HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 03.06.2008, 3 Sa 1041/07

   
Schlagworte: Direktionsrecht, Abmahnung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 3 Sa 1041/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.06.2008
   
Leitsätze:

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO betrifft nur die Konkretisierung der Arbeitspflicht, nicht aber den Inhalt des Arbeitsvertrages.

Daher ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, auf Weisung des Arbeitgebers an einem Personalgespräch teilzunehmen, in dem es ausschließlich um Verhandlungen über vom Arbeitgeber gewünschte Änderungen des Arbeitsvertrages gehen soll.

Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung, die er wegen der Nichtteilnahme an einem solchen Personalgespräch ausgesprochen hat, aus der Personalakte entfernt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

NIE­DERSACHSEN

 

Verkündet am:

03.06.2008

Ge­richts­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

3 Sa 1041/07

1 Ca 82/07 ArbG Han­no­ver

In dem Rechts­streit

Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin,

ge­gen

Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te,

 

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hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 3. Ju­ni 2008 durch

den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Vo­gel­sang,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Wer­ner,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Cohrs

für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 11.05.2007 – 1 Ca 82/07 – ab­geändert:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die am 03.01.2007 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te der Kläge­rin zu ent­fer­nen.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge setzt sich die Kläge­rin ge­gen ei­ne Ab­mah­nung vom 03.01.2007 zur Wehr.

Die Kläge­rin ist seit 1982 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin als Al­ten­pfle­ge­hel­fe­rin beschäftigt. Im Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 08.03.2005 ist für das Dienst­verhält­nis die Gel­tung des Bun­des­an­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trags – Bund und Länder – in der je­weils gülti­gen Fas­sung ver­ein­bart.

Nach­dem die Be­klag­te für das Ka­len­der­jahr 2005 bei der für die AVR-K zuständi­gen ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on we­gen er­heb­li­cher wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten ei­ne Not­la­gen­re­ge­lung er­wirkt hat­te, auf­grund der das 13. Mo­nats­ge­halt mit Aus­nah­me der Mit­ar­bei­ter mit BAT-Verträgen um 46 % ver­min­dert wur­de, ver­such­te sie für das Ka­len­der­jahr 2005 ei­ne ähn­li­che Re­ge­lung zu er­zie­len, wo­bei es ihr dar­um ging, dies­mal auch die Mit­ar­bei­ter mit BAT-Verträgen ein­zu­be­zie­hen. Zu die­sem Zweck fand am 01.11.2006 ein ge­mein­sa­mes Gespräch mit al­len Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern mit BAT-Verträgen statt. Die­ses Gespräch führ­te nicht zu dem von der Be­klag­ten gewünsch­ten Er­geb­nis. Mit Schrei­ben vom 03.11.2006 lud die Be­klag­te die Kläge­rin für Mon­tag, den

 

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13. No­vem­ber 2006 zu ei­nem Per­so­nal­gespräch in An­we­sen­heit der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung im Büro des Per­so­nal­lei­ters ein. Die Kläge­rin er­schien zwar zu dem vor­ge­ge­be­nen Zeit­punkt im Büro des Per­so­nal­lei­ters. Eben­so wie an­de­re Mit­ar­bei­ter mach­te sie aber deut­lich, dass sie nur be­reit sei, ein ge­mein­sa­mes Gespräch zu führen. Dies lehn­te die Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten ab. Nach­dem sie der Kläge­rin Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben hat­te, erklärte die Be­klag­te un­ter dem 03.01.2007 ei­ne Ab­mah­nung mit fol­gen­dem In­halt:

