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11/209a Ge­setz­li­che Frau­en­quo­te in DAX-Un­ter­neh­men

Ge­setz­li­che Frau­en­quo­te oder un­ver­bind­li­che Ver­spre­chen der DAX-Un­ter­neh­men?: „Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen“ Sta­tus quo und Ziel­set­zun­gen der 30 DAX-Un­ter­neh­men
Frauenquote OP Frau­en nach vorn: Füh­rungs­ver­ant­wor­tung für weib­li­che Kol­le­gen

Die Vor­schlä­ge der 30 DAX-Un­ter­neh­men

Am Mon­tag letz­ter Wo­che tra­ten die 30 Un­ter­neh­men, die im Deut­schen Ak­tei­en­in­dex (DAX) ge­lis­tet wer­den, mit ei­nem ge­mein­sa­men Po­si­ti­ons­pa­pier an die Öf­fent­lich­keit und ver­spra­chen, mehr Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen brin­gen zu wol­len („Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen“ Sta­tus quo und Ziel­set­zun­gen der 30 DAX-Un­ter­neh­men). Ei­ne ge­setz­li­che Frau­en­quo­te leh­nen die Un­ter­neh­men aber ab. Viel­mehr wol­len sie Frau­en auf je­weils un­ter­schied­li­che Wei­sen nach oben brin­gen, wo­bei die DAX-Un­ter­neh­men sehr ver­schie­de­ne Ziel­grö­ßen nen­nen.

So will z.B. die Al­li­anz „30 % Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen in Deutsch­land bis En­de 2015“ er­rei­chen. Bei­ers­dorf hat sich ei­ne „Er­hö­hung des Frau­en­an­teils in Füh­rungs­po­si­tio­nen (Lei­ten­de An­ge­stell­te) auf 25-30 % bis En­de 2020“ vor­ge­nom­men. Die Deut­sche Post ver­spricht, ab so­fort „25-30 % al­ler Va­kan­zen im obe­ren, mitt­le­ren und un­te­ren Ma­nage­ment“ mit Frau­en zu be­set­zen, und E.on hat sich das Ziel ge­setzt, in Deutsch­land bis En­de 2016 14 % der „obe­ren Hier­ar­chie­ebe­nen“ mit Frau­en zu be­set­zen. Die­se Auf­zäh­lung könn­te man fort­set­zen: Je­des DAX-Un­ter­neh­men ver­folgt sei­ne ei­ge­nen Zie­le.

An­ge­sichts die­ses bun­ten Strau­ßes an Ziel­vor­ga­ben und Zeit­räu­men für die Ziel­er­rei­chung wä­re es schön, wenn man we­nigs­tens in qua­li­ta­ti­ver Hin­sicht ei­nig wä­re, d.h. wenn klar wä­ren, wel­che Füh­rungs­ebe­nen es ei­gent­lich sind, die man künf­tig ver­stärkt mit Frau­en be­set­zen möch­te. Auch hier herrscht ein bun­tes Durch­ein­an­der: Füh­rungs­po­si­ti­on ist nicht gleich Füh­rungs­po­si­ti­on. Wenn z.B. die Post Frau­en bei der Stel­len­be­set­zung im un­te­ren, mitt­le­ren und obe­ren Ma­nage­ment ver­stärkt be­rück­sich­ti­gen will, heißt das noch gar nichts für das Top-Ma­nage­ment, d.h. den Vor­stand und den Auf­sichts­rat.

Und man weiß auch nicht, wel­che der „Ma­nage­ment“-Seg­men­te bei der Post mit den Stel­len ver­gleich­bar sind, die an­de­re DAX-Un­ter­neh­men als „Füh­rungs­po­si­tio­nen“ (Al­li­anz) oder als „obe­re Hier­ar­chie­ebe­nen“ (E.on) be­zeich­nen. Hier wä­re es sinn­voll ge­we­sen, wenn sich die DAX-Un­ter­neh­men zu­min­dest auf ei­ne ein­heit­li­che Sprach­re­ge­lung ver­stän­digt hät­ten. Dann könn­te man die selbst­ge­steck­ten Zie­le der Un­ter­neh­men bes­ser mit­ein­an­der ver­glei­chen.

Von der Ley­en macht sich für ei­ne ge­setz­li­che Frau­en­quo­te stark

An­ge­sichts die­ser „Zie­le“ der DAX-Un­ter­neh­men hat­te es Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­rin Ur­su­la von der Ley­en (CDU) leicht, den Fin­ger auf zwei wun­de Stel­len zu le­gen: Ers­tens ver­mei­den es al­le DAX-Un­ter­neh­men sorg­fäl­tig, sich aus­drück­lich da­zu zu ver­pflich­ten, den Frau­en­an­teil auch und vor al­lem in ih­rem Top-Ma­nage­ment, d.h. im Vor­stand und im Auf­sichts­rat zu er­hö­hen.

Im­mer­hin ver­spricht VW, bis En­de 2010 11 % der „obe­ren Füh­rungs­ebe­ne“, 12 % der „mitt­le­ren Füh­rungs­ebe­ne“ und 15 % der „un­te­ren Füh­rungs­ebe­ne“ mit Frau­en zu be­set­zen (wo­bei al­ler­dings auch hier nicht klar ge­sagt wird, was zur „obe­ren Füh­rungs­ebe­ne“ ge­hört). Und zwei­tens ist das Wirr­warr von Zie­len und Zeit­räu­men für die Ziel­er­rei­chung schlicht ei­ne Zu­mu­tung.

