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LAG Hamburg, Urteil vom 17.09.2009, 8 Sa 33/09
Schlagworte: | Mindestlohn, Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), Erschwerniszulage | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamburg | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 33/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 17.09.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 17.02.2009, 19 Ca 283/08 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, 4 AZR 139/10 |
|
Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes
Geschäftszeichen:
8 Sa 33/09
(19 Ca 283/08 ArbG Hamburg)
In dem Rechtsstreit
Verkündet am:
17. September 2009
Ohde, JOS‘in
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 8. Kammer,
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rühl als Vorsitzenden
den ehrenamtlichen Richter Scholz
die ehrenamtliche Richterin Ellenrieder
für Recht:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17.02.2009 (19 Ca 283/08) wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
3
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil kann Revision bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht.
Die Revisionsschrift muss enthalten:
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird.
Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Die Revision ist zu begründen. Die Revisionsbegründung muss enthalten:
- die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge),
- die Angabe der Revisionsgründe, und zwar,
a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt,
b) soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Die Revision kann nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, oder eine Gewerkschaft, eine Vereinigung von Arbeitgebern oder ein Zusammenschluss solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder einlegen und begründen. Dies gilt entsprechend für juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Frist für die Einlegung der Revision (Notfrist) beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Die Revisionsbegründungsfrist kann auf Antrag einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.
Die Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Hinweis:
1. Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Hugo-Preuß-Platz 1 – 99084 Erfurt
2. Aus technischen Gründen sind die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
3. Zur Möglichkeit der Einlegung der Revision mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung vom 9. März 2006 (BGBl I, 519 ff) hingewiesen.
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1. T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen auf der Grundlage des Gebäudereinigertarifvertrags und der Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung.
Der Kläger ist seit dem 01.01.2004 bei der Beklagten in der Sparte Fahrzeugdienste beschäftigt. Die Beklagte ist zusammen mit anderen D. Servicegesellschaften Teil des D. Konzerns und erbringt Dienstleistungen im Bereich der D. Bei den D. Servicegesellschaften, also auch bei der Beklagten, gelten im wesentlichen für Eisenbahn- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen verhandelte und abgeschlossene Tarifverträge, die sie auf ihre Arbeitsverhältnisse anwendet. Entgeltregelungen finden sich namentlich im Entgeltrahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Gesellschaften des Geschäftsfelds Services im Unternehmensbereich Dienstleistungen (ERTV D. Services, Anl. B 5, Bl. 113 – 122 d.A.). Die Anlage 2 zum Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der D. Services Nord GmbH (ETV D. Services Nord, Anl. B 6, Bl. 123 – 127 d.A.) enthält die Lohntabelle für gewerbliche Arbeitnehmer des Bereichs Gebäude- und Verkehrsdienste. Für die Entgeltgruppe