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GmS-OGB, Be­schluss vom 27.09.2010, GmS-OGB 1/09

   
Schlagworte: Insolvenzanfechtung, Insolvenzanfechtung: Rechtsweg
   
Gericht: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes
Aktenzeichen: GmS-OGB 1/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 27.09.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Bundesgerichtshof
Beschluss vom 02.04.2009, IX ZB 182/08
   

GE­MEINSA­MER SE­NAT
DER OBERS­TEN GERICH­TSHÖFE
DES BUN­DES


BESCHLUSS

GmS-OGB 1/09


vom
27. Sep­tem­ber 2010

in dem Rechts­streit

Nach­schla­ge­werk: ja
BGHZ: ja
BA­GE: ja


GVG § 13; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a; In­sO §§ 129 ff.


Für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners auf Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO ist der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben.


GmS-OGB, Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2010 - GmS-OGB 1/09 - Bun­des­ge­richts­hof Be­schluss vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08

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Der Ge­mein­sa­me Se­nat der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des hat am 27. Sep­tem­ber 2010 oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten des Bun­des­fi­nanz­hofs Dr. h.c. Spind­ler - als Vor­sit­zen­den -,
des Präsi­den­ten des Bun­des­ge­richts­hofs Prof. Dr. Tolks­dorf,
der Präsi­den­tin des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts Eckertz-Höfer,
des Präsi­den­ten des Bun­des­so­zi­al­ge­richts Ma­such,
der Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt,
des Vor­sit­zen­den Rich­ters am Bun­des­ge­richts­hof Dr. Gan­ter,
des Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge,
des Rich­ters am Bun­des­ge­richts­hof Prof. Dr. Kay­ser und
des Rich­ters am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Biebl

be­schlos­sen:

Für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners auf Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Vergü¬tung nach § 143 Abs. 1 In­sO ist der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben.

Gründe:

I. Der Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens ist In­sol­venz­ver­wal­ter in dem am 10. Sep­tem­ber 2007 eröff­ne­ten In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen des Bau­un­ter­neh­mers B. N. (im Fol­gen­den: Schuld­ner). Der Be­klag­te war bis zu sei­ner frist­lo­sen Ei­genkündi­gung am 25. Mai 2007 Ar­beit­neh­mer des


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Schuld­ners. Sei­nen Lohn für De­zem­ber 2006 er­hielt er am 8. März 2007. Den Lohn für Ja­nu­ar 2007 zahl­te der Schuld­ner in drei Teil­beträgen am 13. und 26. April 2007 (je­weils 500,00 Eu­ro) so­wie 464,31 Eu­ro am 11. Mai 2007. Sei­nen Lohn für Fe­bru­ar 2007 in Höhe von 1.237,06 Eu­ro er­hielt der Be­klag­te am 25. Ju­ni 2007. Mit Schrei­ben vom 1. Ok­to­ber 2007 hat der Kläger die Lohn­zah­lun­gen des Schuld­ners für Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2007 "gem. § 130 In­sO" an­ge­foch­ten und mit sei­ner am 7. Fe­bru­ar 2008 zum Amts­ge­richt K. er­ho­be­nen Kla­ge die Rück­gewähr der Vergütung für die Mo­na­te Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2007 in Höhe von ins­ge­samt 2.701,37 Eu­ro nach § 143 Abs. 1 In­sO gel­tend ge­macht.

Das Amts­ge­richt K. hat mit Be­schluss vom 29. Mai 2008 den Rechts­weg zu den Zi­vil­ge­rich­ten für un­zulässig erklärt und den Rechts­streit an
das Ar­beits­ge­richt B. ver­wie­sen. Das Land­ge­richt B. hat die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Klägers zurück­ge­wie­sen und die Rechts­be­schwer­de zu-ge­las­sen. Der IX. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat der Rechts­be­schwer­de statt­ge­ben wol­len. Er hat sich an ei­ner sol­chen Ent­schei­dung ge­hin­dert ge­se­hen, weil er da­mit von der Recht­spre­chung des Fünf­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Be­schluss vom 27. Fe­bru­ar 2008 - 5 AZB 43/07, BA­GE 126, 117 und vom 31. März 2009 - 5 AZB 98/08, ZIP 2009, 831) ab­ge­wi­chen wäre. Da­nach ist der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen eröff­net, wenn der In­sol­venz­ver­wal­ter vom Ar­beit­neh­mer Rück­zah­lung der vom Schuld­ner vor In­sol­ven­zeröff­nung ge­leis­te­ten Vergütung we­gen An­fecht­bar­keit der Erfüllungs­hand­lung (§§ 129 ff. In­sO) for­dert. Der IX. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat da­her mit Be­schluss vom 2. April 2009 (IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 = NZA 2009, 571) dem Ge­mein­sa­men Se­nat der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des die Fra­ge vor­ge­legt:
 