Wer sich ernst­haft vor­nimmt, mehr Füh­rungs­po­si­tio­nen mit Frau­en zu be­set­zen, soll­te sich zu­erst ein­mal um ei­ne sau­be­re Be­schrei­bung der Ist-Zu­stan­des und um ei­ne Ver­ein­heit­li­chung der Ziel­vor­ga­ben küm­mern, da­mit „nicht Äp­fel und Bir­nen und Man­da­ri­nen mit­ein­an­der ver­gli­chen wer­den“, so die be­rech­tig­te Kri­tik von der Ley­ens (n-tv.de, 17.10.2011: Dax-Un­ter­neh­men blei­ben un­klar. Mehr Frau­en - kei­ne Quo­te).

Von der Ley­en for­der­te da­her er­neut die ge­setz­li­che Fest­le­gung ei­ner Frau­en­quo­te für die Vor­stän­de und Auf­sichts­rä­te der 30 DAX-Un­ter­neh­men. Kon­kret sol­len 30 Pro­zent die­ser Po­si­tio­nen bis 2018 mit Frau­en be­setzt sein, so die Mi­nis­te­rin am 17.10.2011 im Mor­gen­ma­ga­zin von ARD und ZDF (mor­gen­post.de, 17.10.2011, Dax-Un­ter­neh­men leh­nen fes­te Frau­en­quo­te ab).

Denn der der­zei­ti­ge An­teil von un­ter vier Pro­zent sei im 21. Jahr­hun­dert „ein­fach un­ter­ir­disch“, so von der Ley­en. Mit die­ser For­de­rung steht sie al­ler­dings in der Bun­des­re­gie­rung al­lei­ne da. Ih­re Ka­bi­netts­kol­le­gin­nen Kris­ti­na Schrö­der (Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend - CDU) und Sa­bi­ne Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger (Jus­tiz - FDP) leh­nen die­se For­de­rung ab.

Al­ter­na­ti­ven?

Ob­wohl die von den DAX-Un­ter­neh­men vor­ge­stell­ten Gleich­stel­lungs­zie­le sehr ne­bu­lös sind (und es viel­leicht auch sein sol­len), sind die in dem Pa­pier vom 17.10.2011 ent­hal­te­nen Zah­len in ei­nem Punkt klar:

Der An­teil der Frau­en an der ge­sam­ten Be­leg­schaft ist sehr un­ter­schied­lich und bei den Han­dels­un­ter­neh­men, bei Ban­ken und Ver­si­che­run­gen we­sent­lich hö­her als bei Au­to­mo­bil­her­stel­lern, Stahl­un­ter­neh­men und bei Tech­ni­k­an­bie­tern.

Das könn­te auch bei der gleich­stel­lungs­po­li­ti­schen Be­wer­tung ei­nen Un­ter­schied ma­chen: Denn dass in Vor­stän­den und Auf­sichts­rä­ten prak­tisch kei­ne Frau­en ver­tre­ten sind, ist bei Un­ter­neh­men mit ei­nem ho­hen Frau­en­an­teil an der Ge­samt­be­leg­schaft wie der Com­merz­bank (50 %), der Me­tro (61,2 %) oder der Münch­ner Rück (50 %) noch we­ni­ger ver­ständ­lich als bei Un­ter­neh­men mit ei­nem von vorn­her­ein sehr klei­nen Frau­en­an­teil an der Ge­samt­be­leg­schaft wie z.B. bei BMW (13,1 %), Daim­ler (14,2 %), K + S (10 %) oder bei MAN (11,5).

Von da­her könn­te man auch dar­an den­ken, den DAX-Un­ter­neh­men kei­ne für al­le Un­ter­neh­men glei­che ge­setz­li­che Frau­en­quo­te für ih­re Vor­stän­de und/oder Auf­sichts­rä­te vor­zu­schrei­ben, son­dern ei­ne Quo­te, die in­ner­halb ei­ner To­le­ranz von fünf oder zehn Pro­zent­punk­ten dem Frau­en­an­teil an der Ge­samt­be­leg­schaft ent­spricht. Dann müss­ten Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men künf­tig deut­lich mehr Frau­en in ihr Top-Ma­nage­ment auf­neh­men als z.B. Au­to­mo­bil­her­stel­ler, aber da­zu wä­ren sie auch an­ge­sichts ih­rer oh­ne­hin „weib­li­che­ren“ Ge­samt­be­leg­schaft bes­ser in der La­ge.

Ei­ne am Ge­schlech­ter­ver­hält­nis der Ge­samt­be­leg­schaft ori­en­tier­te Frau­en­quo­te im Ma­nage­ment hät­te auch den Vor­teil, auf die An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­recht­spre­chung auf­bau­en zu kön­nen.

Denn hier ist an­er­kannt, dass die Un­ter­re­prä­sen­ta­ti­on von Frau­en im Ma­nage­ment un­ter be­stimm­ten Um­stän­den ein In­diz für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung beim be­ruf­li­chen Auf­stieg sein kann.

In die­sem Sin­ne hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den (Ur­teil vom 22.07.2010, 8 AZR 1012/08), da­bei al­ler­dings auch deut­lich ge­macht, dass es nach der der­zei­ti­gen Ge­set­zes­la­ge auf ei­nen Ver­gleich der Frau­en­quo­ten in kon­kre­ten Hier­ar­chie­ebe­nen an­kommt (wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/036 Frau­en­quo­te im Ma­nage­ment).

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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