lo­sig­keit war nicht be­ab­sich­tigt und ist auch später nicht Ge­gen­stand oder Grund­la­ge der be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen ge­wor­den. Je­den­falls fehlt es dafür an na­he­zu je­dem nach­voll­zieh­ba­ren An­halts­punkt. Außer­dem dient die heu­ti­ge Al­ters­gren­ze ver­brei­tet auch der Durchführung ei­nes suk­zes­si­ven Stel­len- und Per­so­nal­ab­baus, weil zu­min­dest ein Teil der in den Ru­he­stand über­tre­ten­den oder vor­zei­tig ver­setz­ten Per­so­nen nicht er­setzt wird, sei es man­gels Be­darfs, sei es we­gen der Ein­spa­rung von Haus­halts­mit­teln (im Ein­zel­nen v. Ro­et­te­ken ZTR 2008, 350, 353 ff. [EuGH 16.10.2007 - C 411/05] ).

So­weit der An­trags­geg­ner als Ziel der Al­ters­gren­zen­re­ge­lung hier auf die Leis­tungs- und Mo­ti­va­ti­ons­an­rei­ze für jünge­re Staats­anwälte und -anwältin­nen ver­weist, weil die­se in den Ge­nuss ei­ner Beförde­rung ge­lan­gen könn­ten, stellt auch dies kei­nen im Rah­men von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG be­acht­li­chen Be­lang des All­ge­mein­wohls dar. Zwar be­steht ein öffent­li­ches In­ter­es­se an ei­ner mo­ti­vier­ten und leis­tungs­be­rei­ten Be­leg­schaft in al­len Ver­wal­tung und Behörden im Gel­tungs­be­reich des HBG wie ganz all­ge­mein im öffent­li­chen Dienst. Da­bei han­delt es sich je­doch nicht um ein spe­zi­fi­sches ar­beits­markt- oder so­zi­al­po­li­ti­sches Ziel noch um ei­nen Be­lang der be­ruf­li­chen Bil­dung i. S. d. RL. Nur sol­che und sach­lich ver­gleich­ba­re Zie­le können für die Recht­fer­ti­gung ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung her­an­ge­zo­gen wer­den, weil nur dann gewähr­leis­tet ist, dass mit dem Ziel nicht die ab­wer­ten­de Be­hand­lung be­stimm­ter Men­schen we­gen ih­res Al­ters ver­bun­den ist.

Ab­ge­se­hen da­von ist die ge­le­gent­li­che Einräum­ung von Beförde­rungsmöglich­kei­ten nicht wirk­lich ge­eig­net, die Leis­tungs­be­reit­schaft und die Mo­ti­va­ti­on der Beschäftig­ten in hin­rei­chen­der Form zu gewähr­leis­ten oder nach­hal­tig zu fördern. Das zeigt sich im vor­lie­gen­den Fall schon dar­an, dass sich für die Stel­le des An­trag­stel­lers 17 Staats­anwälte und -anwältin­nen be­wor­ben ha­ben, die nach An­ga­ben des An­trags­geg­ners al­le für die Tätig­keit hoch qua­li­fi­ziert sind. Für 16 die­ser Be­wer­ber/in­nen wird das Aus­wahl­ver­fah­ren mit ei­ner Enttäuschung en­den müssen, weil nur ei­ne ein­zi­ge Stel­le zu be­set­zen ist. Die weit über­wie­gen­de Mehr­zahl der Staats­anwälte und -anwältin­nen wird des­halb in ih­rer Leis­tungs­be­reit­schaft und Mo­ti­va­ti­onsfähig­keit eher be­ein­träch­tigt, soll­te die An­nah­me des An­trags­geg­ners zu­tref­fen, die er­war­te­te Beförde­rungsmöglich­keit sei in­so­weit ein we­sent­li­ches, d. h. ge­eig­ne­tes und er­for­der­li­ches Mit­tel. Viel­mehr ist das Ge­gen­teil zu er­war­ten, so­dass die Auf­recht­er­hal­tung der Leis­tungs­be­reit­schaft und der Mo­ti­va­ti­onsfähig­keit der un­ter­lie­gen­den Be­wer­ber/in­nen auf an­de­re Wei­se zu fördern und zu er­hal­ten sein wird. Da­her fehlt es die­sem As­pekt je­den­falls an der nöti­gen Eig­nung, dies im Hin­blick auf den ge­ne­rel­len Cha­rak­ter der Al­ters­gren­zen­re­ge­lung im Be­am­tStG und im HBG schon des­halb, weil durch den

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Ru­he­stand­s­ein­tritt frei wer­den­de Stel­len viel­fach über­haupt nicht wie­der­be­setzt wer­den.

