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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/112

Lohn­steu­er für die Kur

Steu­er­lich kann Kur nur ein­heit­lich be­wer­tet wer­den: Bun­des­fi­nanz­hof, Ur­teil vom 11.03.2010, VI R 7/08
Schreiben des Finanzamts Mitte/Tiergarten mit daraufliegenden Geldscheinen Steu­er­li­che Be­wer­tung ei­ner Kur
11.06.2010. Was Ar­beits­lohn ist, scheint auf der Hand zu lie­gen, näm­lich die Ver­gü­tung, die der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer zahlt.

Steu­er­lich ist dies je­doch gar nicht so ein­deu­tig, weil et­wa auch ei­ne Rei­se, ei­ne Fort­bil­dung oder ei­ne Kur, die der Ar­beit­ge­ber fi­nan­ziert, Ar­beits­lohn dar­stel­len kann, aber nicht in je­dem Fall muss.

Ob ei­ne durch den Ar­beit­ge­ber fi­nan­zier­te Kur we­nigs­tens zum Teil nicht als steu­er­pflich­ti­ger Ar­beits­lohn ge­wer­tet wer­den kann, be­schäf­tig­te den Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung: BFH, Ur­teil vom 11.03.2010, VI R 7/08.

Lohn­steu­er und Ar­beits­lohn

Ar­beits­lohn ist steu­er­pflich­tig, d.h. gemäß § 19 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 des Ein­kom­mens­steu­er­ge­set­zes (EStG) ist hier­auf Lohn­steu­er zu zah­len.

Als Ar­beits­lohn wer­den steu­er­recht­lich al­le Ein­nah­men be­zeich­net, die ei­nem Ar­beit­neh­mer für sei­ne Ar­beits­leis­tung gewährt wer­den. Dies ist nicht wei­ter schwie­rig, wenn es um die mo­nat­lich ge­zahl­te Vergütung oder et­wa das Weih­nachts­geld geht.

Es gibt al­ler­dings un­ty­pi­sche­re Kon­stel­la­tio­nen, bei de­nen die Fra­ge, ob Ar­beits­lohn vor­liegt, gar nicht so ein­fach zu be­ant­wor­ten ist. Denn als Ar­beits­lohn gel­ten auch dem Ar­beit­neh­mer von sei­nem Ar­beit­ge­ber un­ent­gelt­lich oder ver­bil­ligt über­las­se­ne „Sach­zu­wen­dun­gen“. Vor­aus­set­zung für ei­ne Ein­stu­fung als Ar­beits­lohn ist hier­bei je­doch, dass die Sach­zu­wen­dun­gen nicht aus ei­gen­be­trieb­li­chem In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers gewährt wer­den und der be­trieb­li­che Zweck nicht ganz im Vor­der­grund steht.

Re­le­vant wird die­ses Kri­te­ri­um et­wa, wenn der Ar­beit­ge­ber den Beschäftig­ten Pro­gram­me zur Ge­sund­heitsförde­rung oder –vor­sor­ge zur Verfügung stellt, (Dienst)-Rei­sen oder Fort­bil­dun­gen fi­nan­ziert.

Da­ne­ben stellt sich die Fra­ge, ob ei­ne Sach­leis­tung nur ein­heit­lich be­ur­teilt wer­den kann, oder ei­ne Auf­tei­lung möglich ist. Die Fi­nanz­ge­rich­te stel­len hier­bei dar­auf ab, ob die je­wei­li­gen Ver­an­las­sungs­beiträge so in­ein­an­der­grei­fen, dass ei­ne Tren­nung nicht möglich und da­her von ei­ner ein­heit­lich zu be­ur­tei­len­den Zu­wen­dung aus­zu­ge­hen sit.

Ein in­ter­es­san­tes Ur­teil des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) be­fasst sich mit der Fra­ge, ob die Über­nah­me von Kur­kos­ten durch den Ar­beit­ge­ber als lohn­steu­er­pflich­ti­ger Ar­beits­lohn gilt und ob ei­ne Auf­tei­lung in Ar­beits­lohn und ei­ne Zu­wen­dung im be­trieb­li­chen Ei­gen­in­ter­es­se möglich ist (BFH, Ur­teil vom 11.03.2010, VI R 7/08).

