HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 19.01.2011, 3 AZR 29/09

   
Schlagworte: Betriebliche Altersversorgung, Diskriminierung: Mittelbar, Diskriminierung: Geschlecht, Betriebsrente, Tarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 3 AZR 29/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.01.2011
   
Leitsätze: Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Ihnen gebührt allerdings aufgrund der Tarifautonomie eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die sachlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen sowie ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der von ihnen getroffenen Regelungen. Dies ist bei der Prüfung, ob eine Benachteiligung wegen des Geschlechts sachlich gerechtfertigt ist, zu berücksichtigen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 26.06.2007, 4 Ca 1567/07
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2008, 8 Sa 1370/07
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


3 AZR 29/09
8 Sa 1370/07

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

19. Ja­nu­ar 2011

UR­TEIL

Kauf­hold, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19. Ja­nu­ar 2011 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Zwan­zi­ger, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Schlewing so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Kai­ser und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Kanz­lei­ter für Recht er­kannt:
 


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Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 24. Sep­tem­ber 2008 - 8 Sa 1370/07 - wird zurück­ge­wie­sen.


Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Berück­sich­ti­gung von Vor­dienst­zei­ten der Kläge­rin aus ei­nem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten bei der Be­rech­nung der An­wart­schaft auf be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung.

Die Kläge­rin ist im Jahr 1955 ge­bo­ren. Sie war zunächst vom 22. Au­gust 1978 bis zum 30. Ju­ni 1987 als Flug­be­glei­te­rin bei der Be­klag­ten beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te auf­grund ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges, da die Kläge­rin ge­hei­ra­tet hat­te und ein Kind er­war­te­te. Zum 1. Fe­bru­ar 1992 nahm sie wie­der ein Ar­beits­verhält­nis bei der Be­klag­ten als Flug­be­glei­te­rin auf. So­wohl im frühe­ren als auch im jet­zi­gen Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en ist die An­wen­dung der je­weils gülti­gen Ta­rif­verträge auf das Ar­beits­verhält­nis vor­ge­se­hen.


Die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung bei der Be­klag­ten war durch meh­re­re Ta­rif­verträge, zu­letzt durch den Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­trag Nr. 3 vom 19. De­zem­ber 1979, da­hin­ge­hend ge­re­gelt, dass die Be­klag­te ih­re Mit­ar­bei­ter bei der Ver­sor­gungs­an­stalt des Bun­des und der Länder (künf­tig: VBL) ver­si­cher­te. Die Be­tei­li­gung der Be­klag­ten an der VBL en­de­te im Zu­ge der Pri­va­ti­sie­rung der Be­klag­ten am 31. De­zem­ber 1994. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bar­ten in dem Ergänzungs­ta­rif­ver­trag vom 10. Mai 1994 zum Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­trag Nr. 3 mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 1995, dass die Be­klag­te den zu die­sem Zeit­punkt be­reits täti­gen Mit­ar­bei­tern ei­ne Ver­sor­gung zu gewähren hat, die der von der VBL gewähr­ten ent­spricht - „VBL-glei­che Ver­sor­gung“. Für da­nach ein-
 


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tre­ten­de Ar­beit­neh­mer wur­de durch Ta­rif­ver­trag vom 1. Sep­tem­ber 1995 (künf­tig: TV-Be­triebs­ren­te/alt) ein ei­ge­nes Be­triebs­ren­ten­sys­tem ge­schaf­fen. Da­nach können die Ar­beit­neh­mer jähr­lich Ren­ten­bau­stei­ne er­wer­ben. Vor­aus­set­zung für den Be­zug ei­ner Be­triebs­ren­te ist da­nach die Erfüllung ei­ner sech­zig­mo­na­ti­gen War­te­zeit bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls, wo­bei auch Er­zie­hungs­ur­laub auf die War­te­zeit an­ge­rech­net wird.


Am 20. Mai 2003 schlos­sen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en je­weils mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2002 den „Ta­rif­ver­trag Luft­han­sa - Be­triebs­ren­te für das Ka­bi­nen­per­so­nal“ (künf­tig: TV-Be­triebs­ren­te/neu) und den „Ta­rif­ver­trag zur Ver­ein­heit­li­chung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung für das Luft­han­sa -Ka­bi­nen­per­so­nal“ (künf­tig: TV-Ver­ein­heit­li­chung). Der TV-Be­triebs­ren­te/neu ent­spricht im We­sent­li­chen den Re­ge­lun­gen des vor­an­ge­gan­ge­nen TV-Be­triebs­ren­te/alt für ab dem 1. Ja­nu­ar 1995 ein­ge­tre­te­ne Ar­beit­neh­mer. Mit dem TV-Ver­ein­heit­li­chung wur­de das VBL-glei­che Sys­tem in das Sys­tem des TV-Be­triebs­ren­te überführt.


Der TV-Be­triebs­ren­te/neu lau­tet aus­zugs­wei­se:

„...

§ 2 Be­triebs­ren­ten


(1) Nach Erfüllung der je­wei­li­gen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen wer­den fol­gen­de Be­triebs­ren­ten gewährt:

a) Be­trieb­li­che Al­ters­ren­te (§ 6) ...


§ 3 All­ge­mei­ne Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen


(1) So­fern die­ser Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­trag nichts an­de­res be­stimmt, wer­den Be­triebs­ren­ten gewährt, wenn der Ver­sor­gungs­fall ein­ge­tre­ten ist (§ 6 bis § 9), das Ar­beits­verhält­nis mit der Ge­sell­schaft be­en­det ist und

a) der Mit­ar­bei­ter bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les die War­te­zeit von 60 Mo­na­ten gemäß Abs. (3) bei der Ge­sell­schaft erfüllt hat,

b) der Mit­ar­bei­ter bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Ge­sell­schaft ge­stan­den hat oder zu­vor gemäß § 19 Man­tel­ta­rif­ver­trag Ka­bi­ne we­gen Er­rei­chens der ta­rif­ver­trag­li­chen Al­ters­gren­ze aus­ge­schie­den ist ... und

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c) die bei den ein­zel­nen Be­triebs­ren­ten­ar­ten er­for­der­li­chen be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind.
...


(3) a) Für die Erfüllung der War­te­zeit gemäß Abs. (1) a) zählen die Mo­na­te mit ren­tenfähi­gem Ein­kom­men gemäß § 5, die der Mit­ar­bei­ter nach sei­nem letz­ten Ein­tritt in den Gel­tungs­be­reich die­ses Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­tra­ges bis zum Ver­sor­gungs­fall un­un­ter­bro­chen bei der Ge­sell­schaft ver­bracht hat.

b) Auf die War­te­zeit wer­den darüber hin­aus fol­gen­de Zei­ten ei­nes be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses an­ge­rech­net, in de­nen kein ren­tenfähi­ges Ein­kom­men be­zo­gen wird:


- El­tern­zeit,

...

§ 4 Ren­ten­bau­stei­ne

(1) Die dem Mit­ar­bei­ter zu­ste­hen­de jähr­li­che Be­triebs­ren­te er­gibt sich aus der Sum­me der bis zum Ver­sor­gungs­fall bei der Ge­sell­schaft er­wor­be­nen Ren­ten­bau­stei­ne. Ren­ten­bau­stei­ne wer­den je­weils für ein Ka­len­der­jahr er­mit­telt.

(2) Der für ein Ka­len­der­jahr er­wor­be­ne Ren­ten­bau­stein er­gibt sich durch Mul­ti­pli­ka­ti­on des jähr­li­chen ren­tenfähi­gen Ein­kom­mens gemäß § 5 mit dem für das je­wei­li­ge Le­bens­al­ter maßge­ben­den Ren­ten­wert gemäß Ren­ten­wert­ta­bel­le (di­vi­diert durch 1.000) in der An­la­ge zu die­sem Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­trag.

...

§ 6 Be­trieb­li­che Al­ters­ren­te

(1) Be­trieb­li­che Al­ters­ren­te er­hal­ten Mit­ar­bei­ter, wenn sie die Al­ters­gren­ze er­reicht ha­ben und das Ar­beits­verhält­nis mit der Ge­sell­schaft be­en­det ist; Al­ters­gren­ze im Sin­ne die­ses Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­tra­ges ist das voll­ende­te 65. Le­bens­jahr.