Zur Recht­fer­ti­gung kann nicht § 10 S. 3 Nr. 5 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG her­an­ge­zo­gen wer­den. Die Re­ge­lun­gen der §§ 6-18 AGG fin­den auf Be­am­ten­verhält­nis­se zwar ent­spre­chen­de An­wen­dung. Dies setzt je­doch vor­aus, dass die je­weils ent­spre­chend an­zu­wen­den­de Be­stim­mung auch ge­eig­net ist, die vom Ge­setz­ge­ber ab­ge­bil­de­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ner zulässi­gen Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Ge­schlechts auch für Be­am­ten­verhält­nis­se zur Gel­tung zu brin­gen. § 10 S. 3 Nr. 5 AGG setzt ei­ne Ver­ein­ba­rung vor­aus, nach der mit dem Er­rei­chen ei­nes be­stimm­ten Le­bens­al­ters ein Ar­beit­neh­mer, ei­ne Ar­beit­neh­me­rin aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det, auch wenn dies zum ent­spre­chen­den Zeit­punkt oh­ne aus­drück­li­ches Ein­verständ­nis er­fol­gen soll. Mit der Vor­aus­set­zung der Ver­ein­ba­rung wird die­ses Ein­verständ­nis je­doch grundsätz­lich zur un­ver­zicht­ba­ren Be­din­gung ei­ner sol­chen Al­ters­gren­zen­re­ge­lung ge­macht, wie sich auch aus der aus­drück­lich als un­berührt blei­bend be­zeich­ne­ten Be­stim­mung des § 41 SGB VI er­gibt, die ei­ne Kündi­gung we­gen Er­rei­chens des Le­bens­al­ters, ab dem ei­ne un­gekürz­te Al­ters­ren­te aus der So­zi­al­ver­si­che­rung be­zo­gen wer­den kann, ver­bie­tet. Auch wenn man un­ter Ver­ein­ba­run­gen Kol­lek­tiv­ver­ein­ba­run­gen ver­ste­hen soll­te, wohnt auch die­sen Re­ge­lun­gen noch das Mo­ment in­ne, dass die be­las­ten­de Al­ters­gren­zen­re­ge­lung auf dem Bei­tritt der be­trof­fe­nen Per­son zu ei­ner ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft be­ruht, zu­min­dest aber die Al­ters­gren­zen­re­ge­lung im Pro­zess der Aus­hand­lung von im An­satz gleich­wer­ti­gen Ta­rif­par­tei­en zu­stan­de ge­kom­men ist.

Die be­am­ten­recht­li­chen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen erfüllen kei­ne die­ser vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen. Ih­nen fehlt das Ein­verständ­nis der Be­trof­fe­nen in jeg­li­cher Form denk­ba­rer Va­ri­an­ten, so­dass § 10 S. 3 Nr. 5 AGG ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung auf Be­am­ten- und Rich­ter­verhält­nis­se un­zugäng­lich ist.