Ab­mah­nung
Sehr ge­ehr­te Frau A.,

mit Schrei­ben vom 03.11.2006 wur­den Sie durch Herrn P., han­delnd im Auf­trag der Geschäftsführung der D. A. A-Stadt gGmbH, für den 13.11.2006 zu ei­nem Per­so­nal­gespräch ein­ge­la­den.
Aus­weis­lich des An­schrei­bens war die Teil­nah­me an dem Gespräch ver­bind­lich und wur­de als Ar­beits­zeit be­han­delt.
Gem. § 106 Ge­wer­be­ord­nung sind In­halt, Ort und Zeit der Leis­tungs­er­brin­gung Be­stand­teil des ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Di­rek­ti­ons­rech­tes.
Sie ha­ben durch Frau Z. von der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung erklären las­sen, dass Sie zu ei­nem Gespräch nur be­reit sei­en in An­we­sen­heit al­ler an­de­ren eben­falls zu Ein­zel­gesprächen ein­ge­la­de­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen.
Herr P. hat dies zulässi­ger­wei­se ab­ge­lehnt, dar­auf­hin wa­ren Sie – eben­falls durch Frau Z. in Ih­rem Auf­trag erklärt – zu ei­nem Gespräch nicht be­reit.
Sie ha­ben mit Ih­rem Ver­hal­ten ge­gen Ih­re All­ge­mei­nen Dienst­pflich­ten ver­s­toßen und die ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung (hier in Form ei­nes Per­so­nal­gespräches) ver­wei­gert, oh­ne dass dafür Recht­fer­ti­gungs­gründe be­stan­den.
Sie sind mit Schrei­ben vom 20.11.2006 zu ei­ner Stel­lung­nah­me auf­ge­for­dert wor­den, die­se ha­ben sie mit Schrei­ben vom 27.11.2006 frist­ge­recht ein­ge­reicht.
In dem Schrei­ben räum­en Sie den Sach­ver­halt ein, ver­tre­ten aber die Auf­fas­sung, dass ei­ne Ab­mah­nung un­be­rech­tigt wäre, weil Sie nicht ver­pflich­tet sei­en zur Teil­nah­me an ei­nem Gespräch, das ei­ne be­fris­te­te Ver­tragsände­rung zum Ziel ha­be. Die­ses sei durch das ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Leis­tungs­be­stim­mungs­recht nicht er­fasst.

Der von Ih­nen vor­ge­brach­te Ein­wand ist nach ein­ge­hen­der Prüfung un­be­acht­lich.

Ihr Ver­hal­ten wird hier­mit ab­ge­mahnt.

Ich for­de­re Sie auf, an Per­so­nal­gesprächen, die von Ih­rem Ar­beit­ge­ber oder in sei­nem Auf­trag Han­deln­der an­ge­setzt wer­den, zu er­schei­nen oder für den Fall, dass Ih­nen aus be­gründe­tem An­lass ei­ne Teil­nah­me nicht möglich sein soll­te, dies un­verzüglich mit­zu­tei­len.
Ich wei­se Sie dar­auf hin, dass im Wie­der­ho­lungs­fall die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses gefähr­det ist.
Die Ab­mah­nung und Ih­re hier­zu ab­ge­ge­be­ne Stel­lung­nah­me wer­den zu Ih­rer Per­so­nal­ak­te ge­nom­men. ...“

Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, in ih­rem Ver­hal­ten lie­ge kei­ne Ver­let­zung der Dienst­pflich­ten aus dem Ar­beits­ver­trag. Das Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers be­zie­he

 

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sich nur auf die Ar­beits­in­hal­te und nicht auf die Aus­ge­stal­tung der ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen. Das Gespräch am 03.11.2006 ha­be aber mit der Ausführung des Ar­beits­verhält­nis­ses nichts zu tun ge­habt.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die am 03.01.2007 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die An­sicht ver­tre­ten, das Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers um­fas­se nach § 106 Ge­wO In­halt, Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung. Die­se sei­en durch die Ein­la­dung zum Per­so­nal­gespräch kon­kre­ti­siert wor­den.

