HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ber­lin, Ur­teil vom 13.05.2015, 28 Ca 18485/14

   
Schlagworte: Kündigung, Geschlechterbenachteiligung, Schwangerschaft
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 28 Ca 18485/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.05.2015
   
Leitsätze:

I. Kündigt der Arbeitgeber (hier: Rechtsanwalt) das Arbeitsverhältnis einer schwangeren Frau zum wiederholten Male ohne Beteiligung der Schutzbehörde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG), so kann die darin liegende Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zugunsten der werdenden Mutter deren Benachteiligung wegen Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG i.V.m. § 1 AGG) indizieren (wie BAG 12.12.2013 – 8 AZR 838/12 – NZA 2014, 722 – Rn. 31).

II. Diese indizielle Wirkung seines Handelns kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres mit dem Einwand ausräumen, er habe nach Ablauf eines individuellen Beschäftigungsverbots (§ 3 Abs. 1 MuSchG) für den anschließenden Lauf der Mutterschutzfrist (§ 3 Abs. 1 MuSchG) in Ermangelung irgendwelcher Nachrichten der Frau irrtümlich angenommen, die Schwangerschaft (und damit der Sonderkündigungsschutz) sei unterdessen „anders schon beendet“ gewesen.

III. Hier: Verurteilung zur Geldentschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) von 1.500,-- Euro.

 

Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

28 Ca 18485/14

Verkündet

am 13.05.2015



Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

Pp

hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 28. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 08.05.2015
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Dr. R.
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter S. und F.

für Recht er­kannt:

I.
Es wird fest­ge­stellt, dass die Kündi­gung des 28 Ca 18485/14Beklagten im Schrei­ben vom
18. De­zem­ber 2014 das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht be­en­det hat.


II.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, der Kläge­rin 1.500,-- Eu­ro (ein­tau­sendfünf­hun­dert 00/100) nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem
31. Ja­nu­ar 2015 zu zah­len.


III.
Der Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.


IV.
Der Wert der Streit­ge­genstände wird auf 5.025,-- Eu­ro fest­ge­setzt.

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T a t b e s t a n d

Es geht um (wie­der­hol­te) Kündi­gung während Schwan­ger­schaft trotz Kündi­gungs­ver­bots (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ) und um Gel­dentschädi­gung we­gen Ge­schlechts­be­nach­tei­li­gung (§ 15 Abs. 2 AGG ). - Vor­ge­fal­len ist dies:

I. Die (heu­te ) 31-jähri­ge Kläge­rin trat im April 2014 un­ter Ver­ein­ba­rung ei­ner sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit als „Rechts­an­walts­fach­an­ge­stell­te“ (Ko­pie Ar­beits­ver­trag: Ur­teils­an­la­ge I.) in die Diens­te des Be­klag­ten, der ei­ne An­walts­kanz­lei be­treibt. Hier be­zog die Kläge­rin zur Zeit der Er­eig­nis­se, die den Hin­ter­grund des Rechts­streits bil­den, bei wöchent­lich re­gelmäßig 30 Ar­beits­stun­den ein Mo­nats­ge­halt von 1.175,-- Eu­ro (brut­to).

II. Mit be­sag­ten „Er­eig­nis­sen“ hat es fol­gen­de Be­wandt­nis:

1. Nach­dem der Be­klag­te un­ter dem Da­tum des 11. Ju­ni 2014 das Ar­beits­verhält­nis während der Pro­be­zeit zu kündi­gen ver­sucht, die Kläge­rin ihm je­doch recht­zei­tig ih­re sei­ner­zeit be­ste­hen­de Schwan­ger­schaft an­ge­zeigt hat­te, stell­te die (zufällig) auch dies­mal wie­der be­fass­te Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Ber­lin im Vor­pro­zess glei­chen Ru­brums (28 Ca 9310/14) durch Ur­teil vom 8. Au­gust 2014 (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge II.) an­trags­gemäß fest, dass die Kündi­gung das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en in Er­man­ge­lung vor­he­ri­ger Kon­sul­ta­ti­on der zuständi­gen Schutz­behörde nicht auf­gelöst ha­be. In den Gründen ver­wies das

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Ge­richt auf das in § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ko­di­fi­zier­te Kündi­gungs­ver­bot , des­sen Text es im dor­ti­gen Ur­teil zu­gleich wört­lich zi­tier­te .