Ab­ge­se­hen da­von lässt sich § 10 S. 3 Nr. 5 AGG nicht hin­rei­chend nach­voll­zieh­bar ent­neh­men, wel­che le­gi­ti­men Zie­le da­mit ver­folgt wer­den. Nach den Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en soll­te le­dig­lich si­cher­ge­stellt wer­den, dass die bis­he­ri­gen Kol­lek­tiv­re­ge­lun­gen zu Al­ters­gren­zen fort­geführt wer­den können, oh­ne dass sich der Ge­setz­ge­ber zur An­ga­be der dafür sonst maßge­ben­den Gründe ver­an­lasst ge­se­hen hat. Zu­dem ist die Re­ge­lung in sich wi­dersprüchlich, weil sie ei­ner­seits Ver­ein­ba­run­gen zu Al­ters­gren­zen be­zo­gen auf die so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Al­ters­gren­ze er­laubt, an­de­rer­seits durch die Auf­recht­er­hal­tung des § 41 SGB VI am Ver­bot der Kündi­gung aus An­lass des Er­rei­chens der so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Al­ters­gren­ze festhält (zu al­le­dem ein­ge­hend v. Ro­et­te­ken ZTR 2008, 350, 352 f. [EuGH 16.10.2007 - C 411/05] ).

Den Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en zu § 25 Be­am­tStG und zu § 51 BBG lässt sich über­haupt nichts ent­neh­men, was auf die mit die­sen Re­ge­lun­gen der­zeit ver­folg­ten und für Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Be­tracht kom­men­den Zie­le hin­deu­tet. Die Be­gründun­gen der Ge­setz­entwürfe und die Be­gründun­gen der Aus­schuss­entwürfe zum Be­am­tStG bzw. BBG set­zen sich mit den An­for­de­run­gen der RL 2000/78/EG über­haupt nicht aus­ein­an­der und las­sen des­halb kei­nen Rück­schluss auf et­wa er­wo­ge­ne Recht­fer­ti­gungs­gründe zu.

Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG schei­det als mögli­che Recht­fer­ti­gungs­norm aus. Die­se Re­ge­lung be­trifft le­dig­lich die Fra­ge ei­ner an ein be­stimm­tes Le­bens­al­ter an­knüpfen­den Aus­ge­stal­tung von be­trieb­li­chen Al­ters­si­che­rungs­sys­te­men, zu de­nen nach der Recht­spre­chung des EuGH (U. v. 23.10.2003, a.a.O. Rn. 74) auch die Be­am­ten­ver­sor­gung gehört. Dar­um geht es hier je­doch nicht. Das Be­geh­ren des An­trag­stel­lers wie die da­mit auf­ge­wor­fe­nen Rechts­fra­gen be­tref­fen nicht den Zu­gang der Be­am­ten und Be­am­tin­nen zu den Leis­tun­gen der Be­am­ten­ver­sor­gung in Ge­stalt ei­nes Ru­he­ge­halts. Die­ser vor­be­halt­lich des § 32 Be­am­tStG vor­aus­set­zungs­lo­se Zu­gang zu die­ser Ver­sor­gungs­leis­tung darf nicht mit der Fra­ge ver­wech­selt wer­den, ob Be­am­tin­nen und Be­am­te es hin­neh­men müssen, bei Er­rei­chen der Vor­aus­set­zun­gen ei­nes sol­chen Leis­tungs­be­zugs ge­gen ih­ren Wil­len zwangs­wei­se aus dem Be­am­ten­verhält­nis aus­zu­schei­den. Nur die­se Fra­ge steht hier zur Prüfung und Ent­schei­dung an. Sieht man in der Al­ters­gren­zen­re­ge­lung ei­ne un­zulässi­ge Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung, hat dies le­dig­lich zur Fol­ge, dass die Be­trof­fe­nen dann nicht in den Ru­he­stand mit Ver­sor­gungs­be­zug wech­seln müssen, wenn sie ei­nen Fort­be­stand des Be­am­ten­verhält­nis­ses wünschen. In die­sem Fall kann kein Ru­he­stands­verhält­nis ent­ste­hen, so­dass auch kein An­spruch auf Ru­he­ge­halt ent­ste­hen kann, weil die­ser An­spruch je­den­falls nach heu­ti­ger Rechts­la­ge die

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Be­en­di­gung des zu­grun­de lie­gen­den Be­am­ten­verhält­nis­ses vor­aus­setzt. Letzt­lich ha­ben die Be­trof­fe­nen da­mit die Wahl, zwi­schen der Fort­set­zung des Be­am­ten­verhält­nis­ses und dem Ru­he­stand zu wählen. Ein Ne­ben­ein­an­der von Ru­he­stand und ak­ti­vem Be­am­ten­verhält­nis al­lein auf­grund der Nicht­an­wen­dung der der­zei­ti­gen Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen ist aus­ge­schlos­sen.