(2) Die Höhe der jähr­li­chen be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te er­gibt sich gemäß § 4 aus der Sum­me der bis zum Ver­sor­gungs­fall er­wor­be­nen Ren­ten­bau­stei­ne.

...

§ 10 Un­ver­fall­ba­re An­wart­schaft bei vor­zei­ti­gem Aus­schei­den, Ab­fin­dung

(1) Auch ein vor Ein­tritt ei­nes Ver­sor­gungs­fal­les aus­ge­schie­de­ner Mit­ar­bei­ter behält sei­ne An­wart­schaft auf Ver­sor­gungs­leis­tun­gen, so­fern er zum Zeit­punkt sei­nes

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Aus­schei­dens die Vor­aus­set­zun­gen der ge­setz­li­chen Un­ver­fall­bar­keit gemäß § 1b Abs. 1 Be­trAVG erfüllt hat.

...

(2) Die Ver­sor­gungs­leis­tun­gen wer­den je­doch erst vom Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les an ge­zahlt, so­fern die be­son­de­ren Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind.

(3) Die Höhe der Ver­sor­gungs­leis­tun­gen ent­spricht der zum Zeit­punkt des Aus­schei­dens aus dem Ar­beits­verhält­nis er­wor­be­nen Sum­me der Ren­ten­bau­stei­ne gemäß § 4. Bei vor­ge­zo­ge­nem Be­zug der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te gilt § 7 Abs. 4 Satz 2 ent­spre­chend.

...

(5) Un­ver­fall­ba­re An­wart­schaf­ten auf Be­triebs­ren­ten bis zu ei­ner Höhe von Eu­ro 1.000 jähr­lich wer­den bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch Ein­mal­zah­lung ab­ge­fun­den. Die Höhe der Ab­fin­dung be­stimmt sich nach § 3 Abs. 2 Be­trAVG.
Un­ver­fall­ba­re An­wart­schaf­ten auf Be­triebs­ren­ten von mehr als Eu­ro 1.000 jähr­lich wer­den auf An­trag des Mit­ar­bei­ters durch Ein­mal­zah­lung ab­ge­fun­den. Der An­trag ist bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu stel­len. Die Höhe der Ab­fin­dung be­stimmt sich nach § 3 Abs. 2 Be­trAVG.


...“

Der TV-Ver­ein­heit­li­chung lau­tet aus­zugs­wei­se: 


„Präam­bel

Mit Be­en­di­gung ih­rer Be­tei­li­gung an der Ver­sor­gungs­an­stalt des Bun­des und der Länder (VBL) am 31.12.1994 hat sich die Deut­sche Luft­han­sa AG (nach­fol­gend Luft­han­sa ge­nannt) nach Maßga­be des Ergänzungs­ta­rif­ver­tra­ges zum Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­trag Nr. 3 vom 10.05.1994 ver­pflich­tet, al­le am 31.12.1994 bei der VBL ver­si­cher­ten Mit­ar­bei­ter so zu stel­len, als würde ih­re späte­re Zu­satz­ver­sor­gung von der VBL nach de­ren je­weils gel­ten­der Sat­zung fort­geführt (‚VBL-glei­che Zu­satz­ver­sor­gung’).

Vor dem Hin­ter­grund, dass sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des Öffent­li­chen Diens­tes mit dem Al­ters­vor­sor­ge­plan 2001 vom 13.11.2001 auf ei­ne grund­le­gen­de Re­form der VBL-Zu­satz­ver­sor­gung un­ter Ablösung des bis­he­ri­gen Ge­samt­ver­sor­gungs­sys­tems ge­ei­nigt ha­ben und in­so­weit auch dem Be­schluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes vom 22.03.2000 (1 BvR 1136/96) Rech­nung ge­tra­gen ha­ben, wird die im Luft­han­sa-Kon­zern seit 01.01.1995 be­ste­hen­de Zu­sa­ge auf ei­ne VBL-glei­che Zu­satz­ver-

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sor­gung nach Maßga­be die­ses Ta­rif­ver­tra­ges ab­gelöst und durch ei­ne neue Zu­sa­ge auf be­trieb­li­che Al­ters-, In­va­li­ditäts- und Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung er­setzt. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en kom­men da­mit auch ih­rer ent­spre­chen­den Ver­hand­lungs­ver­pflich­tung nach.


Das bis­he­ri­ge VBL-glei­che Ge­samt­ver­sor­gungs­sys­tem im Luft­han­sa-Kon­zern wird mit Ab­lauf des 31.12.2001 ab­gelöst. Ab 01.01.2002 wer­den al­le An­wart­schaf­ten und be­ste­hen­den Ansprüche auf Ver­sor­gungs­leis­tun­gen auf bzw. aus VBL-glei­cher Zu­satz­ver­sor­gung in das im Luft-han­sa-Kon­zern seit 01.01.1995 gel­ten­de Sys­tem der Neu­en Be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung, künf­tig Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te, überführt. Die Jah­re 2001 und 2002 so­wie das ers­te Halb­jahr 2003 wer­den im Rah­men des Über­g­angs­rechts berück­sich­tigt.


...

Teil II: Mit­ar­bei­ter mit An­wart­schaft auf VBL-glei­che Ge­samt­ver­sor­gung

Ab­schnitt I: Rück­wir­ken­de Zu­sa­ge der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te

§ 2 Rück­wir­ken­de Zu­sa­ge der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te

(1) Al­le am 01.07.2003 VBL-gleich pflicht­ver­si­cher­ten Mit­ar­bei­ter wer­den un­ter den Vor­aus­set­zun­gen und nach nähe­rer Maßga­be der fol­gen­den Be­stim­mun­gen so ge­stellt, als hätten sie ab Be­ginn der VBL- oder VBL-glei­chen Ver­si­che­rungs­pflicht auf­grund ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses mit Luft­han­sa ei­ne Zu­sa­ge auf Leis­tun­gen nach dem Ta­rif­ver­trag Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te er­hal­ten (rück­wir­ken­de Einführung der ‚Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te’). Hier­bei wer­den VBL-pflich­ti­ge Beschäfti­gungs­zei­ten bei der C GmbH (C) un­mit­tel­bar vor oder - bei zwi­schen­zeit­li­chem Ar­beits­verhält­nis mit der C - im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an das Ar­beits­verhält­nis mit Luft­han­sa berück­sich­tigt.


...

(2) Ab 01.01.2002 er­wer­ben die in Ab­satz 1 ... ge­nann­ten Mit­ar­bei­ter gemäß Ta­rif­ver­trag Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te auf der Grund­la­ge ih­res je­wei­li­gen ren­tenfähi­gen Ein­kom­mens Ren­ten­bau­stei­ne.


Für VBL- oder VBL-gleich­pflich­ti­ge Beschäfti­gungs­zei­ten vor dem 01.01.2002 wird zur Er­mitt­lung der Ren­ten­bau-stei­ne als ren­tenfähi­ges Ein­kom­men das in die­sen Zei­ten maßgeb­li­che VBL- oder VBL-glei­che zu­satz­ver­sor­gungs-pflich­ti­ge Ent­gelt zu­grun­de ge­legt.

Ab­schnitt II:

Ga­ran­tie bis­her er­wor­be­ner VBL-glei­cher An­wart­schaf­ten

§ 3 Bil­dung ei­nes Start­bau­steins/Ga­ran­tie­ren­te

(1) (Grund­satz) Zur kol­lek­ti­ven Wah­rung der - im Rah­men des bis 31.12.2001 gel­ten­den VBL-glei­chen Ge­samt­ver­sor­gungs­sys­tems - er­reich­ten An­wart­schaf­ten auf VBL-glei­che Ver­sor­gungs­ren­te wer­den die­se ... nach dem am 31.12.2001 gel­ten­den VBL-Sat­zungs­recht (VBL-S 40) und dem Ver­sor­gungs­ta­rif­ver­trags­recht zum 31.12.2001 er-mit­telt und in Form ei­nes sog. Start­bau­steins (§§ 4 bzw. 7) aus­ge­wie­sen. Der Start­bau­stein wird bis zum Ren­ten-be­ginn dy­na­misch fort­ge­schrie­ben ... und nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls im Rah­men ei­ner Ga­ran­tie­ren­te (§ 9) bei der Fest­stel­lung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te berück­sich­tigt.