A 3, welcher der Kläger angehört, belief sich der Stundenlohn ab dem 01.04.2005 auf € 7,56; seit dem 01.04.2008 beträgt er € 7,90. Bei dem ERTV D. Services und dem ETV D. Services Nord handelt es sich um firmenbezogene Verbandstarifverträge. Die Beklagte gewährt dem Kläger weitere Entgeltbestandteile, nämlich tarifliche Einmalzahlungen, eine Verkehrsmittelzulage in Höhe von € 0,76 (bis März 2008) bzw. € 0,79 (ab April 2008) je Stunde, eine jährliche Zuwendung, Urlaubsgeld sowie vermögenswirksame Leistungen. Die Einmalzahlungen beruhen auf dem 2. Tarifvertrag zur Änderung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der D. Services Nord GmbH (2. ÄnderungsTV D. Services Nord, Anl. B 10, Bl. 207 - 214 d.A.), nach dessen § 3 I der Arbeitnehmer mit der Entgeltzahlung für August 2007 eine „Erhöhung der Ergebnisbeteiligung als Einmalzahlung für besondere Leistung“ in Höhe von € 600,- erhält, Nach § 4 I dieses Tarifvertrags erhält der Arbeitnehmer eine „konjunkturbedingte Sonderzahlung“ in Höhe von € 150,- mit der Entgeltzahlung für den Monat Januar 2008. Der Tarifvertrag garantiert dem Arbeitnehmer einen Bruttoentgeltzuwachs im Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 30.09.2009 in Höhe von € 1.500,-; dieser Betrag vermindert sich
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um € 600,- bzw. € 150,-, wenn der Arbeitnehmer keine Erhöhung der Ergebnisbeteiligung bzw. konjunkturbedingte Sonderzahlung erhalten hat (§ 5 I 2. Änderungs-TV D. Services Nord). Die Verkehrsmittelzulage wird allen Arbeitnehmern gewährt, die in der Sparte Fahrzeugdienste als Fahrzeugreiniger beschäftigt sind. Gemäß § 11 ERTV D. Services erhält der Kläger jährlich im November eine Zuwendung („Weihnachtsgeld“), die sich in der Sparte, welcher der Kläger angehört, auf das 75-fache des Stundenlohns beläuft. Eine entsprechende Zahlung erhielt der Kläger mit dem Entgelt für November 2007. Darüber hinaus erhält der Kläger gemäß § 10 ERTV D. Services für jeden genommenen Urlaubstag ein Urlaubsgeld in Höhe von € 15,34. Während der Laufzeit des Tarifvertrags über die Anpassung der Beschäftigungsbedingungen für die Arbeitnehmer der D. Services Regionalgesellschaften des Unternehmensbereich Dienstleistungen (BeSiAnpassungsTV D. Services Regionalgesellschaften, Anl. B 8, Bl. 184f d.A.) gilt dies allerdings erst am dem sechsten Urlaubstag; diese Regelung steht im Zusammenhang mit dem Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeSiTV, Anl. B 7, Bl. 128 – 175 d.A.), der den davon betroffenen Beschäftigten, auch dem Kläger, aufgrund tariflicher Kündigungsbeschränkungen eine gewisse Beschäftigungsgarantie gewährt.
Mit Bekanntmachung vom 19.03.2004 (Anl. B 1, Bl. 80 f. d.A.) wurde der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigen in der Gebäudereinigung (RahmenTV Gebäudereinigung) vom 04.10.2003 (Anl. B 2, Bl. 84 bis 103 d.A.) mit Wirkung vom 01.04.2004 in wesentlichen Teilen für allgemeinverbindlich erklärt. Dieser sieht in § 3 Punkt 3.7 Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit vor. Mit Bekanntmachung vom 21.04.2004 (Anl. B 1, Bl. 82 f. d.A.) wurde auch der Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung (LohnTV Gebäudereinigung) vom 04.10.2004 (Anl. B 3, Bl. 104 – 112 d.A.) mit Wirkung vom 01.04.2004 für allgemeinverbindlich erklärt. Dieser sieht in § 2 („Löhne“) für Hamburg ab dem 01.01.2005 in der Lohngruppe 1 einen Stundenlohn von € 7,87 vor, der mit Wirkung zum 01.03.2008 auf € 8,15 € erhöht wurde. Der LohnTV Gebäudereinigung trat mit Ablauf des 29.02.2008 außer Kraft (Bekanntmachung vom 06.06.2008, Anl. B 11). Im Gebäudereinigerhandwerk wurde inzwischen eine Regelung über die Gewährung eines Urlaubsgeldes eingeführt; für allgemeinverbindlich wurde sie jedoch nicht erklärt.