Durch Ur­teil vom 11.05.2007 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und der Kläge­rin die Kos­ten des Rechts­streits auf­er­legt. We­gen der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Blatt 56 bis 58 d. A.) Be­zug ge­nom­men. Das Ur­teil ist der Kläge­rin am 06.06.2007 zu­ge­stellt wor­den. Sie hat hier­ge­gen am 06.07.2007 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 19.07.2007 be­gründet.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, In­halt des Di­rek­ti­ons­rechts des Ar­beit­ge­bers sei al­les, was zur Erfüllung der ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tungs­pflicht gehöre. Es ge­he al­so um das Erfüllungs­geschäft. Dies müsse aber vom Ver­pflich­tungs­geschäft, nämlich dem Ab­schluss ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen ge­trennt wer­den. In­so­weit gel­te der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit, der ins­be­son­de­re auch das Recht Ver­hand­lun­gen ab­zu­leh­nen be­inhal­te.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Ar­beits­ge­rich­tes Han­no­ver vom 11.05.2007 (Ak­ten­zei­chen 1 Ca 82/07) die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die am 03.01.2007 aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ist der An­sicht, die Teil­nah­me an Per­so­nal­gesprächen gehöre zum selbst­verständ­li­chen Pflich­ten­kreis des Ar­beit­neh­mers. Hier­bei sei auch zu berück­sich­ti­gen, dass sie (die Be­klag­te) das Gespräch mit der Kläge­rin im Bei­sein der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ha­be führen wol­len. Es sei auch nicht von An­fang an klar ge­we­sen sei, dass das

 

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Per­so­nal­gespräch nur den Zweck ge­habt ha­be, über ei­ne Ge­halts­re­du­zie­rung zu spre­chen. Auch wenn Gesprächs­an­lass die Si­tua­ti­on hin­sicht­lich der wirt­schaft­li­chen Kon­so­li­die­rung ge­we­sen sei, „ent­wi­ckel­ten“ sich der­ar­ti­ge Gespräche häufig, mit der Fol­ge, dass im Rah­men der Erörte­run­gen auch über wei­te­re Punk­te ge­spro­chen wer­de.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist statt­haft, sie ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit ins­ge­samt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Be­ru­fung ist auch be­gründet, weil der Kla­ge statt­zu­ge­ben war.

Die Kläge­rin hat in ent­spre­chen­der An­wen­dung der §§ 242, 1004 BGB ei­nen An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung vom 03.01.2007 aus ih­rer Per­so­nal­ak­te. Da ei­ne zur Per­so­nal­ak­te ge­nom­me­ne Ab­mah­nung ge­eig­net ist, den Ar­beit­neh­mer in sei­nem be­ruf­li­chen Fort­kom­men und sei­nem Persönlich­keits­recht zu be­ein­träch­ti­gen, darf ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber nicht oh­ne aus­rei­chen­den An­lass ei­ne Ab­mah­nung er­tei­len. Da­her kann der Ar­beit­neh­mer im Kla­ge­we­ge die Ent­fer­nung ei­ner zu Un­recht er­teil­ten Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te ver­lan­gen (st. Rspr. des BAG; vgl. BAG, Ur­teil vom 30.05.1996 – 6 AZR 537/95 – AP 2 zu § 611 BGB Ne­bentätig­keit = NZA 1997, 145 m. w. N.).

Die Ab­mah­nung ge­genüber der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 03.01.2007 ist zu Un­recht er­folgt. Die Kläge­rin hat durch das von der Be­klag­ten gerügte Ver­hal­ten nicht ge­gen ih­re ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen ver­s­toßen, weil sie nicht ver­pflich­tet war, am 13.11.2006 an dem Per­so­nal­gespräch mit der Geschäftsführung der Be­klag­ten teil­zu­neh­men.

The­ma die­ses Gesprächs soll­te aus­sch­ließlich ei­ne Ver­hand­lung darüber sein, ob sich die Kläge­rin mit ei­ner Kürzung des 13. Mo­nats­ge­halts ein­ver­stan­den erklären würde. Die Be­schränkung auf die­ses The­ma er­gibt sich zum ei­nen aus der Vor­ge­schich­te des ge­plan­ten Gesprächs, nämlich dem Schei­tern der in ei­ner ge­mein­sa­men Be­spre­chung mit al­len be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern ver­such­ten ver­trag­li­chen Ei­ni­gung und zum an­de­ren aus der schrift­li­chen Ein­la­dung der Be­klag­ten zu dem Gespräch am 13.11.2006 mit Schrei­ben vom 03.11.2006. Hier­in heißt es:

 

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„... die im ver­gan­ge­nen Jahr auf Grund der wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on der D. A.
A-Stadt ab­ge­schlos­se­ne Not­la­gen­dienst­ver­ein­ba­rung muss zur wirt­schaft­li­chen Kon­so­li­die­rung fort­ge­setzt wer­den.
Geschäftsführung und Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung der D.A. ha­ben sich da­her über ei­ne Fortführung der Not­la­gen­re­ge­lung verständigt.
Mit­ar­bei­ter mit BAT-Verträgen wer­den von die­ser Dienst­ver­ein­ba­rung zwar nicht er­fasst, über 75 % der BAT-Mit­ar­bei­ter ha­ben al­ler­dings be­reits ei­ner ent­spre­chen­den ein­zel­ver­trag­li­chen Re­ge­lung zu­ge­stimmt.