...

§ 9 Ga­ran­tie­ren­te

(1) Die Ga­ran­tie­ren­te aus VBL-glei­cher An­wart­schaft er­gibt sich bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les aus der Sum­me der nach Ab­satz 2 und Ab­satz 3 ... er­mit­tel­ten Ren­ten­beträge.


(2) Für Beschäfti­gungs­zei­ten vor dem 01.01.2002 wird als Be­triebs­ren­te der gemäß §§ 4 bis 6 bzw. gemäß §§ 7 und 8 er­mit­tel­te Start­bau­stein berück­sich­tigt.

(3) Für Beschäfti­gungs­zei­ten nach dem 31.12.2001 wird die mo­nat­li­che Be­triebs­ren­te berück­sich­tigt, die sich auf Ba­sis des je­wei­li­gen ren­tenfähi­gen Ein­kom­mens aus der Sum­me der bis zum Ver­sor­gungs­fall er­wor­be­nen Ren­ten­bau­stei­ne gemäß Ta­rif­ver­trag Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te er­gibt ...


Ab­schnitt III: Höhe der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te

§ 10 Ver­gleich rück­wir­kend ein­geführ­te Be­triebs­ren­te mit Ga­ran­tie­ren­te

(1) Bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les er­hal­ten die in § 2 Ab­satz 1 ge­nann­ten Mit­ar­bei­ter bzw. de­ren Hin­ter­blie­be­ne ei­ne Be­triebs­ren­te gemäß § 2 iVm. den Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te.

(2) Ist bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les die mo­nat­li­che Ga­ran­tie­ren­te gemäß § 9 höher als die mo­nat­li­che Be­triebs­ren­te nach Ab­satz 1, wird die Ga­ran­tie­ren­te an­stel­le der Ren­te nach Ab­satz 1 dau­er­haft als Be­triebs­ren­te nach den Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ver­trags Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te ge­leis­tet. ...“
 


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Die Be­klag­te berück­sich­tigt Vor­dienst­zei­ten aus frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­sen nur bei der Be­rech­nung des Start­bau­steins nach § 3 TV-Ver­ein­heit­li­chung, nicht je­doch bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung. Da­ge­gen hat sich die Kläge­rin mit der vor­lie­gen­den Kla­ge ge­wandt.


Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, im Rah­men der nach § 10 Abs. 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung vor­zu­neh­men­den Ver­gleichs­rech­nung sei ih­re Be­triebs­zu­gehörig­keits­zeit vom 22. Au­gust 1978 bis zum 30. Ju­ni 1987 auch in­so­weit zu berück­sich­ti­gen, als es um die rück­wir­ken­de Zu­sa­ge nach § 2 Abs. 1 TV-Ver­ein­heit­li­chung ge­he. Dies er­ge­be ei­ne Aus­le­gung des Ta­rif­werks. Ei­ne an­de­re Aus­le­gung sei zu­dem ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rend. Bei den Mit­ar­bei­tern im Ka­bi­nen­dienst, die - wie sie - nach nicht un­er­heb­li­cher Beschäfti­gungs­zeit we­gen Fa­mi­li­en­pla­nung und Kin­der­be­treu­ung aus dem flie­ge­ri­schen Dienst aus­ge­schie­den sei­en, han­de­le es sich zu über 90 % um Frau­en. Möglich­kei­ten der Kin­der­be­treu­ung hätten früher ge­ra­de beim flie­gen­den Per­so­nal mit Schicht­dienst, teil­wei­se mehrwöchi­ger und un­re­gelmäßiger Ab­we­sen­heit so gut wie gar nicht be­stan­den. Eben­so we­nig ha­be die Be­klag­te ei­ne Teil­zeit­re­ge­lung an­ge­bo­ten. Erst seit dem Jahr 1987 ha­be es bei der Be­klag­ten in ge­rin­gem Um­fang die Möglich­keit ge­ge­ben, im flie­ge­ri­schen Dienst Teil­zeit­ar­beitsplätze zu er­hal­ten. Des­halb ha­be die Un­ter­bre­chung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zu­guns­ten der Fa­mi­lie zur na­he­zu klas­si­schen Kar­rie­re der Flug­be­glei­te­rin bis in die acht­zi­ger Jah­re hin­ein gehört. Wie sie selbst hätten sich die Mit­ar­bei­te­rin­nen, oft nach Schei­tern der Ehe, man­gels ei­ner an­de­ren Aus­bil­dung ge­zwun­gen ge­se­hen, wie­der in den Be­ruf der Flug­be­glei­te­rin zurück­zu­keh­ren.


Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Be­rech­nung ih­rer be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung ab Ren­ten­be­zug gemäß dem Ta­rif­ver­trag zur Ver­ein­heit­li­chung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung für das Luft-han­sa-Ka­bi­nen­per­so­nal so­wie gemäß dem Ta­rif­ver­trag Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te für das Ka­bi­nen­per­so­nal auch die Zeit vom 25. Au­gust 1978 bis 22. Ja­nu­ar 1987 zu berück­sich­ti­gen.

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Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 

Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nicht zur Berück­sich­ti­gung von Vor­dienst­zei­ten ver­pflich­tet zu sein. Dar­in lie­ge kei­ne Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin den zu­letzt ge­stell­ten Kla­ge­an­trag wei­ter. Die Be­klag­te be­gehrt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on hat kei­nen Er­folg. Die Kla­ge ist zwar zulässig, aber un­be­gründet. Zu Recht ha­ben ihr die Vor­in­stan­zen des­halb nicht statt­ge­ge­ben.


A. Die Kla­ge ist zulässig. Der Kla­ge­an­trag ist nach ei­ner ge­bo­te­nen Aus­le­gung hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und erfüllt die nach § 256 Abs. 1 ZPO be­ste­hen­den Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge.


I. Der Kla­ge­an­trag genügt dem Be­stimmt­heits­er­for­der­nis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.


Nach dem Kla­ge­an­trag und der zu sei­ner Aus­le­gung her­an­zu­zie­hen­den Be­gründung be­gehrt die Kläge­rin die Fest­stel­lung, dass nicht nur bei der Be­rech­nung des Start­bau­steins gemäß § 3 TV-Ver­ein­heit­li­chung ih­re Vor­beschäfti­gungs­zeit vom 22. Au­gust 1978 bis zum 30. Ju­ni 1987 zu berück-sich­ti­gen ist, son­dern auch bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu. Mit die­sem In­halt ist der Ge­gen­stand der Kla­ge hin­rei­chend be­stimmt be­zeich­net.

II. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Da­nach kann auf die Fest­stel­lung des Be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses Kla­ge er­ho­ben wer­den, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts-

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verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de. Die Kla­ge muss sich da­bei nicht auf das Rechts­verhält­nis im Gan­zen be­zie­hen. Es reicht, wenn sie sich - wie hier - auf ein­zel­ne dar­aus er­ge­ben­de Rech­te oder Fol­gen be­schränkt, so­fern dafür ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se be­steht (vgl. BAG 12. Ok­to­ber 2004 - 3 AZR 444/03 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Rund­funk Nr. 44 = EzA TVG § 1 Aus­le­gung Nr. 39). Ein der­ar­ti­ges Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist hier ge­ge­ben, da die Be­klag­te ih­re Ver­pflich­tung zur An­rech­nung der Vor­beschäfti­gungs­zei­ten auch bei der Be­rech­nung der Luft-han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/ neu be­strei­tet. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass noch nicht fest­steht, ob die von der Kläge­rin ver­lang­te Be­rech­nung im Ver­sor­gungs­fall zu ei­ner höhe­ren Be­triebs­ren­te führt. Aus­rei­chend ist, dass dies möglich ist (vgl. BAG 11. De­zem­ber 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 18, BA­GE 125, 133).


B. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf Berück­sich­ti­gung ih­rer Vor­dienst­zei­ten bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 10 Abs. 1, § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu. Die Nicht­berück­sich­ti­gung der Vor­dienst­zei­ten durch die ge­nann­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen be­wirkt kei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts.

I. Die Kläge­rin kann nach § 10 Abs. 1, § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu die Berück­sich­ti­gung ih­rer Vor­dienst­zeit vom 22. Au­gust 1978 bis zum 30. Ju­ni 1987 bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nicht ver­lan­gen.

Nach § 10 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TV-Ver­ein­heit­li­chung er­hal­ten die am 1. Ju­li 2003 VBL-gleich ver­si­cher­ten Mit­ar­bei­ter, zu de­nen auch die Kläge­rin gehört, ei­ne Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te, die so zu be­rech­nen ist, als hätten sie be­reits ab Be­ginn der VBL- oder VBL-glei­chen Ver­si­che­rungs­pflicht ei­ne Zu-sa­ge nach dem TV-Be­triebs­ren­te/neu er­hal­ten. Nach § 10 Abs. 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung wird die so er­rech­ne­te Be­triebs­ren­te mit der Ga­ran­tie­ren­te nach § 9 TV-Ver­ein­heit­li­chung ver­gli­chen. Das ist nach § 9 iVm. §§ 3 bis 7 TV-Ver­ein­heit­li­chung die Ren­te, die sich aus der Zu­sam­men­rech­nung des auf­grund
 


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der VBL- und VBL-glei­chen An­wart­schaf­ten er­wor­be­nen Start­bau­steins für Zei­ten bis zum 31. De­zem­ber 2001 und den ab dem 1. Ja­nu­ar 2002 nach dem TV-Be­triebs­ren­te/neu er­wor­be­nen Ren­ten­bau­stei­nen er­gibt. Da­mit fin­det für Beschäfti­gungs­zei­ten bis zum 31. De­zem­ber 2001 ein Ver­gleich statt zwi­schen dem Start­bau­stein, der auf der Ba­sis der nach dem VBL-Sys­tem er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten zu er­rech­nen ist, und den An­wart­schaf­ten, die nach dem Sys­tem des TV-Be­triebs­ren­te/neu er­wor­ben wor­den wären, hätte es von An-fang an ge­gol­ten. Zu zah­len ist die höhe­re Ren­te. Bei der Ver­gleichs­be­rech­nung hat die Be­klag­te zu Recht die Vor­dienst­zeit der Kläge­rin vom 22. Au­gust 1978 bis zum 30. Ju­ni 1987 nur bei der Be­rech­nung des Start­bau­steins für die Ga­ran­tie­ren­te nach § 9 TV-Ver­ein­heit­li­chung, nicht aber bei der rück­wir­ken­den Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu berück­sich­tigt. Denn nach dem TV-Be­triebs­ren­te/neu, des­sen An­wen­dung rück­wir­kend zu­ge­sagt wur­de, sind Zei­ten aus ei­nem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis nicht an­zu­rech­nen. Dies er­gibt die Aus­le­gung der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen.


1. Die Aus­le­gung des nor­ma­ti­ven Teils ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges folgt den für die Aus­le­gung von Ge­set­zen gel­ten­den Re­geln. Da­bei ist zunächst vom Ta­rif­wort­laut aus­zu­ge­hen, wo­bei der maßge­ben­de Sinn der Erklärung zu er­for­schen ist, oh­ne am Buch­sta­ben zu haf­ten. Bei ei­nem nicht ein­deu­ti­gen Ta­rif­wort­laut ist der wirk­li­che Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit­zu­berück­sich­ti­gen, so­weit er in den ta­rif­li­chen Nor­men sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Ab­zu­stel­len ist stets auf den ta­rif­li­chen Ge­samt­zu­sam­men­hang, weil die­ser An­halts­punk­te für den wirk­li­chen Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en lie­fert und nur so Sinn und Zweck der Ta­rif­nor­men zu­tref­fend er­mit­telt wer­den können. Lässt dies zwei­fels­freie Aus­le­gungs­er­geb­nis­se nicht zu, können die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen oh­ne Bin­dung an ei­ne Rei­hen­fol­ge wei­te­re Kri­te­ri­en wie die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ta­rif­ver­tra­ges, ggf. auch die prak­ti­sche Ta­rifübung, ergänzend her­an­zie­hen. Auch die Prak­ti­ka­bi­lität denk­ba­rer Aus­le­gungs­er­geb­nis­se ist zu berück­sich­ti­gen; im Zwei­fel gebührt der­je­ni­gen Ta­rif­aus­le­gung der Vor­zug, die zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und prak­tisch brauch­ba­ren
 


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Re­ge­lung führt (vgl. nur BAG 28. Ok­to­ber 2008 - 3 AZR 189/07 - Rn. 16, AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Luft­han­sa Nr. 43).

2. Da­nach sind Vor­dienst­zei­ten bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach dem TV-Be­triebs­ren­te/neu nicht zu berück­sich­ti­gen.


a) Der TV-Be­triebs­ren­te/neu enthält kei­ne Be­stim­mung über die An­rech­nung von Zei­ten ei­ner frühe­ren Beschäfti­gung.

Al­ler­dings sieht § 4 Abs. 1 TV-Be­triebs­ren­te/neu vor, dass die dem Mit­ar­bei­ter zu­ste­hen­de jähr­li­che Be­triebs­ren­te sich aus der Sum­me der bis zum Ver­sor­gungs­fall bei der Ge­sell­schaft er­wor­be­nen Ren­ten­bau­stei­ne be­stimmt, die je­weils für ein Jahr er­mit­telt wer­den. Ei­ne aus­drück­li­che Be­gren­zung auf die im letz­ten Ar­beits­verhält­nis er­wor­be­nen Ren­ten­bau­stei­ne enthält die Re­ge­lung nicht. Die­se Be­gren­zung er­gibt sich je­doch aus der Sys­te­ma­tik des Ta­rif­ver­tra­ges.


Nach § 3 Abs. 1 Buchst. a TV-Be­triebs­ren­te/neu setzt der An­spruch auf Zah­lung ei­ner Be­triebs­ren­te die Erfüllung ei­ner War­te­zeit vor­aus. Maßgeb­lich hierfür sind nach § 3 Abs. 3 Buchst. a TV-Be­triebs­ren­te/neu al­lein Zei­ten, die der Mit­ar­bei­ter nach sei­nem letz­ten Ein­tritt in den Gel­tungs­be­reich die­ses Ta­rif­ver­tra­ges bis zum Ver­sor­gungs­fall un­un­ter­bro­chen bei der Ge­sell­schaft ver­bracht hat. Das schließt die Berück­sich­ti­gung von Zei­ten, die nicht in dem Ar­beits­verhält­nis, das mit dem Ver­sor­gungs­fall en­det, ver­bracht wur­den, aus. Dies gilt nicht nur für die War­te­zeit, son­dern auch für den Er­werb von Ren­ten­bau­stei­nen. Das er­gibt sich aus § 10 TV-Be­triebs­ren­te/neu, der die Rechts-fol­gen des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens vor dem Ver­sor­gungs­fall ge­son­dert re­gelt. Die­se Be­stim­mung enthält ei­ne de­tail­lier­te Re­ge­lung der Be­rech­nung der Be­triebs­ren­te und der un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaf­ten bei vor­zei­ti­gem Aus-schei­den. Die Vor­schrift sieht auch die Möglich­keit der Ab­gel­tung vor. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben da­bei von ih­rer in § 17 Abs. 3 Be­trAVG vor-ge­se­he­nen Be­fug­nis Ge­brauch ge­macht, die Fol­gen des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens für den Be­triebs­ren­ten­an­spruch bei ge­setz­li­cher Un­ver­fall­bar­keit selbständig aus­zu­ge­stal­ten. Dass für den Son­der­fall des Aus­schei­dens aus dem Ar­beits­verhält­nis vor dem Ver­sor­gungs­fall bei späte­rem Wie­der­ein­tritt ei­ne