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"Ist für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners aus In­sol­venz­an­fech­tung der or­dent­li­che Rechts­weg auch dann ge­ge­ben, wenn die An­fech­tung ei­ne vom Schuld­ner ge­leis­te­te Vergütung be­trifft?"

II. Die Vor­la­ge ist zulässig, § 2 Abs. 1 des Ge­set­zes zur Wah­rung der Ein­heit­lich­keit der Recht­spre­chung der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des - RsprEinhG - vom 19. Ju­ni 1968 (BGBl. I S. 661).


Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs über den Rechts­weg im Aus­gangs­ver­fah­ren hängt von der Fra­ge ab, ob für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters auf Rück­gewähr der von dem Schuld­ner an ei­nen Ar­beit­neh­mer vor In­sol­ven­zeröff­nung ge­leis­te­ten Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO der Rechts-weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten oder der zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben ist. Während der IX. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs den Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten be­ja­hen und der Rechts­be­schwer­de statt­ge­ben will, wäre die Rechts­be­schwer­de nach der Recht­spre­chung des Fünf­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts zurück­zu­wei­sen. Die­ser hat sich der Rechts­auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats auch nicht an­ge­schlos­sen, § 14 RsprEinhG (vgl. BAG, Be­schluss vom 15. Ju­li 2009 - GmS-OGB 1/09, ZIP 2009, 1687 = DB 2009, 1828). Da­mit be­steht zwi­schen den be­tei­lig­ten Se­na­ten ei­ne Di­ver­genz in ei­ner für das Aus­gangs­ver­fah­ren ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­ge.


III. Der Ge­mein­sa­me Se­nat be­ant­wor­tet die vor­ge­leg­te Rechts­fra­ge da­hin, dass für die Kla­ge des In­sol­venz­ver­wal­ters ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer des Schuld­ners auf Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben ist. Es

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han­delt sich um ei­ne bürger­li­che Rechts­strei­tig­keit zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber aus dem Ar­beits­verhält­nis, § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG.

1. Strei­tig­kei­ten der in der Vor­la­ge­fra­ge be­zeich­ne­ten Art sind bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten im Sin­ne des § 2 ArbGG und des § 13 GVG. Das steht zwi­schen den be­tei­lig­ten Se­na­ten außer Streit und ent­spricht der ständi­gen Recht­spre­chung des Ge­mein­sa­men Se­nats zur Ab­gren­zung öffent­lich- und bürger­lich-recht­li­cher Strei­tig­kei­ten (vgl. Ge­mein­sa­mer Se­nat, Be­schluss vom 29. Ok­to­ber 1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280; Be­schluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 , BGHZ 97, 312, je­weils mwN).

2. Ob für ei­ne bürger­li­che Rechts­strei­tig­keit der Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten oder der zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben ist, be­stimmt sich nach dem pro­zes­sua­len Streit­ge­gen­stand. Erfüllt die­ser ei­nen der Tat­bestände der §§ 2 ff. ArbGG, ist der - ei­ne aus­sch­ließli­che Zuständig­keit be­gründen­de - Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen eröff­net.

a) Nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Se­nats ist rechts­weg­be­stim­mend der an­fech­tungs­recht­li­che Rück­gewähran­spruch. Bei ihm han­de­le es sich um ei­nen ori­ginären ge­setz­li­chen An­spruch des In­sol­venz­ver­wal­ters, der mit des­sen Amt un­trenn­bar ver­bun­den sei und mit Be­en­di­gung des In­sol­venz­ver­fah­rens erlösche. Die Rück­gewähr­pflicht des Ar­beit­neh­mers ha­be ih­re Grund­la­ge nicht im Ar­beits­recht, für das die Tat­bestände der §§ 2 ff. ArbGG ein­schlägig sei­en, son­dern al­lein im In­sol­venz­recht. Dem Ver­trags­ar­beit­ge­ber ste­he der An­fech­tungs­an­spruch gleichgültig, ob außer­halb der In­sol­venz nach dem An­fech­tungs­ge­setz oder in­ner­halb des In­sol­venz­ver­fah­rens nach der In­sol­venz­ord­nung, nie­mals zu. Die §§ 129 ff. In­sO be­gründe­ten ein ge­setz­li­ches Schuld­verhält­nis oh­ne Rück­sicht auf ein in der In­sol­venz fort­be­ste­hen­des oder ein frü-
 