Der Fall des Bun­des­fi­nanz­hofs: Flug­lot­se muss zur Kur, Ar­beit­ge­ber zahlt

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war Flug­lot­se. Ta­rif­lich war der Flug­lot­se ver­pflich­tet, sich auf Ver­lan­gen des Ar­beit­ge­bers in Abständen von längs­tens fünf Jah­ren ei­ner Re­ge­ne­rie­rungs­kur zu un­ter­zie­hen, die vom Ar­beit­ge­ber ge­zahlt wur­de.

Der Flug­lot­se nahm des­we­gen an ei­ner vierwöchi­gen Re­ge­ne­rie­rungs­kur teil, de­ren Pro­gramm im We­sent­li­chen aus Fit­ness­trai­ning und Mas­sa­gen be­stand. Die Kos­ten in Höhe von 5.040,00 DM über­nahm der Ar­beit­ge­ber.

Das be­klag­te Fi­nanz­amt er­fass­te die Über­nah­me der Kur­kos­ten im Ein­kom­mens­steu­er­be­scheid als Ar­beits­lohn.

Hier­ge­gen klag­te der Flug­lot­se vor dem Fi­nanz­ge­richt und be­kamt teil­wei­se Recht. Das Schles­wig-Hol­stei­ni­sche Fi­nanz­ge­richt (FG) mein­te nämlich, die Kur die­ne zu et­wa glei­chen Tei­len dem In­ter­es­se des Ar­beit­ge­ber an leis­tungsfähi­gen Mit­ar­bei­tern und dem In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an sei­ner Fit­ness. Die Kos­tenüber­nah­me sei des­we­gen nur zur Hälf­te als Ar­beits­lohn zu wer­ten (Ur­teil vom 10.07.2007, 5 K 369/02).

Bun­des­fi­nanz­hof: Über­nah­me der Kur­kos­ten ist Ar­beits­lohn

Der BFH war an­de­rer An­sicht und gab dem Fi­nanz­amt in vol­lem Um­fang Recht.

Die Über­nah­me von Kur­kos­ten zählt nach ständi­ger Recht­spre­chung grundsätz­lich als nicht ganz über­wie­gend im ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers lie­gen­de Zu­wen­dung zum Ar­beits­lohn, so der BFH kurz und bündig.

Ei­ne Auf­tei­lung hält der BFH für aus­ge­schlos­sen. Zum ei­nen lässt sich die Kur nicht in ver­schie­den Ver­an­las­sungs­beiträge tren­nen, so der BFH. Außer­dem schei­det ei­ne Be­wer­tung als Ar­beits­lohn nur dann aus, wenn ei­ne Leis­tung im ganz über­wie­gen­den ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­es­se er­folgt. Er­folgt sie wie hier nur zur Hälf­te im ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­es­se, liegt da­mit Ar­beits­lohn vor.

Zu Recht ver­neint der BFH vor­lie­gend die Auf­tei­lungsmöglich­keit. Al­ler­dings wäre ein mehr ein­zel­fall­be­zo­ge­ner Blick auf den Zweck der Kur wünschens­wert ge­we­sen. Zwar un­ter­zie­hen sich Ar­beit­neh­mer nor­ma­ler­wei­se im (über­wie­gen­den) Ei­gen­in­ter­es­se ei­ner Kur, dies kann hier aber (aus­nahms­wei­se) an­ders ge­we­sen sein, weil hier ei­ne Ver­pflich­tung der Ar­beit­neh­mer zur Kur be­stand, die u.U. dar­auf zurück­zuführen ist, dass der Ar­beit­ge­ber durch die star­ke Be­las­tung und Ver­ant­wor­tung von Flug­lot­sen re­sul­tie­ren­den fol­gen­schwe­ren Feh­lern vor­beu­gen möch­te und da­mit über­wie­gend im ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­es­se han­del­te.
An­de­rer­seits birgt ei­ne der­art ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Be­wer­tung die Ge­fahr, dass Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber ein ei­gen­be­trieb­li­ches In­ter­es­se „her­bei­kon­stru­ie­ren“, in­dem sie die Sach­leis­tung als Ver­pflich­tung des Ar­beit­neh­mers aus­ge­stal­ten.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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