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hier­von ab­wei­chen­de Re­ge­lung gel­ten soll­te, ist dem Ta­rif­ver­trag nicht zu ent­neh­men. Da­zu hätte es zu­min­dest ei­ner Re­ge­lung für den Fall be­durft, dass ei­ne un­ver­fall­ba­re An­wart­schaft nach § 10 Abs. 5 TV-Be­triebs­ren­te/neu ab­ge­fun­den wur­de.


b) Die­se Aus­le­gung führt auch zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und prak­tisch brauch­ba­ren Re­ge­lung. Die ge­trenn­te Be­hand­lung meh­re­rer zeit­lich un­ter­bro­che­ner Ar­beits­verhält­nis­se zum sel­ben Ar­beit­ge­ber ist im Be­triebs­ren­ten­recht all­ge­mein üblich. Das gilt ins­be­son­de­re für die ge­setz­li­che Un­ver­fall­bar­keit er­wor­be­ner An­wart­schaf­ten (nun­mehr § 1b Be­trAVG; vgl. BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 19, AP Be­trAVG § 7 Nr. 111 = EzA Be­trAVG § 2 Nr. 27).

c) Be­son­der­hei­ten gel­ten auch nicht dann, wenn bei rück­wir­ken­der An­wen­dung des TV-Be­triebs­ren­te/neu nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung in ei­nem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis ei­ne un­ver­fall­ba­re An­wart­schaft iSv. § 10 TV-Be­triebs­ren­te/neu ent­stan­den ist. Es kann des­halb da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Kläge­rin zu Recht da­von aus­geht, sie hätte ei­ne in die­sem Sin­ne un­ver­fall­ba­re An­wart­schaft in ih­rem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis er­wor­ben.


Durch § 2 Abs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 TV-Ver­ein­heit­li­chung wird § 10 TV-Be­triebs­ren­te/neu nicht rück­wir­kend er­streckt. Die­se Vor­schrift enthält ei­ne in sich ge­schlos­se­ne Ge­samt­re­ge­lung. Da­zu gehört auch Abs. 5 Un­terabs. 2, nach dem auf An­trag des Mit­ar­bei­ters vor Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses die un­ver­fall­ba­re An­wart­schaft ab­ge­gol­ten wird. Ei­ne rück­wir­ken­de Er­stre­ckung die­ser Re­ge­lung auf ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­verhält­nis­se schei­det aus. Das steht auch ei­ner rück­wir­ken­den Er­stre­ckung des § 10 TV-Be­triebs­ren­te/neu ins­ge­samt ent­ge­gen.


d) Ei­ne An­rech­nungs­pflicht kann ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin auch nicht aus der Re­ge­lung über die Berück­sich­ti­gung von Beschäfti­gungs­zei­ten bei der C GmbH in § 2 Abs. 1 Satz 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung ab­ge­lei­tet wer­den. Die­se Vor­schrift be­stimmt, dass VBL-pflich­ti­ge Beschäfti­gungs­zei­ten bei C un­mit­tel­bar vor oder - bei zwi­schen­zeit­li­chem Ar­beits­verhält­nis mit C - im un­mit­tel­ba­ren

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An­schluss an das Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten berück­sich­tigt wer­den. Sie stellt da­mit Zei­ten der Tätig­keit bei C sol­chen bei der Be­klag­ten gleich. Das führt im Er­geb­nis da­zu, dass - so­weit kei­ne Un­ter­bre­chung vor­liegt - auch Beschäfti­gungs­zei­ten bei der Be­klag­ten, die der Tätig­keit bei C vor­aus­gin­gen, an­rech­nungsfähig sind, so­weit der Ar­beit­neh­mer später un­mit­tel­bar von C zur Be­klag­ten zurück­ge­kehrt ist. Ei­ne Aus­sa­ge zu Beschäfti­gungs­zei­ten bei der Be­klag­ten, die nicht mit Beschäfti­gungs­zei­ten bei C im un­mit­tel­ba­ren zeit­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen, trifft die Re­ge­lung nicht. Sie stellt viel­mehr si­cher, dass Zei­ten bei C, die kei­nen un­mit­tel­ba­ren zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit an­rech­nungsfähi­gen Zei­ten bei der Be­klag­ten ha­ben, nicht an­re­chen­bar sind. Dar­aus er­gibt sich, dass nur un­un­ter­bro­che­ne Beschäfti­gungs­zei­ten zu berück­sich­ti­gen sind, wo­bei Beschäfti­gungs­zei­ten bei C sol­chen bei der Be­klag­ten gleich­ste­hen.


II. Mit die­sem In­halt sind die ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen von der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­deckt. Sie ver­s­toßen nicht ge­gen das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts (hier: des weib­li­chen Ge­schlechts) mit der Fol­ge, dass die in frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­sen zurück-ge­leg­ten Beschäfti­gungs­zei­ten auch im Rah­men der Rücker­stre­ckung des TV-Be­triebs­ren­te/neu nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung berück­sich­tigt wer­den müss­ten. We­der das weib­li­che Ge­schlecht noch ein Merk­mal, das al­lein dem weib­li­chen Ge­schlecht an­haf­tet, ist dort in Be­zug ge­nom­men, so dass ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts aus­schei­det. Auch ei­ne ver­bo­te­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts liegt nicht vor.

1. So­wohl das eu­ropäische Primärrecht durch Art. 23 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on (künf­tig: GR-Char­ta) iVm. Art. 157 AEUV (eben­so früher die Vorgänger­re­ge­lun­gen Art. 119 bzw. Art. 141 EG-Ver­trag; da­zu EuGH 27. Ok­to­ber 1993 - C-127/92 - [End­er­by] Rn. 14, Slg. 1993, I-5535), als auch das Se­kundärrecht mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 und Art. 5 der Gleich­be­hand­lungs­richt­li­nie (Richt­li­nie 2006/54/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en in Ar­beits- und Be-
 


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schäfti­gungs­fra­gen vom 5. Ju­li 2006, ABl. EU L 204 vom 26. Ju­li 2006 S. 23; eben­so be­reits Art. 5 Abs. 1 der durch die­se Richt­li­nie er­setz­ten Richt­li­nie des Ra­tes 86/378/EWG zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en bei den be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit vom 24. Ju­li 1986, ABl. EG L 225 vom 12. Au­gust 1986 S. 40, zu­letzt geändert durch Richt­li­nie vom 5. Ju­li 2006, ABl. EU L 204 S. 23) ver­bie­ten die mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts. Glei­ches gilt für das deut­sche Ver­fas­sungs­recht nach Art. 3 Abs. 2 GG (da­zu BVerfG 14. April 2010 - 1 BvL 8/08 - Rn. 65, Eu­GRZ 2010, 336) und das ein­fa­che Ge­set­zes­recht nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG. Die­se eu­ropäischen und deut­schen Rechts­nor­men gel­ten auch für die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung (vgl. zur Al­ters­ver­sor­gung als Ar­beits­ent­gelt iSd. Vorgänger­re­ge­lung zu Art. 157 AEUV: EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Bar­ber] Rn. 27, Slg. 1990, I-1889; zur An­wen­dung des AGG: BAG 11. De­zem­ber 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22 ff., BA­GE 125, 133). Sie sind auch von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu be­ach­ten (vgl. zur Vorgänger­re­ge­lung von Art. 157 AEUV: EuGH 18. No­vem­ber 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 25 mwN, Slg. 2004, I-11143; für den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG: BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 - Rn. 21 mwN, AP TVG § 1 Al­ters­teil­zeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110; 14. Ja­nu­ar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 44, BA­GE 129, 105 so­wie Art. 23 Buchst. b Gleich­be­hand­lungs­richt­li­nie und § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG).


Ei­ne ver­bo­te­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt da­nach vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen des ei­nen Ge­schlechts in be­son­de­rer Wei­se ge­genüber Per­so­nen des an­de­ren Ge­schlechts be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich (vgl. die Le­gal­de­fi­ni­tio­nen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Gleich­be­hand­lungs­richt­li­nie und § 3 Abs. 2 AGG; eben­so BVerfG 14. April 2010 - 1 BvL 8/08 - Rn. 65 ff., Eu­GRZ 2010, 336; ähn­lich zur Vorgänger­re­ge­lung des Art. 157 AEUV: EuGH 23. Ok­to­ber 2003 - C-4/02 - und - C-5/02 - [Schönheit und Be­cker] Rn. 67, Slg. 2003, I-12575).



