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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/021

Nach der 58er-Re­ge­lung Zwangs­ver­ren­tung mit 63 Jah­ren?

Emp­fän­ger von Ar­beits­lo­sen­geld II sol­len künf­tig mit 63 Jah­ren zwangs­wei­se in die Ren­te ge­schickt wer­den kön­nen: Sieb­tes Ge­setz zur Än­de­rung des Drit­ten Bu­ches So­zi­al­ge­setz­buch und an­de­rer Ge­set­ze
Alter Mann mit Hund im Wald Ab 58 bes­ser in der Ren­te als in der Ar­beits­lo­sen-Sta­tis­tik?

12.02.2008. Die sog. 58er-Re­ge­lung sah vor, dass Ar­beits­lo­se, die das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten, Ar­beits­lo­sen­geld I und Ar­beits­lo­sen­geld II un­ter er­leich­ter­ten Be­din­gun­gen be­zie­hen konn­ten. Sie konn­ten näm­lich der Ar­beits­agen­tur bzw. dem Job­cen­ter ge­gen­über er­klä­ren, dem Ar­beits­markt nicht mehr zur Ver­fü­gung zu ste­hen. Die­se Er­klä­rung stand dem wei­te­ren Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I und von Ar­beits­lo­sen­geld II an­ders als bei jün­ge­ren Ar­beits­lo­sen nicht im We­ge. Vor­aus­set­zung da­für war, dass der Be­trof­fe­ne be­reit war, zum frü­hest­mög­li­chen Zeit­punkt ei­ne ab­schlags­freie Ren­te zu be­an­tra­gen.

Die 58er-Re­ge­lung ist zum 31.12.2007 er­satz­los aus­ge­lau­fen, d.h. sie gilt seit­dem nicht mehr. Auf­grund der von vorn­her­ein im Ge­setz ent­hal­te­nen zeit­li­chen Be­fris­tung der 58er-Re­ge­lung - zu­nächst bis En­de 2005, so­dann ver­län­gert bis En­de 2007 - lief sie nun­mehr zum Jah­res­wech­sel 2007/2008 aus, oh­ne dass der Ge­setz­ge­ber da­zu et­was tun muss­te.

Ge­nau­er ge­sagt gilt die 58er-Re­ge­lung wei­ter­hin, al­ler­dings nur noch für Alt­fäl­le. Das sind Leis­tungs­emp­fän­ger, de­ren An­spruch vor dem 01.01.2008 ent­stan­den ist und die vor dem 01.01.2008 das 58. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben.

Für die Be­zie­her von Ar­beits­lo­sen­geld I, die kei­ne Alt­fäl­le sind, führt das Aus­lau­fen der 58er-Re­ge­lung da­zu, dass sie es künf­tig wie­der mit den "Ver­mitt­lungs­be­mü­hun­gen" der Ar­beits­agen­tur zu tun be­kom­men. Im üb­ri­gen ist aber der Leis­tungs­be­zug nicht ge­fähr­det, da Ar­beits­lo­sen­geld I ge­gen­über der ge­setz­li­chen Ren­te nicht nach­ran­gig ist. Der An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld I be­steht mit an­de­ren Wor­ten auch, wenn man an­de­re So­zi­al­leis­tun­gen wie z.B. Ren­te be­an­spru­chen kann.

An­ders ist es da­ge­gen bei den Be­zie­hern von Ar­beits­lo­sen­geld II: Auf­grund der Nach­ran­gig­keit die­ser staat­li­chen Für­sor­ge­leis­tung ge­gen­über al­len an­de­ren Ein­kom­mens­mög­lich­kei­ten sieht es hier so aus, dass auch ei­ne mit Ab­schlä­gen ver­bun­de­ne vor­zei­ti­ge Ren­te ge­gen­über dem Ar­beits­lo­sen­geld II vor­ran­gig in An­spruch ge­nom­men wer­den müss­te.

§ 5 Abs.3 Zwei­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB II) sieht da­her die Mög­lich­keit für den Leis­tungs­trä­ger vor, für den Be­zie­her von Ar­beits­lo­sen­geld II ei­nen An­trag auf vor­ran­gi­ge Leis­tun­gen zu stel­len.

Der Ar­beits­lo­sen­geld II-Trä­ger könn­te da­her im Prin­zip beim Ren­ten­ver­si­che­rungs­trä­ger ei­nen An­trag auf vor­zei­ti­ge Ren­te stel­len, um auf die­se Wei­se den wei­te­ren Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld II über­flüs­sig zu ma­chen.