2. Un­ter­des­sen hat­te die be­han­deln­de Ärz­tin der Kläge­rin (wohl ) per 1. Ju­li 2014 zum Schutz des Schwan­ger­schafts­ver­laufs für die Zeit bis 13. De­zem­ber 2014 – sechs Wo­chen vor der zum 25. Ja­nu­ar 2015 pro­gnos­ti­zier­ten Ent­bin­dung - so­ge­nann­tes in­di­vi­du­el­les Beschäfti­gungs­ver­bot (§ 3 Abs. 1 MuSchG ) verfügt, von dem der Be­klag­te Kennt­nis er­hielt .

3. Mit Schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2014 (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge III.), das sei­ne Adres­sa­tin tags dar­auf (19. De­zem­ber 2014) er­reich­te, ließ er die Kläge­rin wie­der­um oh­ne Kon­sul­ta­ti­on der vor­erwähn­ten Schutz­behörde fol­gen­des wis­sen:

„Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses

… hier­mit

k ü n d i g e

ich das zwi­schen uns be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis frist­los aus wich­ti­gem Grund.

Das Beschäfti­gungs­ver­bot Ih­rer Frau­enärz­tin vom 01.07.2014 ist am 13.12.2014 aus­ge­lau­fen – wenn es nicht oh­ne­hin schon vor­her ge­en­det hat, was sich mei­ner Kennt­nis ent­zieht.

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Ich hat­te Sie schon im Schrei­ben vom 14.07.2014 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ich mir für den Fall des un­ent­schul­dig­ten Feh­lens von der Ar­beit die frist­lo­se Kündi­gung vor­be­hal­te.

Bit­te mel­den Sie sich um­ge­hend beim Ar­beits­amt.

Für die be­vor­ste­hen­den Fei­er­ta­ge wünsche ich Ih­nen al­les Gu­te“.

III. Da­mit will es die Kläge­rin nicht be­wen­den las­sen. Sie hat den Be­klag­ten mit ih­rer am 23. De­zem­ber 2014 bei Ge­richt ein­ge­reich­ten und 13 Ta­ge später (5. Ja­nu­ar 2015) zu­ge­stell­ten Kla­ge zunächst auf Fest­stel­lung in An­spruch ge­nom­men, dass die Kündi­gung das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det ha­be. Sie be­zieht sich auf ih­ren dem Be­klag­ten schon aus dem Vor­pro­zess be­kann­ten „Mut­ter­pass“ (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge IV.), dem zu ent­neh­men ist, dass vor­aus­sicht­li­cher Ge­burts­ter­min der 25. Ja­nu­ar 2015 sei . Hier­nach fal­le die Kündi­gungs­erklärung seit 14. De­zem­ber 2014 in das – dies­mal ge­setz­li­che - Beschäfti­gungs­ver­bot (§ 3 Abs. 2 MuSchG ). Außer­dem sei die Kündi­gung mit Rück­sicht auf § 9 Abs. 1 MuSchG un­wirk­sam . - Mit Schrift­satz vom 26. Ja­nu­ar 2015 (Zu­stel­lung: 30. Ja­nu­ar 2015) hat die Kläge­rin ih­re Rechts­schutz­be­geh­ren un­ter Hin­weis auf jünge­re Ju­di­ka­tur des Ach­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) und § 15 Abs. 2 AGG um den An­trag auf Gel­dentschädi­gung er­wei­tern las­sen, die sie mit 1.500,-- Eu­ro be­zif­fert se­hen will . Sie hält es we­gen der „Umstände der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung“ und we­gen sei­nes Kennt­nis­stan­des aus dem Vor­pro­zess für na­he ge­legt, dass der Be­klag­te sie we­gen ih­rer Schwan­ger­schaft und so­mit un­mit­tel­bar we­gen ih­res Ge­schlechts gekündigt ha­be .

IV. Die Kläge­rin be­an­tragt zu­letzt sinn­gemäß,

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1. fest­zu­stel­len, dass die Kündi­gung des Be­klag­ten im Schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2014 das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht be­en­det hat;

2. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr ei­ne der Höhe nach ins Er­mes­sen des Ge­richts ge­stell­te Entschädi­gung, die 1.500,-- Eu­ro nicht un­ter­schrei­ten soll­te, nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Zu­stel­lung der Kla­ge­er­wei­te­rungs­schrift zu zah­len.