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Ei­ne ver­bo­te­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des weib­li­chen Ge­schlechts setzt des­halb vor­aus, dass sich in der durch die Re­ge­lung be­nach­tei­lig­ten Grup­pe im Ver­gleich zur begüns­tig­ten Grup­pe we­sent­lich mehr Frau­en be­fin­den als Männer. Es darf zu­dem für die Un­ter­schei­dung kei­nen Sach­grund ge­ben. Ein Sach­grund liegt vor, wenn die Re­ge­lung durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt ist und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

2. Da­nach be­wirkt die Nicht­berück­sich­ti­gung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten aus frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­sen bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu kei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts.


a) Es kann da­hin­ste­hen, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei der Rücker­stre­ckung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te auf die VBL-gleich Ver­si­cher­ten und der Nicht­an­rech­nung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten in die­sem Zu­sam­men­hang über­haupt ei­ne Grup­pen­bil­dung vor­ge­nom­men ha­ben. Ei­ne Grup­pen­bil­dung könn­te dar­in zu se­hen sein, dass bei den am Stich­tag 1. Ju­li 2003 (§ 2 Abs. 1 TV-Ver­ein­heit­li­chung) beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern mit VBL-glei­cher Ver­sor­gung, die Vor­beschäfti­gungs­zei­ten aus frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­sen auf­zu­wei­sen ha­ben, nicht sämt­li­che Beschäfti­gungs­zei­ten bei der Be­rech­nung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu berück­sich­tigt wer­den, wo­hin­ge­gen bei den­je­ni­gen Ar­beit­neh­mern, die un­un­ter­bro­chen bei der Be­klag­ten beschäftigt sind, al­le Beschäfti­gungs­zei­ten an­ge­rech­net wer­den.


b) Die zah­lenmäßigen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner un­er­laub­ten mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung lägen vor, wenn zu der Grup­pe der aus­ge­schie­de­nen Mit­ar­bei­ter, die später wie­der ein Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten be­gründet ha­ben und zum Stich­tag dort noch mit ei­ner VBL-glei­chen Ver­si­che­rung tätig wa­ren, we­sent­lich mehr Frau­en gehörten als zu der Grup­pe der zu die­sem Stich­tag mit ei­ner VBL-glei­chen Ver­si­che­rung täti­gen Mit­ar­bei­ter, die kei­ne Vor­dienst­zei­ten und kei­ne Un­ter­bre­chun­gen auf­zu­wei­sen ha­ben. Hier­zu hat die Kläge­rin in den Tat­sa­chen­in­stan­zen nichts vor­ge­tra­gen. Sie hat sich auf den

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Hin­weis be­schränkt, dass die Grup­pe der aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer zu über 90 % aus Frau­en be­ste­he. Dies reicht zur Dar­le­gung ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung nicht aus.


c) Es ist nicht er­for­der­lich, den Rechts­streit zur wei­te­ren Aufklärung die­ser in den Vor­in­stan­zen nicht an­ge­spro­che­nen Fra­ge - et­wa aus Gründen des fai­ren Ver­fah­rens - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen. Selbst wenn sich das Zah­len­verhält­nis zwi­schen der begüns­tig­ten und be­nach­tei­lig­ten Grup­pe so dar­stell­te, dass die zah­lenmäßigen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des weib­li­chen Ge­schlechts vorlägen, wäre ei­ne sol­che nicht ge­ge­ben. Die­se Be­nach­tei­li­gung wäre durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels wären er­for­der­lich und an­ge­mes­sen.


aa) Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­fol­gen mit ih­rer Re­ge­lung das Ziel, im Rah­men des Ver­glei­ches nach § 10 Abs. 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung das mit dem TV-Be­triebs­ren­te/alt ab dem 1. Sep­tem­ber 1995 ge­schaf­fe­ne und nun­mehr im TV-Be­triebs­ren­te/neu ge­re­gel­te Be­triebs­ren­ten­sys­tem auch auf Zeiträume in der Ver­gan­gen­heit zu er­stre­cken. Sie woll­ten da­mit die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung auf der Ba­sis des TV-Be­triebs­ren­te/neu rück­wir­kend ver­ein­heit­li­chen und gleich­zei­tig die Be­sitzstände nach der VBL-glei­chen Ver­sor­gung durch die Ga­ran­tie­ren­te er­hal­ten. Sie ha­ben in­so­weit mit § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung ei­ne rück­wir­ken­de Zu­sa­ge ge­ge­ben. Da­mit ha­ben sie gleich­zei­tig die Ent­schei­dung ge­trof­fen, über die­se Er­stre­ckung nicht hin­aus­zu­ge­hen, son­dern es da­bei zu be­las­sen. Dar­aus folgt, dass Zei­ten der Vor­beschäfti­gung bei der Ver­gleichs­be­rech­nung nicht an­re­chen­bar sind.

bb) Die­ses Ziel ist rechtmäßig. Ins­be­son­de­re be­ste­hen im Hin­blick auf den Grund­satz der Gleich­be­rech­ti­gung der Ge­schlech­ter ge­gen die Nicht­berück­sich­ti­gung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten in dem TV-Be­triebs­ren­te/neu und dem TV-Be­triebs­ren­te/alt kei­ne Be­den­ken.

Es ist schon nicht er­sicht­lich, dass zum Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens des neu­en Be­triebs­ren­ten­sys­tems nach dem TV-Be­triebs­ren­te/alt am 1. Ja­nu­ar
 


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1995 durch die Nicht­an­rech­nung von Vor­dienst­zei­ten Frau­en be­son­ders be­trof­fen wa­ren. Hin­zu kommt, dass zu die­sem Zeit­punkt dem Um­stand, dass fa­mi­liäre Pflich­ten über­wie­gend von Frau­en über­nom­men wer­den und dies die Möglich­kei­ten zu ei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit ein­schränkt, durch ge­setz­li­che und ta­rif­li­che Schutz­maßnah­men Rech­nung ge­tra­gen wur­de. So wur­de durch das Bun­des­er­zie­hungs­geld­ge­setz vom 6. De­zem­ber 1985 (BGBl. I S. 2154, mit späte­ren Ände­run­gen, BErzGG) mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 1986 aus An­lass der Ge­burt ei­nes Kin­des ein Er­zie­hungs­ur­laub ein­geführt. Zwi­schen­zeit­lich gilt auf­grund des Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­set­zes vom 5. De­zem­ber 2006 (BGBl. I S. 2748, mit späte­ren Ände­run­gen, BEEG) ei­ne Re­ge­lung über El­tern­zeit. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben be­stimmt, dass auf die War­te­zeit, die erfüllt sein muss, um Ansprüche nach dem Sys­tem des TV-Be­triebs­ren­te/neu er­wer­ben zu können, auch die El­tern­zeit an­ge­rech­net wird (§ 3 Abs. 3 Buchst. b TV-Be­triebs­ren­te/neu; der TV-Be­triebs­ren­te/alt sah die An­rech­nung des Er­zie­hungs­ur­laubs vor; vgl. zur Be­deu­tung der Schutz­re­geln für die Be­rech­ti­gung ei­ner un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung we­gen des Ge­schlechts be­reits BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 41 ff., EzA GG Art. 3 Nr. 109). Zu­dem hat die Kläge­rin vor­ge­tra­gen, dass die Be­klag­te seit dem Jahr 1987 Teil­zeit­beschäfti­gun­gen ermöglicht und da­mit auch der Si­tua­ti­on fa­mi­liär ge­bun­de­ner Ar­beit­neh­mer des Ka­bi­nen­per­so­nals in ge­wis­ser Wei­se Rech­nung ge­tra­gen hat.


cc) Das von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur Er­rei­chung ih­res Ziels - Rücker­stre­ckung le­dig­lich des neu­en Be­triebs­ren­ten­sys­tems - an­ge­wand­te Mit­tel, nämlich die Rücker­stre­ckung oh­ne An­rech­nung von Vor­dienst­zei­ten, ist er­for­der­lich, da es ei­nen an­de­ren Weg zur Er­rei­chung die­ses Ziels nicht gibt. Es kann un­ter Berück­sich­ti­gung der ver­fas­sungs- und uni­ons­recht­lich geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie ins­ge­samt auch nicht als un­an­ge­mes­sen an­ge­se­hen wer­den.