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he­res Ar­beits­verhält­nis zum In­sol­venz­schuld­ner. Nor­madres­sa­ten die­ses Schuld­verhält­nis­ses sei­en we­der der In­sol­venz­ver­wal­ter ge­ra­de auch in sei­ner Ar­beit­ge­ber­funk­ti­on noch der Gläubi­ger ge­ra­de auch als Ar­beit­neh­mer. Der Ar­beits­ver­trag bil­de nur den tat­be­stand­li­chen An­knüpfungs­punkt für den erst mit Ver­fah­ren­seröff­nung ent­ste­hen­den Rück­gewähran­spruch aus § 143 In­sO. Ei­ne Rück­ab­wick­lung der ar­beits­recht­li­chen Leis­tungs­be­zie­hung lie­ge nicht vor, weil die­se nur zwi­schen den Par­tei­en des ursprüng­li­chen Leis­tungs­verhält­nis­ses er­fol­gen könne. Dar­an feh­le es bei der In­sol­venz­an­fech­tung.

b) Dem folgt der Ge­mein­sa­me Se­nat nicht. Streit­ge­gen­stand im Aus­gangs­ver­fah­ren und in Strei­tig­kei­ten der in der Vor­la­ge­fra­ge be­zeich­ne­ten Art ist der An­spruch des In­sol­venz­ver­wal­ters auf Rück­gewähr der vom Schuld­ner ge­leis­te­ten Vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO, nicht die in­sol­venz­recht­li­che An­fech­tung als sol­che. Für die vor­ge­leg­te Rechts­fra­ge ist des­halb die Rechts­na­tur des An­fech­tungs­rechts nach den §§ 129 ff. In­sO oh­ne Be­lang.


3. Der Streit über die Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Ar­beits­vergütung nach § 143 Abs. 1 In­sO ist ei­ne Rechts­strei­tig­keit aus dem Ar­beits­verhält­nis.


a) Rechts­strei­tig­kei­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis sind nach ganz herr­schen­der Mei­nung sol­che, die ei­nem Ar­beits­verhält­nis ent­sprin­gen, das zur Zeit der Kla­ge be­steht, zu­vor be­stan­den hat oder be­gründet wer­den soll­te (vgl. nur GMP/Mat­thes/Schlewing, ArbGG, 7. Aufl., § 2 Rn. 53; ErfK/Koch, 10. Aufl., ArbGG, § 2 Rn. 17). Da­bei ist es oh­ne Be­deu­tung, auf wel­che ma­te­ri­ell-recht­li­che An­spruchs­grund­la­ge der Kla­ge­an­spruch gestützt wird. Ent­schei­dend ist die en­ge Ver­knüpfung ei­nes Le­bens­vor­gangs mit dem Ar­beits­verhält­nis
 


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(BAG, Ur­teil vom 19. März 2009 - 6 AZR 557/07 Rn. 25, ZIn­sO 2009, 1312; Ur-teil vom 21. Ja­nu­ar 2010 - 6 AZR 556/07 Rn. 19, DB 2010, 675, je­weils mwN).