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Am 01.07.2007 trat das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in Kraft, wodurch unter anderem die Bestimmungen des § 1 I AEntG auf das Gebäudereinigerhandwerk erstreckt wurden. Mithin bezieht sich seitdem auch die Verordnungsermächtigung des § 1 III a i.V.m. I AEntG auf das Gebäudereinigerhandwerk. Hiervon machte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch und erließ am 27.02.2008 die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gebäudereinigerhandwerk (Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung), die zum 01.03.2008 in Kraft trat. Nach ihrem § 1 Satz 1 finden die in der Anlage zu der Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 09.10.2007 auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung, die unter seinen am 01.03.2008 gültigen Geltungsbereich fallen. Die Parteien ziehen nicht in Zweifel, dass sie unter diesen Geltungsbereich fallen. Zu den nach der Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung geltenden Vorschriften des TV Mindestlohn gehört auch dessen § 2 Nr. 1 Buchst. a), wonach mit Wirkung vom 01.01.2008 der Stundenlohn der Lohngruppe 1 in Hamburg € 8,15 beträgt. Er sieht jedoch nicht die Zahlung von Nacht-, Sonn- und Feiertags- sowie Überstundenzuschlägen vor.
Die Beklagte gewährt seit Anfang 2008 ihren Arbeitnehmern, die nach den D. Services Tarifverträgen den Mindestlohn nicht erreichen, einen sogenannten Mindestlohnausgleich („MLA“). Diesen stellt die Beklagte als übertarifliche Leistung dar und bemisst ihn der Höhe nach als Differenz zwischen dem Mindestlohn des Gebäudereinigerhandwerks im Sinne des AEntG und den Entgeltbestandteilen der Tarifverträge D. Services, soweit die Beklagte sie als mindestlohnwirksam ansieht. Der Kläger erhält keinen Mindestlohnausgleich zum Stundenlohn, wohl aber zusätzlich zum Mehrarbeitszuschlag von 25 % auf den Stundenlohn nach dem ETV D. Services Nord einen weiteren Mehrarbeitszuschlag. Dieser in den Entgeltabrechnungen als „Überst. 25 % MLA“ bezeichnete Zuschlag beträgt 25 % der Differenz zwischen dem Stundenlohn nach dem ETV D. Services Nord von € 7,90 und dem Mindeststundenlohn von € 8,15. Einen solchen Mindestlohnausgleich erhielt der
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Kläger im März 2008. Außer in diesem Monat erbrachte er ausweislich der jeweiligen Entgeltabrechnungen Überstunden im September und Dezember 2007.
Der Kläger macht Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von Juli 2007 bis April 2008 geltend. Für diesen Zeitraum gewährte ihm die Beklagte gemäß ihren Abrechnungen (Anl. K 1, Bl. 8 – 19 d.A.) einen Stundenlohn von € 7,56 € (bis März 2008) bzw. von € 7,90 (für April 2008) sowie teilweise Sonn-, Feiertags- und Nachtschichtzuschläge, ferner Lohnfortzahlung, Urlaubslohn und Überstundenvergütung. Der Kläger fordert die Berechnung und Leistung seiner Arbeitsvergütung statt auf der Grundlage des ihm gewährten Stundenlohnes auf der Grundlage von § 1 I AEntG in Verbindung mit dem Lohntarifvertrag in der Gebäudereinigung (bis Dezember 2007) bzw. § 1 III a AEntG in Verbindung mit der Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung und dem TV Mindestlohn (ab Januar 2008). So gelangt der Kläger für jeden Monat zu weitergehenden Vergütungsansprüchen, auf deren Berechnung in der Klageschrift vom 22.08.2008 (Bl. 3 – 6 d.A.) Bezug genommen wird. Im Einzelnen fordert der Kläger weitergehende Vergütung für