Der Be­klag­te be­an­tragt,


die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

V. Er hält das Kla­ge­be­geh­ren der Sa­che nach für ge­gen­stands­los . Hier­zu legt er zunächst Wert auf die Fest­stel­lung, die Kläge­rin ha­be „schon bei der Ein­stel­lung“ ge­wusst, dass sie schwan­ger ge­we­sen sei . Gleich­wohl ha­be sie der Kanz­lei im Mai 2014 mit­ge­teilt, ei­nen „Ma­gen-Darm-In­fekt“ zu ha­ben, und dies in meh­re­ren E-Mails wie­der­holt bestätigt . Nach­dem sie am 3. Ju­ni 2014 er­neut mit­ge­teilt ha­be, wei­ter­hin krank zu sein, ha­be er sie in der Pro­be­zeit gekündigt . Acht Ta­ge nach Emp­fang der Kündi­gung ha­be sie ihm dann ih­re Schwan­ger­schaft mit­ge­teilt . - Im Übri­gen ha­be die Kläge­rin, wie er meint, spätes­tens nach Ab­lauf des (in­di­vi­du­el­len) Beschäfti­gungs­ver­bots mit dem 13. De­zem­ber 2014 „mit­tei­len müssen, dass sie im Mut­ter­schutz sei“ . Da ei­ne sol­che Mit­tei­lung je­doch nicht er­folgt sei, ha­be er die hie­si­ge Kündi­gung aus­ge­spro­chen . Zu die­ser Zeit ha­be er „da­von aus­ge­hen“ müssen, „dass die Mit­tei­lung des Mut­ter­schut­zes des­we­gen nicht er­folgt“, „weil die

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Schwan­ger­schaft an­ders schon be­en­det“ sei . Dem­ge­genüber ha­be er „erst aus der Kla­ge“ er­fah­ren, „dass die Kläge­rin noch schwan­ger“ sei . Erst­mals un­ter dem 9. Ja­nu­ar 2015 ha­be sie auch „ih­ren Mut­ter­schutz“ mit­ge­teilt, „der seit dem 14.12.2014 lau­fe“ . Sch­ließlich ha­be sie auch ih­ren An­trag auf El­tern­zeit erst mit der Ge­burt des Kin­des am 13. Ja­nu­ar 2015 ge­stellt . „Trotz später Mit­tei­lung“ sei El­tern­zeit „gewährt“ wor­den . Auf die­sem Hin­ter­grund sei auch die hie­si­ge Kla­ge „je­den­falls er­le­digt im Punk­te der Fra­ge des Fort­be­stands des Ar­beits­verhält­nis­ses“ . Man könne, wie er meint, „nicht vor­be­halt­los zah­len und El­tern­zeit gewähren und gleich­zei­tig an ei­ner vor­her aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung fest­hal­ten“ . - Es ge­be aber auch kei­nen „Ver­s­toß ge­gen das An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­setz“ . Er hätte die Kläge­rin ger­ne wei­ter­beschäftigt, „wenn sie nicht wie­der­holt nach Ein­stel­lung (!) wis­sent­lich die Un­wahr­heit ge­sagt hätte, wenn sie nicht er­sicht­lich in Ab­stim­mung mit ih­rem frühe­ren (und mut­maßlich auch zukünf­ti­gen) Ar­beit­ge­ber, ih­rem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten sich dar­auf ver­steift hätte, je­de Kom­mu­ni­ka­ti­on mit … [ihm; Be­klag­tem] so, wie es ei­nem Ar­beits­verhält­nis ent­spricht, zu ver­wei­gern und statt ir­gend­ei­ner sinn­vol­len außer­ge­richt­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on nur die Kon­fron­ta­ti­on über Rechts­streit zu su­chen“ . Für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­be es „schlicht kei­ne Grund­la­ge auf­grund des Ver­hal­tens der Kläge­rin“ . - Sch­ließlich legt der Be­klag­te Wert auf die Fest­stel­lung, es könn­ten „di­ver­se ge­genwärti­ge und frühe­re Mit­ar­bei­te­rin­nen als Zeu­gen dafür be­nannt wer­den dafür, dass Mit­ar­bei­te­rin­nen mit klei­nen Kin­dern, auch Al­lein­er­zie­hen­de“ in sei­ner Kanz­lei „stets be­vor­zugt“ wor­den sei­en und würden, und dies auf­grund sei­ner persönli­chen Ein­stel­lung mit sel­ber drei Kin­dern . Auch ge­genwärtig wer­de „ei­ne Schwan­ge­re beschäftigt – die Nach­fol­ge­rin der Kläge­rin“, die vor­aus­sicht­lich am 4. Ju­ni 2015 ent­bin­den wer­de .