Die Rück­gewähr ver­dien­ten Ar­beits­ent­gelts nach § 143 Abs. 1 In­sO, das der Be­klag­te als in der Re­gel vor­leis­tungs­pflich­ti­ger Ar­beit­neh­mer (§ 614 BGB) auf­grund sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und in Erfüllung der sich dar­aus er­ge­ben­den bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten er­hal­ten hat, ist auf die Rück­ab­wick­lung ei­ner ar­beits­recht­li­chen Leis­tungs­be­zie­hung ge­rich­tet: Der Mas­se soll im In­ter­es­se der Gläubi­ger wie­der zu­geführt wer­den, was ihr im Rah­men der ar­beits­recht­li­chen Aus­tausch­be­zie­hung zwi­schen späte­rem Schuld­ner und Ar­beit­neh­mer in - aus der Sicht des In­sol­venz­ver­wal­ters - an­fecht­ba­rer Wei­se ent­zo­gen wur­de. Die wirk­sa­me An­fech­tung ermöglicht dem In­sol­venz­ver­wal­ter, in die ar­beits­recht­li­che Leis­tungs­be­zie­hung kor­ri­gie­rend ein­zu­grei­fen. Der Ar­beit­neh­mer muss zu­guns­ten der Mas­se das ver­dien­te Ar­beits­ent­gelt zurück­gewähren. Im Ge­gen­zug lebt nach § 144 Abs. 1 In­sO sein Vergütungs­an­spruch wie­der auf. Der Ar­beit­neh­mer muss nun­mehr sei­ne For­de­rung nach § 174 In­sO zur Ta­bel­le an­mel­den und kann bei Be­strei­ten Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 180 In­sO er­he­ben, für die der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen eröff­net ist, § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG in Ver­bin­dung mit § 185 In­sO.

b) Ein sol­ches Verständ­nis der Vor­aus­set­zung ei­ner Rechts­strei­tig­keit "aus dem Ar­beits­verhält­nis" ge­bie­tet auch der Zweck der Zu­wei­sung des Rechts­wegs an die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen. Die Ar­beits­ge­richts­bar­keit zeich­net sich ne­ben der schnel­le­ren und kostengüns­ti­ge­ren Ab­wick­lung ar­beits­recht­li­cher Strei­tig­kei­ten und der Nut­zung der be­son­de­ren Kennt­nis­se von im Ar­beits­le­ben er­fah­re­nen Per­so­nen als eh­ren­amt­li­chen Rich­tern in al­len In­stan­zen vor al­lem durch ei­nen vom Ge­setz­ge­ber ge­woll­ten spe­zi­fi­schen Ar­beit­neh­mer­schutz aus. Vor den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen kann mit ei­nem we­sent­lich
 


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re­du­zier­ten Kos­ten­ri­si­ko staat­li­cher Rechts­schutz in An­spruch ge­nom­men wer­den (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 42 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 2. Halbs. GKG). Die Par­tei­en sind be­rech­tigt, den Rechts­streit erst­in­stanz­lich un­abhängig vom Streit­wert selbst zu führen bzw. sich - kos­ten­los - von volljähri­gen Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen oder Ge­werk­schaf­ten (von letz­te­ren in al­len In­stan­zen, vgl. zu den Ein­zel­hei­ten § 11 ArbGG) ver­tre­ten zu las­sen. Ge­nießen sie kei­nen ge­werk­schaft­li­chen Rechts­schutz ha­ben Ar­beit­neh­mer als Be­klag­te, so­fern die Ge­gen­sei­te durch ei­nen Rechts­an­walt ver­tre­ten ist, An­spruch auf Bei­ord­nung ei­nes Rechts­an­walts oh­ne Rück­sicht auf die Er­folgs­aus­sicht ih­rer Rechts­ver­tei­di­gung, § 11a ArbGG. Es ist kein über­zeu­gen­der Grund er­sicht­lich, dem Ar­beit­neh­mer bei der Ver­tei­di­gung ver­dien­ter Vergütung ge­gen ei­ne Rück­gewähr nach § 143 Abs. 1 In­sO die­sen ver­fah­rens­recht­li­chen Schutz zu neh­men. Der Rück­gewähran­spruch nach § 143 Abs. 1 In­sO ist ge­ra­de dar­auf ge­rich­tet, das we­gen der er­brach­ten Ar­beits­leis­tung mit Recht als Ge­gen­leis­tung aus dem Ar­beits­verhält­nis er­hal­te­ne (ver­dien­te) Ent­gelt zurück­zah­len zu müssen.

4. Der Streit über die Rück­gewähr vom Schuld­ner ge­leis­te­ter Ar­beits­vergütung ist ei­ne Rechts­strei­tig­keit zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.


a) Nach der vor­ge­leg­ten Rechts­fra­ge ist der Be­klag­te Ar­beit­neh­mer. Ob das Ar­beits­verhält­nis zum Zeit­punkt der Kla­ge noch be­stan­den hat, ist für die Zulässig­keit des Rechts­wegs zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen un­er­heb­lich.

b) Der In­sol­venz­ver­wal­ter ist für Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.