Zeitlohn, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtschichtzuschläge, Lohnfortzahlung, Urlaubslohn sowie Überstunden. Der Kläger beschränkt seine Beanstandung auf die Positionen des Zeitlohns und der Zuschläge. Dabei errechnet er die Differenz aus dem geforderten Stundenlohn von € 7,87 bzw. € 8,15 und dem von der Beklagten gewährten Stundenlohn von € 7,65 bzw. € 7,90. Die von der Beklagten in den Abrechnungen ausgewiesenen und gezahlten Zuschläge berechnet der Kläger ebenfalls auf der Grundlage des geforderten Stundenlohns, der Höhe – also dem Prozentsatz – nach jedoch nach Maßgabe der firmenbezogenen Verbandstarifverträge bei der Beklagten. Würde die von der Beklagten gewährte Verkehrsmittelzulage als mindestlohnwirksam angesehen, so ergäben sich im Fall des Klägers bereits damit in Hinblick auf den Stundenlohn (Zuschläge aller Art außer Betracht gelassen) keine Zahlungsansprüche, denn die in den einzelnen streitgegenständlichen Monaten an Verkehrsmittelzulage gewährten Beträge übersteigen die von dem Kläger für die jeweiligen Monate geforderten Differenzbeträge. So wurde dem Kläger beispielsweise gemäß Abrechnung für den Monat Juli 2007 ein Zeitlohn für 155 Stunden bei einem Stundenlohn von € 7,56 zuzüglich € 0,76 Verkehrsmittelzulage, mithin ein Betrag von € 1.289,60 gewährt, während bei einem Stundenlohn gemäß
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Lohntarifvertrag der Gebäudereinigung von € 7,87 für dieselbe Stundenzahl ein Betrag von € 1.219,85 zu zahlen gewesen wäre.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach Aufnahme der Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks in die Regelungen des AEntG zum 01.07.2007 stünden ihm weitergehende Vergütungsansprüche aufgrund der Differenz zwischen dem Stundenlohn nach den allgemeinverbindlichen Gebäudereinigertarifverträgen und dem ETV D. Services Nord zu. Soweit die Lohnbestimmungen der Gebäudereinigertarifverträge nicht entsenderechtlich zwingend seien, kämen die Arbeitsbedingungen des spezielleren Tarifvertrags, also des ERTV D. Services bzw. des ETV D. Services Nord, zur Anwendung. Die Einmalzahlungen, jährlichen Zuwendungen, das Urlaubsgeld, die vermögenswirksamen Leistungen sowie die Verkehrsmittelzulage seien nicht als mindestlohnwirksame Entgeltbestandteile zu qualifizieren. Bei den Einmalzahlungen folge dies bereits aus ihrer tarifvertraglichen Bezeichnung und ihrem Einmalcharakter. Die Verkehrsmittelzulage sei eine Erschwerniszulage für die Arbeit, die in der Fahrzeugreinigung geleistet werde, und gehöre damit nicht zur Normalleistung. Die jährliche Zuwendung diene der Belohnung der Betriebstreue; zumindest habe sie Mischcharakter, da sie nicht nur zusätzliche Vergütung sei. Sie sei nicht mindestlohnrelevant, weil sie nicht unwiderruflich geleistet werde, sondern bei vorzeitigem Ausscheiden zurückgefordert werden könne.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 760,32 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitsverhältnis auf Basis eines Mindestentgelts pro Stunde von € 8,15 brutto unter Berücksichtigung des monatlichen Leistungsumfanges abzurechnen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, Ansprüche auf weitergehende Vergütung bestünden nicht. Die Tarifkonkurrenz, die aufgrund der Geltung der allgemeinverbindlichen Gebäudereinigertarifverträge und der eigenen firmenbezogenen Verbandstarife entstehe, sei nach dem Spezialitätsgrundsatz dahin zu lösen, dass letztere als das für die gesamte Belegschaft speziellere Tarifwerk anzuwenden seien. Dies müsse auch im