Vie­le Fäl­le be­trifft das heu­te nicht mehr, denn we­gen des Aus­lau­fens der meis­ten vor 65 Jah­ren zu be­an­spru­chen­den Ren­ten­ar­ten kön­nen heut­zu­ta­ge nur noch we­ni­ge Ver­si­cher­te ei­ne Ren­te vor ih­rem 65. Le­bens­jah­res in An­spruch neh­men, ge­schwei­ge denn ab 58 Jah­ren. Trotz­dem gibt es im­mer noch ei­ni­ge Ren­ten­ar­ten, die - teil­wei­se nur noch für ei­ne Über­gangs­zeit - frü­her be­an­tragt wer­den kön­nen.

Hier sind vor al­lem die Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen, die Al­ters­ren­te we­gen Ar­beits­lo­sig­keit oder nach Al­ters­teil­zeit so­wie die Al­ters­ren­te für Frau­en zu nen­nen.

Um hier ei­ne über­mä­ßi­ge Be­las­tung der Be­zie­her von Ar­beits­lo­sen­geld II zu ver­hin­dern, sieht das am 25.01.2008 im Bun­des­tag rück­wir­kend zum 01.01.2008 be­schlos­se­ne Sieb­te Ge­setz zur Än­de­rung des Drit­ten Bu­ches So­zi­al­ge­setz­buch und an­de­rer Ge­set­ze im We­sent­li­chen zwei Ab­schwä­chun­gen vor:

Ers­tens sind Hil­fe­be­dürf­ti­ge zwar grund­sätz­lich ver­pflich­tet, vor­ran­gig vor dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld II Leis­tun­gen an­de­rer So­zi­al­leis­tungs­trä­ger in An­spruch zu neh­men und die da­zu er­for­der­li­chen An­trä­ge zu stel­len (§ 13a Satz 1 SGB II n.F.), doch be­inhal­tet dies aus­drück­lich nicht die Pflicht zur vor­zei­ti­gen In­an­spruch­nah­me ei­ner Al­ters­ren­te vor dem 63. Le­bens­jahr (§ 12a Satz 2 SGB II n.F.).

Zwei­tens wird das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les da­zu er­mäch­tigt, durch Rechts­ver­ord­nung zu be­stim­men, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen und für wel­che Dau­er Hil­fe­be­dürf­ti­ge nach Voll­endung des 63. Le­bens­jah­res „aus­nahms­wei­se zur Ver­mei­dung von Un­bil­lig­kei­ten“ nicht da­zu ver­pflich­tet sind, ei­ne Ren­te we­gen Al­ters vor­zei­tig in An­spruch zu neh­men.

Ei­ner der Här­te­fäl­le, die mit ei­ner sol­chen Rechts­ver­ord­nung ge­re­gelt bzw. aus­ge­schlos­sen wer­den sol­len, sind Hil­fe­be­dürf­ti­ge, die ne­ben ih­rer Er­werbs­tä­tig­keit er­gän­zend Ar­beits­lo­sen­geld II be­an­spru­chen (sog. Auf­sto­cker). Sie und ggf. an­de­re Grup­pen von Ar­beits­lo­sel­gend II-Emp­fän­gern sol­len so­mit vor dem Zwang zum Be­zug ei­ner Ab­schlags­ren­te be­freit wer­den.

Fa­zit: Nach der jetzt be­schlos­se­nen Re­form des SGB II müs­sen zwar längst nicht al­le über 58 Jah­re al­ten Hil­fe­be­dürf­ti­gen ei­ne vor­zei­ti­ge und mit Ab­schlä­gen ver­bun­de­ne Ren­te be­zie­hen, doch trifft es hier vor­aus­sicht­lich doch ei­ne er­heb­li­che Zahl von Leis­tungs­emp­fän­gern, bei de­nen man nach dem Sinn ei­ner „Zwangs­ver­ren­tung zur Ent­las­tung der Staats­kas­se“ fra­gen kann: Schließ­lich die­nen doch ge­nau die Ren­ten, bei de­nen ei­ne vor­zei­ti­ge In­an­spruch­nah­me mög­lich ist, der ren­ten­recht­li­chen Bes­ser­stel­lung der Ver­si­cher­ten, d.h. sie sol­len lang­jäh­rig Ver­si­cher­te, Schwer­be­hin­der­te oder Frau­en bes­ser­stel­len und nicht ge­gen­über den „re­gu­lär“ Ver­si­cher­ten be­nach­tei­li­gen.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 6. März 2018

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