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VI. Hier­zu er­wi­dert die Kläge­rin un­ter an­de­rem , sie ha­be erst durch ent­spre­chen­de Fest­stel­lung ih­rer Ärz­tin am 28. Mai 2014 von ih­rer Schwan­ger­schaft er­fah­ren . Im Übri­gen ver­su­che der Be­klag­te „of­fen­sicht­lich, sein streit­ge­genständ­li­ches Ver­hal­ten – die er­neu­te Kündi­gung“ ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses „trotz Vor­lie­gen des Schwan­ger­schafts­nach­wei­ses (An­la­ge K 3 [Ur­teils­an­la­ge IV.; d.U.]) - mit der ver­leum­de­ri­schen Be­haup­tung zu re­la­ti­vie­ren“, sie ha­be „wie­der­holt nach Ein­stel­lung (!) wis­sent­lich die Un­wahr­heit ge­sagt“ . In­so­fern wer­de Be­weis durch Zeug­nis der da­mals be­han­deln­den Ärz­tin dafür an­ge­bo­ten, dass die da­ma­li­gen Krank­schrei­bun­gen seit 14. und 21. Mai 2014 von der Ärz­tin in der Tat mit ei­nem Ma­gen-Darm-In­fekt be­gründet wor­den sei­en . - Im Übri­gen sei ei­ne schwan­ge­re Ar­beit­neh­me­rin natürlich „in der Pflicht, den Ar­beit­ge­ber über ei­ne vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung der Schwan­ger­schaft zu in­for­mie­ren“ . Sie sei aber, wie § 5 MuSchG be­le­ge, nicht in der Pflicht, den Ar­beit­ge­ber über die Fort­dau­er der Schwan­ger­schaft zu in­for­mie­ren . - Un­abhängig da­von ha­be sie dem Be­klag­ten am 16. De­zem­ber 2014 – dem Tag, an dem das ge­setz­li­che Beschäfti­gungs­ver­bot be­gon­nen ha­be – ei­ne Be­schei­ni­gung ih­rer Frau­enärz­tin über den Ein­tritt des ge­setz­li­chen Beschäfti­gungs­ver­bots per Ein­wur­fein­schrei­ben über­sandt . Die­se Sen­dung sei dem Be­klag­ten am 19. De­zem­ber 2014 zu­ge­stellt wor­den .

VII. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze und auf de­ren An­la­gen so­wie auf den In­halt der Sit­zungs­nie­der­schrif­ten ver­wie­sen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

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Der Kla­ge konn­te der Er­folg nicht ver­sagt blei­ben. Das gilt für bei­de An­trags­be­geh­ren der Kläge­rin. - Im Ein­zel­nen:

I. Die Kündi­gung (An­trag zu 1.)

Die be­an­trag­te Fest­stel­lung war zu tref­fen. Die Kündi­gung im Schrei­ben vom
18. De­zem­ber 2014 (Ur­teils­an­la­ge III.) hat das Ar­beits­verhält­nis nicht mit so­for­ti­ger Wir­kung bei Zu­gang auf­gelöst und sie wird die­sen Ef­fekt man­gels Wirk­sam­keit auch nicht zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt er­zie­len. - Der Rei­he nach:

1. Die Kläge­rin hat ih­re Fest­stel­lungs­kla­ge bin­nen drei­er Wo­chen nach Zu gang des Kündi­gungs­schrei­bens (19. De­zem­ber 2014) bei Ge­richt ein­rei­chen las­sen (23. De­zem­ber 2014). Die Zu­stel­lung ist am 5. Ja­nu­ar 2015 be­wirkt wor­den. Da­mit hat die Kläge­rin selbst oh­ne die an­dern­falls recht­lich ge­bo­te­ne Berück­sich­ti­gung der ge­setz­li­chen Wer­tun­gen aus § 167 ZPO die ihr durch § 4 Satz 1 KSchG zur Kla­ge­er­he­bung ge­setz­te dreiwöchi­ge Frist ge­wahrt. Die Kündi­gung „gilt“ folg­lich nicht schon kraft Ge­set­zes nach § 7 (1. Halb­satz) KSchG als „von An­fang an rechts­wirk­sam“. Sie be­darf hier zwar zu ih­rer Wirk­sam­keit kei­nes be­son­de­ren Grun­des, darf je­doch nicht ge­gen zwin­gen­des Ge­set­zes­recht ver­s­toßen.

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2. Letz­te­rem (kein Ge­set­zes­ver­s­toß) ent­spricht die Kündi­gung in­des­sen nicht und das be­darf nicht vie­ler Wor­te: Wie im Vor­pro­zess be­reits der da­ma­li­gen Kündi­gung vom 11. Ju­ni 2014 be­schei­nigt wer­den muss­te, verstößt auch die hie­si­ge Kündi­gungs­erklärung in Er­man­ge­lung vor­he­ri­ger Kon­sul­ta­ti­on der zuständi­gen Schutz­behörde ge­gen § 9 MuSchG , so­dass ihr recht­li­ches Schick­sal nach § 134 BGB gleich­falls auf An­hieb be­sie­gelt ist. An­ders als im Vor­pro­zess war das mut­ter­schutz­recht­li­che Kon­sul­ta­ti­ons­ge­bot dem Be­klag­ten dies­mal al­ler­dings so­gar po­si­tiv be­kannt. Dies hat ihn zur ein­schlägi­gen Ver­fah­rens­vor­sor­ge je­doch er­sicht­lich nicht mo­ti­vie­ren können.

3. Die Kon­se­quen­zen ver­deut­licht der Te­nor zu I. des Ur­teils.

II. Die Gel­dentschädi­gung (An­trag zu 2.)

Als be­rech­tigt er­weist sich nach den Verhält­nis­sen des Streit­falls auch der Wunsch der Kläge­rin nach Gel­dentschädi­gung in der er­be­te­nen Höhe. Der An­spruch auf die Haupt­for­de­rung er­gibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 2 AGG , während Pro­zess­zin­sen auf­grund der §§ 291 , 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Ver­bin­dung mit §§ 261 Abs. 1 , 253 Abs. 1 ZPO) wie be­an­tragt ge­schul­det sind.

1. § 15 Abs. 2 AGG flan­kiert das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot der §§ 7 Abs. 1 , 1 AGG ne­ben dem ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 15 Abs. 1

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AGG mit der Zu­bil­li­gung „an­ge­mes­se­ner Entschädi­gung in Geld“, die nicht nur der – ge­setz­lich un­wi­der­leg­bar un­ter­stell­ten – Kränkung des Be­trof­fe­nen ei­nen ma­te­ri­el­len Aus­gleich ver­schaf­fen, son­dern durch Verhängung und Be­mes­sung auch möglichst künf­ti­ge Hem­mun­gen ge­gen das nor­ma­tiv verpönte Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­hal­ten er­zeu­gen soll . Zur pro­zes­sua­len Hand­ha­bung be­stimmt § 22 AGG da­bei, dass der An­spruchs­geg­ner die Be­weis­last dafür trägt, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen trägt, wenn der An­spruch­stel­ler zu­min­dest „In­di­zi­en“ be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des § 1 AGG ver­mu­ten las­sen.