Der An­trags­geg­ner hat da­mit kei­nen Recht­fer­ti­gungs­grund für die be­ste­hen­den Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen in Ge­stalt der § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG nach­ge­wie­sen. Dies fällt in sei­nen Ri­si­ko­be­reich, da Recht­fer­ti­gungs­gründe von dem­je­ni­gen zu be­le­gen sind, der sie für sich in An­spruch nimmt (vgl. EuGH 22.11.2005, a.a.O. S. 3697 f. Rn. 65, 78). Dies hat zur Fol­ge, dass die der RL ent­ge­gen­ste­hen­den Be­stim­mun­gen des na­tio­na­len Rechts, hier § 25 Be­am­tStG i. V. m. § 50 Abs. 1 HBG im kon­kre­ten Fall außer An­wen­dung zu las­sen ist, so­weit auf die­sem Weg die an­dern­falls ein­tre­ten­de Dis­kri­mi­nie­rung des An­trag­stel­lers ver­hin­dert wer­den kann (EuGH a.a.O. Rn. 77). Auf die­se Wei­se wird der durch Art. 10 EG i. V. m. Art. 249 Abs. 3 EG ge­bo­te­ne Vor­rang des Ge­mein­schafts­rechts vor na­tio­na­lem Recht her­ge­stellt, wo­zu die na­tio­na­len Ge­rich­te als Or­ga­ne der Mit­glied­staa­ten auch auf­grund der Ver­pflich­tun­gen aus Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG ver­pflich­tet sind, weil sie im Rah­men ih­rer Spruchtätig­keit die vol­le An­wen­dung der RL zu gewähr­leis­ten ha­ben. Auf die Fra­ge, ob dies in glei­cher Wei­se gilt, wenn der An­trag­stel­ler in ei­nem pri­va­ten Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem pri­va­ten Ar­beit­ge­ber stünde, kommt es nicht an. Nach der oben be­reits be­zeich­ne­ten Recht­spre­chung des EuGH steht Ein­zel­per­so­nen bei man­geln­der Um­set­zung ei­ner RL das Recht zu, sich ge­genüber öffent­li­chen Stel­len ei­nes Mit­glied­staa­tes auf die voll­zugsfähi­gen Be­stim­mun­gen ei­ner RL un­mit­tel­bar zu be­ru­fen und die sich dar­aus er­ge­ben­den Rech­te ggf. vor Ge­richt durch­zu­set­zen.

Da­zu be­darf es kei­ner Vor­la­ge an den EuGH, da die Kam­mer nicht die letz­te In­stanz ist ( Art. 234 Abs. 3 EG ). Im Übri­gen käme ei­ne Ent­schei­dung des EuGH auf kei­nen Fall mehr recht­zei­tig, so­dass das na­tio­na­le Ge­richt auch auf­grund der Re­ge­lung in Art. 9 Abs. 1 RL 2000/78/EG ge­hal­ten ist, selbst den er­for­der­li­chen Rechts­schutz un­ter Be­ach­tung der bis­he­ri­gen Aus­le­gung der RL durch die Recht­spre­chung des EuGH zu gewähren. Von den da­durch ge­setz­ten Maßstäben darf die Kam­mer nicht ab­wei­chen. Dies wäre nur nach vor­he­ri­ger Be­fas­sung des EuGH im Rah­men ei­nes im Haupt­sach­ver­fah­ren durch­zuführen­den Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens nach Art. 234 Abs. 2 EG zulässig.