Ich möch­te mit Ih­nen da­her ein Gespräch führen und la­de Sie in Ab­stim­mung mit der Geschäftsführung der D.A. für

Mon­tag, den 13. No­vem­ber 2006
um 10.45 Uhr
in mein Büro im Per­so­nal­ser­vice

ein.
Die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung wird eben­falls an dem Gespräch teil­neh­men.

Die Teil­nah­me an dem Gespräch ist Dienst­zeit und ver­bind­lich. ...“

Da­mit ist der Gesprächs­ge­gen­stand un­miss­verständ­lich klar­ge­stellt. Dem­ge­genüber kann die Be­klag­te nicht et­wa mit der Er­folg gel­tend ma­chen, dass sich der­ar­ti­ge Gespräche häufig „ent­wi­ckeln“ und im Rah­men der Erörte­rung über ei­nen zunächst tem­porären Ge­halts­ver­zicht wei­te­re Punk­te an­ge­spro­chen wer­den könn­ten. Wenn die Be­klag­te die Ab­sicht ge­habt hätte, in dem Per­so­nal­gespräch auch an­de­re The­men an­zu­spre­chen, und zwar sol­che The­men, die die Erfüllung der Ar­beits­pflicht der Kläge­rin be­tref­fen, hätte dies ge­genüber der Kläge­rin klar­ge­stellt wer­den müssen. Darüber hin­aus gilt die Aus­sa­ge, dass sich Gespräche häufig „ent­wi­ckeln“ können und in dem Ver­lauf der Un­ter­re­dung an­de­re The­men an­ge­spro­chen wer­den können, für je­de Un­ter­hal­tung von Men­schen, auch für ei­ne Un­ter­hal­tung im pri­va­ten Be­reich. Auf Grund der vor­her­ge­hen­den Ein­la­dung und der Ge­samt­umstände konn­te die Kläge­rin je­doch am 13.11.2006 nicht ab­se­hen, dass in dem Per­so­nal­gespräch auch an­de­re, die Ar­beits­pflicht selbst be­tref­fen­de Fra­gen be­spro­chen wer­den soll­ten.

Ge­gen­stand des für den 13.11.2006 vor­ge­se­he­nen Per­so­nal­gesprächs mit der Kläge­rin war da­mit aus­sch­ließlich das An­ge­bot der Be­klag­ten auf Ab­schluss ei­ner Ver­tragsände­rung.

Zu ei­ner Teil­nah­me an ei­ner sol­chen Ver­hand­lung über den In­halt des Ar­beits­ver­trags war die Kläge­rin je­doch nicht ver­pflich­tet. Nach dem Grund­satz der Ver­trags­frei­heit, der letzt­lich Aus­fluss der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit nach Art. 2 Abs. 1 GG ist (vgl. hier­zu BVerfG, Be­schluss vom 12.11.1958 – 2 BvL 4/56 u. a. – BVerfGE 8, 274 = NJW 1959,

 