(1) Bei der streit­be­fan­ge­nen Re­ge­lung han­delt es sich um ei­ne Vor­schrift, die Vergüns­ti­gun­gen auf die Ver­gan­gen­heit er­streckt. Das schließt zwar ei­ne Über­prüfung an­hand des Grund­sat­zes der Gleich­be­rech­ti­gung der Ge­schlech­ter nicht aus (vgl. nur EuGH 18. No­vem­ber 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 24,



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Slg. 2004, I-11143). Da­bei ist aber in Rech­nung zu stel­len, dass mit der rück-wir­ken­den Er­stre­ckung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu kein Ein­griff in er­wor­be­ne Be­sitzstände ver­bun­den ist. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben durch die Ga­ran­tie­ren­te nach § 9 TV-Ver­ein­heit­li­chung die in der Ver­gan­gen­heit er­wor­be­nen Be­sitzstände aus der VBL- und VBL-glei­chen Ver­si­che­rung, nach der auch Vor­dienst­zei­ten an­re­chen­bar wa­ren, er­hal­ten.

Nach § 41 Abs. 1 und 2, § 42 der im Jah­re 1995 gel­ten­den VBL-Sat­zung rich­te­te sich der An­spruch auf Ge­samt­ver­sor­gung nach der ge­samt-ver­sor­gungsfähi­gen Zeit. Das wa­ren Beschäfti­gungs­zei­ten im öffent­li­chen Dienst, für die Leis­tun­gen an die VBL zu er­brin­gen wa­ren (§ 29 Abs. 10 VBL-Sat­zung). Ei­ne Vor­schrift, dass die­se Zei­ten in ei­nem Ar­beits­verhält­nis un­mit­tel­bar vor dem Ver­sor­gungs­fall zurück­ge­legt wor­den sein muss­ten, ent­hielt die Sat­zung nicht. Auch für die in § 38 Abs. 1 der da­ma­li­gen VBL-Sat­zung vor­ge­se­he­ne War­te­zeit be­stand kei­ne der­ar­ti­ge Re­ge­lung. Die bis zum 31. De­zem­ber 2001 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten auf ei­ne VBL-glei­che Ver­sor­gung wer­den bei der Er­mitt­lung der Ga­ran­tie­ren­te nach § 9 TV-Ver­ein­heit­li­chung in Form ei­nes Start­bau­steins gemäß § 3 TV-Ver­ein­heit­li­chung berück­sich­tigt. Dies schließt auch An­wart­schaf­ten aus frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­sen ein. Durch die rück­wir­ken­de Er­stre­ckung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te auf die Ver­gan­gen­heit soll le­dig­lich den­je­ni­gen Ar­beit­neh­mern ei­ne Vergüns­ti­gung zu­teil wer­den, für die sich nach dem neu­en auch auf die Ver­gan­gen­heit an­ge­wand­ten Be­triebs­ren­ten­sys­tem ei­ne höhe­re Be­triebs­ren­te er­rech­net.


Zur Einräum­ung wei­te­rer Vergüns­ti­gun­gen wa­ren die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht ver­pflich­tet. Das Ver­trau­en ei­nes Ar­beit­neh­mers dar­auf, dass ihm über be­reits er­wor­be­ne Be­sitzstände hin­aus für die Ver­gan­gen­heit begüns­ti­gen­de Re­ge­lun­gen zu­gu­te­kom­men, ist nicht in be­son­de­rer Wei­se schutzwürdig (vgl. BAG 11. Au­gust 2009 - 3 AZR 320/08 - Rn. 37).


(2) Im Hin­blick auf die­se nur be­grenz­ten Aus­wir­kun­gen ist die zu Las­ten der Mit­ar­bei­ter mit Vor­dienst­zei­ten ge­trof­fe­ne Re­ge­lung von der auf der Ta­rif-
 


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au­to­no­mie be­ru­hen­den Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­deckt, selbst wenn man mit der Kläge­rin da­von aus­geht, dass dies im Ein­zel­fall nicht un­er­heb­li­che fi­nan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen hat.


(a) Das Ver­bot der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts ist - un­abhängig da­von, wel­che kon­kre­te Rechts­grund­la­ge ein­schlägig ist - auch von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu be­ach­ten. Auch so­weit es da­bei um die Prüfung der An­ge­mes­sen­heit der ta­rif­li­chen Be­stim­mung geht, ist die aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie re­sul­tie­ren­de Ge­stal­tungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu berück­sich­ti­gen. Das Er­for­der­nis ei­ner Recht­fer­ti­gung entfällt da­durch nicht, je­doch ist die Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu re­spek­tie­ren. Da­bei gebührt den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve in Be­zug auf die sach­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten und die be­trof­fe­nen In­ter­es­sen so­wie die Re­ge­lungs­fol­gen. Fer­ner verfügen sie über ei­nen Be­ur­tei­lungs- und Er­mes­sens­spiel­raum hin­sicht­lich der in­halt­li­chen Ge­stal­tung der Re­ge­lung (st. Rspr., vgl. et­wa BAG 17. Ju­ni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 17 mwN, AP Tz­B­fG § 14 Nr. 64 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 12). Die­ses Recht ist durch die Ta­rif­au­to­no­mie geschützt (vgl. nur BVerfG 11. Ju­li 2006 - 1 BvL 4/00 - Rn. 70 f., BVerfGE 116, 202; BAG 14. Ja­nu­ar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 45, 47, BA­GE 129, 105 so­wie 18. No­vem­ber 2003 - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 c der Gründe, BA­GE 108, 333).

(b) Der Grund­satz der Ko­ali­ti­ons­frei­heit, auf dem die Ta­rif­au­to­no­mie be­ruht, hat auch im Uni­ons­recht An­er­ken­nung ge­fun­den. Eben­so wie be­reits Art. 139 des EG-Ver­tra­ges sieht Art. 155 AEUV ei­nen Dia­log zwi­schen den So­zi­al­part­nern vor, der zu ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen führen kann, die uni­ons­recht­lich um­ge­setzt wer­den (da­zu BAG 18. No­vem­ber 2003 - 9 AZR 122/03 - zu B I 2 c aa der Gründe, BA­GE 108, 333). Zu­dem ver­weist in Übe­rein­stim­mung mit dem frühe­ren Art. 136 EG-Ver­trag nun­mehr Art. 151 AEUV auf die Eu­ropäische So­zi­al­char­ta und die „Ge­mein­schafts­char­ta der so­zia­len Grund­rech­te der Ar­beit­neh­mer“. Die Eu­ropäische So­zi­al­char­ta ga­ran­tiert in Art. 6 und die Ge­mein­schafts­char­ta in Nr. 11 bis 14 auch die Ta­rif­au­to­no­mie (vgl. da­zu BAG 14. Ja­nu­ar 2009 - 3 AZR 20/07 - Rn. 46, BA­GE 129, 105).


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Fer­ner sind nach Art. 51 Abs. 1 GR-Char­ta die in die­ser Char­ta ent­hal­te­nen Grund­rech­te bei der An­wen­dung des Uni­ons­rechts zu berück­sich­ti­gen. Da­zu gehört nach Art. 28 das Recht auf Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen, das da­nach auch das Recht be­inhal­tet, Ta­rif­verträge auf den ge­eig­ne­ten Ebe­nen aus­zu­han­deln und zu schließen.