Geltungsbereich des § 1 I AEntG gelten. Wenn die Rechtsprechung des BAG im Geltungsbereich des AEntG gleichwohl die Regelungen des allgemeinverbindlichen Tarifwerks anwenden wolle, stoße dies auf verfassungsrechtliche Bedenken, weil die gleichzeitige Geltung von Mindestlohntarifverträgen und von Regelungen firmenbezogener Verbandstarifverträge das Tarifgefüge aus dem Gleichgewicht bringe und so zu untragbaren Verwerfungen führe. Doch könne dies allenfalls für den entsenderechtlich zwingenden Teil des allgemeinverbindlichen Tarifwerks gelten. Auch dann aber kämen im Anwendungsbereich des AEntG die eigenen Tarifverträge der Beklagten zur Anwendung, weil diese günstiger seien als der entsenderechtlich geltende Teil der allgemeinverbindlichen Gebäudereinigertarifverträge. Innerhalb der auf den Arbeitslohn zu beschränkenden Sachgruppe seien die firmenbezogenen Verbandstarifverträge der Beklagten günstiger; bei diesem Vergleich dürften nur die entsenderechtlich zu fordernden Entgeltbestandteile den als mindestlohnwirksam zu betrachtenden gewährten Lohnbestandteilen gegenübergestellt werden. Die Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung sei ebenso wie die Post-Mindestlohnverordnung unwirksam, weil sie ihre Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG überschreite, denn während nach dieser die Verordnung nur für Außenseiter gelten könne, erstrecke die Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung die Wirkungen des TV Mindestlohn auf alle nicht an ihn gebundenen, also auch auf anderweitig tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien.
Jedenfalls gewähre die Beklagte bei richtiger Betrachtung mehr als den Mindestlohn, weil ein Vergleich des Mindestlohns mit dem gewährten Lohn nicht auf den Stundengrundlohn beschränkt werden dürfe. Es seien weitere Lohnbestandteile in den Vergleich als mindestlohnwirksam einzubeziehen, nämlich die tariflichen Einmalzahlungen, die Verkehrsmittelzulage in Höhe von € 0,76 bzw. € 0,79 je Stunde, die jährliche Zuwendung und das Urlaubsgeld. Unabhängig von der Bezeichnung der tariflichen Einmalzahlungen gemäß 2. ÄnderungsTV D. Services Nord seien diese Beträge Teil der Entgeltrunde 2007 gewesen, mit denen die Tarifvertragsparteien das Ziel verfolgt hätten, rechnerisch das Stundenentgelt nach dem Ablauf der bisherigen Stundenlohntabellen zu erhöhen. Da sich diese Einmalzahlungen als pauschale Tariflohnerhöhung darstellten und rechnerisch das Stundenentgelt erhöhen sollten, seien sie ratierlich für die jeweiligen Monate, in denen der Bruttoentgeltzuwachs garantiert werden sollte, zu berücksichtigen, also die Einmalzahlung in Höhe von € 600,- für die Monate Juli bis Dezember 2007 mit jeweils € 100,- und die Einmalzahlung in Höhe von € 150,- für die Monate Januar bis März 2008 mit jeweils € 50,-. Auch die Verkehrsmittelzulage sei mindestlohnwirksam. Sie sei fester Entgeltbestandteil und keine Erschwerniszulage, denn mit ihr solle nicht eine vorübergehende besondere Tätigkeit entlohnt werden, sondern die Normalleistung. Die tarifliche Vereinbarung einer Verkehrsmittelzulage für Arbeitnehmer der Sparte Fahrzeugdienste sei ebenso gut möglich gewesen wie und daher nicht anders zu behandeln als ein je nach Sparte unterschiedlicher Stundengrundlohn. Mindestlohnwirksam seien ferner die
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jährliche Zuwendung und das Urlaubsgeld. Ihre Unwiderruflichkeit zeige sich daran, dass es eine Rückzahlungspflicht, etwa im Fall des vorzeitigen Ausscheidens, nicht gebe.