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475; BVerfG, Be­schluss vom 16.05.1961 – 2 BvF 1/60 – BVerfGE 12, 341 = NJW 1961, 1395), steht es je­der­mann frei zu ent­schei­den, ob er ei­nen Ver­trag ab­sch­ließt oder ei­ner in­halt­li­chen Abände­rung ei­nes be­ste­hen­den Ver­tra­ges zu­stimmt. Die Ver­trags­frei­heit ist Teil der im Zi­vil­recht gel­ten­den Pri­vat­au­to­no­mie. Es ist dem Ein­zel­nen über­las­sen, sei­ne Le­bens­verhält­nis­se im Rah­men der Rechts­ord­nung ei­gen­ver­ant­wort­lich zu ge­stal­ten, Rech­te und Pflich­ten zu be­gründen, zu ändern oder auf­zu­he­ben. Es war da­mit Sa­che der Kläge­rin zu ent­schei­den, ob sie der von der Be­klag­ten gewünsch­ten Ver­tragsände­rung, nämlich der Ab­sen­kung des Weih­nachts­gel­des, zu­stim­men woll­te oder nicht. Zur Ver­trags­frei­heit gehört da­bei auch die freie Ent­schei­dung darüber, ob man über­haupt Ver­hand­lun­gen über den Ab­schluss oder die Ände­rung ei­nes Ver­tra­ges auf­neh­men will. So­weit es kei­nen ge­setz­li­chen Kon­tra­hie­rungs­zwang gibt, kann es auch kei­nen Zwang ge­ben, Ver­hand­lun­gen zu führen. Da­mit kommt – hier­auf weist die Kläge­rin in ih­rer Be­ru­fung zu­tref­fend hin – auch kein An­spruch des an­de­ren Ver­trags­teils auf das Führen von Ver­trags­ver­hand­lun­gen in Be­tracht.

Et­was An­de­res er­gibt sich ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten so­wie des Ar­beits­ge­richts auch nicht aus dem Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers gemäß § 106 S. 1 Ge­wO. Da­nach kann der Ar­beit­ge­ber Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen näher be­stim­men, so­weit die­se Ar­beits­be­din­gun­gen nicht durch den Ar­beits­ver­trag, Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ei­nes an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trags oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind. Nach § 106 S. 2 Ge­wO gilt dies auch hin­sicht­lich der Ord­nung und des Ver­hal­tens des Ar­beit­neh­mers im Be­trieb. Die Be­klag­te macht in die­sem Zu­sam­men­hang gel­tend, sie ha­be durch ihr Schrei­ben vom 03.11.2006 in Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts ei­ne Kon­kre­ti­sie­rung der Ar­beits­ver­pflich­tung vor­ge­nom­men, und zwar in der Wei­se, dass die Kläge­rin sich zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt an ei­nem be­stimm­ten Ort zu ei­nem Gespräch mit der Geschäftsführung ein­zu­fin­den ha­be. Wie die Kläge­rin je­doch zu Recht ausführt, lässt sich das Wei­sungs­recht in Be­zug auf Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung nicht vom In­halt der Wei­sung, hier: In­halt des ge­plan­ten Per­so­nal­gesprächs tren­nen. Ge­gen­stand der Wei­sung war nicht die Kon­kre­ti­sie­rung der Ar­beits­pflicht, son­dern die Auf­for­de­rung zum Führen von Ver­trags­ver­hand­lun­gen über ei­ne Ände­rung der gel­ten­den ar­beits­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen. Das Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers nach § 106 Ge­wO um­fasst aber nur die Fest­le­gung der Leis­tungs­pflicht des Ar­beit­neh­mers im Rah­men des gel­ten­den Ar­beits­ver­trags, nicht da­ge­gen den In­halt des Ar­beits­ver­trags selbst bzw. des­sen Ände­rung. Eben­so we­nig wie die Be­klag­te ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, mit der Kläge­rin auf de­ren Wunsch in Ver­hand­lun­gen über ei­ne et­wai­ge Ge­halts­erhöhung ein­zu­tre­ten, war die Kläge­rin ver­pflich­tet, auf Wunsch der Be­klag­ten Ver­hand­lun­gen über

 

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die Abände­rung der ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen auf­zu­neh­men. In­halt des Wei­sungs­rechts ist nicht die Ge­stal­tung der ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen, son­dern le­dig­lich ih­re Ausfüllung, so­weit die be­ste­hen­den Ver­pflich­tun­gen nicht durch Ar­beits­ver­trag, Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ei­nes an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trags oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind. Et­was An­de­res er­gibt sich auch nicht aus der von der Be­klag­ten zi­tier­ten Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm (Ur­teil vom 23.05.2001 – 14 Sa 497/01 – MDR 2001, 1361). Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm in die­ser Ent­schei­dung fest­ge­hal­ten, dass von der Ar­beit­ge­be­rin an­ge­ord­ne­te Per­so­nal­gespräche grundsätz­lich höchst­persönlich wahr­zu­neh­men sind. In dem zu­grun­de lie­gen­den Fall ging es je­doch um ein Per­so­nal­gespräch über die Ar­beits­leis­tung bzw. über die Fra­ge, ob der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer noch in der La­ge war, die Ar­beits­leis­tung tatsächlich zu er­brin­gen. Ein der­ar­ti­ges Gespräch be­trifft an­ders als im vor­lie­gen­den Fall die Ar­beits­leis­tung selbst und nicht ei­ne Re­ge­lung des In­halts der gel­ten­den Ver­trags­ver­ein­ba­run­gen.