2. Nach die­sen Grundsätzen ist ei­ner Haf­tung des hie­si­gen Be­klag­ten auf Gel­dentschädi­gung in der Tat nicht aus­zu­wei­chen. Dar­an können sei­ne Einwände nichts ändern. - In­so­fern, letzt­ma­lig, der Rei­he nach:

a. Der Ach­te Se­nat des BAG hat im von der Kläge­rin denn auch für sich auf­ge­grif­fe­nen Ur­teil das in der Tat äußerst rück­sichts­lo­se Ge­ba­ren ei­nes Ar­beit­ge­bers zum An­lass ge­nom­men, den Rechts­satz auf­zu­stel­len, dass die Miss­ach­tung der be­son­de­ren Schutz­vor­schrif­ten des Mut­ter­schutz­ge­set­zes zu Guns­ten der wer­den­den Mut­ter bei Erklärung (dort) der ers­ten Kündi­gung ei­ne

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Be­nach­tei­li­gung der (dor­ti­gen) Kläge­rin we­gen ih­rer Schwan­ger­schaft und da­mit we­gen ih­res Ge­schlechts im Sin­ne der §§ 3 Abs. 1 Satz 2 , 1 AGG in­di­zie­re . Den Ein­wand des dor­ti­gen Ar­beit­ge­bers, er ha­be sei­ner­zeit „nicht ge­wusst, ob ,bei der Kläge­rin die Schutz­vor­schrif­ten zum Mut­ter­schutz noch gel­ten oder nicht'“, be­schied der Se­nat mit den Wor­ten, dies wir­ke (so­gar) „verstärkend“ : Ein Ar­beit­ge­ber, der die Möglich­keit ei­nes ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Kündi­gungs­ver­bo­tes er­kennt und gleich­wohl ei­ne Kündi­gung aus­spricht oder die Kündi­gung aus ge­nau die­ser Über­le­gung wie­der­holt, wol­le „erst recht“ we­gen des Ge­schlechts der Ar­beit­neh­me­rin be­nach­tei­li­gen .

b. Das muss auch der hie­si­ge Be­klag­te ge­gen sich gel­ten las­sen: Er nimmt zwar für sich in An­spruch (s. oben, S. 5 [oben]), nach Ab­lauf des (in­di­vi­du­el­len) Beschäfti­gungs­ver­bots mit dem 13. De­zem­ber 2014 „da­von aus­ge­gan­gen“ zu sein, dass die Schwan­ger­schaft der Kläge­rin „an­ders schon be­en­det“ sei. Für die Plau­si­bi­lität ei­ner sol­chen An­nah­me lie­fert er al­ler­dings kei­ner­lei An­halts­punk­te. Tatsächlich be­deu­tet sei­ne Ein­las­sung so­mit im Klar­text nichts an­de­res, als dass er an­ge­sichts sei­ner Vor­kennt­nis­se aus Vor­pro­zess (s. oben, S. 2 [II.1.]) und „Mut­ter­pass“ der Kläge­rin (s. oben, S. 3 [III.]; Ur­teils­an­la­ge IV.) mit der Fort­dau­er der Schwan­ger­schaft hat rech­nen müssen, sich die­ser Ein­sicht in­des­sen rund­her­aus ver­schlos­sen hat. Statt die Kläge­rin in sol­cher La­ge kur­zer­hand neu­er­lich oh­ne Wah­rung des Kon­sul­ta­ti­ons­ge­bots des des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG im Al­lein­gang den Be­las­tun­gen ei­ner Kündi­gungs­pro­ze­dur aus­zu­set­zen, hätte es ihm zur Ver­mei­dung be­sag­ter in­di­zi­el­ler Wir­kung ob­le­gen, et­wai­ge Zwei­fel an der Fort­dau­er ih­rer Schwan­ger­schaft not­falls über de­ren Be­vollmäch­tig­ten durch ein­fa­che

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Rück­fra­ge aus­zuräum­en. Wie schon durch die erwähn­te Ju­di­ka­tur des Ach­ten Se­nats des BAG vor­ge­zeich­net, bleibt der Hin­weis auf ver­meint­li­che „Gutgläubig­keit“ folg­lich auch hier un­taug­lich, ei­ner Haf­tung auf Gel­dentschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG zu ent­ge­hen. Das­sel­be gilt für die übri­ge Rechts­ver­tei­di­gung des Be­klag­ten: So­weit er in­so­fern im Blick auf an­de­re Beschäftig­te sei­ner Kanz­lei der Sa­che nach für sich in An­spruch nimmt (s. oben, S. 5 [un­ten]), die­sen mit Wohl­wol­len und Em­pa­thie zu be­geg­nen, möge er dar­in aus vol­lem Her­zen bestärkt sein. Das ändert al­ler­dings nichts dar­an, dass da­von im Fal­le der Kläge­rin nichts zu spüren ist: In­so­fern stimm­te es, käme es dar­auf an noch, spätes­tens nach­denk­lich, dass er sei­ne hie­si­ge Kündi­gung noch mit den Wor­ten hat aus­klin­gen las­sen: „Für die be­vor­ste­hen­den Fei­er­ta­ge wünsche ich Ih­nen al­les Gu­te“. - Was schließlich den Be­trag der nach al­lem ver­wirk­ten Entschädi­gung an­ge­langt, so er­scheint die­ser mit 1.500,-- Eu­ro in der Tat auch we­der zu hoch, noch zu ge­ring, son­dern in je­der Hin­sicht als an­ge­mes­sen be­zif­fert.