Wenngleich der RahmenTV Gebäudereinigung gewisse Zuschläge vorsieht, könne der Kläger daraus keine Ansprüche herleiten, weil die diesbezüglichen Tarifnormen mit Ausnahme der Überstundenzuschläge nicht zu den nach § 1 I AEntG („Mindestentgeltsätze einschließlich Überstundensätze“) entsenderechtlich geltenden Tarifvertragsnormen gehörten. Außerhalb des AEntG aber würden die Vorschriften des RahmenTV Gebäudereinigung durch die spezielleren Vorschriften der firmenbezogenen Verbandstarifverträge der Beklagten verdrängt. Da der TV Mindestlohn nicht die Zahlung von Nacht-, Sonn- und Feiertags- sowie Überstundenzuschlägen vorsieht, könne sich die Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zuschläge nicht nach dem Stundenlohn des TV Mindestlohn richten.
Der Antrag zu 2. sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, da der Kläger die vorrangige Leistungsklage zu erheben habe. Ferner sei der Antrag nicht hinreichend bestimmt, weil die Parteien gerade darüber stritten, welche Entgeltbestandteile zu
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berücksichtigen sind, wenn es um die Frage geht, ob ein Stundenlohn von € 8,15 brutto gezahlt wird.
Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsantrag als unbegründet und den Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen. Ob die nach § 1 I und III – V AEntG geltenden Tarifverträge tatsächlich anwendbar seien oder durch die unternehmensbezogenen Verbandstarifverträge der Beklagten verdrängt würden, bedürfe im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Das gleiche gelte für die Frage, ob die Gebäudereiniger-Mindestlohnverordnung wirksam sei. Falls die durch das AEntG in Bezug genommenen Tarifverträge Anwendung fänden, wären die sich darauf ergebenden Ansprüche des Klägers jedenfalls durch Erfüllung erloschen. Bei der Frage, ob einem Arbeitnehmer der garantierte Mindestlohn gewährt worden sei, seien alle Zahlungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen, die das arbeitsvertragliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers veränderten. Dazu gehöre im vorliegenden Fall insbesondere die Verkehrsmittelzulage, durch deren Einbeziehung der gesetzlich garantierte Mindestlohn bereits überschritten worden sei. Die Verkehrsmittelzulage sei keine Erschwerniszulage. Der Feststellungsantrag sei unzulässig, da der Kläger für den genannten Zeitraum ohne Weiteres eine Leistungsklage erheben könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 274 – 283 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das am 17.02.2009 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20.03.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.04.2009 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10.06.2009 – an diesem Tag begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung sei die Verkehrsmittelzulage nicht als mindestlohnrelevant anzusehen. Bereits auf Grund der konkreten Bezeichnung in § 9 ERTV D. Service handele es sich um eine Erschwerniszulage, die nicht an Arbeitnehmer in der Sparte Fahrzeugdienste gezahlt werde, die in der Hallen- oder Unterhaltsreinigung, als Platzreservierer oder mit Müllabfuhr beschäftigt würden. Im Hinblick auf die Umsetzungsklausel in § 4 II MTV D. Services könne der Kläger
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jederzeit in den Bereichen eingesetzt werden, in denen keine Verkehrsmittelzulage gezahlt werde. Falls die Verkehrsmittelzulage, wie vom Arbeitsgericht angenommen, fester Lohnbestandteil sei, sei sie jedenfalls bei den am Stundenlohn anknüpfenden Zulagen zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17.02.2009 (19 Ca 283/08) zu verurteilen, an den Kläger € 760, 32 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I. Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage zu Recht abgewiesen, weil ein etwaiger Zahlungsanspruch des Klägers jedenfalls durch Erfüllung erloschen wäre. Die dem Kläger gewährte Vergütung liegt über dem von ihm beanspruchten Mindestlohn. Die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Geltung der Mindestlohnregelungen für den Kläger aufgeworfen Rechtsfragen sind daher für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Die Berufungskammer folgt den Gründen des Arbeitsgerichts im
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angefochtenen Urteil und macht sich diese gemäß § 69 II ArbGG zu eigen. Die Ausführungen der Berufung erfordern nur ergänzende Anmerkungen.
1) Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt, wie sich aus den zutreffenden Berechnungen des Arbeitsgerichts ergibt, davon ab, ob die dem Kläger gewährte Verkehrsmittelzulage bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob dem Kläger der von ihm beanspruchte Mindestlohn gewährt worden ist. Dabei ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, dass die Zulage nur an Arbeitnehmer gezahlt wird, die in der Verkehrsmittelreinigung tätig sind zum Ausgleich für die mit dieser Tätigkeit einhergehenden Erschwernisse. Es handelt sich somit um eine Erschwerniszulage. Am Ergebnis ändert das nichts.
a) Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und die auf Grund dessen § 1 III a ergangenen Verordnungen verfolgen den Zweck, Arbeitnehmern Mindestarbeitsbedingungen zu garantieren. Für die Frage, ob einem Arbeitnehmer im konkreten Fall mindestens die gesetzlich garantierten Arbeitsbedingungen gewährt werden, sind diese mit den im konkreten Fall vereinbarten Arbeitsbedingungen zu vergleichen. Dabei ist auf die Grundsätze zurückzugreifen, die das Bundesarbeitsgericht beim Günstigkeitsvergleich von tariflichen und vertraglichen Regelungen nach § 4 III TVG herausgearbeitet hat. Danach ist ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen. Vergleichbar sind die Regelungen, die miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BAG v. 20.04.1999 – 1 ABR 72/98 – BAGE 91, 210 = NZA 99, 887, Tz 112). Beim Vergleich von unterschiedlichen Leistungen kommt es darauf an, ob diese funktional gleichwertig sind.
Funktional gleichwertig für die Sicherung eines Mindesteinkommens des Arbeitnehmers sind alle Zahlungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen. Dazu gehören auch Zulagen und Sonderzahlungen, für die der Arbeitnehmer außer der Arbeitsleistung keine weitere Gegenleistung (z. B. Betriebstreue) zu erbringen hat. Ob eine Zulage ein „relativ selbständiger Vergütungsbestandteil“ ist, worauf das BAG im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs nach § 4 III TVG abgestellt hat (BAG v. 10.12.1965 – 4 AZR 411/65 – BAGE 18, 22) kommt es nicht an, sofern auch der selbständige
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Vergütungsbestandteil dem Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung zufließt (vgl. BAG v. 05,08.2009 – 10 AZR 634/08 – juris, Tz 20 für § 4 TzBfG).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die Verkehrsmittelzulage bei der Frage, ob dem Kläger der gesetzlich garantierte Mindestlohn gewährt wird, zu berücksichtigen, obwohl es sich – nunmehr unstreitig – um eine Erschwerniszulage handelt. Auch eine Erschwerniszulage ist Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, stehen für die Festlegung eines Entgelts für eine überdurchschnittlich schwierige Arbeitsleistung regelmäßig mehrere Gestaltungsformen zur Verfügung. Die Merkmale der schwierigeren Tätigkeit können entweder als Voraussetzung für eine höhere Grundvergütung oder – ausgehend von einer allgemeinen Tätigkeit – als Voraussetzung für eine Zulage festgelegt werden. Für die Frage, welches Entgelt dem Arbeitnehmer zur Sicherung seiner Existenz zur Vergütung steht, sind beide Gestaltungsformen als gleichwertig zu beurteilen.
Etwas andere ergibt sich auch nicht aus der Möglichkeit der Beklagten, dem Kläger in Ausübung ihres Direktionsrechts eine Tätigkeit zuzuweisen, bei der die Verkehrsmittelzulage entfiele. Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist dem Kläger die Verkehrsmittelzulage endgültig zugeflossen. Die Möglichkeit einer Rückforderung seitens der Beklagten besteht nicht. Das unterscheidet die Verkehrsmittelzulage von unter Vorbehalt geleisteten Sonderzahlungen. Die Frage, ob dem Kläger auch nach einer Umsetzung der garantierte Mindestlohn gewährt werden würde, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.
III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.
Ellenrieder
Rühl
Scholz
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