Nach § 938 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 Vw­GO hat die Kam­mer in Ausübung frei­en rich­ter­li­chen Er­mes­sens darüber zu ent­schei­den, wel­che Maßnah­me sie zur Si­che­rung der glaub­haft ge­mach­ten Rech­te des An­trag­stel­lers für er­for­der­lich hält. Sie hat sich dafür ent­schie­den, dem An­trags­geg­ner auf­zu­ge­ben, den An­trag­stel­ler über den 31. Au­gust 2009 hin­aus als Ober­staats­an­walt in ei­nem ak­ti­ven Be­am­ten­verhält­nis zu be­han­deln, längs­tens bis zum 31. Au­gust 2010, so­fern nicht da­vor der Be­scheid des Hes­si­schen Mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz, für In­te­gra­ti­on und Eu­ro­pa in Be­stands­kraft erwächst. Die Be­fris­tung und die auflösen­de Be­din­gung ent­nimmt die Kam­mer dem An­trags­be­geh­ren, das der An­trag­stel­ler selbst mit der ent­spre­chen­den Ein­schränkung ver­se­hen hat, um der Vorläufig­keit der Si­che­rungs­maßnah­me zu genügen. Die Kam­mer sieht da­von ab, dem An­trags­geg­ner auf­zu­ge­ben, den Ein­tritt des An­trag­stel­lers durch ei­nen ent­spre­chen­den Ver­wal­tungs­akt ent­spre­chend § 50 Abs. 3 HBG bis zum 31. Au­gust 2010 hin­aus­zu­schie­ben, weil dies ei­nen wei­ter­ge­hen­den Ein­griff in die Rechts­stel­lung des An­trags­geg­ners zur Fol­ge hätte, oh­ne dass sich dies als un­be­dingt nötig er­weist. Es bleibt dem An­trags­geg­ner je­doch un­be­nom­men, aus ei­ge­nem Ent­schluss zur Erfüllung der einst­wei­li­gen An­ord­nung ei­nen der­ar­ti­gen Ver­wal­tungs­akt zu er­las­sen, um auf die­se Wei­se den Ver­such zu un­ter­neh­men, in Be­fol­gung der einst­wei­li­gen An­ord­nung zunächst in­ner­halb des ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen Sys­tems des Ru­he­stands­rechts zu ver­blei­ben.

Die Kam­mer sieht kein ge­rin­ge­res Mit­tel als ge­eig­net an, um die Si­che­rung der Rechts­stel­lung des An­trag­stel­lers zu be­wir­ken. Si­che­rungs­bedürf­tig ist vor al­lem das Amtsführungs­recht des An­trag­stel­lers. Da­her kann auf Fortführung der bis­he­ri­gen Rechts­stel­lung des An­trag­stel­lers durch die einst­wei­li­ge Auf­recht­er­hal­tung des ak­ti­ven Be­am­ten­verhält­nis­ses nicht ver­zich­tet wer­den. Es genügt nicht, dem An­trags­geg­ner le­dig­lich die Frei­hal­tung der dem An­trag­stel­ler der­zeit noch über­tra­ge­nen Plan­stel­le auf­zu­ge­ben, da die­se Maßnah­me den je­den­falls zunächst ein­tre­ten­den Ent­zug des Amtsführungs­rechts nicht ver­hin­dern kann.

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Da der An­trags­geg­ner un­ter­liegt, hat er gemäß § 154 Abs. 1 Vw­GO die Ver­fah­rens­kos­ten zu tra­gen.

Die Streit­wert­fest­set­zung be­ruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 , § 52 Abs. 1 , 5 S. 1 Nr. 2, S. 2 GKG . Die Kam­mer geht in­so­weit da­von aus, dass die Ver­wei­sung in § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG auf § 52 Abs. 1 GKG auch die Ausfüllung die­ser Be­stim­mung durch § 52 Abs. 5 GKG enthält. Da es um den Zeit­punkt des Ru­he­stand­ein­tritts geht, ist § 52 Abs. 5 S. 2 GKG ein­schlägig. Ein Ab­schlag für die Vorläufig­keit der ge­trof­fe­nen Re­ge­lung kommt nicht in Be­tracht, da der An­trag­stel­ler ei­ne Rechts­po­si­ti­on zu­ge­spro­chen be­kommt, wie er sie im Rah­men ei­nes Kla­ge­ver­fah­rens eben­falls er­hal­ten könn­te. Es ist da­her der 6,5 fa­che Be­trag des End­grund­ge­halts der Be­sol­dungs­grup­pe R2 als Streit­wert an­zu­set­zen.

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