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Das Ar­beits­ge­richts­ge­setz enthält kei­ne De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­ge­ber­be­griffs. Nach all­ge­mei­ner An­sicht ist Ar­beit­ge­ber der­je­ni­ge, der zu­min­dest ei­nen Ar­beit­neh­mer oder ei­ne ar­beit­neh­merähn­li­che Per­son im Sin­ne des § 5 Abs. 1 ArbGG beschäftigt (statt vie­ler: BAG, Ur­teil vom 9. Sep­tem­ber 1982 - 2 AZR 253/80, BA­GE 40, 145; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 183; GMP/Mat­thes/Schlewing, ArbGG, 7. Aufl., § 2 Rn. 51). Da­bei reicht es aus, wenn zwi­schen "Ar­beit­ge­ber" und "Ar­beit­neh­mer" ein nur fak­ti­sches Ar­beits­verhält­nis be­steht (BAG, Ur­teil vom 25. April 1963 - 5 AZR 398/62, BA­GE 14, 180).


Ver­trags­ar­beit­ge­ber bleibt auch in der In­sol­venz der Schuld­ner, der In­sol­venz­ver­wal­ter wird aber für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens fak­tisch Ar­beit­ge­ber. Gemäß § 80 Abs. 1 In­sO geht das Recht des Schuld­ners, das zur In­sol­venz­mas­se gehören­de Vermögen zu ver­wal­ten und über die­ses zu verfü-gen, auf den In­sol­venz­ver­wal­ter über. § 108 Abs. 1 In­sO stellt klar, dass Dau­er­schuld­verhält­nis­se, zu de­nen auch aus­drück­lich Dienst­verhält­nis­se gezählt wer­den, mit Wir­kung für die In­sol­venz­mas­se fort­be­ste­hen. Da­mit kann der Ver­trags­ar­beit­ge­ber die aus der Ar­beit­ge­ber­stel­lung fließen­den Rech­te und Pflich­ten nicht mehr ausüben; sie fal­len dem In­sol­venz­ver­wal­ter zu. Die­ser tritt in die Ar­beit­ge­ber­stel­lung des Schuld­ners ein und übt für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens statt des Ver­trags­ar­beit­ge­bers die Funk­ti­on des Ar­beit­ge­bers aus (ganz herr­schen­de Mei­nung, vgl. nur HK-In­sO/Linck, 5. Aufl., § 113 Rn. 32; Münch-Komm.In­sO/Ott/Vuia, 2. Aufl., § 80 Rn. 121 f.; Uh­len­bruck/Uh­len­bruck, In­sO, 13. Aufl. § 80 Rn. 12; Schaub/Vo­gel­sang, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 13. Aufl., § 17 Rn. 5, je­weils mwN; s. auch BAG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 1974 - 1 AZR 16/74, BA­GE 26, 257; Ur­teil vom 5. Fe­bru­ar 2009 - 6 AZR 110/08 Rn. 15, NZA 2009, 1215; BSG, Ur­teil vom 23. No­vem­ber 1981 - 10 RAr 13/81, ZIP 1982, 587). Die ma­te­ri­ell-recht­li­che Funk­ti­on des In­sol­venz­ver­wal­ters als Ar­beit­ge­ber be­dingt pro­zes­su­al sei­ne Stel­lung als Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des § 2
 


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Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Für Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis ist der In­sol­venz­ver­wal­ter für die Dau­er des In­sol­venz­ver­fah­rens Ar­beit­ge­ber kraft Am­tes. Da­bei ist es un­er­heb­lich, ob der In­sol­venz­ver­wal­ter auf­grund des nach § 80 Abs. 1 In­sO auf ihn über­ge­gan­ge­nen Ver­wal­tungs- und Verfügungs­recht tätig bzw. in An­spruch ge­nom­men wird oder er auf­grund ei­nes ihm von der In­sol­venz­ord­nung an­der­wei­tig ein­geräum­ten Rechts - wie dem be­son­de­ren Kündi­gungs­recht nach § 113 In­sO oder dem An­fech­tungs­recht nach den §§ 129 ff. In­sO - auf das Ar­beits­verhält­nis ein­wirkt.

Spind­ler 

Tolks­dorf 

Eckertz-Höfer

Ma­such 

Schmidt 

Gan­ter

Müller-Glöge 

Kay­ser 

Biebl

Vor­in­stanz:
Bun­des­ge­richts­hof, Ent­schei­dung vom 02.04.2009 - IX ZB 182/08 -

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