Dem­ent­spre­chend hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof er­kannt, dass die Ta­rif­au­to­no­mie bei der An­wen­dung des eu­ropäischen Primärrechts Berück­sich­ti­gung zu fin­den hat. So hat er grundsätz­lich das Kar­tell­recht der Uni­on nicht auf ta­rif­ver­trag­lich ge­schaf­fe­ne Ein­rich­tun­gen an­ge­wandt (vgl. da­zu nur 21. Sep­tem­ber 1999 - C-67/96 - [Al­ba­ny] Slg. 1999, I-5751) und im Zu­sam­men-hang mit Ar­beitskämp­fen auch die Ko­ali­ti­ons­frei­heit erwähnt (vgl. da­zu 11. De­zem­ber 2007 - C-438/05 - [Vi­king] Rn. 43, Slg. 2007, I-10779 und 18. De­zem­ber 2007 - C-341/05 - [La­val un Part­ne­ri] Rn. 90, Slg. 2007, I-11767 im Zu­sam­men­hang mit der Dienst­leis­tungs­frei­heit). Sch­ließlich hat er aus-ge­spro­chen, bei der Prüfung ei­ner un­er­laub­ten Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts könne auch berück­sich­tigt wer­den, dass Ent­gelt­be­stand­tei­le in Ver­hand­lun­gen der Kol­lek­tiv­or­ga­ni­sa­tio­nen fest­ge­setzt wur­den (31. Mai 1995 - C-400/93 - [Roy­al Copen­ha­gen] Rn. 46, Slg. 1995, I-1275). Der Eu­ropäische Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) hat er­kannt, das Recht ei­ner Ge­werk­schaft, mit der Ar­beit­ge­ber­sei­te kol­lek­ti­ve Ver­hand­lun­gen zu führen, sei durch Art. 11 der Eu­ropäischen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on geschützt und des­halb könne der ab­ge­schlos­se­ne Ta­rif­ver­trag ein we­sent­li­ches Mit­tel sein, die In­ter­es­sen der Mit­glie­der zu fördern (12. No­vem­ber 2008 - 34503/97 - De­mir und Bay­ka­ra ./. Türkei, Rn. 154, 157, NZA 2010, 1425). Die in der Kon­ven­ti­on geschütz­ten Grund­rech­te sind als all­ge­mei­ne Grundsätze auch Teil des Uni­ons­rechts (Art. 6 EUV).

(c) Bei der Berück­sich­ti­gung der Ta­rif­au­to­no­mie geht die neue­re Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs da­hin, das von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­folg­te Ziel ei­ner­seits mit den im Uni­ons­recht ver­folg­ten Zie­len an­de­rer­seits ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen (vgl. 15. Ju­li 2010 - C-271/08 - [Kom­mis­si­on/Deutsch­land] Rn. 51 ff., ZTR 2010, 590, für Ver­ga­be­recht). Es
 


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kann da­hin­ste­hen, ob ei­ne in die­ser Art er­fol­gen­de Kon­trol­le von Ta­rif­nor­men mit dem Grund­satz der Ta­rif­au­to­no­mie ver­ein­bar ist. Für den Streit­fall kommt es hier­auf nicht an. Denn so­wohl das kon­kre­te Ziel der hier zu be­ur­tei­len­den ta­rif­li­chen Re­ge­lung, nur die nach dem neu­en Sys­tem gewähr­ten Begüns­ti­gun­gen rück­wir­kend zu­zu­sa­gen, als auch das Recht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, in ei­nem Ver­hand­lungs­pro­zess die Ar­beits­be­din­gun­gen un­ter Be­ach­tung der ih­nen zu­ste­hen­den Einschätzungs­präro­ga­ti­ve zu re­geln, rei­chen im Hin­blick dar­auf, dass durch die ta­rif­li­che Re­ge­lung ab­ge­schlos­se­ne Sach­ver­hal­te begüns­ti­gend neu ge­re­gelt und die er­wor­be­nen Be­sitzstände durch die Ga­ran­tie­ren­te ge­wahrt wer­den, aus, um die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung iSd. Rechts der mit­tel­ba­ren Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung für an­ge­mes­sen zu hal­ten.


d) Der Se­nat ist nicht nach Art. 267 AEUV ver­pflich­tet, we­gen der an­ge­spro­che­nen uni­ons­recht­li­chen Fra­gen ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on zur Aus­le­gung uni­ons­recht­li­cher Be­stim­mun­gen ein­zu­ho­len.

aa) Es ent­spricht der ständi­gen Recht­spre­chung des EuGH, dass es Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts ist, zu prüfen, ob für ei­ne mit­tel­bar auf­grund des Ge­schlechts be­nach­tei­li­gen­de Re­ge­lung ein sach­li­cher Grund be­steht (vgl. 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bau­er] Rn. 51, Slg. 2003, I-2741). So­weit der Se­nat berück­sich­tigt hat, dass die hier in Re­de ste­hen­de Re­ge­lung durch Ta­rif­ver­trag ge­trof­fen wur­de, be­ruht dies in uni­ons­recht­li­cher Hin­sicht zum ei­nen auf Art. 28 der GR-Char­ta, der ein­deu­tig das Recht auf Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen schützt, und zum an­de­ren auf der zi­tier­ten Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs. Ins­be­son­de­re ist durch die Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che „Roy­al Copen­ha­gen“ (EuGH 31. Mai 1995 - C-400/93 - Slg. 1995, I-1275) geklärt, dass die­ser Um­stand auch im Rah­men des Dis­kri­mi­nie­rungs­rechts bei mögli­cher mit­tel­ba­rer Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts zu berück-sich­ti­gen sein kann. So­wohl der ein­deu­ti­ge Wort­laut des Uni­ons­rechts, als auch die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs sind dem­nach hin­rei­chend klar, um ei­ne Pflicht zur Vor­la­ge aus­zu­sch­ließen (EuGH 6. Ok­to­ber 1982 - Rs. 283/81 -

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[C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982 S. 3415). Es liegt so­wohl ein Fall des „ac­te clair“, als auch ein Fall des „ac­te éclairé“ vor (vgl. zur Be­griff­lich­keit BVerfG 30. Au­gust 2010 - 1 BvR 1631/08 - Rn. 56 f., NJW 2011, 288). So­weit der Se­nat Be­den­ken hat, ob die Kon­trol­le ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen durch den EuGH im Hin­blick auf die Ta­rif­au­to­no­mie zu weit­ge­hend ist, be­steht man­gels Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit kein An­lass zu ei­ner Vor­la­ge an den Ge­richts­hof.


bb) Zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung der Vor­la­ge­pflicht ge­ben auch die Vor­la­ge­be­schlüsse des Sechs­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 20. Mai 2010 (- 6 AZR 319/09 (A) - AP BAT § 27 Nr. 10 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 16 und - 6 AZR 148/09 (A) - AP BAT § 27 Nr. 9 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 15) kei­nen An­lass. Sie be­tref­fen ei­ne an­de­re Pro­ble­ma­tik. Die­se Vor­la­ge­be­schlüsse be­zie­hen sich zum ei­nen auf ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters und nicht auf ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts, um die es hier geht. So­weit in den Vor­la­gen von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­trof­fe­ne Über­g­angs­re­ge­lun­gen an­ge­spro­chen sind, geht es nicht - wie hier - um die rück­wir­ken­de Er­stre­ckung ei­ner Vergüns­ti­gung, son­dern um die Auf­recht­er­hal­tung ei­ner - mögli­cher­wei­se - dis­kri­mi­nie­ren­den Re­ge­lung für die Zu­kunft un­ter dem Ge­sichts­punkt der Be­sitz­stands­wah­rung.


III. Die Nicht­berück­sich­ti­gung von Vor­beschäfti­gungs­zei­ten bei der rück­wir­ken­den Er­stre­ckung der Luft­han­sa-Be­triebs­ren­te nach § 2 TV-Ver­ein­heit­li­chung iVm. dem TV-Be­triebs­ren­te/neu verstößt auch nicht ge­gen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG. Zwar ist den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne gleich­heits- und sach­wid­ri­ge Außer­acht­las­sung der Be­lan­ge von Ehe und Fa­mi­lie ver­bo­ten (vgl. BAG 30. Ok­to­ber 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 14 f., BA­GE 128, 219). Aus den un­ter II. ge­nann­ten Gründen wer­den die Be­lan­ge von Ehe und Fa­mi­lie aber nicht außer Acht ge­las­sen.

C. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 


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