Ei­ne Ver­pflich­tung zur Teil­nah­me an dem Per­so­nal­gespräch am 13.11.2006 folgt fer­ner nicht aus ei­ner Ne­ben­pflicht zur Rück­sicht­nah­me auf die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des an­de­ren Ver­trags­teils (zu­meist noch als Treue­pflicht be­zeich­net). Ei­ne sol­che Ver­pflich­tung er­gibt sich ins­be­son­de­re nicht als Pen­dant zu ei­ner Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, in be­stimm­ten Si­tua­tio­nen mit dem Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lun­gen über ei­ne et­wai­ge ein­ver­nehm­li­che Ände­rung des Ar­beits­ver­trags zu führen. Al­ler­dings hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner frühe­ren Recht­spre­chung ei­ne Ob­lie­gen­heit des Ar­beit­ge­bers an­ge­nom­men, mit dem Ar­beit­neh­mer vor Aus­spruch ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung Ver­hand­lun­gen über die Ver­ein­ba­rung veränder­ter Ar­beits­be­din­gun­gen zu führen, nämlich dann, wenn der Ar­beits­platz des Ar­beit­neh­mers aus be­trieb­li­chen Gründen in Weg­fall ge­ra­ten war, gleich­zei­tig aber ein frei­er Ar­beits­platz zu geänder­ten Be­din­gun­gen zur Verfügung stand. (BAG, Ur­teil vom 27.09.1984 – 2 AZR 62/83 – AP 8 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 1985, 455; BAG, Ur­teil vom 07.12.2000 – 2 AZR 391/99 – AP 113 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung = NZA 2001, 495). In­zwi­schen hält das Bun­des­ar­beits­ge­richt an der be­schrie­be­nen Recht­spre­chung nicht mehr fest und ver­langt in der­ar­ti­gen Fällen grundsätz­lich den Aus­spruch ei­ner Ände­rungskündi­gung statt ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung (vgl. BAG, Ur­teil vom 21.04.2005 – 2 AZR 244/04 – AP 80 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 2005, 1294). Er­for­der­lich ist da­mit al­so wei­ter­hin ein Ver­trags­an­ge­bot an den Ar­beit­neh­mer. Hier­aus folgt aber kei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­neh­mers zum Führen von münd­li­chen Ver­trags­ver­hand­lun­gen. Zum ei­nen er­scheint es be­reits zwei­fel­haft, ob aus ei­ner bloßen Ob­lie­gen­heit des Ar­beit­ge­bers zum Führen von Ver­hand­lun­gen mit dem Ar­beit­neh­mer im Ge­gen­zug auf ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­neh­mers zur Teil­nah­me an sol-

 

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chen Ver­hand­lun­gen ge­schlos­sen wer­den. Zum an­de­ren kann (bzw. muss) der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer in die­sen Fällen ein schrift­li­ches Ver­trags­an­ge­bot un­ter­brei­ten, das die­ser an­neh­men oder ab­leh­nen kann. Erklärt sich der Ar­beit­neh­mer ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist nicht zu dem An­ge­bot auf Ver­tragsände­rung, kommt die ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung nicht zu Stan­de. Auf die­se Wei­se ist der Ob­lie­gen­heit eben­falls Genüge ge­tan.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO.

Die Re­vi­si­on war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1. ArbGG zu­zu­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil fin­det, wie sich aus der Ur­teils­for­mel er­gibt, die Re­vi­si­on statt.
Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hen.

Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Post­fach, 99113 Er­furt

oder

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt.

Te­le­fax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

 

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