3. Das Er­geb­nis die­ser Be­fun­de spie­gelt der Te­nor zu II .

III. Kos­ten und Streit­wer­te

Für Kos­ten und Streit­wer­te lässt es sich kurz ma­chen:

1. So­weit das Ge­richt auch oh­ne be­kun­de­ten Wunsch der Par­tei­en über die Ver­pflich­tung zur Tra­gung der Kos­ten sei­ner In­an­spruch­nah­me ent­schie­den hat, be­durf­te es hier­zu kei­nes An­trags (§ 308 Abs. 2 ZPO ). Die­se Kos­ten hat das Ge­richt dem Be­klag­ten als un­ter­le­ge­ner Par­tei zu­wei­sen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ; Te­nor zu III.).

2. Den Wert der Streit­ge­genstände hat es auf­grund des § 61 Abs. 1 ArbGG im Te­nor fest­ge­setzt und für die Kündi­gungs­schutz­kla­ge nach Maßga­be des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG mit der drei­fa­chen Mo­nats­vergütung der Kläge­rin be­mes­sen, al­so mit (3 x 1.175,-- Eu­ro = ) 3.525,-- Eu­ro. Der Wert des Entschädi­gungs­an­trags ist mit dem be­zif­fer­ten Be­trag der For­de­rung ver­an­schlagt, al­so mit 1.500,-- Eu­ro. Da­mit macht zu­sam­men (3.525,-- Eu­ro + 1.500,-- Eu­ro = ) 5.025,-- Eu­ro und erklärt den Te­nor zu IV

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g e n

Ge­gen die­ses Ur­teil kann vom Be­klag­ten Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt oder ei­nem Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft bzw. ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände ein­ge­reicht wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

bei dem

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Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,

Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin

ein­ge­gan­gen sein. Die Be­ru­fungs­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, so­wie die Erklärung ent­hal­ten, dass die Be­ru­fung ge­gen die­ses Ur­teil ein­ge­legt wer­de.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

in glei­cher Form schrift­lich zu be­gründen.

Die Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments im Sin­ne des § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te un­ter www.ber­lin.de/erv.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Da­bei ist zu be­ach­ten, dass bei ei­ner Zu­stel­lung durch Nie­der­le­gung bei ei­ner Nie­der­las­sung der Deut­schen Post AG die Frist be­reits mit der Nie­der­le­gung und Be­nach­rich­ti­gung in Lauf ge­setzt wird, al­so nicht erst mit der Ab­ho­lung der Sen­dung. Das Zu­stel­lungs­da­tum ist auf dem Um­schlag ver­merkt.

Für die Kläge­rin ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Von der Be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.

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Wei­te­re Statt­haf­tig­keits­vor­aus­set­zun­gen er­ge­ben sich aus § 64 Abs. 2 ArbGG:
„Die Be­ru­fung kann nur ein­ge­legt wer­den,

a) wenn sie in dem Ur­teil zu­ge­las­sen wor­den ist,

b) wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600 Eu­ro über­steigt,

c) in Rechts­strei­tig­kei­ten über das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses oder

d) wenn es sich um ein Versäum­nis­ur­teil han­delt, ge­gen das der Ein­spruch an sich nicht statt­haft ist, wenn die Be­ru­fung oder An­schluss­be­ru­fung dar­auf gestützt wird, dass der Fall schuld­haf­ter Versäum­ung nicht vor­ge­le­gen ha­be“.

 

D r . R . .


 

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